Aller Ablehnung zum Trotz gibt es zahlreiche Textbeiträge zu "American Psycho", hat doch das polarisierende ‚Extremwerk’ die Kritiker seit Erscheinen so sehr fasziniert wie schockiert. Die mit Abstand meisten Sekundärtexte beschäftigen sich ausschließlich mit dem Thema der extremen, scheinbar überpräsenten Gewalt, andere widmen sich der skandalösen Publikationsgeschichte, sind somit ebenfalls in erster Linie dem anstößigen Charakter des Werkes verpflichtet. Einige wenige Studien allerdings befassen sich z.B. mit Gegenständen wie dem Konsum-Diskurs – und derartige Ansätze implizieren nun, dass dem Text durchaus mehr zu entnehmen ist als abnorme Brutalität und Perversion. Die vorliegende Arbeit knüpft an diesen Gedanken vollends an. Auch sie erhofft sich von Ellis’ außergewöhnlichem Werk einen weitaus tieferen Sinn, als es auf den ersten oberflächlichen Blick den Anschein haben mag. Und zwar zentriert diese Studie die Frage nach dem literarischen Subjekt, welches bislang, meist vorschnell als nichtig abgetan, in der Forschung kaum Beachtung gefunden hat. Da American Psycho meist als ein bezeichnendes Werk der Postmoderne gesehen wird – und das sicherlich nicht zu Unrecht –, liegt der Verdacht nahe, auch das Subjekt des Romans als postmodernes auszuweisen. Doch inwiefern rechtfertigt sich diese These? Sicher: Der Tod ist in "American Psycho" derart (über)präsent, dass die postmoderne These vom ‚Tod des Subjekts’ auf den ersten Blick ganz fraglos darin wiederzufinden, ja in ihm belegt zu sein scheint. Aber ist ein Subjekttod tatsächlich die Erkenntnis des Romans? Ist das Ich Patrick Batemans ein vollkommen ausgelöschtes, im Prinzip nicht existentes? Oder steckt vielleicht weitaus mehr hinter diesem absonderlichen Protagonisten und Erzähler, verbirgt sich hinter seiner schizophren wirkenden, rätselhaften Gestalt vielleicht sogar eine Weltsicht, die über postmoderne Denkweisen hinausgeht? Wie stehen im Dasein des ‚American Psychos’ Sein und Schein zueinander?
Zur Beantwortung all dieser Fragen soll und muss der Text umfassend und aus nächster Nähe analysiert werden; denn nur eine Untersuchung möglichst all der Facetten des literarischen Gebildes kann – so meine Hypothese – in der Lage sein, seine beinahe grenzenlose Tragweite halbwegs zu erfassen.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einführung: Inhalt, Forschungsstand, Analyseansatz
- 1.1 Skizzierung des Inhalts von American Psycho
- 1.2 Aktueller Forschungsstand
- 1.3 Analyseansatz: Das „Brilliant-Disguise“-Konzept
- 2. Theoretische Vorüberlegungen
- 2.1 Der postmoderne Kontext
- 2.1.1 Probleme der Postmoderne-Einordnung
- 2.1.2 Postmoderne Ansichten
- 2.1.3 Postmoderne Literatur, ihre Produktion und Rezeption
- 2.1.4 Zerstörte Identität: Dispersion des Subjekts
- 2.2 Übertragung auf den Textgegenstand: Postmodern-Parodistisches oder Prämissen für die American-Psycho-Subjektanalyse
- 3. Formgestaltung als Ausdruck des Selbst: Das Verhältnis von Struktur und Subjekt
- 3.1 Panoramablick auf die Struktur: Das Roman-Gesamtkonzept
- 3.1.1 Durch Intertextualität erzeugte Lesererwartungen, ihre Enttäuschung und die (widerlegte) These von der Strukturlosigkeit
- 3.1.2 „Minimierte Erzählung“: Das erste Kapitel als Kompaktform des Romans
- 3.1.3 Sonderheiten der Gesamtstruktur: Verlaufsfragen und Aufschubstrategien
- 3.2 Textuelle Annäherung: Erhellung formaler Obskuritäten
- 3.2.1 Das (un)berechenbare Spiel mit der Kopie von der Kopie… Wiederholungsformen und ihr Subjektbezug
- 3.2.2 Episodischer Narrations-Charakter oder: Lücken im Plot?
- 3.2.3 Zeitfaktoren: Zwischen Monotonie und Unstetigkeit
- 3.2.4 Stilmittel Kontrast: Abstruse Oppositionen
- 3.3 Unter die Lupe genommen: Strukturelle Textdetails (Abschnitte, Sätze, Wörter)
- 3.3.1 Flechtwerke und Netzmuster: Strukturelle Verschachtelungen
- 3.3.2 Subtile Formmerkmale: Eigentümlichkeiten im subjektiven Erzählstil
- 3.4 Absolut „no exit“? Ein finaler Blick auf den Romanausgang
- 4. Der schöne Schein des bösen Seins. Inhaltsorientierte Analyse im Zuge des „Brilliant Disguise“
- 4.1 Das Kreuz der Bedeutungslosigkeit, die Nähe des Todes: Sozial-kontextuelle Ursachen für den subjektiven Identitätsmangel
- 4.1.1 Prestige und Besitz in der Oberschicht: Wertverlust statt Wertgewinn?
