Aller Ablehnung zum Trotz gibt es zahlreiche Textbeiträge zu "American Psycho", hat doch das polarisierende ‚Extremwerk’ die Kritiker seit Erscheinen so sehr fasziniert wie schockiert. Die mit Abstand meisten Sekundärtexte beschäftigen sich ausschließlich mit dem Thema der extremen, scheinbar überpräsenten Gewalt, andere widmen sich der skandalösen Publikationsgeschichte, sind somit ebenfalls in erster Linie dem anstößigen Charakter des Werkes verpflichtet. Einige wenige Studien allerdings befassen sich z.B. mit Gegenständen wie dem Konsum-Diskurs – und derartige Ansätze implizieren nun, dass dem Text durchaus mehr zu entnehmen ist als abnorme Brutalität und Perversion. Die vorliegende Arbeit knüpft an diesen Gedanken vollends an. Auch sie erhofft sich von Ellis’ außergewöhnlichem Werk einen weitaus tieferen Sinn, als es auf den ersten oberflächlichen Blick den Anschein haben mag. Und zwar zentriert diese Studie die Frage nach dem literarischen Subjekt, welches bislang, meist vorschnell als nichtig abgetan, in der Forschung kaum Beachtung gefunden hat. Da American Psycho meist als ein bezeichnendes Werk der Postmoderne gesehen wird – und das sicherlich nicht zu Unrecht –, liegt der Verdacht nahe, auch das Subjekt des Romans als postmodernes auszuweisen. Doch inwiefern rechtfertigt sich diese These? Sicher: Der Tod ist in "American Psycho" derart (über)präsent, dass die postmoderne These vom ‚Tod des Subjekts’ auf den ersten Blick ganz fraglos darin wiederzufinden, ja in ihm belegt zu sein scheint. Aber ist ein Subjekttod tatsächlich die Erkenntnis des Romans? Ist das Ich Patrick Batemans ein vollkommen ausgelöschtes, im Prinzip nicht existentes? Oder steckt vielleicht weitaus mehr hinter diesem absonderlichen Protagonisten und Erzähler, verbirgt sich hinter seiner schizophren wirkenden, rätselhaften Gestalt vielleicht sogar eine Weltsicht, die über postmoderne Denkweisen hinausgeht? Wie stehen im Dasein des ‚American Psychos’ Sein und Schein zueinander?
Zur Beantwortung all dieser Fragen soll und muss der Text umfassend und aus nächster Nähe analysiert werden; denn nur eine Untersuchung möglichst all der Facetten des literarischen Gebildes kann – so meine Hypothese – in der Lage sein, seine beinahe grenzenlose Tragweite halbwegs zu erfassen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung: Inhalt, Forschungsstand, Analyseansatz
1.1 Skizzierung des Inhalts von American Psycho
1.2 Aktueller Forschungsstand
1.3 Analyseansatz: Das ‚Brilliant-Disguise‘-Konzept
2. Theoretische Vorüberlegungen
2.1 Der postmoderne Kontext
2.1.1 Probleme der Postmoderne-Einordnung
2.1.2 Postmoderne Ansichten
2.1.3 Postmoderne Literatur, ihre Produktion und Rezeption
2.1.4 Zerstörte Identität: Dispersion des Subjekts
2.2 Übertragung auf den Textgegenstand: Postmodern-Parodistisches oder Prämissen für die American-Psycho -Subjektanalyse
3. Formgestaltung als Ausdruck des Selbst: Das Verhältnis von Struktur und Subjekt
3.1 Panoramablick auf die Struktur: Das Roman-Gesamtkonzept
3.1.1 Durch Intertextualität erzeugte Lesererwartungen, ihre Enttäuschung und die (widerlegte) These von der Strukturlosigkeit
