Kaum ein Unternehmensbereich hat in den vergangenen 30 Jahren eine dermaßen dynamische Genese durchgemacht, wie die Organisations- und Personalentwicklung. Das aus den USA stammende Konzept Human Resource Management (HRM) findet auch in Österreich zunehmend Anerkennung. Insbesondere die systematische Integration bislang getrennt gehandhabter Personalbeschaffungs- und Entwicklungsmaßnahmen sowie deren Einbindung in Strategie- und Strukturentscheidungen aus einer General Management-Perspektive haben sich in den letzten Jahren stark weiterentwickelt. Diese Entwicklung bedingt zweifelsohne auch die vermehrte Verwendung eignungsdiagnostischer Verfahren wie zum Beispiel der Potenzialanalyse, welche in dieser Abhandlung aus verschiedenen Perspektiven betrachtet wird.
Inhaltsverzeichnis
EINLEITUNG UND PROBLEMSTELLUNG
Überblick
Methodik
I. DEFINITIONEN, BEGRIFFSKLÄRUNGEN UND SCHNITT-STELLEN.
1 Definitionen
1.1 Arbeits- und Betriebssoziologie
1.2 Personalauswahl
1.3 Personalentwicklung
1.4 Organisationsentwicklung
1.5 Arbeit
1.6 Menschenbild
1.7 Die Potenzialanalyse
1.8 Die 360 Grad – Analyse
1.9 Das Assessment Center
1.10 Das Development Center
2 Begriffsklärungen
2.1 Moral und Ethik
2.2 Ethische Verantwortung
2.3 Psychologische Diagnostik
2.4 Personalmanagement und Organisationsentwicklung
3 Schnittstellen
3.1 Arbeitssoziologie und Recht
3.2 Schnittstellen zu anderen Gebieten
II. Arbeits- und Industriesoziologie: Personal- und Organisationsentwicklung im Wandel.
1 Betrieb vs. Organisation Die Subsumierung des Unternehmens unter die Logik der Profitmaximierung oder die Betonung der Eigenlogik der Organisation
1.1 Der Marx`sche Grundgedanke
1.2 Tayloristische vs. Ganzheitliche Arbeitsformen
1.2.1 Tayloristisch-fordistische Arbeitsstrukturen
1.2.2 Ganzheitlichere Arbeitsformen
1.3 Die Debattenstruktur bei der Frage der Betriebsorganisation
1.4 Der Ansatz der Theorie funktionaler Differenzierung
1.5 Offene Fragen
2 Die Industriesoziologie und das Phänomen der Tertiarisierung
2.1 Tertiarisierung auf sektoraler Ebene
2.2 Tertiarisierung auf der Ebene der Unternehmen
2.3 Tertiarisierung im industriellen Arbeitsprozess
3 Der Zusammenhang zwischen Industriesoziologie und Betriebswirtschaft
4 Die Stellung der Potenzialanalyse der Potenzialanalyse im Kontext der Industrie- und Arbeitssoziologie
5 Diskussion – Industriesoziologie, Betriebswirtschaft und Potenzialanalyse
III. Human Resource Management und Unternehmensstrategie
1 Von der Personalverwaltung zum Human Resource Management
2 Aktuelle HRM-Konzepte
2.1 Das Michigan-Konzept
2.2 Das Harvard-Konzept
3 Die Verbindung von HRM und Unternehmensstrategie
3.1 Das Konzept der Unternehmensstrategie
3.1.1 Das Konzept
3.1.2 Kritik
3.2 Das Konzept der strategischen Planung
3.2.1 Das Konzept
3.2.2 Kritik
3.3 Das Konzept des strategischen Managements
3.3.1 Das Konzept
3.3.2 Kritik
3.4 Das Konzept der integrativen Unternehmensentwicklung
3.4.1 Das Konzept
3.4.2 Kritik
4 Widersprüche
5 Zusammenfassung
IV. Die Potenzanalyse AUS industriesoziologischer, methodischer, ethischer und unternehmens-ethischer Sicht.
1 Grundlegende Gedanken zur Ausgangslage
2 Die Potenzialanalyse und andere eignungsdiagnostische Verfahren aus methodischer Sicht.
2.1 Psychometrische Qualität
2.1.1 Anforderungsbezug
2.1.2 Wissenschaftliche Gütekriterien
2.1.3 Organisationale Effizienz
2.1.4 Nutzen-/Kosten-Relation, Durchführungsaufwand
2.1.5 Soziale Qualität
2.1.6 Prozess- und Verfahrensqualität
2.1.7 Soziale Validität
3 Betriebliche Eignungsdiagnostik aus ethischer Sicht
3.1 Personalauswahlverfahren auf dem ethischen Prüfstand
3.1.1 Einleitung
3.1.2 Kompetenzerfordernisse und Verfügbarkeit
3.2 Ethische Spezifika der Potenzialanalyse
3.2 1 Ausgangslage
3.2.2 Ethische Spezifika des Interviews
3.2.2.1 Auswahl der Interviewmethode
3.2.2.2 Urteilskompetenz des Interviewers
3.2.2.3 Vermeidung von systematischen Fehlern und Verzerrungen
3.2.2.4 Zulässigkeit von Fragen
3.2.2.5 Schaffen von Akzeptanz und Kooperation / Soziale Validität
3.2.3 Ethische Spezifika der testpsychologischen Untersuchung
3.2.3.1 Auswahl der Testmethode
3.2.3.2 Konfidenzintervalle und Streuung
3.2.3.3 Mustergutachten
3.3 Kritische Anmerkungen
4 Unternehmensethische Aspekte
4.1 Ein Plädoyer für Unternehmensethik - Ethik als Erfolgsfaktor
4.1.1 Ethik ohne Moral
4.1.4 Opportunismus - Die vergessene Differenz von Legitimität und Akzeptanz.
4.1.5 Das Recht des Stärkeren
4.1.6 Das Konzept verdienter Reputation
4.2 Der Stakeholder Humankapital – Einige neuere Sichtweisen und Analysemethoden
4.2.1 Grundlagen
4.2.2 Argumente für ein Stakeholder-Modell mit intrinsischem Commitment
4.2.3 Warum ist der Stakeholder „Humankapital“ so wichtig?
4.2.4 Governance 1: Die quantitative Evaluation der Stakeholders Humankapital.
4.2.5 Governance 2: Ethik und Reputationsmanagement
4.3 Kritische Anmerkungen
5 Empirische Ergebnisse
5.1 Einführung in die Fragestellung
5.2 Forschungsfragen
5.2.1 Forschungsfrage 1
5.2.2 Forschungsfrage 2
5.2.3 Forschungsfrage 3
5.3 Methode
5.4 Auswertung
5.4.1 Auswertung von Forschungsfrage 1
5.4.2 Auswertung von Forschungsfrage 2 und 3
5.5 Ergebnisse
5.5.1 Daten
5.5.2 Darstellung der Ergebnisse
5.5.2.1 Forschungsfrage 1
5.5.2.2 Forschungsfrage 2
5.5.2.3 Forschungsfrage 3
5.6 Zusammenfassung
5.7 Diskussion
6 Das Problem der Macht
6.1 Einleitung
6.2 Wer intendiert die Beeinflussung des Lebenslaufs?
6.3 Welche Art Daten werden gesammelt?
6.4 Wie werden die Entscheidungen gerechtfertigt?
6.5 Wer trifft die Entscheidungen?
6.6 Schlussbemerkung
7 Zusammenfassung – Die Potenzanalyse aus industriesoziologischer, methodischer, ethischer und unternehmensethischer Sicht
8 Diskussion
V. DIE POTENZIALANALYSE AUS ARBEITSRECHTLICHER SICHT
1 Grundlegende Gedanken zur Ausgangslage
2 Arbeitsrecht
2.1 Voraussetzungen der Durchführung von Potenzialanalysen an schon beschäftigten Mitarbeitern.
2.1.1 Grundsätzliches
2.1.2 Der individuelle Arbeitsvertrag und die Betriebsvereinbarung im Zusammenhang mit der potenzialanalytischen Untersuchung.
2.2 Mögliche Konsequenzen
2.2.1 Überblick – Betriebsverfassungsrechtliche Aspekte im Zusammenhang mit möglichen Konsequenzen potenzialanalytischer Verfahren
2.2.1.1 Versetzung
2.2.1.2 Beendigung des Arbeitsverhältnisses
2.2.1.3 Personaldaten- und Personalbeurteilungssysteme
2.2.2 Die mögliche Konsequenz der innerbetrieblichen Versetzung aufgrund von Potenzialanalysen
2.2.2.1 Zwei-Ebenen-Theorie
2.2.2.2 Der Versetzungsbegriff
2.2.2.3 Arbeitsvertragsrechtlicher Versetzungsschutz
2.2.2.3.1 Grundsätzliches
2.2.2.3.2 Arbeitsvertraglicher Versetzungsschutz im Zusammenhang mit der Potenzialanalyse.
2.2.2.4 Betriebsverfassungsrechtlicher Versetzungsschutz
2.2.2.4.1 Grundsätzliches
2.2.2.4.2 Der betriebsverfassungsrechtliche Versetzungsschutz im Zusammenhang mit der Potenzialanalyse.
2.2.2.5 Konsequenzen rechtswidriger Versetzung
2.2.2.5.1 Grundsätzliches
2.2.2.5.2 Konsequenzen rechtswidriger Versetzung aufgrund eines potenzialanalytischen Verfahrens.
2.2.2.6 Spezialfall: Vom Angestellten zum Arbeiter aufgrund der Ergebnisse aus Potenzialanalysen?.
2.2.3 Zur möglichen Konsequenz der Kündigung und/oder Änderungskündigung aufgrund von Potenzialanalysen
2.2.3.1 Kündigung
2.2.3.2 Änderungskündigung und Teilkündigung
2.2.3.3 Kündigungsanfechtung bzw. Geltendmachung der Nichtigkeit einer sittenwidrigen Kündigung
2.2.3.3.1 Grundsätzliches
2.2.3.3.2 Anfechtung wegen verpönter Motivkündigungen
2.2.3.3.3 Die Geltendmachung der Nichtigkeit bei einer sittenwidrigen Kündigung
2.2.3.3.4 Anfechtung sozial ungerechtfertigter Kündigungen
2.2.3.4 Kündigungsanfechtung aufgrund der Kündigung nach einem potenzialanalytischen Verfahren.
2.2.4 § 1155 ABGB
2.2.4.1 Reichweite der Arbeitgebersphäre
2.2.4.2 Entgeltanspruch trotz Entfall der Arbeitsleistung
2.2.4.3 Theoretische Ansätze
2.2.4.4 Anwendungsfälle des § 1155 ABGB im Falle von Problemen im Zusammenhang mit Potenzialanalysen; Abgrenzung zur neutralen Sphäre
2.2.4.4.1 Rechtswidrige Dispositionen des Arbeitgebers
2.2.4.4.1.1 Grundsätzliches
2.2.4.4.1.2 Rechtswidrige Dispositionen des Arbeitgebers nach potenzialanalytischen Verfahren.
2.2.4.4.2 Suspendierung des Arbeitnehmers
2.2.4.4.2.1 Grundsätzliches
2.2.4.4.3 Abgrenzung zur neutralen Sphäre
2.2.4.4.3.1 Grundsätzliches
2.2.4.4.3.2 Abgrenzung zur neutralen Sphäre im Fall von potenzialanalytischen Verfahren
2.3 Probleme / Lösungsansätze
2.4 Schlussbemerkung
3 Weiterführende Aspekte
3.1 Allgemeines Persönlichkeitsrecht
3.2 Datenschutz
3.2.1 Allgemeines
3.2.2 Spezielle Aspekte im Zusammenhang mit dem Datenschutz im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses.
3.2.2.1 Das Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers
3.2.2.2 Arbeitnehmerdaten
3.2.2.3 Rechte der Arbeitnehmer
3.2.2.4 Datenschutzbeauftragter und Betriebsrat
3.3 Erlaubte und unerlaubte Fragen beim Bewerbungs- und Einstellungs-gespräch und deren Geltung für den schon beschäftigten Mitarbeiter
3.3.1 Grundsätzliches
3.3.2 Ausgewählte Fragen
3.3.3 Offenbarungspflicht des Bewerbers
3.3.4 Rechtsfolgen
3.3.5 Das GlBG 2004 im Zusammenhang mit erlaubten und unerlaubten Fragen beim Bewerbungs- und Einstellungsgespräch und die Geltung für schon beschäftigte Mitarbeiter
3.3.6 Ausgewählte Items aus den gängigen Persönlichkeitstests – eine kritische Betrachtung
3.3.6.1 Fragen zum Thema Krankheiten/Beschwerden
3.3.6.2 Fragen nach der Religion
3.3.6.3 Fragen zu den bestehenden Familienverhältnissen
3.3.7 Abschließende Bemerkungen
3.4 Schweigepflicht
3.5 Durchführung de lege artis
4 Ergebnisse und Diskussion – Die Potenzialanalyse aus arbeitsrechtlicher Sicht
RESÜMEE
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Das Bild vom Mitarbeiter in drei Managementmodellen
Abbildung 2: Teilfunktionen im Harvard Ansatz
Abbildung 3: Human Resource Management Konzeption
Abbildung 4: Gestaltung von Strukturen und Prozessen zur Durchführung der Strategie
Abbildung 5: Das Konzept des strategischen Managements
Abbildung 6: Das Konzept der integrativen Unternehmensentwicklung
Abbildung 7: Erlebensrelevante Aspekte einer Auswahlsituation
Abbildung 8: Wünsche nach vermehrter Information
Abbildung 9: Informationsgehalt von Auswahlverfahren aus Bewerbersicht
Abbildung 10: Ausgewählte Fragen zu den vier Aspekten der sozialen Validität
Abbildung 11: Standards und konkrete ethische Probleme einer ethisch verantwortlichen Personaldiagnostik
Abbildung 12: Ethische Perspektive der Personalselektion
Abbildung 13: Qualitätskriterien eignungsdiagnostischer Verfahren
Abbildung 14: Bedeutung nonverbalen Verhaltens im Auswahlinterview
Abbildung 15: Auszug aus dem Wiener System
Abbildung 16: Übersicht über die 36 Paradigmata der Diagnostik
EINLEITUNG UND PROBLEMSTELLUNG
„Der Erfolg hat viele Väter, der Misserfolg ist ein Waisenkind“
(John F. Kennedy)
Überblick
Kaum ein Unternehmensbereich hat in den vergangenen 30 Jahren eine dermaßen dynamische Genese durchgemacht, wie die Organisations- und Personalentwicklung. Das aus den USA stammende Konzept Human Resource Management (HRM) findet auch in Österreich zunehmend Anerkennung. Insbesondere die systematische Integration bislang getrennt gehandhabter Personalbeschaffungs- und Entwicklungsmaßnahmen sowie deren Einbindung in Strategie- und Strukturentscheidungen aus einer General Management-Perspektive haben sich in den letzten Jahren stark weiterentwickelt. Diese Entwicklung bedingt zweifelsohne auch die vermehrte Verwendung eignungsdiagnostischer Verfahren wie zum Beispiel der Potenzialanalyse, welche in dieser Abhandlung aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden soll.
In der vorliegenden Arbeit wird - nach einigen Begriffsklärungen und Definitionen (Teil I) und einer kurzen Vorstellung des Konzepts des Human Resource Managements – der Stellenwert des HRM Verfahren in der Industrie- und Arbeitssoziologie insbesondere im Hinblick auf die potenzialanalytischen Verfahren erörtert (Teil II). Ich gehe auf den Marx`schen Grundgedanken ein um dann die tayloristischen den ganzheitlichen Arbeitsformen gegenüberzustellen. Zudem greife ich in diesem Zusammenhang die Debattenstruktur im Hinblick auf die Betriebsorganisation auf. Interessant ist hier insbesondere, in welchen Betrieben und für welche Stellen eine Potenzialanalyse durchgeführt wird und wie dies aus der Geschichte der Industriesoziologie heraus zu werten ist. Ein kritisches Abschlusskapitel zur Materie Industriesoziologie, Betriebswirtschaft und Potenzialanalyse rundet den zweiten Teil ab. Analog dazu beschreibe ich die Entwicklung der strategischen Planung und des strategischen Managements im daran anschließenden Teil III. In Teil IV wird unter anderem anhand von empirischen Forschungsergebnissen herausgearbeitet, inwieweit Potenzialanalysen das Personalmanagement beeinflussen und wie diese Entwicklungen aus industriesoziologischer, methodischer, ethischer und unternehmensethischer Sicht zu bewerten sind. Thema dieses Teils ist auch, inwieweit die HRM–Bewegung mit den in den vorangehenden Kapiteln angesprochenen Paradigmen und Standpunkten vereinbar ist und inwieweit die Machtproblematik in diesem Kontext eine Rolle spielt. Die angesprochenen Themenbereiche werden durch empirische Ergebnisse einer von mir durchgeführten Untersuchung zu diesem Themenkomplex ergänzt und abgerundet. Im Anschluss an den geistes- bzw. wirtschaftswissenschaftlichen Zugang in Teil IV wird die Problematik der eignungsdiagnostischen Verfahren, zu welchen die Potenzialanalyse hinzugerechnet wird, aus rechtlicher Sicht beleuchtet (Teil V). Eingegangen wird insbesondere auf die Durchführungsvoraussetzungen und mögliche Konsequenzen eignungsdiagnostischer Verfahren sowie Lösungsansätze, aber auch auf das Datenschutzrecht, das Persönlichkeitsrecht und andere rechtliche Aspekte wie die Verschwiegenheitspflicht. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Forschungsmaterie bildet den Abschluss dieser Arbeit.
Methodik
Der Quellenarbeit kommt in dieser Dissertation eine übergeordnete Rolle zu.
Voranzustellen ist, dass in Anbetracht des universellen Charakters der Problemstellung der Begriff Quelle in einem quasi „unhistorischen“ Sinn verwendet wird, da unter diesem Begriff nicht nur echte Quellen, wie sie als originäre Dokumente bekannt sind, verwendet werden, sondern generell jede Art von Daten, worunter insbesondere auch Sekundär- und Fachliteratur, Kommentare und ähnliches, wie etwa multimediale Daten, subsumiert werden, weshalb hier die Bezeichnung „Quelle“ mit dem Begriff „Ressource“ gleichzusetzen ist.
Um methodisch korrekt vorzugehen, wurde Validität und Repräsentativität des verfügbaren Datenmaterials eingehend geprüft. Neben einschlägiger Fachliteratur und zahlreichen Seiten im Internet konnte ich auf Materialien aus verschiedenen Fortbildungen, Symposien und Kongressen sowie auf einige Vorlesungsmanuskripte zum Thema Arbeitspsychologie und Industriesoziologie und auf sehr viele Kommentare zurückgreifen. Für die empirischen Ausführungen wurden zudem Potenzialanalysen von den Mitarbeitern verschiedenster Unternehmen ausgewertet und mittels leitfadenorientiertem Interview erhoben, inwieweit das Ergebnis Einfluss auf die berufliche Laufbahn der untersuchten Personen hatte. Zusätzlich wurden in den Betrieben eine Fragebogenuntersuchung und diverse qualitative Interviews im Hinblick auf die hier behandelte Thematik durchgeführt.