- 4.1.2 „Appearance cannot be deceiving“: Unwiderrufliche Verknüpfung von Sein und Schein
- 4.1.3 Die Folge der äußerlichen Gleichheit: Unsichtbares Subjekt
- 4.1.4 Demutsvoll-gesichtloses Dasein im Dienste der Oberschicht: Subjektverlust der „lower classes“
- 4.1.5 Resultat des Sozialkontexts: Wachsende Gefühle der Selbstauflösung
- 4.2 Subjektive Verfestigungsstrategien
- 4.2.1 Von Spiegeln und Morden: Wo bin ich und wie bleib ich da?
- 4.2.2 Bedrohliche Andersheit: Kampf den „Randgruppen“
- 4.3 Universale Liquiditionsprozesse: Der „verflüssigte“ Patrick
- 4.3.1 Vergnügliche Arbeitswelt - arbeitsames Vergnügen: Die Vermischung von Beruf und Freizeit
- 4.3.2 Stilistischer Farbenreichtum
- 4.3.3 Wo hört Fakt auf, wo fängt Fiktion an? – Mediales und Hyperreales
- 4.3.3.1 Magazine, Musik und mehr: Diverse Medieneinflüsse
- 4.3.3.2 Medialer Hauptfaktor: Die Allgegenwart des Fernsehens
- 4.3.4 „Intertextualität, die Zweite“: Das „teil-recycelte“ Subjekt
- 4.3.5 „Ich, du, er – wer?“: Schizophrene Selbstauflösung
- 4.3.6 „Figurenmelange“ oder: Einer sind alle, alle sind eins…
- 4.4 Fiktivität und Scheinhaftigkeit: Alles nur Theater?
- 4.4.1 Schwarze Seele in weißer Weste: Die Tarnung des mörderischen Subjekts
- 4.4.1.1 Bateman, der „chocolate-dipped urinal cake“
- 4.4.1.2 Mime, Model, Movie-Star? Das Schauspielertalent Patrick Batemans.
- 4.4.1.3 (Ver)kleidung seiner Selbst: Die künstliche Hülle des Ichs
- 4.4.2 Sehen und gesehen werden: Die Bedeutsamkeit der Augen
- 4.4.3 Narrative „Disguise“-Strategien: Batemans Geheimnisse vor dem Leser
- 4.4.4 Maskerade in Gefahr: Das Paradoxe am Tarnverhalten des Subjekts
- 4.4.5 Heuchlertum allerorts: Vertuschungen in und durch Batemans Umwelt
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht Bret Easton Ellis' Roman „American Psycho“ im Kontext der Postmoderne. Die Zielsetzung besteht darin, die Darstellung von Identität und Subjektivität im Roman im Lichte postmodernen Denkens zu analysieren, insbesondere die Strategien der Selbstinszenierung und -verdeckung des Protagonisten Patrick Bateman. Der Fokus liegt auf der Dekonstruktion von Identität und der Analyse der Rolle von Schein und Sein im Roman.
- Die Konstruktion und Dekonstruktion von Identität in der postmodernen Gesellschaft
- Die Rolle von Schein und Sein in der Darstellung von Patrick Bateman
- Die Analyse von Struktur und Form im Roman als Ausdruck von Subjektivität
- Der Einfluss von Medien und Konsum auf die Identität
- Die Darstellung von Gewalt und Perversion im Kontext der postmodernen Ästhetik
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einführung: Romaninhalt, Forschungsstand, Analyseansatz: Diese Einführung skizziert den Inhalt von American Psycho, beleuchtet den Skandal um seine Veröffentlichung und die kontroversen Reaktionen. Sie präsentiert den Forschungsstand zu dem Roman und beschreibt den Analyseansatz der Arbeit, der sich auf das „Brilliant-Disguise“-Konzept stützt, um Batemans Identität und die Strategien seiner Selbstinszenierung zu untersuchen. Die Einleitung legt den Grundstein für die nachfolgende detaillierte Analyse des Romans.
2. Theoretische Vorüberlegungen: Dieses Kapitel legt die theoretischen Grundlagen für die Analyse. Es beleuchtet den postmodernen Kontext, diskutiert die Herausforderungen der Einordnung von American Psycho in die Postmoderne und untersucht die postmoderne Literatur, ihre Produktion und Rezeption. Ein zentraler Punkt ist die Zerstörung der Identität und die Dispersion des Subjekts in der Postmoderne, was als Grundlage für die spätere Analyse von Batemans fragmentierter Identität dient. Das Kapitel stellt den Bezug zwischen postmodernen Theorien und dem Roman her.