3.1.2 ‚Minimierte Erzählung’: Das erste Kapitel als Kompaktform des Romans
3.1.3 Sonderheiten der Gesamtstruktur: Verlaufsfragen und Aufschubstrategien
3.2 Textuelle Annäherung: Erhellung formaler Obskuritäten
3.2.1 Das (un)berechenbare Spiel mit der Kopie von der Kopie... – Wiederholungsformen und ihr Subjektbezug
3.2.2 Episodischer Narrations-Charakter oder: Lücken im Plot?
3.2.3 Zeitfaktoren: Zwischen Monotonie und Unstetigkeit
3.2.4 Stilmittel Kontrast: Abstruse Oppositionen
3.3 Unter die Lupe genommen: Strukturelle Textdetails (Abschnitte, Sätze, Wörter)
3.3.1 Flechtwerke und Netzmuster: Strukturelle Verschachtelungen
3.3.2 Subtile Formmerkmale: Eigentümlichkeiten im subjektiven Erzählstil
3.4 Absolut ‚no exit’? Ein finaler Blick auf den Romanausgang
4. Der schöne Schein des bösen Seins. InhaltsorientierteAnalyse im Zuge des ‚Brilliant Disguise’
4.1 Das Kreuz der Bedeutungslosigkeit, die Nähe des Todes: Sozial-kontextuelle Ursachen für den subjektiven Identitätsmangel
4.1.1 Prestige und Besitz in der Oberschicht: Wertverlust statt Wertgewinn?
4.1.2 ‚Appearance cannot be deceiving’: Unwiderrufliche Verknüpfung von Sein und Schein
4.1.3 Die Folge der äußerlichen Gleichheit: Unsichtbares Subjekt
4.1.4 Demutsvoll-gesichtloses Dasein im Dienste der Oberschicht: Subjektverlust der ‚lower classes’
4.1.5 Resultat des Sozialkontexts: Wachsende Gefühle der Selbst-auflösung
4.2 Subjektive Verfestigungsstrategien
4.2.1 Von Spiegeln und Morden: Wo bin ich und wie bleib ich da?
4.2.2 Bedrohliche Andersheit: Kampf den ‚Randgruppen’
4.3 Universale Liquiditionsprozesse: Der ‚verflüssigte’ Patrick
4.3.1 Vergnügliche Arbeitswelt – arbeitsames Vergnügen: Die Vermischung von Beruf und Freizeit
4.3.2 Stilistischer Farbenreichtum
4.3.3 Wo hört Fakt auf, wo fängt Fiktion an? – Mediales und Hyperreales
4.3.3.1 Magazine, Musik und mehr: Diverse Medieneinflüsse
4.3.3.2 Medialer Hauptfaktor: Die Allgegenwart des Fernsehens
4.3.4 ‚Intertextualität, die Zweite’: Das ‚teil-recycelte’ Subjekt
4.3.5 ‚Ich, du, er – wer?’: Schizophrene Selbstauflösung
4.3.6 ‚Figurenmelange’ oder: Einer sind alle, alle sind eins...