I. Definitionen, Begriffsklärungen und Schnittstellen
Im Folgenden sollen die in dieser Arbeit immer wieder verwendeten Schlüsselbegriffe Arbeitssoziologie, Personalauswahl, Personalentwicklung, Organisationsentwicklung, Arbeit, Menschenbild und Potenzialanalyse definiert werden. Ganz bewusst habe ich in diesem Zusammenhang auch zur Potenzialanalyse verwandte Verfahren, wie z.B. die 360°-Analyse, das Assessment-Center oder das Development-Center definiert, um dem Leser eine Unterscheidung zu ermöglichen. Zudem werden – im Zusammenhang mit dem Thema der verantwortungsvollen Personaldiagnostik und der Unternehmensethik – in Kapitel 2 die Begriffe Moral und Ethik, Ethische Verantwortung und Psychologische Diagnostik beschrieben und die in Kapitel 1 definierten Schlüsselbegriffe Personalmanagement und Organisationsentwicklung näher ausgeführt. Um den Kreis zu schließen, werden im dritten Kapitel dieses Teils der Zusammenhang zwischen dem Gebiet der Arbeitssoziologie und der Rechtswissenschaft sowie Schnittstellen zu anderen Gebieten (Sicherheitstechnik, Arbeitspsychologie, Arbeitsmedizin) herausgearbeitet. Abschließend möchte ich kurz auch Schnittstellen zu anderen Gebieten aufzeigen.
1 Definitionen
1.1 Arbeits- und Betriebssoziologie
Die Arbeits- und Betriebssoziologie entwickelte sich aus der Auseinandersetzung mit der wirtschaftlichen Betriebsführung, welche vorwiegend von Effizienzgesichtspunkten dominiert wurde. Gefördert durch die zunehmende sozial- und arbeitsrechtliche Verankerung einer Betriebsverfassung verfolgt die Arbeits- und Betriebssoziologie unter anderem einen Standpunkt der reinen Tatsachenanalyse (vgl. Mikl-Horke, 2000), sie befasst sich mit sozialen Strukturen in Leistungsorganisationen mit wirtschaftlicher Zwecksetzung und legt sowohl Augenmerk auf Wechselwirkungen zwischen Organisation und Gesellschaft als auch auf die Organisation an sich (vgl. grundlegend dazu schon Schelsky, 1955, www.wikipedia.de/ Abfragedatum 03.11.2005).
1.2 Personalauswahl
Die Personalauswahl und Personalselektion bezeichnet die Entscheidung über die Besetzung einer frei gewordenen, frei werdenden oder einer noch zu schaffenden Stelle aus dem Angebot an internen und/oder externen Bewerbern einschließlich der die Personalauswahl vorbereitenden Arbeiten. (vgl. Gabler, Wirtschaftslexikon, S. 2384). Aufgabe der eignungsdiagnostisch gestützten Personalauswahl ist die fähigkeitsgemäße Zuordnung von Personen und Tätigkeiten, nicht aber die Bewertung von Merkmalsausprägungen und von Arbeitsaufgaben, die zu gesellschaftlicher Differenzierung führt (vgl. Schuler, 2000).
1.3 Personalentwicklung
Mit dem Begriff Personalentwicklung werden in der Regel systematisch und oft langfristig angelegte Maßnahmen bezeichnet, mit denen die Qualifikation der Mitarbeiter verbessert wird. Neben der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten steht im Mittelpunkt derPersonalentwicklung häufig die Förderung der Bereitschaft der Mitarbeiter, auf neue fachliche und soziale Herausforderungen im Unternehmen oder am Arbeitsplatz flexibel zu reagieren (z. B. Erfordernis des lebenslangen Lernens oder die Bereitschaft zur Job Rotation (siehe Fußnote 7 auf der nächsten Seite)).
Ziel der Personalentwicklung im Unternehmen ist grundsätzlich der Erhalt oder die Schaffung eines optimalen, leistungsfähigen Mitarbeiterpotenzials als entscheidende Voraussetzung zur Wettbewerbsfähigkeit, zur Entwicklung oder zur Erschließung neuer Märkte (vgl. Sonntag & Schaper, 2001).
Die Personalentwicklung setzt sich in der Praxis aus vielen verschiedenen sowie häufig kombinierten und aufeinander abgestimmten Maßnahmen zusammen (im Wesentlichen zitiert nach Büdenbender/Strutz & Gabler, 1996, grundlegend dazu Argyris, 1957).
1.4 Organisationsentwicklung
Im Gegensatz zur Personalentwicklung bezieht sich Organisationsentwicklung hauptsächlich auf die Entwicklung von Mitarbeitern in ihren organisatorischen Einheiten (Abteilung, Gruppe) mit dem Ziel, langfristige, systematische Veränderungen/Entwicklungen von Organisationsstrukturen und ihren Menschen durch Lernen und Mitwirkung aller Beteiligten sowie einer Verbesserung des Arbeitslebens und der Arbeitsfähigkeit der Organisation zu schaffen.
Damit ist Organisationsentwicklung kein einheitlicher Ansatz, sondern eine Bezeichnung für eine Vielzahl von Methoden und Techniken der Veränderung in und von Organisationen, eine Veränderungsstrategie unter Einbeziehung aller Beteiligten und deren Interessen zur Optimierung von Verhaltensmustern und Organisations- und Kommunikationsstrukturen.
Einige Organisationsentwicklungs-Ansätze (Gestaltungsformen) sind:
- T-Groups[1]
- Sensitivity-Training[2]
- Team-Building[3]
- Führungskonzepte (z. B. Managerial Grid[4] )
Veränderung der organisatorischen Kleinstruktur-Dimensionen im Bereich des Arbeitsplatzes u.a. sind job enrichment[5], job enlargement[6], job rotation[7] und Autonome Arbeitsgruppen.
Organisationsentwicklung arbeitet nach dem Prinzip Hilfe zur Selbsthilfe, Betroffene zu Beteiligten zu machen.
Legt man eine weite Definition zugrunde, so umfasst Personalentwicklung alle Maßnahmen der Bildung (z. B. Berufsausbildung, Weiterbildung, Umschulung), der Förderung (z. B. Karriereplanung, Mitarbeitergespräch, Coaching) und der Organisationsentwicklung (z. B. Teamentwicklung, Projektarbeit, Gruppenarbeit), die zielorientiert geplant, realisiert und evaluiert werden (vgl. Becker, 1999 und Fiege, 2001).
1.5 Arbeit
Die Deutung dessen, was Arbeit ist, variiert über Epochen und Disziplinen. Eine präzise und allgemeine Begriffsbestimmung ist unmöglich. Stengel beschreibt als einzige Gemeinsamkeit zahlreicher Definitionen die Einzigartigkeit des Begriffs und den Stellenwert der Arbeit, die über die Zeiten und Kulturen konstant bleiben (vgl. Stengel, 1997).
Etymologisch stammt „Arbeit“ vom germanischen Verb „arbejo“ ab, welches eine körperliche Tätigkeit beschreibt, zu der ein Kind verdingt wird. Dabei bedeutet das Substantiv von „arbejo“ Arbeit, die eine körperlich schwere Anstrengung, Mühsal und Plage darstellt. Arbeit wird aber auch mit dem griechischen Substantiv „energia“ in Verbindung gebracht (vgl. Kirchler, 1999 und 2002).
1.6 Menschenbild
Wilpert (1989) beschreibt Menschenbilder als Bezugssysteme, die Werte und Verhaltensweisen von Individuen und der gesamten Gesellschaft beeinflussen.
In der Renaissance wurde ein mechanistisches Menschenbild akzeptiert. Menschen, so die Annahme, würden wie ein Uhrwerk funktionieren, wären steuerbar und reparierbar wie eine Maschine. Menschenbilder sind Bezugssysteme, die Werte und Verhaltensweisen beeinflussen.
Auch Arbeits- und Organisationspsychologie sowie auch insbesondere die Organisationssoziologie sind und waren von Menschenbildern geprägt, die sich im Laufe der Zeit verändert haben (vgl. Kirchler, Meier-Pesti & Hofmann, 2004, Türk, 2000 und Gebert, 1991). Zusammengefasst könnte man sagen, dass man unter Menschenbildern individuelle und soziale Konstruktionen, die im wissenschaftlichen Diskurs entwickelt, akzeptiert, kritisiert und im Laufe der Zeit verändert werden, versteht.
In Folgenden möchte ich die Begriffe Potenzialanalyse, Assessment Center und Development Center gesondert voneinander beschreiben, um dem Leser den Unterschied zwischen den drei klassischen eignungsdiagnostischen Verfahr zu verdeutlichen:
1.7 Die Potenzialanalyse
Der Begriff Potenzialanalyse bezeichnet die strukturierte Untersuchung des Vorhandenseins bestimmter Eigenschaften (Fähigkeiten).
Potenzialanalysen liefern strukturierte Informationen zu Fragen nach der Fähigkeit von Mitarbeitern, Ereignissen, Mitteln und Organisationen. Sie sind dabei auf die Zukunft ausgerichtet und beantworten die Frage, welche Potenziale schon für die Zukunft vorhanden sind.
Potenzialanalysen werden grundsätzlich in unterschiedlichen Einsatzgebieten und mit verschiedenen Methoden durchgeführt. So kann anhand strukturierter Fragebögen das eigene Karrierepotenzial ermittelt oder das Anforderungsprofil für die Personalselektion überprüft werden. Die Potenzialanalyse erfasst unter anderem Wissen, Fähigkeiten, Motivation und Persönlichkeitsmerkmale der Mitarbeiter. Aus den erfassten Merkmalen wird ein Potenzialprofil erstellt. Dieses wird den betrieblichen Anforderungen gegenübergestellt. In einer folgenden Potenzialentwicklung können entweder die festgestellten Schwächen des Mitarbeiters abgebaut und die Stärken gezielt gefördert werden oder der Mitarbeiter an eine – seinem Potenzial entsprechenden – Stelle versetzt werden, da das Eignungsprofil des Mitarbeiters – aus unternehmerischer Sicht - möglichst dem Anforderungsprofil der Stelle entsprechen sollte.
Die Potenzialanalyse dient der Erfassung der Fähigkeitspotenziale für zukünftige Tätigkeiten und wird nicht nur zur Bewerberauswahl sondern auch für Entscheidungen über die weitere Laufbahn bestehender Mitarbeiter verwendet.
Zum Potenzial eines Mitarbeiters gehören:
- Methodenkompetenz:
Betriebliche Zusammenhänge erfassen, Defizite erkennen und Lösungsvorschläge erarbeiten.
- Sozialkompetenz:
Fähigkeiten im Umgang mit anderen Menschen.
- Fachkompetenz:
Fähigkeit zu lösungsorientiertem Einsatz erlernten Wissens.
- Reflexionskompetenz:
Fähigkeit, das eigene Handeln in unterschiedlichen Situationen kritisch analysieren und bewerten zu können.
- Veränderungskompetenz:
Fähigkeit zu flexibler Reaktion bei Veränderungen im Umfeld und Bereitschaft zu lebenslangem Lernen.
Diese Kompetenzen können jedoch nicht direkt erfasst werden. Daher werden jeder Kompetenz bestimmte Kriterien zugeordnet, die sich besser erfassen lassen. Beispiele für derartige Kriterien sind: Durchsetzungsfähigkeit, Teamfähigkeit, Identifikation mit dem Unternehmen oder Eigenverantwortlichkeit. Die Qualität der Personalanalyse hängt entscheidend von der Auswahl der Kriterien ab, die das Potenzial erfassen sollen (vgl. Skriptum Potenzialanalyse, Fortbildungsakademie das Berufsverbandes Österreichischer Psychologen, 2005).
Es kann zwischen der sequenziellen und der absoluten Potenzialanalyse unterschieden werden. Die sequenzielle Analyse bestimmt das Potenzial in Bezug auf die nächst höhere Laufbahnstufe. Die absolute Analyse versucht festzustellen, wie weit sich der Mitarbeiter überhaupt entwickeln kann.
Standardisierte Verfahren sind notwendig, um die Objektivität der Potenzialanalyse zu gewährleisten.
Leider gibt es nur sehr wenige Potenzialanalysen auf dem Markt, die wissenschaftlich fundiert und valide abgesichert sind. Im Unternehmensalltag werden sehr oft die bekannten Potenzialanalysen eingesetzt, welche den vom Unternehmen gestellten Anforderungen nicht gerecht werden können bzw. mit einer sehr hohen Fehlertoleranz arbeiten. Meines Erachtens sollte, wo es um Menschen geht, eine Analyse möglichst objektive Werte ergeben, ansonsten sind verschiedene subjektive Eindrücke besser und gerechter (siehe dazu ausführlich Teil IV dieser Dissertation). Will man Potenziale von Personen erfassen, ist es sinnvoll, standardisierte und genormte Testverfahren zu verwenden, bei denen Reliabilität, Objektivität und Validität wissenschaftlich erwiesen sind und in denen die sozialen Fähigkeiten, die Intelligenzstruktur und das Verhalten in Stress- und Belastungssituationengestestet wird.
1.8 Die 360 Grad–Analyse
Das 360 Grad-Feedback weist einen multi-perspektivischen Zugang auf, so dass Beurteilung nicht nur durch den Vorgesetzten stattfindet, sondern auch Kollegen, Mitarbeiter, Kunden und die zu beurteilende Person selbst am Prozess beteiligt werden können. Diese Beteiligung mehrerer Gruppen ist ein besonderes Merkmal des 360°-Feedbacks und stellt den Unterschied zu herkömmlichen Top-Down-Beurteilungen oder der auch gelegentlich praktizierten Bottom-up-Methode dar (vgl. Skriptum Arbeitspsychologie, Fortbildungsakademie das Berufsverbandes Österreichischer Psychologen, 2005)[8].
So sehr der multiperspektivische Zugang das 360°-Feedback von anderen Methoden abhebt, so leicht kann dieses Charakteristikum in der Praxis Akzeptanzprobleme bei den Teilnehmern verursachen. Ein weiteres Spezifikum ist die Nutzung bzw. Verarbeitung der Ergebnisse beim 360°-Feedback. Es gibt verschiedene Ansätze in der Literatur und Praxis darüber, wofür die Ergebnisse eingesetzt werden sollen. Zum einen können sie zur persönlichen Weiterentwicklung der Fokusperson dienen, zum anderen können sie aber auch vom Management genutzt werden, um individuelle oder strukturelle, organisationale und personalwirtschaftliche Maßnahmen zu begründen.
1.9 Das Assessment - Center
Der Begriff Assessment-Center wird zur Beschreibung sehr unterschiedlicher Auswahlverfahren verwendet. Er bedeutet „Einschätzungs-, Bewertungs- und Beurteilungszentrum“ (engl.: to assess: beurteilen).
Ein Assessment-Center ist ein aufwändiges Verfahren, in dem mehrere Beobachter und Beobachterinnen (Vertreter der Fachabteilung, Personalabteilung, Psychologen, externe Berater u.a.) einen bzw. mehrere (unternehmensinterne oder -externe) Kandidaten und Kandidatinnen anhand von Verhaltensausprägungen beobachten, beschreiben, beurteilen und einschätzen, um auf der Basis eines zugrunde liegenden Anforderungsprofils deren Eignung für eine konkrete Aufgabe bzw. Stelle zu bewerten. Dieses kosten- und zeitaufwändige Auswahlverfahren wird in der Regel nur bei Stellenbesetzungen mit Hochschulabsolventen bzw. Führungsverantwortung angelegt. Es dauert von einem Tag bis zu drei Tagen und kann auch mehrstufig durchgeführt werden. In der neueren Literatur findet sich häufig auch die Bezeichnung Realitätssimulationsverfahren, die den eigentlichen Ablauf des Verfahrens präziser beschreibt als der Begriff Assessment-Center (vgl. Skriptum Arbeitspsychologie, Fortbildungsakademie das Berufsverbandes Österreichischer Psychologen, 2005).
Bezeichnend für ein Assessment-Center ist, dass die zu beurteilenden Personen nicht nur in einer Situation (z. B. das „klassische Bewerber-Interview“), sondern in mehreren Situationen (Verhaltenssimulationen, Arbeitsproben) über einen längeren Zeitraum beobachtet und bewertet werden können. Insbesondere können durch die geschulten Beobachter die zwischenmenschlichen Kommunikationsfähigkeiten und Führungsqualitäten festgestellt werden, die sich nicht mit gleicher Sicherheit aus Arbeitszeugnissen ableiten lassen.
Einer Einladung zur Teilnahme an einem Assessment-Center geht nicht immer eine Bewerbung auf eine Arbeitsstelle voraus. Möglich sind auch unternehmensinterne Assessment Center, zum Beispiel im Rahmen einer Potenzialanalyse (siehe oben) oder Job-Match-Analyse, die der Auswahl eines Pools geeigneter Kandidaten für Führungsaufgaben dienen (vgl. Skriptum Arbeitspsychologie, Fortbildungsakademie das Berufsverbandes Österreichischer Psychologen, 2005).
Erfolgsentscheidend für die (Vorhersage-) Güte (Validität) eines Assessment-Centers ist in diesem Sinne die Korrespondenz der in den verschiedenen Tests bewerteten Kompetenzen (Fähigkeiten, Fertigkeiten, Einstellungen etc.) mit den Anforderungen in der Realität bzw. Praxis, hinsichtlich derer das Assessment-Ergebnis eine Vorhersage (prognostische Validität) treffen soll.
Wichtig ist, dass im Assessment-Center zwischen bereits vorhandenen Fähigkeiten, Fertigkeiten etc. (Kompetenzen) und noch nicht entwickelten, jedoch grundsätzlich entwickelbaren Fähigkeiten unterschieden wird.