3. Formgestaltung als Ausdruck des Selbst: Das Verhältnis von Struktur und Subjekt: Dieses Kapitel analysiert die Form und Struktur von American Psycho als Ausdruck von Batemans innerer Zerrissenheit und fragmentierter Identität. Es untersucht verschiedene Aspekte der Struktur, von der Gesamtkonzeption des Romans bis hin zu detaillierten textlichen Merkmalen wie Wiederholungen, episodischer Erzählweise und Kontrasten. Durch die Analyse der formalen Elemente des Romans erhellt dieses Kapitel die Subjektivität des Protagonisten und die Komplexität seiner Persönlichkeit.
4. Der schöne Schein des bösen Seins. Inhaltsorientierte Analyse im Zuge des „Brilliant Disguise“: Dieses Kapitel befasst sich mit einer inhaltsorientierten Analyse von American Psycho. Es untersucht die sozial-kontextuellen Ursachen für Batemans Identitätsmangel und analysiert seine Strategien zur Verfestigung seines Selbst, einschließlich der Auseinandersetzung mit „Randgruppen“ und die Rolle von Gewalt und Mord. Das Kapitel beleuchtet die Vermischung von Sein und Schein, die Medieneinflüsse auf Batemans Identität und seine Verwendung von „Disguise“-Strategien zur Verdeckung seiner wahren Natur. Die Analyse konzentriert sich auf die Komplexität von Batemans Identität und seinen Bemühungen, sie zu kontrollieren.
Schlüsselwörter
American Psycho, Bret Easton Ellis, Postmoderne, Identität, Subjektivität, Schein, Sein, Gewalt, Konsum, Medien, Identitätsverlust, Selbstinszenierung, „Brilliant Disguise“, Yuppie-Kultur, Narration, Struktur, Form.
Häufig gestellte Fragen zu "American Psycho" - Analyse
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert Bret Easton Ellis' Roman "American Psycho" im Kontext der Postmoderne. Der Fokus liegt auf der Darstellung von Identität und Subjektivität des Protagonisten Patrick Bateman, insbesondere seinen Strategien der Selbstinszenierung und -verdeckung.
Welche Themen werden behandelt?
Die Analyse behandelt die Konstruktion und Dekonstruktion von Identität in der postmodernen Gesellschaft, die Rolle von Schein und Sein in der Darstellung Patrick Batemans, die Analyse von Struktur und Form im Roman als Ausdruck von Subjektivität, den Einfluss von Medien und Konsum auf die Identität, sowie die Darstellung von Gewalt und Perversion im Kontext der postmodernen Ästhetik.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in vier Kapitel: Kapitel 1 bietet eine Einführung in den Roman, den Forschungsstand und den Analyseansatz ("Brilliant-Disguise"-Konzept). Kapitel 2 beleuchtet die theoretischen Grundlagen im postmodernen Kontext. Kapitel 3 analysiert die Form und Struktur des Romans als Ausdruck der Subjektivität Batemans. Kapitel 4 beinhaltet eine inhaltsorientierte Analyse, die sich mit den sozial-kontextuellen Ursachen für Batemans Identitätsmangel und seinen Strategien zur Selbstverfestigung auseinandersetzt.
Welche Methode wird angewendet?
Die Arbeit verwendet einen literaturwissenschaftlichen Ansatz, der den postmodernen Kontext berücksichtigt. Die Analyse kombiniert formale und inhaltsbezogene Methoden, um die Komplexität von Batemans Identität und seinen Strategien der Selbstinszenierung zu untersuchen. Das "Brilliant-Disguise"-Konzept dient als zentrale analytische Linse.
Was sind die wichtigsten Ergebnisse der Analyse?
Die Analyse zeigt die Fragmentierung und Dekonstruktion von Batemans Identität auf, die durch den postmodernen Kontext und gesellschaftliche Faktoren wie Konsum, Medien und die Yuppie-Kultur beeinflusst wird. Die Arbeit untersucht, wie die Form und Struktur des Romans diese Fragmentierung widerspiegeln. Batemans Strategien der Selbstinszenierung und -verdeckung werden als Versuche interpretiert, in einer Gesellschaft des Scheins ein stabiles Selbst zu konstruieren.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit am besten?
American Psycho, Bret Easton Ellis, Postmoderne, Identität, Subjektivität, Schein, Sein, Gewalt, Konsum, Medien, Identitätsverlust, Selbstinszenierung, „Brilliant Disguise“, Yuppie-Kultur, Narration, Struktur, Form.
Für wen ist diese Arbeit gedacht?
Diese Arbeit richtet sich an Leser und Wissenschaftler, die sich für die Literatur der Postmoderne, die Thematik von Identität und Subjektivität sowie die Analyse literarischer Texte interessieren. Sie ist besonders relevant für Studierende der Literaturwissenschaft und vergleichbarer Fächer.
- Quote paper
- Sabine Buchholz (Author), 2007, Eingehüllt in 'Brilliant Disguise' - Bret Easton Ellis' "American Psycho" im Kontext von Postmoderne, Subjektauflösung und S(ch)ein, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82569