4.4 Fiktivität und Scheinhaftigkeit: Alles nur Theater?
4.4.1 Schwarze Seele in weißer Weste: Die Tarnung des mörderischen Subjekts
4.4.1.1 Bateman, der „chocolate-dipped urinal cake“
4.4.1.2 Mime, Model, Movie-Star? Das Schauspielertalent Patrick Batemans
4.4.1.3 (Ver)kleidung seiner Selbst: Die künstliche Hülle des Ichs
4.4.2 Sehen und gesehen werden: Die Bedeutsamkeit der Augen
4.4.3 Narrative ‚Disguise’-Strategien: Batemans Geheimnisse vor dem Leser
4.4.4 Maskerade in Gefahr: Das Paradoxe am Tarnverhalten des Subjekts
4.4.5 Heuchlertum allerorts: Vertuschungen in und durch Batemans Umwelt
5. Zusammenfassendes Fazit und Ausblick
5.1 Zusammenfassung des ‚Brilliant-Disguise’-Konzepts
5.2 Pro Postmoderne, contra Postmoderne – Post postmoderne?
6. Bibliographie
6.1 Primärliteratur
6.2 Sekundärliteratur
7. Appendix
7.1 Anlage I: Songtext ‚Brilliant Disguise’ von Bruce Springsteen
7.2 Anlage II: Frequenzanalyse zur Längenvariation der Romankapitel
7.3 Anlage III: Verzeichnis der American-Psycho -Kapitelüberschriften
1. Einführung: Romaninhalt, Forschungsstand, Analyseansatz
Mit der bizarren Mischung aus ‚Splatter’-Horror und Yuppie-Satire American Psycho hat Bret Easton Ellis zu Beginn der 1990er Jahre im literarischen Kulturfeld für enorme Furore gesorgt. Die – nach langwierigen Verlagsdisputen 1991 überhaupt erst durchgesetzte[1] – Publikation des skandalumwobenen Romans bescherte dem amerikanischen Jungschriftsteller bei Weitem nicht nur Prominenz und Ruhm, sondern hatte auch und in erster Linie jede Menge radikale Negativkritiken, zutiefst empörte Hasstiraden, ja, sogar Morddrohungen zur Folge.[2] In Deutschland wurde das US-Werk nur widerwillig veröffentlicht; 1995 indizierte es die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, und erst seit dem Jahr 2000 ist es wieder frei verkäuflich.[3]
1.1 Skizzierung des Inhalts von American Psycho
Keine Frage: Ein Text, der noch in den 1990ern eine derartige Skandalwirkung nach sich zog, muss inhaltlich mit einigen grenzwertigen, kaum mehr tragbaren Gewalt- und Perversionsdarstellungen aufwarten. Da ihm ein offenkundiger Plot fehlt, lässt sich der Roman in recht kompakter Form zusammenfassen: Der Wallstreet-Broker Patrick Bateman, zu Beginn der erzählten Zeit, Ende der 1980er Jahre, 26-jährig, gewährt in der Ich-Form sprunghafte Einblicke in sein skurriles Leben, welches sich vordergründig vollkommen den soziohistorischen Begebenheiten seiner Umwelt – der snobistischen, vom Luxus, Überfluss und der allumfassenden Käuflichkeit gelangweilten, materialistischen Oberschicht – anpasst. Hinter dieser perfekt errichteten Schein-Fassade jedoch verbirgt sich eine Parallelexistenz des Protagonisten: Weil er die Sinnlosigkeit seines Lebens und die Identitätslosigkeit der Yuppie-Gesellschaft, in der alle Mitglieder gleich aussehen und sich gegenseitig verwechseln, weder durch Restaurant-, noch Diskothekenbesuche, weder durch Feinkost und exzessive Körperpflege, noch durch Alkohol- oder Drogenkonsum kompensieren kann, flüchtet er sich in die bestialische Misshandlung und Tötung zahlreicher Menschen; zu seinen Opfern zählen Obdachlose und Prostituierte, aber auch Arbeitskollegen und weibliche Bekannte. Jene blutreich-detaillierten, oftmals von Sexualperversion erfüllten Mordszenen begründen die Zensierungsnot des Werkes.
Etwa zwei Jahre umfasst die zunehmend brutale und fragmentarische Selbstschilderung des Batemanschen Lebens, in der sich Phantasie und Realität immer mehr vermischen. Obwohl der Protagonist wahrhaftige Blutbäder anrichtet und sich mit deren Vertuschung wenig Mühe gibt, ja, irgendwann sogar anfängt, seine Taten offen zu legen, bleiben die Morde ohne Konsequenz für den Erzähler: Niemand schenkt ihm Glauben oder (die ersehnte) Aufmerksamkeit. Batemans mörderisches Handeln und sein Leiden bleiben ohne jeden Ausweg – „THIS IS NOT AN EXIT“ (399; Romanende)[4]. Entsprechend bleibt es größtenteils dem Leser selbst überlassen, Kausalzusammenhänge in dem schockierend-makaberen, von absurd-parodistischen Elementen durchzogenen ‚Psycho’-Werk herzustellen.[5]
1.2 Aktueller Forschungsstand
Aller Ablehnung zum Trotz gibt es zahlreiche Textbeiträge zu American Psycho, hat doch das polarisierende ‚Extremwerk’ die Kritiker seit Erscheinen so sehr fasziniert wie schockiert. Die mit Abstand meisten Sekundärtexte beschäftigen sich ausschließlich mit dem Thema der extremen, scheinbar überpräsenten Gewalt,[6] andere widmen sich der skandalösen Publikationsgeschichte,[7] sind somit ebenfalls in erster Linie dem anstößigen Charakter des Werkes verpflichtet. Einige wenige Studien allerdings befassen sich z.B. mit Gegenständen wie dem Konsum-Diskurs[8] – und derartige Ansätze implizieren nun, dass dem Text durchaus mehr zu entnehmen ist als abnorme Brutalität und Perversion. Die vorliegende Arbeit knüpft an diesen Gedanken vollends an. Auch sie erhofft sich von Ellis’ außergewöhnlichem Werk einen weitaus tieferen Sinn, als es auf den ersten oberflächlichen Blick den Anschein haben mag. Und zwar zentriert diese Studie die Frage nach dem literarischen Subjekt, welches bislang, meist vorschnell als nichtig abgetan, in der Forschung kaum Beachtung gefunden hat. Da American Psycho meist als ein bezeichnendes Werk der Postmoderne gesehen wird – und das größtenteils sicherlich auch zu Recht –,[9] liegt der Verdacht nahe, auch das Subjekt des Romans als postmodernes auszuweisen. Doch inwiefern rechtfertigt sich diese These? Sicher: Der Tod ist in American Psycho derart (über)präsent, dass die postmoderne These vom ‚Tod des Subjekts’[10] auf den ersten Blick ganz fraglos darin wiederzufinden, ja in ihm belegt zu sein scheint. Aber ist ein Subjekttod tatsächlich die Erkenntnis des Romans? Ist das Ich Patrick Batemans ein vollkommen ausgelöschtes, im Prinzip nicht existentes? Oder steckt vielleicht weitaus mehr hinter diesem absonderlichen Protagonisten und Erzähler, verbirgt sich hinter seiner schizophren wirkenden, rätselhaften Gestalt vielleicht sogar eine Weltsicht, die über postmoderne Denkweisen hinausgeht? Wie stehen in den Taten des ‚American Psychos’ Sein und Schein zueinander?