Wesentliche Inhalte von Assessment-Centern sind:
- Strukturierte Interviews
- Gruppendiskussionen
- Fallstudien
- Rollenspiele
- Präsentationsaufgaben
- Fragebögen
- Abschlussgespräch
- Essenseinladung (Gabeltest)
(vgl. Schuler & Höft, 2001; www.wikipedia.de/ Abfragedatum 22.02.2006)
Fast alle Bestandteile des Assessment Centers (AC) sind unter Zeitvorgaben zu erfüllen, dabei sind insbesondere die Leistungstests so konzipiert, dass kaum alle Aufgaben erfüllt werden können. Unter anderem durch die Vielzahl der unterschiedlichen AC-Bestandteile, die idealerweise den dem Anforderungsprofil entsprechenden erfolgsentscheidenden Situationen (critical incidents) entsprechen, wird die Brauchbarkeit (Güte) für die Personalbeurteilung begründet. Denn trotz immer wieder zu vernehmender Kritik am Assessment-Center und trotz der vorrangig ökonomisch motivierten Argumentationen, mit anscheinend absolut neuen, nie dagewesenen Methoden noch bessere Personaleinschätzungen vornehmen zu können, findet sich in Anlehnung an seriöse wissenschaftliche Forschungsergebnisse bis auf die Potenzialanalyse kein geeigneteres Verfahren der Personalbeurteilung. Korrelationskoeffizienten von r = .41 (s. entsprechende metaanalytische Auswertungen) weisen auf eine entsprechend gute prognostische Validität hin. „Gut“ ist hier relativ zu anderen diagnostischen Verfahren zu verstehen, da eine Linear-Korrelation von .41 bei weitem keine zuverlässige Vorhersage erlaubt. Eine bessere Einschätzung für die Zuverlässigkeit erhält man, wenn man den Wert quadriert, was der sogenannten erklärten Varianz entspricht, also dem Anteil an den später auftretenden Unterschieden zwischen den Bewerbern, die durch das Verfahren vorhergesagt werden können. Bei r = .41 sind das ca. 16%.
Der guten Kriterienvalidität des Assessment-Centers steht eine geringe und unbefriedigende Konstruktvalidität gegenüber, d.h. das Assessment-Center erfasst nicht diejenigen Konstrukte (Persönlichkeitsmerkmale, Fähigkeiten, Kompetenzen), die es vorgibt zu erfassen. Die mangelnde Konstruktvalidität des Assessment-Centers wurde bereits 1982 in einer Meta-Analyse von Sackett und Dreher nachgewiesen. Aber auch mehr als 20 Jahre später kommen Lance et al. (2004) in einer weiteren Meta-Analyse zu dem Schluss: “Two decades of research on the construct validity of AC [...] suggests that they substantially reflect [...] not the dimensions that they were designed to measure.”
Weitere Bezeichnungen, unter denen sich ACs in der Praxis der Personalentwicklung finden, sind: Personalentwicklungs- oder Entwicklungsseminar, Auswahlseminar, Förderseminar, Standortbestimmungsseminar oder erweiterte psychologische Untersuchung. (Häufig ist der Grund für die Wahl eines alternativen Namens, dass Ängste vor einem AC verhindert werden sollen).
Variationen bzw. Weiterentwicklungen, die sich im Wesentlichen jedoch auch der AC-Methode bedienen sind:
- Einzel-Assessment(-Center): Werden meistens für das oberste Management durchgeführt. Gründe für Einzel-ACs in der Praxis sind: die Bewerbungen müssen „geheim“ bleiben (KandidatIn hat den „alten Job“ noch nicht gekündigt); es geht um sensible Unternehmensbereiche, in die nicht „jedermann“ einsehen soll; für bestimmte Positionen gibt es nicht genügend Bewerber o.ä.
- Management Audit[9]
- Entwicklungs-ACs/Development-Center: Werden meist zum gezielten Aufbau von Mitarbeitern eingesetzt
- Evaluations-ACs: Zur Kontrolle von durchgeführten Qualifikationsmaßnahmen. Zum Beispiel nach einer Ausbildung wird evaluiert, ob die KandidatInnen die Inhalte auch in die Praxis bzw. in ihr eigenes Verhaltensrepertoire übernommen haben.
- Online-Assessment: Diese Methode bietet Vorteile wie zum Beispiel: Preiswert und hoch effizient, nicht ortsgebunden, dreidimensional (Kann, Will und Wie wird er oder sie den Job machen).
1.10 Das Development-Center
Das Development-Center (DC) ist eine Erweiterung des klassischen Assessment-Center und stellt in folgenden Situationen eine bewährte Problemlösungshilfe dar. Sie dient vornehmlich folgenden Zwecken:
- Auslese externer Bewerber
Auswahlentscheidungen, die aufgrund herkömmlicher Methoden (Bewerbungsunterlagen,
Interview) zustande kommen, sind zwangsläufig mit erheblichen Risiken verbunden. Die
Kosten für Fehlentscheidungen können pro Position in die Hunderttausende gehen.
- Auslese interner Bewerber
Bei der internen Besetzung von Positionen gibt es häufig einen größeren Pool von möglichen Kandidaten. Durch ein DC wird der Ausleseprozess für alle Beteiligten transparent. Darüber hinaus signalisiert das Unternehmen, dass es sich um Chancengleichheit bemüht.
- Einschätzung des Führungskräfte-Potenzials
Vor dem Hintergrund sich wandelnder Anforderungen stellt das DC eine wesentliche Hilfe dar, um die Frage „Haben wir die richtigen Führungskräfte?“ fundiert beantworten zu können.
Im Hinblick auf Stellenbesetzungen (zum Beispiel Stellvertreter, Nachfolger) lassen sich mit Hilfe von DC wichtige Hinweise gewinnen, welche Position mit welcher Person besetzt werden kann.
DC-Ergebnisse geben als individuelle und kollektive Standortbestimmungen bei Entwicklungsprogrammen Aufschluss darüber, welche Trainings- und Weiterbildungsmaßnahmen individuell und für die jeweilige Gruppe sinnvoll sind.
Ein DC ist im Gegensatz zu vielen anderen Auslese- und Bedarfsermittlungsverfahren meines Erachtens ähnlich wie eine Potenzialanalyse geeignet, eine fundierte Feedbackbasis zu liefern und konkrete Personalentwicklungsperspektiven zu geben.
Die Vorteile des DCs bauen auf folgenden Prinzipien auf:
- Festgelegte Anforderungen für die Kandidaten
Die Kandidaten werden an genau definierten Anforderungen gemessen. Diese Anforderungen sind notwendig, damit eine Führungskraft/ein Mitarbeiter ihre/seine Funktion erfolgreich ausüben kann.
- Einsatz verschiedenartiger Methoden
Durch den Einsatz verschiedenartiger Methoden wie schriftliche Einzelarbeiten, Rollenspiele, Gruppendiskussionen, Präsentationen, erhalten die Kandidaten vielfache Aktionsmöglichkeiten.
- Integration eines (den Anforderungskriterien) angepassten Potenzialanalyse-Systems
Durch das computergestützte, im Vorfeld des DCs ablaufende Potenzialanalyse-System entsteht eine weitere Schärfe im Bild über die Kandidaten; der Anspruch ist Multiperspektivität nicht „Schein-Objektivität“.
- Einsatz anforderungsgerechter Übungen
Die Kandidaten können in Situationen beobachtet werden, die ihren zukünftigen Aufgabengebieten nachempfunden sind.
- Mehrfachbeurteilung
Die Leistung eines Kandidaten bezüglich der Anforderungskriterien wird nicht von einem sondern von mehreren Beobachtern beurteilt. Subjektive Beobachtungs- und Bewertungsfehler eines Beobachters werden durch die Bündelung vieler Perspektiven aufgehoben, da nach jeder Übung die Übereinstimmung zwischen den einzelnen Beobachtern überprüft wird.
- Einsatz trainierter Beobachter
Die Beobachter durchlaufen ein Training in Verhaltensbeobachtung und Verhaltensbewertung und sind mit den Anforderungen vertraut.
- Trennung von Beobachtung und Bewertung
Verhaltensbeobachtung und Verhaltensbeschreibung werden zeitlich und inhaltlich von der Bewertung getrennt.
- Gemeinsame Urteile und Empfehlungen
Die Ergebnisse aller Beobachter aus allen Aktionen werden verdichtet und mit den Anforderungen verglichen. Die daraus abgeleiteten Bewertungen und Empfehlungen werden durch alle Beobachter gemeinsam getroffen.
- Transparenz der Ergebnisse
Mit den Kandidaten werden Einzelgespräche geführt, in denen die gezeigten Stärken und Schwächen dargelegt und mit den Anforderungen verglichen werden. Die daraus abgeleiteten Empfehlungen werden im Einzelnen besprochen.
Auf folgende Grenzen des DCs ist aber auch besonders zu achten:
- Dauer der prognostischen Aussage
Die Gültigkeit der Aussagen aufgrund eines DCs ist auf drei bis fünf Jahre begrenzt. Menschen entwickeln sich in diesem Zeitraum oft deutlich „weiter“ – in ihrer Persönlichkeit wie in ihren Verhaltensweisen.
- Verlierer-Problematik
Ob sich ein Kandidat als „Verlierer“ fühlt, hängt in entscheidendem Maße von der Behandlung im DC und von der Qualität der Feedbackgespräche ab. Dieses Gespräch ist für viele Kandidaten sehr belastend und erfordert seitens des Gesprächsführers hohe Fairness, Einfühlungsvermögen, Akzeptanz und Achtung. Der Umgang mit weniger erfolgreichen DC-Kandidaten muss mittelfristig im Blickwinkel der Personalentwicklung bleiben.
Idealtypisch läuft ein DC folgendermaßen ab:
(vgl. Schuler & Höft, 2001; Kammel, 2000 und www.wikipedia.de/ Abfragedatum 23.02.2006)
Anforderungsanalyse:
Die für den Erfolg in der betreffenden Position/Funktion maßgeblichen Faktoren werden über verschiedene Methoden ermittelt: Begleitende Alltagsbeobachtungen, Interviews, Workshops mit „Beschreibung kritischer Vorfälle“ u.a. Danach erfolgt die Zuordnung zu konkreten, operationalen Verhaltensweisen, die in den jeweiligen Situationen gegenwärtig und künftig zum Erfolg führen. Die am häufigsten genannten Verhaltensweisen werden in Anforderungsdimensionen zusammengefasst.
Beispielhafte Anforderungsdimensionen sind:
- Führungsfähigkeit
- Entscheidungsvermögen
- Konfliktfähigkeit
- Soziale Sensibilität
- Selbstbewusstsein
- Kooperationsvermögen
Ein Anforderungsprofil für eine Funktion umfasst idealerweise vier bis seschs Anforderungsdimensionen.
- Entwicklung des DC-Programmes
Auf der Basis des Anforderungsprofils werden maßgeschneiderte, unterschiedlich strukturierte Aktionen und Simulationen entwickelt. In diesen können die Ausprägungen der Teilnehmer realitätsnah beobachtet werden.
- Durchführung der computergestützten Potenzialanalyse („Profacts“)
Nach der vorherigen Anpassung des Systems an die definierten Anforderungskriterien erfahren die Kandidaten in einem erklärenden Anschreiben Internetadresse und Transaktionsnummern. Vor Beginn des eigentlichen DCs füllen sie den Fragebogen im Internet aus (Dauer ca. 45 Min.). Sie erfahren nach Abschluss des Fragebogens, dass sie ihre Ergebnisse im Verlauf des DCs bekommen, integriert in die Dynamisierung, am Ende des ersten DC-Tages. Das System arbeite mit Referenzgruppen, die frei definiert werden können, so dass es für ein Unternehmen schon nach 40 bis 50 Tests möglich ist, eine eigene Potenzialanalyse mit eigener Referenzgruppe zu generieren.
- Beobachtertraining
Die Teilnehmer am DC werden dort von ranghöheren Führungskräften beobachtet und bewertet. Dazu werden diese im Rahmen eines in der Regel halbtägigen Beobachtertrainings über die Grundprinzipien menschlicher Informationsverarbeitung sowie über typische Beurteilungsfehler informiert. Die Beobachter lernen die Anforderungsdimensionen kennen, die in den Aktionen gemessen werden sollen, führen die zum Einsatz kommenden Aktionen zum Teil selbst durch und trainieren die Bewertung des beobachteten Verhaltens anhand der ihnen vorgegebenen Bewertungsskalierung. Letztlich wird noch intensiv die Qualität der anstehenden Feedbackgespräche mit den DC-Kandidaten betont.
- Durchführung des DCs
Das DC selbst findet an zwei Tagen in den Räumlichkeiten eines Seminarhotels, also außerhalb des Unternehmens, statt. Insgesamt warten auf die Kandidaten täglich 3 – 4 Aktionen in unterschiedlicher zeitlicher Intensität. Pro Aktion werden 3 – 4 Verhaltensdimensionen beobachtet. Dazu notieren sich die Beobachter (die jeweils nicht mehr als zwei Probanden pro Aktion beobachten) protokollarisch zunächst all ihre Verhaltensbeobachtungen. In einer Pause nach der Aktion (Trennung von Beobachtung und Bewertung) werden die Notizen auf ein siebenstufiges, detailliertes Kriterienraster übertragen. Jeder Ausprägungsgrad der 7-stufigen Skala ist genau verbal definiert, was eine Präzisierung der Bewertung ermöglicht. Letztlich muss (bis spätestens Tagesende) die getroffene Bewertung noch mit mindestens einem Beobachterkollegen aus der jeweiligen Aktion abgestimmt werden, um Wahrnehmungsverzerrungen auszugleichen. Erst dann wird das Ergebnis des Kandidaten in dieser Aktion an die Berater und Moderatoren zur Koordination und Übernahme in das Gesamtprofil des Kandidaten weitergegeben.
Die Kandidaten erfahren zu Beginn des DCs selbstverständlich die Verhaltensdimensionen, nach denen sie in den folgenden Tagen beobachtet werden. Nach einer Selbsteinschätzung beginnt die erste Aktion. Immer wieder werden nach Aktionen „Lernschleifen“ eingebaut, bei denen sowohl der Gruppe als auch den einzelnen Kandidaten Gelegenheit zur Prozessreflexion der jeweiligen Aktion bzw. Feedback gegeben werden kann. Über eine solchermaßen „dynamisierte DC-Methode“ lässt sich die Lernfähigkeit und Veränderungsbereitschaft Einzelner bzw. der Gruppe zusätzlich abprüfen.
Das DC schließt mit einer Rückmeldungsrunde der Kandidaten zum Klima und zur Art und Weise der Durchführung der Maßnahme sowie mit Hinweisen über den kommenden Informationsprozess, also die Feedbackgespräche.
- Beobachterkonferenz
Tags darauf treffen sich die Beobachter zu einer (oft ganztägigen) gemeinsamen Besprechung der von den Moderatoren aufbereiteten Gesamtergebnisse pro Kandidat. Intensiv werden diese Profile nochmals diskutiert, bewertet und Verbindungen zwischen Aktionen und Anforderungsdimensionen im Hinblick auf das Erarbeiten eines „Gesamtbildes“ des Kandidaten untersucht.
Je nach DC-Maßnahme erfolgt als gemeinsam getragenes Statement das „Ja“ oder „Nein“, das eine intensive Stärken-/Schwächenanalyse und einen Entwicklungsplan für Fördermaßnahmen beinhaltet. Die Präsentation jedes Kandidaten endet mit der Auswahl eines geeigneten Gesprächsführers für das Feedback (jeder Kandidat erhält ein Feedbackgespräch). Die Beobachterkonferenz schließt mit einer Gesamtevaluierung der DC-Maßnahme und der Diskussion um notwendige Verbesserungen bei der nächsten Durchführung.
- Feedbackgespräche mit den Kandidaten
Innerhalb von zwei Wochen nach dem DC erfolgen die etwa ein- bis eineinhalbstündigen Feedbackgespräche über die oben vereinbarten Ergebnisse. Ein Austausch unter den Feedbackgebern/Gesprächsführern nach den Gesprächen über gemeinsame Themen, aufgetretene Wünsche und empfundene Schwierigkeiten rundet diesen Prozess ebenso ab, wie eine Weitergabe kurzer Informationen über die Gesprächsatmosphäre an die Personalentwicklung. Die in den Feedbackgesprächen diskutierten oder gar vereinbarten Entwicklungsmaßnahmen (Weiterbildung, Coaching, Projektarbeit u.a.) münden in weitere Kontakte der Kandidaten zur Personalentwicklung oder zu einer anderen Koordinationseinheit ihres (Führungs) Nachwuchsprogramms.
Mit diesen Begriffsklärungen sollte nun die Basis zum verständnis dieser Dissertation gelegt sein und dem Leser eine eindeutige Unterscheidung zwischen den drei gängigsten eignungsdiagnostischen Verfahren möglich geworden sein. Letztlich gilt das in der Abhandlung der ethischen und der rechtlichen Aspekte gesagte für alle eignungsdiagnostischen Verfahren (ausgenommen die methodische Kritik) gleichermaßen:
Die Durchführung eignungsdiagnostischer Verfahren soll dem Unternehmen Erfolg bringen und letztlich die Rentabilität steigern. Es geht hier eigentlich um die Wahrung des Erfolgs des Unternehmens und somit um die langfristige Unternehmenssicherung durch Förderung von Nachwuchskräften mithilfe fundierter Rückmeldung, offenen Coachinggesprächen und differenzierter Entwicklungsplanung. Ob sich das Unternehmen mit derartigen Bewertungen letztlich seine eigene Zukunft sichert, ist allerdings fraglich (siehe dazu ausführlich Teil IV und Teil V dieser Arbeit). In Kapitel 2 möchte ich nun auch noch den Begriff der Ethik von verwandten Begriffen abgrenzen, da es mir gerade in diesem Kontext wichtig erscheint, eine klare Differenzierung einzuführen. Zudem sollen andere - in dieser Arbeit immer wieder vorkommende Begriffe, wie z.B. die psychologische Diagnostik – erklärt werden.
2 Begriffsklärungen
2.1 Moral und Ethik
Allgemein wird in der Praxis wenig zwischen Ethik und Moral unterschieden. Trotzdem ist es wichtig, in diesem Kontext eine Differenzierung einzuführen. Neuberger (2002) versteht unter Moral die sittliche Begründung praktischer Handlungsvollzüge und unter Ethik die systematische Reflexion dieser Begründung. Ergänzend konkretisiert er:
„Moralisch entscheidet, wer berücksichtigt, dass die beabsichtigte Handlung a) von anderen und b) von dem oder der Handelnden selbst c) im Bewertungsschema (sittlich) gut - schlecht beurteilt werden soll und wer ferner attraktive Alternativen kennt bzw. ausschlägt und sich dabei Ansprüchen unterwirft, die im Prinzip für jedermann gelten sollten und die Entscheidung sich selbst zurechnet (Verantwortung übernimmt).“
Die begriffliche Unterscheidung zwischen Ethik und Moral muss gemäß Steinmann & Löhr (1994) „notwendigerweise“ eingeführt werden. Erst mit der Anerkennung der Differenz zwischen Moral als „Sein“ und Ethik als „Sollen“ könne man überhaupt eine kritische Distanz zu den bestehenden Moralvorstellungen gewinnen.