Zur Beantwortung dieser Fragen soll und muss der Text aus nächster Nähe analysiert werden; denn nur eine Untersuchung möglichst all der Facetten des literarischen Gebildes kann – so meine Hypothese – in der Lage sein, seine beinahe grenzenlose Tragweite halbwegs zu erfassen.
1.3 Analyseansatz: Das ‚Brilliant-Disguise’-Konzept
Von höchster Bedeutung für die Subjektbeschaffenheit ist ein spezifisches Romanmotiv, welches ich als ‚Brilliant Disguise’ bezeichnen möchte. Um dieses paradigmatische, konzeptuelle Bild zentriert sich im Grunde die gesamte Studie.
Als Patrick Bateman gegen Ende des Romans von einem eine Umfrage machenden „college student with a clipboard“ gebeten wird, den für ihn „happiest song“ zu benennen, ist die unverzügliche Antwort: „’Brilliant Disguise’ by Bruce Springsteen“ (371).[11] Dieser programmatische Liedtitel ist ein sprechend-metaphorischer, denn, so die These dieser Arbeit, die Vorstellung der perfekten Tarnung durch eine Verhüllung des Eigentlichen, insbesondere des andersartigen Inneren, kann als Leitmotiv des Gesamtwerks wie auch des Subjektkonzepts gesehen werden: Alles steht im Zeichen des ‚Brilliant Disguise’. Sowohl strukturelle als auch inhaltliche Komponenten spielen hier eine Rolle; sowohl der Protagonist als auch seine Umwelt werden vom Schein des Seins in ihrem Verhalten und ihren Handlungsweisen determiniert. Außerdem täuscht der Erzähler nicht nur die ihn umgebenden Romancharaktere quasi permanent – und zwar nicht nur durch sein Doppelleben als Mörder –, auch den Rezipienten konfrontiert er, so wird bei aufmerksamer Romanlektüre und -analyse ersichtlich, durch die Verwendung spezieller Narrationsmuster häufig mit rätselhaften Vertuschungsstrategien. Was genau dies alles bedeutet, wird im Laufe der Studie nach und nach aufzudecken sein.
Nicht zuletzt hat das fortwährend detektierbare Konzept des ‚Brilliant Disguise’, der perfekten Verkleidung, durch seine Omnipräsenz entscheidenden Anteil an der Erörterung der zentralen Fragestellung: Wie ist die spezifische Beschaffenheit des Erzählsubjekts, inwiefern ist es ein Konstrukt der Postmoderne? Zur Annäherung an die Beantwortung dieser Frage muss jedoch zunächst eine kurze Einführung in die Theorien der Postmoderne gegeben werden, der Strömung, der American Psycho sicherlich in vielerlei Hinsicht zuzuordnen ist – und vielleicht geht der Roman ja sogar in manchen Punkten über sie hinaus?