Eck (2005) versteht unter Ethik
„...die Bezeichnung für ein reflexives, d.h. philosophisches bzw. theologisches System, welches das Handeln von Menschen und Institutionen auf ihre Intention, Finalität und Konsequenz wissenschaftlich untersucht und reflektiert. In diesem Sinne ist Ethik zunächst nur deskriptiv. Als System entworfen wird Ethik in viele Teilsysteme aufgegliedert, da jeweils andere Gesetzmäßigkeiten eine Rolle spielen; z.B. die Unternehmensethik, die Ökoethik, die Bioethik.“
Böhme (1997) definiert Ethik handlungspraktischer, indem er darauf verweist, dass eine Frage dann ernst (also ethisch-moralisch) wird,
„...wenn sich mit ihr entscheidet, was oder wie ich als Mensch bin oder was das für eine Gesellschaft ist, in der wir leben, bzw. wie wir unsere Gesellschaft verstehen.“
Das gelte zum Beispiel, wenn attraktive Alternativen aufgrund ethischer Abwägungen oder normativer Bewertungsmaßstäbe ausgeschlagen werden.
Ethik untersucht somit das sittliche Wollen und Handeln des Menschen. Es soll, gemäß Schaal (1992), das Bewusstsein für ethische Werte der Gesinnung und des Verhaltens wecken. Darin liege der Aufforderungscharakter der Ethik.
Bombassaro (2002) definiert vier Grundbedingungen, die erfüllt sein müssen, damit sich ein ethisches Subjekt überhaupt konstituiert:
- Um ethisch zu sein, muss sich ein Subjekt seiner selbst und der Anderen bewusst sein.
- Um ethisch zu sein, muss ein Subjekt einen Willen besitzen. Das Wollen ist konstitutiv für unsere ethische Handlung.
- Um ethisch zu sein, muss ein Subjekt verantwortlich sein. Wir sind demnach genau ab dem Moment verantwortlich, in dem wir durch unsere Reflexion uns selbst Rechenschaft darüber geben und akzeptieren, was wir wollen und was nicht, und zudem die Konsequenzen unserer Handlungen annehmen oder eben nicht annehmen.
- Um ethisch zu sein, muss ein Subjekt frei sein. Freiheit ist die Bedingung für das Existieren von Ethik. Freiheit mehr als Selbstbestimmung, denn als die Möglichkeit, zwischen Alternativen wählen zu können. Denn erst durch die Selbstbestimmung gibt sich das Subjekt die Regeln für seine Lebensführung.
Also bilden Bewusstsein, Willen, Verantwortung und Freiheit die Elemente und die Grundlage für eine ethische Handlung.
Obwohl sich die Definitionen der Begriffe „Ethik“ und „Moral“ recht eindeutig unterscheiden, ist die Verwendung im Alltag meist nicht trennscharf feststellbar. Für diese Arbeit gilt: Ethik ist das Denken über offene Fragen; Moral ist, über die offenen Fragen zu einer Entscheidung zu kommen und diese in Handlung umzusetzen.
2.2 Ethische Verantwortung
In der Literatur verschränken sich Ethik und Moral nicht selten mit dem Begriff der Verantwortung.
Der Philosoph Walter Schulz begreift Verantwortung als Selbsteinsatz aus „Freiheit“ (zit. nach Ulrich & Thielemann, 1992).
Die Autoren Ulrich und Thielemann (1992) führen hierzu vier Dimensionen ein:
- Persönlicher Einsatz für eine Sache. Die Frage lautet: Wofür bin ich verantwortlich?
- Eine handelnde Person setzt sich für Interessen ein. Die Frage lautet: Für wen bin ich verantwortlich?
- Moralische Instanz, die Richtigkeit und Legitimität der Entscheidung kritisch prüft. Die Frage lautet: Vor wem bin ich verantwortlich?
- Selbsteinsatz aus Freiheit. Die Frage lautet: Welche Entscheidungs- und Handlungsfreiräume sind vorhanden? Inwieweit ist Verantwortungsübernahme überhaupt zumutbar?
Hier überschneiden sich personale Ethik und Institutionen-Ethik.
2.3 Psychologische Diagnostik
Die Autoren Jäger und Petermann (1999) definieren
„Psychologische Diagnostik als das systematische Sammeln und Aufbereiten von Informationen mit dem Ziel, Entscheidungen und daraus resultierende Handlungen zu begründen, zu kontrollieren und zu optimieren. Solche Entscheidungen und Handlungen basieren auf einem komplexen Informationsverarbeitungsprozess. In diesem Prozess wird auf Regeln, Anleitungen, Algorithmen usw. zurückgegriffen. Man gewinnt damit psychologisch relevante Charakteristika von Merkmalsträgern und integriert gegebene Daten zu einem Urteil (Diagnose, Prognose). Als Merkmalsträger gelten Einzelpersonen, Personengruppen, Institutionen, Situationen, Gegenstände etc“ (S. 11).
Die Anwendungsfelder der psychologischen Diagnostik sind vielfältig: klinische Diagnostik, Verkehrseignungsdiagnostik, pädagogische Abklärungen, strafrechtliche Abklärungen und Eignungsdiagnostik in Unternehmen, Militär oder Studienrichtungen.
2.4 Personalmanagement und Organisationsentwicklung
Der berufliche Werdegang eines Mitarbeiters in einer Organisation wird von der Personalentwicklung kontinuierlich begleitet. Ich möchte an dieser Stelle - insbesondere im Hinblick auf die noch zu behandelnde Thematik der Potenzialanalysen - diese systematisierten Kontakte in einem zeitlichen Ablauf darstellen:
- Schritt 1 - Aufnahmeprozess:
Am Anfang steht der Eintritt in das Unternehmen/die Organisation. Hier wird die Qualifikation des Bewerbers mit den Anforderungen der Stelle verglichen. Aufgabe der Personalentwicklung ist es in diesem Stadium, dafür zu sorgen, dass die passenden Bewerber ausgewählt werden.
Nach Schneider (1993) sind die gebräuchlichsten Personalauswahlverfahren Vorstellungsgespräche bzw. Interviews, Tests (Fähigkeits- und Persönlichkeitstest) und Gruppenauswahlverfahren bzw. Assessment-Center. Die Qualität aller drei Verfahren kann nach wissenschaftlichen Maßstäben differenziert werden. Verlässt man sich aber alleine auf die Qualität der Gütekriterien, um psychologische Verfahren zu legitimieren, kommen wichtige ethische Dimensionen zu kurz. Im nun folgenden Hauptteil der Arbeit werden sowohl die expliziten ethischen Dimensionen wie auch die impliziten (z.B. Gütekriterien) dargestellt.
- Schritt 2 – Einschulungsphase:
Die Einschulungsphase beginnt mit der Aufnahme des neuen Mitarbeiters/der neuen Mitarbeiterin. Diese kann, abhängig von der Stelle und den Vorkenntnissen, unterschiedlich lang dauern. Traineeprogramme stellen hierbei eine Sonderform der Einschulung dar. Die Einschulungsphase ist (implizit oder explizit) beendet, sobald vom Mitarbeiter die „übliche“ Arbeitsleistung gefordert wird.
- Schritt 3 – Mitarbeitergespräch:
Das Mitarbeiterorientierungsgespräch ist ein strukturiertes Gespräch zwischen Mitarbeiter
und unmittelbarem Vorgesetzten, das einmal jährlich stattfindet (vgl. http://intranet/Ra1/personalentwicklung/ra1-pe/mitarbeiter.html). Dabei stehen die gemeinsame Vereinbarung der künftigen Arbeitsziele bzw. die rückblickende Erörterung der Ergebnisse im Vordergrund. Weiters werden die Arbeitszufriedenheit des Mitarbeiters, seine Neigungen, Interessen, Ausbildungsmöglichkeiten und Karrierechancen besprochen. Dem Vorgesetzten bietet es die Möglichkeit einer Rückmeldung über sein Verhalten als Führungskraft (vgl. grundlegend dazu Rodler, 2002).
Mitarbeitergespräche dienen unter anderem dazu, das Leistungsverhalten eines Mitarbeiters mit den Anforderungen der Stelle im Unternehmen zu vergleichen. Abweichungen können unter Umständen einen Weiterbildungsbedarf anzeigen. Dieser systematisierte Austausch zwischen Mitarbeiter und dem Vorgesetzten kann – abhängig von der Zielsetzung - auch die Vereinbarung von Leistungszielen beinhalten (vgl. Skriptum Mitarbeiterorientierung, Fortbildungsakademie das Berufsverbandes Österreichischer Psychologen, 2006).
- Schritt 4 – Weiterbildung:
Wird Bildungsbedarf erkannt, werden Bildungsmaßnahmen vereinbart und umgesetzt. Diese können sehr unterschiedlich sein. Die Entwicklung geht hin zu zielgerichteten und maßgeschneiderten Maßnahmen. Das Coaching hat dadurch an Bedeutung gewonnen. Spätestens nach einem Jahr - beim nächsten Mitarbeiterorientierungsgespräch - wird der Erfolg der Bildungsmaßnahmen überprüft.
- Schritt 5 – Potenzialeinschätzung:
Mitarbeiter die sich bewähren, also die Anforderungen ihrer Stelle erfüllen und möglicherweise übertreffen, werden für andere – in der Regel anspruchsvollere, mit mehr Verantwortung behaftete - Stellen vorgeschlagen. Der Vergleich im Mitarbeitergespräch bezieht sich auf das augenblickliche Anforderungsprofil. Aussagen über die erfolgreiche Erfüllung von anderen Anforderungen können aus dem Mitarbeitergespräch nur schwer abgeleitet werden. Potenzialeinschätzungsverfahren schließen dabei die Lücke. Sie geben Auskunft, ob bei einem Mitarbeiter Potenziale - und zum Teil auch Kompetenzen - für Anforderungen von möglichen neuen Stellen vorhanden sind (vgl. Skriptum Potenzialanalyse, Fortbildungsakademie das Berufsverbandes Österreichischer Psychologen, 2005).
- Schritt 6 – Lernprogramme:
Hier geht es darum, Empfehlungen aus der Potenzialeinschätzung umzusetzen und die Mitarbeiter schrittweise auf die Versetzung in die neue (bessere oder schlechtere) Stelle vorzubereiten. Am häufigsten werden – für den Fall, dass der Mitarbeiter positiv aufgefallen ist und das Potenzial höheren Anforderungen entspricht - Lern- und Ausbildungsprogramme für die Vorbereitung der Übernahme einer Führungsaufgabe durchgeführt. Am Ende steht der Wechsel zur neuen Stelle. Der nächste systematische Kontakt mit der Personalentwicklung passiert spätestens beim nächsten Mitarbeitergespräch.
Die Personalentwicklung ist zunehmend als gestaltende Kraft gefordert, in der Organisation mitzuwirken. In der heutigen Zeit gilt es, den Blick über die bisher beschriebenen „Spezialistenaufgaben“ hinaus zu weiten, um die verschiedenen Anliegen und Perspektiven von Organisationseinheiten und die Wechselwirkungen zwischen diesen zu berücksichtigen.
Die Einbindung der Personalentwicklung in die strategische Steuerung kann auf zwei Ebenen ablaufen. Einerseits auf einer „passiven“ Ebene - hier werden von der strategischen Steuerung an die Personalentwicklung Aufgaben und Ziele delegiert. Die Personalentwicklung übernimmt diese und stellt - sozusagen vorausschauend - zukünftig notwendige Personalressourcen sicher.
Andererseits kann die Personalentwicklung die strategische Steuerung auf einer „aktiven“ Ebene unterstützen. In diesem Fall werden die Standpunkte und Perspektiven der Personalentwicklung bei der strategischen Planung eingebracht. Sie sind Grundlage für die zukünftige Entwicklung der Organisation. Der Reifegrad einer Organisation bestimmt letzten Endes, welche Aufgaben der Personalentwicklung innerhalb der Organisation zukommen.
Werden neue Personalentwicklungsmaßnahmen und Personalentwicklungsinstrumente konzipiert, stellt sich natürlich auch die Frage, ob diese überhaupt in die bestehende Unternehmenskultur passen, und wenn ja, wie man sie am besten in die Organisation implementiert. Hier hat die Praxis gezeigt, dass es nicht ausreicht, „hervorragende Instrumente“ zu entwickeln. Die bewusste Gestaltung des Prozesses - von der Willensbildung bis zur Anwendung - ist ein wichtiger Erfolgsfaktor für die Personalentwicklung. In Organisationen scheitern Personalentwicklungsprojekte viel häufiger auf Grund von „Kulturunverträglichkeit“ als an der „schlechten Qualität“ der Instrumente und Konzepte (vgl. Glasl, 2000).
Aufgabe der Personalentwicklung ist es, von der Auftragserteilung bis zur Durchführung der Personalentwicklungsmaßnahmen die verschiedenen Perspektiven und Interessen unterschiedlicher Organisationseinheiten zu berücksichtigen, sichtbar zu machen, zu hinterfragen, zu diskutieren, um durch die Begleitung des Veränderungsprozesses die Organisation dabei zu unterstützen, sich selbst etwas „passendes“ Neues hinzuzufügen (vgl. Skriptum Arbeitspsychologie, Fortbildungsakademie das Berufsverbandes Österreichischer Psychologen, 2005).
Die Differenzierung von Kostensystemen in Organisationen nimmt zu. Diese machen transparent, welche Aktivitäten in der Organisation in welchem Ausmaß zum Organisationserfolg beitragen. Man kann dieser Entwicklung aus Sicht der Personalentwicklung skeptisch gegenüber stehen. Man kann auch sagen, dass es oft so scheint, als gehe es weniger darum, herauszufinden, welche Aktivitäten Erfolg unterstützend sind, sondern vielmehr um Einblicke, wo man noch etwas einsparen kann. Tatsache ist, dass die Personalentwicklung in der Praxis gefordert ist, anhand von Zahlen, Daten und Fakten den geleisteten Beitrag der Personalentwicklung am Organisationserfolg nachzuweisen. Diese Notwendigkeit ist gerade in den letzten Jahren im Zuge des Rückgangs des Wirtschaftswachstums deutlicher hervorgetreten. Die ohnehin knappen Budgets der Personalentwicklung wurden zum Teil drastisch beschnitten. Interne PersonalentwicklerInnen mussten das oft resignierend zur Kenntnis nehmen. Externe BeraterInnen erlitten deutliche Umsatzrückgänge. Es stimmt, dass in wirtschaftlich schwierigen Zeiten mittel- bis langfristige Effekte der Personalentwicklung weniger Bedeutung haben. Trotzdem, ein klares und nachvollziehbares Sichtbarmachen des Beitrags der Personalentwicklung zum Organisationserfolg ist auch im Sinne der „Psychohygiene“ der Personalentwicklung gefordert. Um einen Betrieb richtig einschätzen zu können, ist es unerlässlich, Motivationsklima, Mitarbeiterzufriedenheit und ähnliche Konstrukte immer wieder zu analysieren.
3 Schnittstellen
3.1 Arbeitssoziologie und Recht
Zwischen dem Gebiet der Arbeitssoziologie und dem Arbeitsrecht gibt es – nicht nur hinsichtlich der Einstellungsdiagnostik / Potenzialanalyse – einen Zusammenhang.
Wie weiter vorne schon erwähnt, befasst sich die Arbeitssoziologie mit sozialen Strukturen in Leistungsorganisationen mit wirtschaftlicher Zwecksetzung. Sie untersucht sowohl Arbeit als auch Arbeitslosigkeit, sodann die Arbeitsteilung zwischen Berufen und Gruppen sowie situational zwischen Einzelnen, Organisationen und Betriebsformen und ferner die Arbeitenden in ihrem sozialen Handeln und in ihren Konflikten zwischen Machtgruppen (wie Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften), in Strukturen und angesichts unterschiedlicher sozialer Funktionen (vgl. Schuler, 2001, 1992 und 1995 und www.wikipedia.de/ Abfragedatum 03.01.2006).
Aus der Definition ergibt sich schon der Zusammenhang zwischen der Soziologie und dem Recht ganz allgemein: Die Strukturen in Leistungsorganisationen (siehe Definition) sind zum großen Teil durch Gesetze und Richtlinien geregelt; zudem hat das Arbeitsrecht die kollektive Interessenwahrnehmung als zentralen Bezugspunkt.
Im speziellen Fall der Potenzialanalyse als Personalentwicklungs- und Organisationsentwicklungsinstrument spielt das Arbeitsrecht unter anderem bei der Frage nach Versetzungen und bei der Frage der Zulässigkeit eines solchen Verfahrens eine bedeutende Rolle. Später möchte ich den Zusammenhang genau herausarbeiten sowie die Fragen nach der Zulässigkeit und nach möglichen Problemen in Zusammenhang mit diesem Verfahren erörtern.
3.2 Schnittstellen zu anderen Gebieten
Schnittstellen gibt es nicht nur mit dem Recht, sondern auch beispielsweise mit der Sicherheitstechnik, der Arbeitspsychologie oder der Arbeitsmedizin, da hier psychologische und soziologische Themen angesprochen werden und soziologische Fragestellungen, wie zum Beispiel die nach Risiken in Bezug auf die Beschäftigten, regelmäßig auftreten.
Die Sicherheitstechnik befasst sich mit den Risiken der modernen Industriegesellschaft, denen der Mensch und seine Umwelt ausgesetzt sind. Sie konzentriert sich dabei besonders auf solche Bereiche, die mit dem Gebrauch der Technik, dem Betrieb industrieller Anlagen und dem Umgang mit gesundheitsgefährdenden Stoffen verbunden sind (vgl. de.wikipedia.org/wiki/Sicherheitstechnik/Abfragedatum 20.05.2006).
Die Arbeitsmedizin oder auch Betriebsmedizin ist ein Fachgebiet der Medizin, das sich in Forschung, Lehre und Praxis mit den Wechselbeziehungen vor allem zwischen beruflicher Arbeit und Gesundheit befasst, insbesondere auch mit arbeitsbedingten Gesundheitsschäden, Berufskrankheiten, Arbeitsschutz, Unfallschutz sowie versicherungsmedizinischer Begutachtung befasst. Weiters gehört zum Gebiet der Arbeitsmedizin auch die Integration von chronisch Kranken und behinderten Personen in den Arbeitsprozess (vgl. de.wikipedia.org/wiki/Arbeitsmedizin/Abfragedatum 20.05.2007). Arbeitsmediziner haben die Aufgabe, Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Sicherheitsvertrauenspersonen und Belegschaftsorgane auf dem Gebiet des Gesundheitsschutzes, der auf die Arbeitsbedingungen bezogenen Gesundheitsförderung und der menschengerechten Arbeitsgestaltung zu beraten und die Arbeitgeber bei der Erfüllung ihrer Pflichten auf diesem Gebiet zu unterstützen (vgl. ASchG § 81 (1)).