2. Theoretische Vorüberlegungen
2.1 Der postmoderne Kontext
Keine Frage: Egal wie ausführlich und wortreich eine noch so bemühte Definition oder Studie sein mag, der vage, philosophisch generierte Terminus ‚Postmoderne’[12] wird niemals in seiner gesamten Reichweite erfasst werden können. Zu vielseitig sind die in ihm subsummierten Denkansätze und Theorieentwürfe, zu divergent die von der geistig-kulturellen Bewegung affektierten Kulturzweige. Selbst hinsichtlich der Zeiteinordnung der Strömung können lediglich grobe Angaben gemacht werden, denn obwohl schon lange vorher postmoderne Tendenzen und Methoden sporadisch aufzutauchen begannen, fand ihre Manifestation erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert statt, und teilweise werden die 1960er, von anderen Kritikern sogar die 1980er Jahre als letztendlicher Postmoderne-Beginn angegeben.
Selbst die Beschreibung der postmodernen Tendenzen bleibt nicht frei von Schwierigkeiten, denn Regeln für eine tendenziell regelnegierende Strömung zu fixieren erscheint nun einmal von vorneherein als paradoxes Unterfangen; Umberto Eco erkennt passend: „Unglücklicherweise ist ‚postmodern’ heute ein Passepartoutbegriff, mit dem man fast alles machen kann.“[13] Gleichwohl lassen sich freilich einige typische Züge und Grundfiguren postmodernen Denkens aufzeigen, die wiederum in der Literatur der Postmoderne reflektiert werden. Das nächste Kapitel intendiert, diese exemplarisch aufzuzeigen, da für die vorliegende Arbeit die Frage nach dem Subjektstatus in der Postmoderne, welche wiederum zwangsläufig auf den ganzheitlichen Tendenzen der Postmoderne fußt, eine wichtige Grundlage darstellt.
2.1.1 Probleme der Postmoderne-Einordnung
Zeitlich zwängt es sich regelrecht auf, die Postmoderne als Nachfolge-Epoche der Moderne festzulegen. ‚Die’ Moderne wiederum lässt sich jedoch keineswegs problemfrei einem exakten Zeitraum zuschreiben; vielmehr handelt es sich bei dem Ausdruck im Prinzip um eine mit großer Vorsicht zu verwendende ‚Leerformel’, die verschiedene Bedeutungen haben kann. So müssen vier Moderne-Modelle differenziert werden: erstens das Konzept Friedrich Schlegels, der 1797 in einer Abhandlung seine Zeit, in Abgrenzung von der Antike, bereits als „moderne Zeit“ begreift,[14] zweitens die 1991 von Dieter Lamping aufgestellte These, jede Gattung habe ihre eigene, individuelle Moderne-Geschichte mit unterschiedlichem Zeitrahmen,[15] drittens der (wohl populärste) epochengeschichtliche Ansatz, vertreten z.B. von Victor Žmegač, der die ‚Makroepoche’[16] Moderne in das „ausgehende 19. und frühe 20. Jahrhundert“ einordnet[17] und schließlich, viertens, ein neuerer, die Moderne als eine Art ‚Superkonstruktion’ der Zeit zwischen 1800 und dem Ende des 20. Jahrhunderts ansehender Entwurf.[18]
Eine Koppelung der Postmoderne an ‚die’ Moderne-Periode als vermeintliche Vorreiter-Strömung ist also mehr als prekär – insbesondere auch deshalb, weil die zeitliche Nähe eine derartige dogmatische Festlegung unmöglich macht, denn, wie Borchmeyer anschaulich festhält, „Epochen lassen sich [...] immer erst post festum abgrenzen. [...] Man kann sich nicht in einem fahrenden Zug befinden und gleichzeitig den Anspruch erheben, schon angekommen zu sein.“[19] Die offene Frage, ob die Zeit der Postmoderne nicht vielleicht sogar noch andauert, macht demnach eine Epocheneinteilung dieser Denkweise untragbar. Die Postmoderne ist eben keine ein zentrales Thema fokussierende geistesgeschichtliche Diskussion, sondern vielmehr ist der Argumentation Andreas Huyssens zuzustimmen, der sie als „gesamtgesellschaftliches, kulturelles und politisches Problemfeld“ anerkennt.[20] Nichtsdestotrotz verarbeitet und erfasst vor allem die literaturwissenschaftliche Disziplin postmoderne Ansichten – schließlich ist, so die Postmoderne-Maxime Jacques Derridas, die ganze Welt ein Text.[21]
Moderne und Postmoderne sind gleichwohl (auf indefinite Weise) zeitlich aneinander gebunden – und zwar nicht als Kontrastsphären, sondern als divergente Reaktionen auf die menschliche Erkenntnis, dass die Vorstellung von einer sicheren, geschlossenen Welt ein Trugbild war. (Diese Einsicht erfolgt etwa aus der Freudschen Entdeckung von der humanen Bewusstseinsaufteilung in Unbewusstes und Bewusstes, von der Spaltung des Subjekts in ICH, ES und ÜBER-ICH.[22] ) Der Unterschied ist nun, dass die Postmoderne, als – von Wolfgang Welsch so bezeichnete – „Moderne ohne Trauern“,[23] in den sonst so verzweifelt abgelehnten und beklagten Veränderungen der humanen Daseinsbereiche neue Möglichkeiten und wiedergewonnene Freiheiten sieht.