Die Arbeitsmediziner sind gem. § 81 (3) ASchG für folgende Tätigkeiten hinzuzuziehen:
- bei der Besichtigung der Arbeitsstätten, sowie der Teilnahme an Besichtigungen durch das Arbeitsinspektorat,
- in allen Fragen der Erhaltung und Förderung der Gesundheit am Arbeitsplatz,
- bei der Planung von Arbeitsstätten,
- bei der Beschaffung oder Änderung von Arbeitsmitteln,
- bei der Tätigkeit des Arbeitsschutzausschusses,
- bei der Einführung oder Änderung von Arbeitsverfahren und bei der Einführung von Arbeitsstoffen,
- bei der Erprobung und Auswahl von persönlichen Schutzausrüstungen,
- in arbeitsphysiologischen und sonstigen ergonomischen sowie arbeitshygienischen Fragen, insbesondere des Arbeitsrhythmus, der Arbeitszeit- und Pausenregelung, der Gestaltung der Arbeitsplätze und des Arbeitsablaufes,
- bei der Organisation der Ersten Hilfe,
- in Fragen des Arbeitswechsels, sowie der Eingliederung und Wiedereingliederung Behinderter in den Arbeitsprozess,
- bei der Ermittlung und Beurteilung der Gefahren,
- bei der Festlegung von Maßnahmen zur Gefahrenverhütung,
- bei der Organisation der Unterweisung und bei der Erstellung von Betriebsanweisungen,
- bei Verwaltungsverfahren im Sinne des 8. Abschnittes ASchG,
- Dokumentation der Tätigkeit des Arbeitsmediziners einschließlich der mindestens einmal jährlich zu erfolgenden Bestätigung der geleisteten Einsatzzeit.
Arbeitspsychologen haben die Aufgabe, die Umsetzung des interdisziplinären Ansatzes der präventiven Beratung im ASchG zu unterstützen, damit erforderliche Betreuungsleistungen für die jeweilige Arbeitsstätte maßgeschneidert für die betriebliche Situation verwirklicht werden können. Dabei beraten und unterstützen Arbeitspsychologen die Arbeitgeber, die Arbeitnehmer, die Sicherheitsvertrauenspersonen und die Belegschaftsorgane auf dem Gebiet der betrieblichen Prävention in Fragen von Sicherheit und ganzheitlichen Gesundheitsschutz bei der Arbeit (§ 76 Abs 3, § 81 Abs 3 und § 82a Abs 5 ASchG).
Die Arbeitspsychologie umfasst die Betreuung und Beratung in folgenden Fragen:
- in Fragen der Erhaltung und Förderung der psychischen und psychosomatischen Gesundheit der Arbeitnehmer und Arbeitgeber am Arbeitsplatz,
- in Fragen der Bewältigung arbeitsbedingter Belastungen und Erkrankungen aus psychologischer Sicht,
- in Fragen der Bewältigung von Stress, Burnout, Mobbing, Sucht, Konflikten, etc.,
- in Fragen der Entwicklung, Befähigung und Förderung von Arbeitnehmern (z.B. bei der Planung, Durchführung, Leitung und Evaluierung von Empowerment-Trainings),
- in Fragen der psychologischen Erste Hilfe nach außergewöhnlichen Ereignissen (z.B. nach einem Arbeitsunfall),
- in Fragen der Planung, Durchführung, Leitung und Evaluierung von Gesundheitsprojekten (z.B. Gesundheitszirkel),
- in Fragen zu Arbeitsrhythmus, Arbeitszeit, Pausenregelung und Arbeitsabläufen aus psychologischer Sicht,
- in Fragen des Arbeitswechsels, sowie der Eingliederung und Wiedereingliederung Behinderter in den Arbeitsprozess aus psychologischer Sicht,
- in Fragen der Ermittlung und Beurteilung und Prävention von Gefahren aus psychologischer Sicht,
- in Fragen der Veränderung und Entwicklung von Gruppen, Teams und Organisationen aus psychologischer Sicht,
- in Fragen der psychosozialen Verträglichkeit von Arbeitsbedingungen und Organisationsstrukturen,
- in Fragen der Entwicklung von Unternehmensleitbildern, der Motivationsförderung und der Krisenbegleitung,
- in Fragen über arbeitsbezogene seelische Vorgänge,
- bei der Dokumentation der Tätigkeit des Arbeitspsychologen einschließlich der mindestens einmal jährlich zu erfolgenden Bestätigung der geleisteten Einsatzzeit unter Berücksichtigung der Verschwiegenheit gemäß §§ 14 und 15 Psychologengesetz.
Diese fachkundige Beratung der Arbeitnehmer und ihrer Arbeitgeber in Kooperation mit Arbeitsmedizinern und Sicherheitstechnikern soll in gleicher Weise wie die Information und die Betreuung dazu beitragen, dass die Arbeitnehmer und Arbeitgeber in die Lage versetzt werden, ihre Aufgaben auf dem Gebiet der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes zu erfüllen und auf eine Verbesserung des Arbeitsumfeldes und der Arbeitsbedingungen hinzuwirken (vgl. Frieling, 1998 und 1999, Hoyos, 1999, Hacker, 1978 und Rutenfranz, 2001).
Der nächste Teil soll den Leser in die historische Entwicklung der Industrie- und Arbeitssoziologie einführen, welche Grundlage der Entwicklung von verschiedensten betriebswirtschaftlichen Konzepten ist, die wiederum Basis der immer populärer gewordenen, und in dieser Dissertation problematisierten, eignungsdiagnostischen Verfahren sind. Der Marx`sche Grundgedanke soll ebenso thematisiert werden, die Debattenstruktur im Hinblick auf die Betriebsorganisation und andere in diesem Zusammenhang wichtige Entwicklungen.
II. ARBEITS- UND INDUSTRIESOZIOLOGIE: PERSONAL- UND ORGANISATIONSENTWICKLUNG IM WANDEL
Dieser zweite Teil soll den Leser in die historische Entwicklung der Industrie- und Arbeitssoziologie einführen. Dies insbesondere deshalb, da vor dem Hintergrund dieser Entwicklung auch die in Teil III dieser Arbeit beschriebenen Managementkonzepte entstanden sind: Ich gehe im ersten Kapitel zuerst auf den Marx`schen Grundgedanken - die Steigerung des absoluten und relativen Mehrwerts - ein um dann die tayloristischen den ganzheitlichen Arbeitsformen gegenüberzustellen. Zudem möchte ich in diesem Zusammenhang die Debattenstruktur im Hinblick auf die Betriebsorganisation aufgreifen. Auch schneide ich die Theorie der funktionalen Differenzierung unter dem Aspekt der Eigenlogik von Organisationen an. In einem zweiten Kapitel greife ich – aufbauend auf den anfänglichen historischen Überblick - das Phänomen der Tertiarisierung heraus. Anschließend soll der Zusammenhang zwischen Industriesoziologie und Betriebswirtschaft, explizit herausgestellt werden (Kapitel 3). Im darauf folgenden Kapitel 4 behandle ich die Stellung der Potenzialanalyse als Management-Tool im Kontext der in Kapitel 1, 2 und 3 beschriebenen Subsumierung des Unternehmens unter die Logik der Profitmaximierung bzw. der Betonung der Eigenlogik der Organisation. Interessant ist hier insbesondere, in welchen Betrieben und für welche Stellen eine Potenzialanalyse durchgeführt wird und wie dies aus der Geschichte der Industriesoziologie heraus zu werten ist. Ein kritisches Abschlusskapitel zur Materie Industriesoziologie, Betriebswirtschaft und Potenzialanalyse schließt diesen zweiten Teil ab.
1 Betrieb vs. Organisation: Die Subsumierung des Unternehmens unter die Logik der Profitmaximierung oder die Betonung der Eigenlogik der Organisation
Aufgrund ihrer starken Verankerung in der marxistischen Tradition waren - neben der Untersuchung über Entlohnung und Lohnfindung - einerseits die Arbeitszeitstrategien des Kapitals und andererseits die Rationalisierungsmaßnahmen zur Steigerung der Arbeitsintensität die beiden Hauptthemen der am Betrieb interessierten Arbeits- und Industriesoziologie (vgl. zum Einsetzen der soziologischen Debatten im späten 19. Jahrhundert: Rummler, 1984). Auch wenn ein Großteil der Arbeits- und Industriesoziologen heutzutage auf Marxreferenzen verzichtet, kann man die Hauptdiskussionen innerhalb der auf Betriebe konzentrierten Forschungsrichtung als Auseinandersetzung mit den von Karl Marx herausgearbeiteten Profitmaximierungsstrategien verstehen, weshalb ich im folgenden den Marx`schen Grundgedanken aufgreifen möchte:
1.1 Der Marx'sche Grundgedanke
Jeder einzelne Kapitalist, so Marx, strebt danach, den Profit in seinem eigenen Betrieb zu erhöhen. Sein Hunger nach Mehrwert ist nicht zu stillen (vgl. Marx, 1962). Er versucht deswegen nicht nur, möglichst viel Arbeit für sein Geld zu bekommen, sondern setzt auf technische, organisatorische und arbeitspsychologische Innovationen, die zu einer erhöhten Arbeitsproduktivität führen. Dem Kapitalisten kann es dadurch gelingen, gegenüber der Konkurrenz einen Vorsprung zu erreichen, weil der Arbeitsaufwand, den er in ein Produkt steckt, geringer ist als der durchschnittliche Arbeitsaufwand in seiner Branche. Er realisiert, so Marx, einen „Extramehrwert“. Dieser Extramehrwert verschwindet, weil das „Zwangsgesetz der Konkurrenz“ die Mitbewerber dazu treibt, die Innovationen ebenfalls einzuführen. Somit verbreiten sich die zunächst isoliert eingeführten Maßnahmen allgemein (vgl. Marx, 1962; Neelsen, 1973). Das technische Niveau der Produktionsmittel wird also insgesamt immer weiter verbessert. Das bedeutet, so der Gedanke von Marx, dass der Anteil des Kapitals, der für Arbeitslohn ausgegeben wird (das variable Kapital „v“), im Vergleich zu dem Kapital, das für Maschinen ausgegeben wird (das konstante Kapital „c“), immer weiter sinkt. In der Terminologie von Marx ausgedrückt: Die „organische Zusammensetzung des Kapitals“, das Verhältnis von konstantem und variablem Kapital, verändert sich immer mehr zu ungunsten des variablen Kapitals. Das führt dazu, dass sich die Profitrate, das Verhältnis des alleine durch Arbeit produzierten Mehrwertes zum gesamt eingesetzten Kapital, verringert. Marx bezeichnet dies als das Gesetz vom „fortschreitenden Fall der Profitrate“ (vgl. Marx 1964; Sweezy 1972; Herkommer & Bierbaum 1979). Für den einzelnen Kapitalisten hat dies zur Folge, dass er aus dem Rad der permanenten Steigerung seines Mehrwertes unter Bedingungen der kapitalistischen „Zwangsgesetze der Konkurrenz“ nicht herauskommt.
Zur Steigerung des Mehrwertes stehen dem Kapitalisten zwei Strategien zur Verfügung: Einerseits die Verlängerung des Arbeitstages des Arbeiters (Steigerung des absoluten Mehrwerts) oder die Intensivierung der Arbeitstätigkeit (Steigerung des relativen Mehrwerts). Schon die „Enquete Ouvrière“ von Marx (1962) zielte mit Fragen nach einer Verkürzung der Esszeiten, nach Überstunden zur Reinigung von Maschinen, nach Nachtarbeit oder nach saisonmäßig bedingter Überarbeit einerseits und mit Fragen nach einer Steigerung der Arbeitsintensität andererseits auf diese beiden grundlegenden Strategien zur Mehrwertproduktion (vgl. Weiss, 1936).
Eine erste zentrale Strategie des Kapitalisten, um möglichst viel Mehrwert aus der eingekauften Arbeitskraft zu ziehen, besteht darin, den Arbeiter möglichst lange arbeiten zu lassen. Die „Verlängerung des Arbeitstages über den Punkt hinaus, an dem der Arbeiter nur ein Äquivalent für den Wert seiner Arbeitskraft produziert hätte“, bezeichnet Marx als die Steigerung des absoluten Mehrwerts (vgl. Marx, 1962). Der Kapitalist versucht, die Zeitgestaltung der Arbeiter möglichst der Logik der Kapitalverwertung zu unterstellen. Der Arbeiter verliert im Kapitalismus zunehmend die Dispositionsmöglichkeiten über seine Zeit. „Zeit zu menschlicher Bildung, zu geistiger Entwicklung, zur Erfüllung sozialer Funktionen, zu geselligem Verkehr, zum freien Spiel der physischen und geistigen Lebenskräfte, selbst die Feierzeit des Sonntags“ erscheine dem Kapitalisten als „reiner Firlefanz“ (vgl. Marx, 1962). Der Kapitalist unterstütze diese Bedürfnisse seiner Arbeiter nicht als Werte an sich, sondern nur dann, wenn sie dazu beitragen, dass der Arbeiter seine Arbeitszeit besser einsetzen kann.
Wie die Verhandlung über die Arbeitszeit ausgeht, hängt also nach Marx nicht von der christlichen Grundhaltung oder der Herzenshaltung des Kapitalisten ab, sondern ist das Ergebnis eines ökonomischen Aushandlungsprozesses. „Das Kapital hat“, so Marx, „nur einen einzigen Lebenstrieb, den Trieb sich zu verwerten, Mehrwert zu schaffen“, aus den Arbeitern „die größtmögliche Masse Mehrarbeit auszusaugen“. Der Arbeiter hingegen beharrt auf einem für ihn vertretbaren Arbeitstag (vgl. Marx, 1962; Altvater, 2002).
Die Geschichte des Kapitalismus ist nach Marx geprägt durch den Kampf der Arbeiter für die Normierung des Arbeitstages - ein Kampf zwischen dem Gesamtkapitalisten, d.h. der Klasse der Kapitalisten, und der Arbeiterklasse (vgl. Marx, 1962). Erst wenn der Arbeiter als freier Verkäufer seiner Arbeitskraft der Klasse der Kapitalisten als Arbeiterklasse gegenübertritt, ist er diesen nicht mehr schutzlos ausgeliefert.
Elmar Altvater, Rolf Hecker, Michael Heinrich und Petra Schaper-Rinkel heben in ihrer Kommentierung des Kapitals drei Aspekte bezüglich der Regulierung des Arbeitstages hervor, die sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in immer mehr Industrieländern etabliert haben (vgl. Altvater, 2002):
1. So schütze diese den einzelnen Kapitalisten vor den „Zwangsgesetzen der Konkurrenz“ und schaffe für alle Kapitalisten ungefähr gleiche Bedingungen für den Einkauf von Arbeitskraft. Sie unterbinde so Strategien einzelner Kapitalisten, die Konkurrenzfähigkeit dadurch zu erhöhen, dass die Arbeitszeit ungehemmt ausgedehnt werde (vgl. Blanke, Jürgens & Kastendiek, 1979).
2. Das „Staatsgesetz“ stelle ein „übermächtiges gesellschaftliches Hindernis“ dar, das die Arbeiter daran hindert, durch „freiwilligen Kontrakt mit dem Kapital sich und ihr Geschlecht in Tod und Sklaverei zu verkaufen“ (vgl. Marx, 1962). Die übergreifende Regulation der Arbeitszeit unterbinde also auch die Konkurrenz der Arbeiter als die Verkäufer der Ware Arbeitskraft. Es würden Minimalstandards entwickelt, die auch zum Beispiel ein Arbeitsloser auf der verzweifelten Suche nach einem Job nicht unterbieten könne (vgl. Müller & Neusüss 1979).
3. Die Normierung des Arbeitstages erhöhe die Bindungsfähigkeit des kapitalistischen Systems. Ein unbeschränkter Arbeitstag würde den Arbeitern die Ausbeutung alltäglich vor Augen führen und könnte zu einem wachsenden Protest gegen die Aneignung des Mehrwerts durch das Kapital führen.
Die betrieblich und überbetrieblich abgesicherten Regulierungen verbieten viele Strategien des Kapitals zur Ausdehnung der Arbeitszeit und damit zur absoluten Mehrwertproduktion. Damit ist das Kapital gezwungen, sich auf eine andere Strategie zur Mehrwertproduktion zu konzentrieren: die Steigerung der Werte, die ein Mitarbeiter während der nicht mehr ausdehnbaren Arbeitszeit produziert. Die Produktionsweise müsse laut Marx so umgewälzt werden, dass die „Produktivkraft der Arbeit“ erhöht werden könne. Neben das Maß der Arbeitszeit als „ausgedehnter Größe“ trete das „Maß ihres Verdichtungsgrades“ (vgl. Marx, 1962).
Je effektiver die eingesetzten Arbeitsmittel, desto mehr kann aus dem Arbeitstag eines Arbeiters herausgeholt werden. Je höher die Intensität, die eine Maschine einem Arbeiter abverlangt, desto höher der Ertrag der Arbeit während eines Arbeitstages. Diesen Prozess bezeichnet Marx als die Steigerung des relativen Mehrwerts, die Erhöhung des Ertrags der Arbeit durch ihren „besseren“, „rationaleren“ Einsatz mit Hilfe von Maschinen, Arbeitsmitteln oder der effizienteren Anordnung von Arbeitsschritten.
Für Marx ist der einschneidende Schritt zur Steigerung des relativen Mehrwerts der Übergang von der Manufakturfertigung zur Industrieproduktion.
Die handwerklich ausgerichtete Fertigung in den Manufakturen dominierte den kapitalistischen Produktionsprozess von der Mitte des 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Die Tätigkeit in den Manufakturen war dadurch gekennzeichnet, dass sich die Handwerker auf einzelne Tätigkeiten im Produktionsprozess konzentrierten und ihr „Detailgeschick“, zum Beispiel in der Bedienung einzelner Maschinen, vervollkommneten. Die Einsatzfähigkeit von Maschinen wurde aber von der „Muskelentwicklung, der Schärfe des Blicks und der Virtuosität der Hand“ des Arbeiters begrenzt (vgl. Marx 1962; Altvater 2002, deren Übersichtsdarstellung ich hier folge).
In der Manufakturfertigung waren die Arbeitsschritte an den einzelnen Maschinen noch nicht systematisch miteinander verbunden. Erst mit der industriellen Fertigung wurden die Maschinen zunehmend miteinander verkettet. Durch „Bewegungsmaschinen“ wie Fließbänder, Gleitbahnen oder Rutschen wurden die einzelnen Arbeitsmaschinen so verbunden, dass komplexe „gegliederte Systeme von Arbeitsmaschinen“ entstanden und der industrielle Produktionsprozess wie ein „großer Automat“ funktionierte (vgl. Marx, 1962). Durch das entstehende „System der Maschinerie“ wurde die Maschine als das Produktionsmittel par excellence aus der Abhängigkeit von den einzelnen Arbeitern „befreit“. Es war nicht mehr der handwerklich geschulte Arbeiter, der die Maschine dominierte, sondern mit der Industrialisierung entstanden „gegliederte Systeme von Arbeitsmaschinen“, die der Arbeiter als „fertige materielle Produktionsbedingungen“, als einen ganz „objektiven Produktionsorganismus“ vorfand. „Der kooperative Charakter des Arbeitsprozesses wird“, so Marx, „durch die Natur des Arbeitsmittels selbst diktierte technische Notwendigkeit“ (vgl. Marx, 1962).
Im Vergleich zu den Tätigkeiten in den Manufakturen, die in der Regel durch qualifizierte Handwerker durchgeführt wurden, war im „System der Maschinerie“ eine geringere Qualifikation der Arbeiter vonnöten. Dies ermöglichte es dem Kapital, Arbeitskräfte in den Produktionsprozess zu integrieren, die bislang wegen fehlender Qualifikation keine Rolle gespielt hatten. „Weiber und Kinderarbeit war“, so Marx, „das erste Wort der kapitalistischen Anwendung der Maschinerie. Dieses gewaltige Ersatzmittel von Arbeit und Arbeitern verwandelte sich damit sofort in ein Mittel, die Zahl der Lohnarbeiter zu vermehren durch Einreihung aller Mitglieder der Arbeiterfamilie, ohne Unterschied von Geschlecht und Alter, unter die unmittelbare Botmäßigkeit des Kapitals“ (vgl. Marx, 1962; Altvater, 2002).
Durch den Wechsel von der Manufakturfertigung zur industriellen Produktion kam es zu einem grundlegenden Wandel im Verhältnis der Arbeiter zur Maschine. In der industriellen Produktion war die „Leistungsfähigkeit des Werkzeugs“ nun von den „persönlichen Schranken menschlicher Arbeitskraft“ emanzipiert. Aus der „lebenslangen Spezialität, ein Teilwerkzeug zu führen“, die noch die Rolle des Arbeiters in der Manufakturfertigung bestimmt hatte, wurde in der industriellen Produktion seine „lebenslange Spezialität, sich einer Teilmaschine unterzuordnen“. „In Manufaktur und Handwerk bedient sich der Arbeiter des Werkzeugs, in der Fabrik dient er der Maschine“ (vgl. Marx, 1962; Neelsen, 1973). Durch diese Umstellung verschob sich die Kontrolle über den Arbeitsprozess von den Arbeitern auf die Kapitalisten. In den Manufakturen waren die Arbeiter „formell“ von den Produktionsmitteln getrennt gewesen. Im konkreten Arbeitsprozess hatten die Arbeiter aufgrund ihres Wissens über die Produktion große Gestaltungsmöglichkeiten gehabt. Der Kapitalist hatte lediglich die Werkzeuge und Materialien besessen, den Arbeitsprozess selbst aber nicht beherrscht. Marx nennt dies eine lediglich „formelle Subsumtion“ der Arbeit unter das Kapital. Die „formelle Subsumtion“ wurde ausgedehnt auf eine „reelle Subsumtion“ der Arbeiter unter das Kapital. Auch wenn die Unterordnung des Arbeiters unter die Bedingungen der Produktion, die „reelle Subsumtion“, nie in Perfektion erreicht werden würde und erreicht werden kann - der Arbeitsprozess hatte sich grundlegend verändert (vgl. Marx, 1962).
Der Trend zur „reellen Subsumtion“ hatte nach Auffassung von Karl Marx und Friedrich Engels verheerende Konsequenzen für die Arbeiter:. „Die Arbeit hat durch die Ausdehnung der Maschinerie und die Teilung der Arbeit allen selbständigen Charakter und damit allen Reiz für den Arbeiter verloren“. Der Arbeiter wurde „ein bloßes Zubehör der Maschine, von dem nur der einfachste, eintönigste, am leichtesten erlernbare Handgriff verlangt wird“ (vgl. Marx & Engels, 1959).
Zusammenfassend kann man feststellen:
Es gibt, wie gezeigt, nach der Marx'schen Betriebsanalyse zwei Strategien des Kapitals: Die Ausdehnung der Arbeitszeit, ohne dass der Kapitalist dafür mehr bezahlen muss, und die effektivere Nutzung der eingekauften Arbeitszeit (Rationalisierung als kontinuierliche Verbesserung der Arbeitsorganisation). Diese beiden Strategien zur Steigerung des Mehrwertes stehen miteinander in Beziehung. Wenn die Ausdehnung der Arbeitszeit aufgrund von gesetzlichen Arbeitsschutzbestimmungen oder von tariflichen Arbeitszeitregelungen nicht möglich ist, wird „das Kapital“ den Intensitätsgrad der Arbeit erhöhen. Durch eine Verbesserung der Technik und der Arbeitsorganisation soll so ein Optimum der Arbeitskraft erreicht werden. Gleichzeitig zerstört eine zu hohe Arbeitsintensität bei zu langer Arbeitszeit die Arbeitskraft. Deswegen mache eine Steigerung des Intensitätsgrads der Arbeit eine Verkürzung der Arbeitszeit unvermeidlich (vgl. Marx, 1962; Neelsen, 1973).
Aufbauend auf diese Einführung zum Thema Profitmaximierung und Rationalisierung als Ziele jeder Organisation sollen nun die bekannten und umstrittenen tayloristischen den „modernen“ ganzheitlicheren Arbeitsformen gegenübergestellt werden, welche wiederum Basis für die heutzutage immer öfter verwendete Eignungsdiagnostik sind:
1.2 Tayloristische vs. ganzheitliche Arbeitsformen
1.2.1 Tayloristisch-fordistische Arbeitsstrukturen
Die naheliegendste Herangehensweise der Arbeits- und Industriesoziologie war es, die Marx'schen Überlegungen zu einer immer stärkeren Dominanz der Arbeiter durch Maschinen fortzuschreiben. Harry Braverman, in den 1970er Jahren der prominenteste Vertreter einer auf Marx sich berufenden „Dequalifizierungsthese“, argumentierte, dass die sich immer mehr durchsetzenden Rationalisierungsstrategien dazu dienen, den Arbeitsprozess zunehmend von Erfahrungen, Kenntnissen und Traditionen des handwerklichen Könnens des Arbeiters zu trennen. Das Wissen, das die Arbeiter über Jahrzehnte und Jahrhunderte angesammelt hätten, werde systematisch auf das Management verlagert werden. Dies mache den Kapitalisten von den Qualifikationen des Arbeiters unabhängig und ermögliche es ihm, die Arbeitnehmerschaft ganz den Zielen, Vorstellungen und Plänen des Managements unterzuordnen. Der Kapitalist schlage, so die Grundaussage Bravermans, mit seinen Rationalisierungsstrategien zwei Fliegen mit einer Klappe: Erstens verfüge er über eine effiziente Organisationsstruktur, mit der sich der relative Mehrwert kontinuierlich steigern lasse, und zweitens ermögliche die Dequalifizierung der Arbeiter und die starke Zergliederung des Arbeitsprozesses eine bessere Kontrolle der Arbeiter (vgl. Braverman, 1974).
Braverman schließt mit dieser Verbindung aus Rationalisierungsstrategien und Fragen der Kontrollstrategien des Managements direkt an eine bereits von Marx angerissene Spezifik des Arbeitsvertrages an. Während in einem simplen Kaufvertrag Leistung und Gegenleistung genau spezifiziert werden, kauft der Arbeitgeber mit einem Arbeitsvertrag Arbeitskraft nur in einer sehr abstrakten Form ein. Der Arbeitnehmer stellt mit dem Unterzeichnen eines Arbeitsvertrags eine Art „Blankoscheck“ aus und erklärt sich bereit, seine Arbeitskraft, seine Fähigkeit, seine Kreativität gemäß der ihm gestellten Aufgabe einzusetzen. Er verzichtet darauf, dass im Detail festgeschrieben wird, worin seine Leistungen im Einzelnen zu bestehen haben (vgl. Commons, 1924).
Für den Kapitalisten entsteht dadurch ein Kontrollproblem: Während der Arbeitsvertrag die Leistungen des Arbeitgebers (nämlich die Lohnzahlung) genau spezifiziert, sind die Gegenleistungen der Mitarbeiter nicht genau festgelegt. So kann der Arbeitnehmer versuchen, sich der Leistungserbringung so weit wie möglich zu entziehen. Der Einkauf von Arbeitskraft durch den Kapitalisten - die formelle Subsumtion des Arbeiters - ist deswegen nicht gleichbedeutend mit der realen Nutzung der Arbeitskraft durch das Kapital - die reelle Subsumtion (vgl. Marx, 1962). Wenn der Arbeitgeber also Arbeitskraft einkauft, kann er sich - anders als bei den von ihm gekauften Gebäuden, Maschinen und Materialien - nicht sicher sein, dass sie sich reibungslos in den Arbeitsprozess einordnen lässt (vgl. Braverman, 1974; Friedman, 1977; Jürgens, 1984). Die Transformation von Arbeitsvermögen in Arbeitsleistung ist problematisch. In dieser Meinung stimmen eine marxistisch geprägte Arbeits- und Industriesoziologie mit der eher aus der Betriebswirtschaftslehre stammenden Institutionenökonomie überein.
Erst durch die systematische Dequalifizierung der Arbeiter und ihre Unterwerfung unter ein tayloristisch-fordistisches Produktionsregime hätten, so die Aussage Bravermans in Anschluss an Marx, die Kapitalisten dieses „Transformationsproblem“ einigermaßen in den Griff bekommen (vgl. Braverman, 1974). In seinen Analysen nimmt Harry Braverman die Rationalisierungsstrategien von Frederick Winslow Taylor und Henry Ford insofern beim Wort, als er davon ausgeht, dass mit dem Fortschreiten der Industrialisierung die Realität der Betriebe immer mehr den Produktionsideologien entsprechen wird, die Taylor und Ford Anfang des 20. Jahrhunderts propagiert hatten. Braverman unterscheidet sich von Taylor und Ford „nur“ in der Bewertung der neuen Produktionsverfahren für die Arbeiter. Er sieht im Taylorismus eine systematische Enteignung der Arbeiter durch das Kapital, während Taylor und Ford in der von ihnen propagierten Form der Arbeitsorganisation nicht nur die effizienteste Produktionsmethode für den Kapitalisten, sondern auch den Garant für die „Prosperität“ der Arbeitnehmer sahen (vgl. Taylor, 1967; Bendix, 1960). Von einem tayloristisch-fordistischen Produktionssystern würden, so ihre Annahme, sowohl die Arbeitergeber als auch die Arbeiter profitieren - eine Situation, die die Managementlehre als eine typische „Win-Win-Situation“ verklären würde.
Es ist in der Wissenschaft immer noch umstritten, wie verbreitet die tayloristisch-fordistische Produktionsweise in den Betrieben gewesen ist. Einige Wissenschaftler vertreten die Auffassung, dass das tayloristische und - mit Abstrichen - auch das fordistische Produktionsparadigma gerade in ihrer Zuspitzung im Begriff des „Fordismus“ eher ein Konstrukt der Wissenschaft denn hegemoniale betriebliche Realität waren. Besonders die Ideen Taylors scheinen in den USA zu Beginn des 20. Jahrhunderts Teil einer öffentlichen Effektivitätshysterie gewesen zu sein, die sich überall durchzusetzen schien - außer in den Betrieben (vgl. Haber 1964; Moldaschl &Weber, 1998). Aber gerade als dominierendes, mit der Praxis mehr oder minder gekoppeltes Rationalisierungsleitbild war das tayloristisch-fordistische Produktionsparadigma geeignet, um mit empirischen Forschungen kontrastiert zu werden und die Konturen eines Produktionsparadigmas jenseits von Taylor und Ford herauszuarbeiten. Diejenigen, die gegen diese Produktionsideologie zu Felde zogen, mussten zeigen, dass sie „besser“ als der Taylorismus oder Fordismus waren. Jede erfolgreiche Widerlegung und Korrektur, so Gert Schmidt, hatte sich letztlich als Instrument der Produktivitätssteigerung auszuweisen (vgl. Lutz & Schmidt, 1977).
1.2.2 Ganzheitlichere Arbeitsformen
Bereits in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen wurde mit Arbeitsformen experimentiert, die explizit von tayloristischen Ansätzen Abstand nahmen. So wurden beispielsweise bei „Mercedes Benz“ in Stuttgart erste Versuche mit der so genannten Gruppenfabrikation gestartet. In der Nachkriegszeit wurde bei „Fiat“ im süditalienischen Termoli die Ersetzung der Fließbandarbeit durch möglichst ganzheitliche Arbeitsformen erprobt. Dies waren jedoch nur vereinzelte Versuche in der Automobilindustrie, die sich immer stärker als Leitbranche der Industrie ausbildete, von der Fließbandfertigung abzurücken.
Erst gegen Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre setzten sich Arbeitsformen durch, die sich explizit vom tayloristisch-fordistischen Produktionsdogma abgrenzten. Während in der Managementliteratur der Abschied von Taylor und Ford mit Begriffen wie „modulare Fabrik“ (vgl. Wildemann, 1988), „Lean Management“ (vgl. Womack, Jones & Ross, 1990), „lernende Organisation“ (Senge 1990), „Business Reengineering“, „fraktale Fabrik“ (vgl. Warnecke, 1992) oder „vielzelliges Unternehmen“ (vgl. Landier, 1987) positiv bezeichnet wurde, griffen die Arbeits- und Industriesoziologen zu eher distanzierteren Beschreibungsformeln. Die Rede war von der Ausbildung einer „verantwortlichen Autonomie“ (vgl. Wood & Kelly, 1982), von „neuen Produktionskonzepten“ (vgl. Kern & Schumann, 1984), „flexibler Spezialisierung“ (vgl. Piore & Sabel, 1985) oder „postfordistischer Arbeitsorganisation“ (vgl. Aglietta, 1979).
Aber auch wenn sich die Konzepte in ihrer Schwerpunktsetzung teilweise unterschieden, bestand in Bezug auf die zentralen Merkmale weitgehende Übereinstimmung (vgl. Kühl, 2004; Deutschmann, 2002). Unter dem Label der Dezentralisierung wurden die zentralen Zuständigkeiten teilweise aufgegeben und Entscheidungskompetenzen auf möglichst niedrige Ebenen der Organisation verlagert. In strategischen Fragen wurden Entscheidungskompetenzen von der Unternehmensspitze in weitgehend autonome Bereiche verlagert. In ihrer ausgeprägtesten Form waren diese „Geschäftsbereiche“, „Profitcenter“ oder „Segmente“, kleine „Unternehmen im Unternehmen“, die neben der Produktion über einen eigenen Einkauf, eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilungen und einen eigenen Vertrieb verfügten. In operativen Fragen wurde die strikte Trennung zwischen Planung und Ausführung reduziert. Die Disposition über die Arbeitsdurchführung wurde wieder in die wertschöpfenden Bereiche zurückgeführt. Dafür wurden häufig Einzelarbeitsplätze aufgelöst und die Mitarbeiter in Gruppen und Teams zusammengezogen. In diesen Teams gab es häufig keinen Vorgesetzten mehr, sondern man war gemeinsam für die Erledigung einer nur noch grob vorgegebenen Aufgabe verantwortlich („Zielvereinbarung“). Die Anweisungskompetenzen der Meister und unteren Vorgesetzen wurden reduziert und ihre Rolle zu der eines „Moderators“ der sich selbst organisierenden Gruppen umdefiniert. Die Rationalisierungsmaßnahmen wurden nicht mehr allein durch spezialisierte Stäbe vorgenommen, sondern das Expertenwissen der in Gruppen organisierten Mitarbeiter sollte durch „Kontinuierliche Verbesserungsprozesse“ und „Qualitätszirkel“ genutzt werden.
Angesichts einer letztlich auf Marx zurückgehenden Fokussierung auf die Entwicklung der Produktionsmittel wurden neben der „Sättigung auf den Absatzmärkten“, dem verschärften „nationalen und internationalen Wettbewerb“ und dem „wachsenden Kostendruck“ die Verfügbarkeit und der Einsatz neuer Techniken als der prinzipielle Motor für den Wandel des Arbeitsprozesses angesehen (vgl. Jäger, 1999; Müller-Jentsch, 2003). Besonders die Entwicklung der Mikroelektronik führte dazu, dass Maschinen komplexe Arbeitsschritte selbst verrichten konnten. Dies machte zwar in der Industrie viele einfache Arbeiten überflüssig, doch die verbleibenden Arbeiter mussten als „Maschinenbediener“ und „Systemregulierer“ zunehmend komplexere Aufgaben übernehmen. In der Terminologie von Marx würde man davon sprechen, dass die Investitionen in die Produktionsmittel (das konstante Kapital „c“) eine Requalifikation der Arbeiter (also letztlich Investitionen in das variable Kapital „v“) verlangten.
In der Auseinandersetzung mit Harry Braverman wurden dessen Thesen zur weiteren Dequalifizierung der Arbeiter in der besonders im anglo-amerikanischen Sprachraum geführten Labour Process-Debate stark modifiziert, wenn nicht sogar verworfen. Andrew Friedman stellt beispielsweise heraus, dass die „direkte Kontrolle“ mit einer stark reduzierten Verantwortung der Arbeiter und deren strengen Überwachung durch das Management nur eine Strategie zur Transformation von Arbeitsvermögen in Arbeit ist. Eine andere Möglichkeit bestehe darin, über stabile Beschäftigungsverhältnisse die Arbeiter an den Betrieb zu binden und ihnen im Rahmen dieser Grundloyalität eine „verantwortliche Autonomie“ zuzugestehen (vgl. Friedman, 1977). Craig R. Littler argumentiert, dass man weder die Kontrollstrukturen und die Produktionsprozesse in den Betrieben noch die Zustände auf dem Arbeitsmarkt deduktiv aus dem in der Gesellschaft herrschenden Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit erschließen könne. Auf den Ebenen des Arbeitsmarktes, der Kontrollstrukturen und des Produktionsprozesses herrsche ein hohes Maß an Autonomie. So sei es gut möglich, dass auf der Ebene des Produktionsprozesses tayloristisch-bürokratische Arbeitsformen walten, während auf der Kontrollebene des Managements posttayloristische Strategien dominieren (vgl. Littler, 1982).
Schon früh wies im deutschen Sprachraum die „Projektgruppe Automation und Qualifikation“ darauf hin, dass die Ausbildung EDV-gestützter Produktions- und Dienstleistungsprozesse dazu führe, dass das Produktionswissen nicht systematisch auf das Management verlagert werden könnte. Nicht die von Braverman prophezeite weitgehende Trennung von Kopf- und Handarbeit, sondern die Nutzung des umfassenden Produktionswissens der Arbeiter sei im konkreten Arbeitsprozess zu beobachten. Dieser Gedanke wurde von Horst Kern und Michael Schumann generalisiert. Die beiden Soziologen proklamierten einen „historischen Umbruch in der Nutzung von Arbeitskraft“ und einen Abschied von der Dominanz der tayloristisch-fordistischen Produktionsform. „Lebendige Arbeit“ sei nicht mehr, wie von Marx vorhergesagt, „eine Schranke der Produktion“, die der Kapitalist durch eine möglichst „weitgehende Autonomisierung des Produktionsprozesses“ und eine „restriktive, taylorisierte Arbeitsgestaltung“ zu überwinden suche. Aufgrund veränderter kapitalistischer Verwertungsbedingungen würde eine weitere Komprimierung der Arbeit durch Technik in vielen Fällen nicht mehr das wirtschaftliche Optimum darstellen, weil durch den „restringierenden Zugriff auf Arbeitskraft“ wichtige Produktivitätspotentiale verschenkt würden. Aus diesem Grund käme es in wirtschaftlichen Kernsektoren wie der Automobil-, der Maschinenbau- und der Chemieindustrie zu einer „Reprofessionalisierung von Produktionsarbeit“ (vgl. Kern & Schumann, 1984).
Durch die „Arbeitsprozess-Debatte“ in Anschluss an die Braverman'schen Zuspitzungen, die frühen Pionierarbeiten über die Automationsarbeit und die Forschungen zu den neuen Produktionskonzepten wurde die Idee der „Kontingenz“, der Gedanke, dass Prozesse „so, aber auch anders“ ablaufen können, ohne darüber aber beliebig zu sein, in der arbeits- und industriesoziologischen Rationalisierungsdiskussion stark gemacht. Unter kapitalistischen Verwertungsbedingungen, so die grundlegende Argumentation, war eine weitere Effizienzsteigerung nicht nur in Form einer zunehmenden Trennung des Arbeiters von seinen Erfahrungen, Kenntnissen und Traditionen vorstellbar, sondern auch in einem entgegengesetzten Prozess.
Das Verdienst dieser lange Zeit dominierenden arbeits- und industriesoziologischen Lesart darf nicht übersehen werden: Die Rationalisierungsprozesse standen unter einer genauen Beobachtung der Arbeits- und Industriesoziologie. In der Wissenschaft fand eine intensive Auseinandersetzung über die Bewertung der beobachteten Rationalisierungsstrategien statt, welche hier in Grundzügen wiedergegeben werden soll:
1.3 Die Debattenstruktur bei der Frage der Betriebsorganisation
Die Debatte, ob wir es mit einer postfordistisch-posttayloristischen Arbeitsorganisation oder mit einer Rückkehr des Fordismus-Taylorismus zu tun haben, waren letztlich Formeln, mit denen die Kontroverse geführt wurde, welche Rationalisierungsstrategien sich durchsetzen und welche Auswirkungen diese Strategien auf die Arbeitnehmer haben würden. Das Problem dieser Debattenstruktur war jedoch eine starke konzeptionelle „Verengung“ der betriebssoziologischen Diskussion. Letztlich lässt sich die Debatte in der Arbeits- und Industriesoziologie, aber auch in großen Teilen der Betriebswirtschaftslehre, der Arbeitswissenschaft und der Organisationspsychologie in ein verhältnismäßig einfaches Ordnungsschema pressen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Debatte über Arbeitsstruktur und Situation der Arbeitenden in der Industriesoziologie
(entnommen aus Kühl, 2004).
Einerseits dreht sich die Debatte um die Frage, welche Arbeitsstruktur - eine stark arbeitsteilige, „retaylorisierte“ Arbeitsstruktur (vgl. Springer, 1999) oder eine eher auf ganzheitliche Arbeitsformen basierende (vgl. Kern & Schumann, 1984) - am ehesten zur Profitmaximierung beiträgt. Andererseits geht es um die Frage, wie sich die für das Kapital als rational darstellenden arbeitsteiligen oder ganzheitlichen Arbeitsformen für die Mitarbeiter auswirken.
Besonders Horst Kern und Michael Schumann ist eine deutliche Sympathie für die von ihnen festgestellten „neuen Produktionskonzepte“ anzumerken. Angesichts der zentralen Bedeutung der Arbeit gehe es darum, die „Gelegenheit beim Schopfe zu packen“ und die aufgeklärten Manager bei der Einführung der neuen Produktionskonzepte zu unterstützen (vgl. Kern & Schumann, 1984). Eine andere Richtung in der Arbeits- und Industriesoziologie relativiert das „Befreiungspotential“ der neuen Produktionskonzepte und stellt die durch die dezentralen Unternehmensstrukturen entstehenden paradoxen Arbeitsanforderungen an die Mitarbeiter dar (vgl. Moldaschl, 1994, Kühl, 2004).
Die zentralen Diskussionsstränge der am Betrieb orientierten Arbeits- und Industriesoziologie bewegen sich ihm Rahmen dieser Debattenstruktur:
In einem ersten Strang der arbeits- und Industriesoziologischen Debatte wurden neue Managementkonzepte daraufhin überprüft, ob sie eher eine „Retaylorisierung“ bedeuteten oder ob sie ganzheitlichere Arbeitszuschnitte ermöglichten. So wurde debattiert, ob das in den 1990er Jahren populäre „Lean Management“ in seiner japanischen Variante eine Abkehr vom Taylorismus bedeutete oder letztlich nur seine Fortführung unter veränderten Bedingungen war (vgl. Jürgens, 1995). Die „Gruppenarbeit“ in Betrieben wurde unter dem Gesichtspunkt untersucht, ob sie in einer eingeschränkten Variante mit geringen Arbeitsumfängen, einer hohen Integration in die Fließbandfertigung und einem geringen Maß an Selbstkoordination vorlag oder ob sie eine weitgehende Form der Teilautonornie für die Gruppe aufwies - mit erweiterten Arbeitsumfängen, einer tendenziellen Entkopplung vom Fließband und einem hohen Maß an Selbstkoordination (vgl. Gerst, 1998).
In einem zweiten Strang der Debatte wurden die Rationalisierungsstrategien auf nationalstaatliche Spezifika hin untersucht. Während anfangs Vergleiche zwischen den westeuropäischen Ländern im Mittelpunkt standen, konzentrierte sich die Forschung in den späten 1980er, frühen 1990er Jahren auf Vergleiche zwischen japanischen, US-amerikanischen und europäischen Produktionsformen (vgl. Cole, 1989, Lincoln & Kalleberg, 1990; Schumann, 1994; Jürgens, 1995). Besonders aufgrund der Erfolge der japanischen Automobil-, Mikroelektronik- und Maschinenbauindustrie in den 1980er Jahren interessierte sich die Arbeits- und Industriesoziologie dafür, wie sich die in Japan entwickelten Produktionsformen in die Diskussion um tayloristische versus ganzheitliche Produktionsformen einordnen ließen und welche Prozesse bei der Transferierung der in Japan entwickelten Organisationsformen zu beobachten waren (vgl. Deutschmann, 2002).
Ein dritter Strang der Debatte geht der Frage nach, ob sich die vorwiegend anhand von Untersuchungen in industriellen Großbetrieben entwickelten Beschreibungen von tayloristisch-fordistischen oder postfordistischen Organisationsformen auch in anderen Branchen wiederfinden lassen. Aufgrund der engen Verkopplung der eigenen disziplinären Entstehungsgeschichte mit der Ausbildung der „Industriegesellschaft“ gab es eine starke Fokussierung auf industrielle Produktionsunternehmen. Die Forschungen über die tayloristischen oder ganzheitlichen Arbeitsstrukturen in Branchen wie der Krankenpflege, der Call-Center oder der Gastronomie blieben deswegen wohl nur ein Nebenstrang der Diskussion über die Betriebsorganisation.
Eine Gemeinsamkeit in der industriesoziologischen Diskussion ist auffällig: Egal ob man einen Trend eher zur weiteren Taylorisierung oder eher zur Ausbildung ganzheitlicher Arbeitsformen beobachtete, es wurde immer davon ausgegangen, dass es hei den Strategien des Kapitals um die Steigerung der ökonomischen Rationalität des Unternehmens ging. Der Industriebetrieb erschien ganz in der Tradition von Marx als Produkt des modernen Kapitalismus, in dem die Profitorientierung und das Rentabilitätsprinzip als „ultima ratio“ herrschten (vgl. Lutz & Schmidt, 1977). Es dominierte nach wie vor ein der Marx'schen Tradition geschuldeter „heimlicher Effizienzdeterminismus“ (vgl. Ortmann, 2003).
Diese Form der Herangehensweise, in der die gesamte Unternehmung vom Prinzip der Profitorientierung aus rekonstruiert wird, lässt sich in Anschluss an Max Weber als „zweckrationales“ Organisationsverständnis bezeichnen. „Es handelt derjenige zweckrational“, so Weber, „der in seinem Handeln verschiedene Zwecke gegeneinander abwägt, die günstigsten Mittel zur Erreichung der definierten Zwecke wählt und in diesem Auswahlprozess von Zwecken und Mitteln mögliche unerwünschte Nebenfolgen mit in Betracht zieht.“ Um Webers Kriterien der Zweckrationalität zu erfüllen, müssen sich die Entscheider über ihre Interessen, Wünsche und Werte im Klaren sein. Der Kapitalist muss sich beispielsweise des Ziels der Verwandlung von „G“ in „G'“ bewusst sein. Er muss möglichst vollständige Informationen über alle Handlungsalternativen sammeln und die Konsequenzen der Alternativen abwägen (vgl. Weber, 1980). Diese Zweck-Mittel-Struktur wurde dann ähnlich wie in der klassischen Organisationstheorie mit dem hierarchischen Aufbau „parallelgeschaltet“. Die Führung des Unternehmens definiert, auf welche Weise das Unternehmen Gewinne machen will. Die Handlungen, die als Mittel zur Erreichung des Zweckes erforderlich sind, werden „dann den Untergebenen als Aufgabe zugewiesen“. Diese „delegieren dann ihrerseits Unteraufgaben an Unterinstanzen“, bis der „Boden der Hierarchie“, die unmittelbare Ausführungsebene erreicht ist (vgl. Luhmann, 2000). Durch die „Parallelschaltung“ der Zweck-Mittel-Relation mit der hierarchischen Oben/Unten-Unterscheidung entstehen selbstverständlich übersichtliche Organisationsanalysen.
Der Charme dieses zweckrationalen Organisationsverständnisses ist, dass ein aus den kapitalistischen Wirtschaftsbedingungen abgeleiteter Zweck - nämlich das Ziel der Profitmaximierung - als Ausgangspunkt genommen wird und dann die gesamte Organisation von diesem Ausgangspunkt aus durchanalysiert wird. Man kann die Alternativen betrachten, die zur Erreichung eines Ziels angestrebt werden und Aussagen treffen, ob auch aus der Außensicht die Strategie des Unternehmens die richtige ist oder nicht. So entsteht ein in der Regel übersichtliches Geflecht aus Thesen und Hypothesen.
Im Rückblick besteht die Innovation der am Betrieb interessierten Arbeits- und Industriesoziologie darin, dass sie den Zusammenhang zwischen Zweckrationalität und tayloristisch-fordistischer Organisationskonzeption aufgebrochen hat. Für die Einsicht, dass eine Organisation zweckrational organisiert sein kann, ohne sich am tayloristisch-fordistischen Produktionskonzept oder auch dem bürokratischen Idealtypus Webers zu orientieren, wurde sogar der in der Soziologie sonst eher sparsam verwendete Begriff des „Paradigmenwechsels“, des grundlegenden Wandels einer Strukturform, eingesetzt (vgl. Kern & Schumann, 1984).
Aber - und dieser Aspekt darf nicht übersehen werden - auch nach dem vermeintlichen Paradigmenwechsel blieb die Arbeits- und Industriesoziologie wenigstens theoretisch einem zweckrationalen Organisationsverständnis verhaftet. In einem turbulenten Marktumfeld, so der Grundtenor der Argumentation, sei es rational, mit einer dezentralen, abgeflachten Organisationsform zu agieren, während es in einem stabilen Marktumfeld sehr wohl ökonomisch Sinn machen könne, auf eine Organisationsform zurückzugreifen, die dem tayloristisch-fordistischen Produktionsmodell oder dem bürokratischen Idealtyp Webers ähnlich sei. Genauso wie der situative Ansatz in der Organisationsforschung lief dieses Verständnis auf eine ausgefeiltere Version der One-best-way-Philosophie hinaus. Es gibt für jede Situation einen besten Weg - der ist aber eben abhängig von der jeweiligen Situation, in der sich die Organisation befindet. Statt eines tayloristisch-fordistisch-bürokratischen One-best-way gibt es jetzt einen „situativ relativierten One-best-way“, der je nach Marktlage, Technikentwicklung oder politischem Umfeld eine tayloristisch-fordistisch-bürokratische oder eine ganzheitlichere Produktionsform vorsieht (vgl. Ortmann, 2003).
Die lange Zeit dominierende Konzentration der Arbeits- und Industriesoziologie auf Kernsektoren wie Automobil-, Maschinenbau- und Chemieindustrie und die Fokussierung besonders auf die Produktionsbereiche in diesen industriellen Feldern bei gleichzeitiger Vernachlässigung von Bereichen wie Dienstleistungs- oder Wissensarbeit ist durch die auf Marx zurückgehende Verengung, dass „gearbeitet wird, wo produziert wird“, verständlich. Aus der Perspektive der Theorie funktionaler Differenzierung, welche unter 1.4 beschrieben werden soll, gibt es für diese erst langsam durchbrochene arbeitssoziologische Einengung auf den gewerkschaftlich organisierten, überwiegend männlichen deutschen Facharbeiter der Maschinenbau-, Automobil- oder Chemieindustrie keine nachvollziehbaren Gründe:
1.4 Der Ansatz der Theorie funktionaler Differenzierung
Aus der Perspektive der Theorie funktionaler Differenzierung herrscht Unverständnis, weswegen sich eine auf „Arbeit“ konzentrierte Soziologie auf Unternehmen beschränken sollte.
Wirtschaftsunternehmen grenzen sich von anderen Organisationen dadurch ab, dass sie Zahlungen an Mitarbeiter (oder Zulieferer) nur deswegen leisten, weil sie davon ausgehen, dass dieses zum unmittelbaren „Wiedergewinn“ ihrer Zahlungsfähigkeit führt, wenn sie ihre Produkte oder Dienstleistungen wieder verkauft haben. Im Gegensatz zu staatlichen Verwaltungen oder Armeen geben Unternehmen Geld aus, damit beim Verkauf der Produkte und Dienstleistungen dieses mit Überschüssen an sie zurückfließt (vgl. Luhmann, 2000).
Aber das Kriterium der Arbeit gegen Lohn hängt ganz offensichtlich nicht an dieser besonderen Form der Refinanzierung von Unternehmen. Die Analyse der Theorie funktionaler Differenzierung setzt deswegen in ihren „Arbeitsanalysen“ - im Gegensatz zu einer marxistisch geprägten Arbeits- und Industriesoziologie - auf der Ebene von „Organisationen“ an - unabhängig ob diese jetzt im Wirtschaftssystem (Unternehmen), im Gesundheitssystem, im Rechtssystem, im oder im politischen System (Ministerien, städtische Verwaltungen, Nichtregierungsorganisationen) wirken. Mit diesem Fokus auf die ganze Breite von Arbeitsorganisationen steht die Theorie funktionaler Differenzierung in der Tradition von Max Weber, der in seinen Studien zur Ausbildung von Bürokratien und zur Entwicklung rationaler Herrschaftsformen die Marx'sche Fokussierung auf Wirtschaftsorganisationen aufgegeben und einen Blick für die Ähnlichkeit von Rationalisierungsprozessen in Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen entwickelte (vgl. Weber, 1980).
Vergleicht man die Arbeitsorganisationen unterschiedlicher Funktionssysteme miteinander, dann fällt auf, dass diese sich nicht nur strukturell stark ähneln, sondern sich in ihnen Ordnungsprinzipien vormoderner Gesellschaften wieder finden lassen. Die relative Folgenlosigkeit von Unternehmenskonkursen, Auflösungen von Ministerien oder der Schließung einzelner Universitäten zeigt, dass Organisationen voneinander unabhängig sind. Der Ausfall einer Einheit hat in der Regel keine verheerenden Konsequenzen für das Ganze zur Folge. Intern sind Organisationen nach dem in stratifizierten Gesellschaften insgesamt dominierenden Schema von „oben und unten“ differenziert. Trotz der in regelmäßigen Abständen aufkommenden Managementdiskurse von der „Abschaffung der Hierarchie“, dem „Todesstoß“ für die Hierarchie oder der „Hierarchie als auslaufendem Modell“, die auch in der Arbeits- und Industriesoziologie immer mal wieder aufflackerten (vgl. Bahrdt, 1982), gibt es kein Beispiel einer Organisation, die ab einer bestimmten Größe auf eine irgendwie geartete Oben/Unten-Differenzierung verzichtet.
Während die marxistisch geprägte Arbeits- und Industriesoziologie vom Oben/Unten-Schema in Unternehmen auf die Strukturierung der Gesamtgesellschaft schließt (vgl. Deppe, 1971) und damit das Fabrikregime zum gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnis insgesamt hochstilisiert, hebt die Theorie funktionaler Differenzierung die Differenz zwischen Gesellschaft und Organisation hervor. Besonders Niklas Luhmann hat herausgearbeitet, dass auf der Ebene der Gesellschaft die Bedeutung erstens von Mitgliedschaftsinklusionen und -exklusionen, zweitens von Zwecken und drittens von Hierarchien abnimmt, diese aber als Strukturierungsmerkmale von Organisationen einen zunehmend prominenten Platz erhalten.
Dass Organisationen zur Ausbildung von Zwecken und Zielen in der Lage sind, ist nicht zu bestreiten. Die Prominenz von Zweckformulierungen in Organisationen hat, wie oben gezeigt, in Teilen der Soziologie dazu geführt, Organisationen insgesamt als „Zweckverbände“ zu begreifen. Besonders das Profitmotiv von Unternehmen bot sich als oberster Zweck an, von dem aus sich die Handlungen bei diesem Typ von Organisationen hervorragend verstehen ließen und mögliche „Abweichungen“ in Form von falschen Markteinschätzungen, Versagen der Zulieferung von Teilen oder Leistungsentzug einzelner Mitarbeiter (positiv oder negativ) markiert werden konnten. Parallel gab es die Tendenz, Parteien von dem vermeintlichen Oberzweck des Gewinnens von Wahlen aus zu begreifen oder sich der Funktionsweise von Kirchen über den zentralen Zweck der möglichst erfolgreichen Gewinnung und Betreuung von Gläubigen zu nähern.
Zwecke eignen sich alleine schon deshalb nicht als Ausgangspunkt für Organisationsanalysen, weil selbst die „letzten“, „obersten“ Zwecke einer Organisation modifiziert werden können. Organisationen sind wegen ihrer Fähigkeit, Zwecke selbst zu definieren, oft mit direkt widerspruchsvollen Zielen ausgerüstet. Man findet zum Beispiel in Unternehmen häufig die Forderung, dass gleichzeitig das operative Geschäft Gewinne bringen soll, neue Märkte erschlossen, grundlegend neue innovative Produkte entwickelt und die Mitarbeiter hervorragend behandelt werden sollen. Kurzfristig handelt es sich um für Organisationen typische konkurrierende Zwecksetzungen: So kann eine Steigerung des operativen Gewinns die Entlassung von Mitarbeitern bedeuten, während Investitionen in langfristige Innovationen häufig eine gleichzeitige Markteroberung ausschließen (vgl. Luhmann, 2000).
Nicht alle Zwecke sind, so bereits eine frühe Erkenntnis Luhmanns, so instruktiv, dass sich aus ihnen richtige Mittel, geschweige denn „einzig-richtige“ Mittel ableiten ließen (vgl. Luhmann, 2000). Zwar klingt die Zwecksetzung „Profit machen“ oder „Autos verkaufen“ für Unternehmen einleuchtend, es ist aber eine Zwecksetzung, die die richtige Mittelwahl nicht vorgibt. Entscheidungen in Unternehmen werden selbstverständlich häufig mit dem Verweis auf den Zweck des Unternehmensgewinns gerechtfertigt. Aber da der Zweck der Profitmaximierung so wenig instruktiv ist, fällt es trotz ausgefeilter Kostenrechnung in Unternehmen schwer zu bestimmen, ob eine bestimmte Maßnahme zum Zweck der Gewinnmaximierung beiträgt oder nicht. Die Formulierung von eher abstrakten Zwecken wie „Profitmaximierung“, „Humanisierung der Arbeit“ oder „Befriedung eines Kampfgebiets“ hat in Organisationen aber häufig gar nicht die Funktion, zu konkretem Handeln anzuleiten.
Ein wichtiger Strang der Organisationssoziologie, der Neo-Institutionalisrnus, lastet das Problem der unklaren Zweckformulierung nicht der jeweiligen Unternehmung, Universität oder Verwaltung an, um im Stil einer praxisorientierten Betriebswirtschaftslehre eine klarere Definition des Zwecks zu verlangen, sondern argumentiert, dass viele Zweckbekenntnisse eher die Funktion haben, Legitimation nach außen zu erzeugen. Wegen dieser Legitimitätserzeugung können Unternehmen auf die häufig monoton wirkenden Bekenntnisse zur Gewinnsteigerung, zur Shareholder- und Arbeitnehmerbeglückung und zur Heilung von Klienten nicht verzichten (vgl. Luhmann, 2000).
Alle diese in den letzten 50 Jahren von der Organisationssoziologie entwickelten Einschränkungen schließen nicht aus, dass sich Organisationen so präsentieren, als ob es ihnen gelungen sei, sich weitgehend auf einen klaren Zweck auszurichten und die ganze Struktur großenteils mit Zweck-Mittel-Ketten zu durchziehen: „Ford“ nach der Einführung des Fließbandes, der Softwarehersteller „Oracle“ nach der Reorganisation des eigenen Betriebes mit Hilfe der eigenen Software oder die bayrische Landesregierung, nachdem diese gemeinsam von Edmund Stoiber und der „Roland Berger“-Unternehmensberatung „auf Vordermann“ gebracht worden war. Aber mit der neueren Organisationssoziologie lässt sich argumentieren, dass diese vermeintliche Stromlinienförmigkeit gerade das Problem von Organisationen darstellt.
Konflikte und Konkurrenzen erfüllen eine wichtige Funktion für die Organisation. Gerade die Reibereien zwischen den Abteilungen können auf neue Chancen in der Umwelt aufmerksam machen, die durch eine eindeutige und konfliktfreie Ausrichtung aller Abteilungen an einem Oberziel gar nicht erkannt worden wären. Die alltäglichen Auseinandersetzungen zwischen Abteilungen, Profit-Centern und Teams konterkarieren damit die drohende Engführung der Organisation auf einen Zweck, die zwar das Handeln in der Organisation vereinfachen mag, aber auch gegen Chancen in der Umwelt blind macht (vgl. Luhmann, 2000).
Die Stärke dieses Konzeptes ist, dass Zwecke nicht mehr wie in der marxistisch geprägten Arbeits- und Industriesoziologie oder auch der klassischen Betriebswirtschaftslehre als durch die (kapitalistischen) Außenverhältnisse vorgegebene Kategorie, sondern als Eigenkonstruktion von Organisationen begriffen werden (vgl. Türk, 1989). Ob man von einer „Entthronung des Zweckbegriffs“ (vgl. Luhmann, 2000) oder von einer „Demontage der klassischen Vorstellung einer instrumentellen und versachlichten Organisation“ spricht - immer geht es darum, die leer erscheinende Ordnungsillusion einer Organisation, die sich durch eine hierarchische Strukturierung auf einen Zweck ausrichtet, durch eine komplexere Lesart von Organisationen mit ihren Zwecken, Hierarchien und Regelwerken zu ersetzen.
Der in der Arbeits- und Industriesoziologie bisher nur wenig genutzte Clou der Luhmann'schen Überlegung besteht darin, dass das Verständnis der Organisation als Verknüpfung von hierarchisch geordneten Zweck-Mittel-Relationen aufgelöst wird und Zweckdefinitionen als eine durch die Organisation selbst konstruierte Variable wieder in die Organisation eingeführt werden (vgl. Luhmann, 2000). Anders ausgedrückt: Erst durch die Überwindung der Zentralperspektive auf den Zweck ist es in der Organisationsforschung überhaupt möglich geworden, die Konstruktion von Zwecken in Organisationen als ein Forschungsthema zu erschließen.
1.5 Offene Fragen
Ähnlich wie es bei Arbeitssoziologen einen Trend gibt, die moderne Gesellschaft als eine „Arbeitsgesellschaft“, „Industriegesellschaft“ oder wenigstens „postindustrielle Gesellschaft“ zu beschreiben und Wissens- sowie Wissenschaftssoziologen zur Diagnose einer „Wissensgesellschaft“ greifen, scheinen Organisationssoziologen dazu zu tendieren, die moderne Gesellschaft als eine „Organisationsgesellschaft“ zu bestimmen (vgl. Schimank, 2001). Die Einsicht, dass man die Funktionsweise von Betrieben nicht allein aus den kapitalistischen Produktionsverhältnissen erklären kann und man dem Eigenleben von Organisationen größere Aufmerksamkeit widmen muss, kann dazu verleiten, die zentrale Bedeutung von Organisationen durch eine solche Diagnose zu adeln. Selbst in einem Teil der Arbeits- und Industriesoziologie wird mit zunehmender „Entmarxisierung“ das Postulat eines Wandels von der „Klassengesellschaft“ zu einer „Organisationsgesellschaft“ hoffähig.
Aus der Sicht der Theorie funktionaler Differenzierung, die die Eigensinnigkeit gesellschaftlicher Teilbereiche betont, gibt es für diese Zeitdiagnose keine Rückendeckung. Man kann Politik nicht allein über Parteien begreifen, Wissenschaft nicht allein über Universitäten verstehen, weil man durch die Zuspitzung der eigenen Perspektive auf die Organisation beispielsweise das Phänomen der politischen Wahlen oder des wissenschaftlichen Publikationswesens nicht in den Griff bekommt. Man kann auch wirtschaftssoziologische Zugänge nicht ausschließlich über das Phänomen der Betriebe suchen, gibt es doch in der Form von Börsen, Kapitalmärkten, Arbeitsmärkten oder vernetzten Produktionsbeziehungen Phänomene, die sich durch eine organisationssoziologische Zuspitzung der Gesellschaftsdiagnose nicht oder nur äußerst ungenügend fassen lassen (vgl. Luhmann, 2000).
Die Stärke des hier nur kurz dargestellten Luhmann'schen Organisationsansatzes ist, dass er die Verkürzungen auf „Oberzwecke“ oder „hierarchische Spitzen“ sowohl der klassischen Organisationstheorie als auch der marxistisch geprägten Betriebssoziologie vermeidet. Der Organisationsansatz gesteht zu, dass Zwecke wichtige Strukturierungs- und Legitimationsfunktionen in Organisationen haben, nimmt aber nicht einen Zweck als Ausgangspunkt für die Organisationsanalyse. Er erkennt an, dass Organisationen auf Hierarchie als eine Strukturierungsform angewiesen sind, sieht aber, dass Organisationen in einzelnen Fragen sehr wohl die Möglichkeit haben, auf funktionale Äquivalente für die Hierarchie zu setzen.
Eine zentrale Frage ist, ob man mit dieser Perspektive eine präzisere Konfliktsoziologie konstruieren kann als die marxistisch geprägten Betriebsanalytiker. Eine Arbeits- und Industriesoziologie, die Karl Marx ernst nimmt, muss zentrale Auseinandersetzungen im Betrieb mit dem letztlich gesamtgesellschaftlichen Gegensatz von Kapital und Arbeit erklären. So lässt sich die starke Konzentration in der Arbeits- und Industriesoziologie auf das Verhältnis von Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen daraus erklären, dass man meinte, über diese industriellen Beziehungen den Zusammenhang zwischen inner- und außerbetrieblichen Konflikten, also zwischen Kapital und Arbeit, begreifen zu können (vgl. Müller-Jentsch, 1997). Eine auf das Eigenleben der Organisation gerichtete Theorie reformuliert diesen Konflikt als eine Frage der Mitgliedschaftsbindung. Diese an der Mitgliedsfrage ansetzenden Konflikte decken jedoch - und diese Auffassung Luhmanns ist zentral - nur einen Teil der Konflikte in Organisationen ab. Die Auseinandersetzung zwischen Produktions- und Vertriebsabteilungen oder die Meinungsverschiedenheiten um die Restrukturierungspläne eines Vorstandsvorsitzenden entstehen nicht aus dem Gegensatz von Kapital und Arbeit, sondern dadurch, dass Organisationen nicht über einfache Zweck-Mittel-Schemata strukturiert werden können und sich Machtbeziehungen in Organisationen nicht alleine aus hierarchischen Positionen heraus ergeben. Die mangelnde Integrationswirkung von Zwecken und von Hierarchien, die oben gezeigt wurde, führt zu einer Vielfalt von Auseinandersetzungen in Organisationen, die man verkennt, wenn man seine Analyseinstrumente auf den Konflikt zwischen Kapital und Arbeit ausrichtet.
Weil in der Theorie funktionaler Differenzierung Luhmann'scher Prägung die Eigenständigkeit von Organisationen betont wird, bewährt sich oder scheitert diese Theorie an der Frage, ob sie trotz der Betonung der Eigendynamik von Organisationen die Verbindung von Gesellschaft und Organisation erfassen kann. Die Herausforderung stellt sich also genau anders herum als bei der marxistischen Theorie, in der aufgrund der Ableitung der Betriebsverhältnisse aus den gesamtgesellschaftlich begriffenen Kapital-Arbeits-Verhältnissen diese Verbindungslinie klar war, die aber, wie oben dargestellt, die Eigenständigkeit von Betrieben theoretisch nur begrenzt in den (Be-)Griff bekommt.
Stark vereinfachend lautet das Argument aus dieser Theorieperspektive: Erst unter dem Regime funktionaler Differenzierung kam es zur Ausbildung von „eigensinnigen“, auf „freiwilliger Mitgliedschaft“ aufhauenden Organisationen. Eine zentrale Rolle scheint dabei die Ausbildung von Lohnarbeit gespielt zu haben, weil es in vielen Organisationstypen nur über diese Lohnarbeit möglich gewesen ist, Mitglieder zu binden (vgl. Luhmann, 1988; Luhmann, 1997; Wehrsig, 1993; Tacke, 2000). Lohnarbeit scheint das Medium zu sein, das es Organisationen erlaubt, Individuen unter den ihnen eigenen Gesichtspunkten und unter Absehung von der Person als Ganze für beliebig spezifizierbare Erwartungen in Anspruch zu nehmen.
In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage nach der Möglichkeit der teilautonomen Arbeitsgruppen in welchen die Mitarbeiter selbständig handeln und entscheiden: Neben Ausführungstätigkeiten werden dort auch Organisations- und Planungs-, sowie Kontrollaufgaben übertragen. Das Konzept vereint die Gedanken des Job-Enlargements, Job-Enrichment und Job-Rotation (siehe Teil I dieser Arbeit). Die Qualität der Arbeit wird somit verbessert. Die Idee der teilautonomen Arbeitsgruppen kommt aus Japan. Toyota hat diese Form der Arbeit entdeckt und sie zu einem Grundfaktor in seinen japanischen Automobilwerken gemacht. Man darf allerdings nicht vergessen, dass die japanische Grundeinstellung zur Arbeit nicht mit der deutschen vergleichbar ist. Japan ist eines der kollektivistisch am stärksten geprägten Länder. Japaner sehen sich in der Regel nicht als Individuum, sondern als Teil einer Gruppe. Im westlichen Kulturkreis ist dies anders. Hier ist die Gruppe Mittel zur Individualisierung. Das japanische Erfolgskonzept kann deshalb nicht eins zu eins übertragen werden. In der Theorie sind teilautonome Arbeitsgruppen das „non plus ultra“ der modernen Personalentwicklung. In der Praxis sind die Ergebnisse der Gruppen allerdings kritisch zu betrachten, da die Gruppenmitglieder aus verschiedenen Intentionen einer Arbeitsgruppe beitreten. Positiv ist sicherlich, wenn seitens der Mitarbeiter konkretes Interesse an der Aufgabenstellung besteht. Problematisch wird es allerdings, wenn Gruppenmitglieder meinen, sich unter dem Deckmantel der Gruppe verstecken zu können und ihre Arbeitsleistung zurückfahren.
[...]
[1] Nach Rechtien (1999) ist die T-Gruppe nach wie vor eines der wichtigsten Verfahren in gruppendynamischen Prozessen.
[2] Der Begriff „Sensitivity“ erstreckt sich auf die drei Bereiche Sozialkognition (Wahrnehmung, Beurteilung und Kenntnis anderer Personen), Motivation (die Fähigkeit, individuelle Beweggründe in verschiedenen Situationen zu erkennen und verstehen) und Expression (Abstimmung der Ausdrucksmittel und der sprachlichen Äußerungen auf die Mentalität anderer Personen). Der Begriff „Training“ zeigt, dass es hier um das emotionale Erleben und Erfahren von Verhaltensnormen geht und nicht um die reine Vermittlung von Faktenwissen (vgl. Däumling, 1968/1970).
[3] Schaffung echter Mitarbeitergruppen aus verschiedenen Abteilungen.
[4] Ein Managerial GridTM (grid = Gitter) ist ein Hilfsmittel zur Bewertung und zum Verständnis von Managementverhalten. Dabei werden Interesse an den Aufgaben und Interesse an Menschen auf zwei Achsen eingezeichnet. Die verschiedenen Managementstile können dann auf dem Raster eingezeichnet werden. Das Managerial GridTM unterteilt jede Achse von 1 bis 9 und identifiziert fünf Hauptmuster von Managementverhalten (vgl. http://www.onpulson.de/lexikon/managerial-grid.htm/Abfragedatum 02.02.2004).
[5] Job Enrichment ist ein Aspekt der Arbeitsstrukturierung im unipersonellen Arbeitsfeld. Die bisherige Tätigkeit eines Mitarbeiters wird um Arbeitsumfänge auf höherem Anforderungsniveau erweitert. Dies wird durch eine (vorausgesetzte) Weiterbildung des Mitarbeiters erreicht. Der Mitarbeiter wird in die Lage versetzt, in höherem Maße eigenverantwortlich zu arbeiten. Man spricht daher auch von einer Maßnahme der vertikalen Umstrukturierung, im Gegensatz zu einer horizontalen Umstrukturierung (vgl. Kammel, 2000 und www.wikipedia.de/Abfragedatum 08.07.2004). Ein allgemeines Beispiel für Job Enrichment im Tätigkeitsbereich Einkauf wäre z.B., einem Mitarbeiter, der bisher nur Bestellungen schreiben darf, zusätzlich zu erlauben, Lieferanten auswählen und Reklamationen abwickeln zu dürfen.
[6] Job Enlargement ist ein Aspekt der Arbeitsstrukturierung. Ein Mitarbeiter, der bislang auf eine Tätigkeit beschränkt war, führt nun mehrere verschiedene Tätigkeiten auf demselben Anforderungsniveau durch. Man spricht daher auch von einer Maßnahme der horizontalen Umstrukturierung, im Gegensatz zu einer vertikalen Umstrukturierung (siehe Job Enrichment). Ziel des Job Enlargements ist es, psychische wie physische Eintönigkeit zu vermeiden, beispielsweise durch einen Wechsel aus sitzender und stehender Tätigkeit (vgl. Schuler & Höft, 2001 und www.wikipedia.de/ Abfragedatum 08.07.2004). Ein allgemeines Beispiel für Job Enlargement im Tätigkeitsbereich Einkauf wäre z.B., einem Mitarbeiter, der bisher nur Bestellungen schreiben darf, zusätzlich zu erlauben, auch Angebote und Daten einzuholen und Daten aktualisieren zu dürfen.
[7] Job Rotation (auch Arbeitsplatz Rotation) ist ein systematischer Arbeitsplatz- bzw. Aufgabenwechsel innerhalb einer Organisation. Job-Rotation wird in privaten Unternehmen und zunehmend auch in der öffentlichen Verwaltung eingesetzt. Erfolgt dieser Wechsel innerhalb eines Anforderungsniveaus spricht man auch von Tätigkeitserweiterung (horizontale Umstrukturierung). Handelt es sich um Tätigkeiten in unterschiedlich hohen Anforderungsniveaus so spricht man von Arbeitsbereicherung (vertikale Umstrukturierung). Die Job-Rotation stellt somit eine Mischform von Tätigkeitserweiterung und Arbeitsbereicherung dar. Bei Job-Rotation wird jeweils höher qualifiziertes Personal benötigt, als bei einer reinen Arbeitsteilung. Dies macht jedoch die Tätigkeit für die Mitarbeiter interessanter und steigert die Identifikation mit Arbeitsinhalten und –zielen (vgl. Kammel, 2000 und www.wikipedia.de/Abfragedatum 08.07.2004).
[8] In der Managementtheorie bedeutet Top-Down einen Führungsstil, der die Macht und Autorität des Managers betont, während Bottom-up eher die Rolle des Managers darin sieht, die Arbeitskräfte durch psychologische Hilfsmittel zu überzeugen (vgl. Schuler, 2001; Kammel, 2000 und www.wikipedia.de/ Abfragedatum 10.04.2007).
[9] Auditierungen stellen eine Mischform verschiedener Analyse- und Beratungsmethoden dar, die oftmals für den konkreten Einzelfall konzipiert bzw. zusammengestellt werden. Das Management Audit bedient sich hierbei verschiedenster Methoden und Inhalte aus der Eignungsdiagnostik, der Organisationsentwicklung, der Cultural Due Diligence und der klassischen Unternehmensberatung.
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- MMag. DDr. B.Sc. Ulrike Kipman (Autor), 2007, Organisationsentwicklung und Personalmanagement. Die Potenzialanalyse, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82636
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