So macht die Bezeichnung ‚Postmoderne’, also ‚Nachmoderne’ letztlich Sinn, da die Denkweise reaktionär an die Vorzeichen moderner Tendenzen gebunden bleibt.
2.1.2 Postmoderne Ansichten
Es ist weiß Gott ein mühseliges Unterfangen, sich innerhalb der ausufernden Masse von Literatur zur Postmoderne zurechtzufinden und die diversen Standpunkte sinnig zusammenzuführen. Der folgende Theorieteil basiert primär auf den Ausführungen des deutschen Postmoderne-Theoretikers und -Philosophen Wolfgang Welsch (Jg. 1946), bezieht jedoch – sofern dies als der Gesamtstudie dienlich erscheint – auch Gedanken anderer Postmoderne-Vertreter mit ein; diese stammen nicht selten aus Amerika oder Frankreich, und damit aus den Nationen, in welchen die Postmoderne-Diskussion in weitaus höherem Maße für Furore sorgte als in Deutschland.
Die pluralistisch ausgerichtete Weltsicht der Postmoderne orientiert sich hauptsächlich an dem Streben nach Grenzüberschreitungen: Alles ist plötzlich möglich, „ [a]nything goes “.[24] Pluralismus bzw. Pluralität[25] kann nach Welsch als (sowohl im politischen wie auch im philosophischen oder theologischen Diskurs anwendbarer) „Schlüsselbegriff“ der Konzeption postmodernen Denkens gesehen werden, in dessen „Licht“ „[s]ämtliche als postmodern bekannt gewordene Topoi“ verständlich werden.[26]
Die Postmoderne [...] tritt für die Vielheit heterogener Konzeptionen, Sprachspiele und Lebensformen nicht aus Nachlässigkeit und nicht im Sinn eines billigen Relativismus ein, sondern aus Gründen geschichtlicher Erfahrung und Motiven der Freiheit.[27]
Dieserart habe, so Welsch weiter, die Postmoderne einen regelrechten „Polytheismus der Werte“ hervorgebracht.[28] Das Paradigma der Pluralität impliziert somit die Öffnung der Kategorien von Wissen, Wahrheit und Weltverständnis, was eine generelle Loslösung von den das menschliche Dasein einengenden Restriktionen nach sich zieht. Festgefahrene ideelle Grenzen werden geöffnet, beispielsweise durch Jacques Derridas „différance“-Konzept, das die Hegemonie binärer, idealistisch-utopischer Oppositionen, wie etwa der des Wirklichen versus des Unwirklichen, aufhebt.[29] Demgemäß leitet sich für postmoderne Literatur (und ihre Rezeption) ab, dass in einem literarischen Werk diverse Diskurse zusammengefügt und wiedergefunden werden können. Daher kann der „mehrfach kodiert[e]“ postmoderne Text als eine strukturelle (oftmals verwirrende) „Hybridbildung“ betrachtet werden;[30] er will überraschen, anstoßen, verändern.
Die postmoderne Sichtweise akzeptiert, dass Wissen weder auf irgendeine Weise begrenzt werden, noch in höherwertige und niedere Formen separiert werden kann. In seinem bahnbrechenden Bericht Das Postmoderne Wissen (1979) entwirft Lyotard entsprechend eine Theorie des „narrativen Wissens“,[31] dessen Anspruch sein soll, auf spielerische Weise kreatives Gedankengut freizusetzen, anstatt danach zu streben, auf wissenschaftlichem Gebiet als wahr und richtig anerkannt zu werden. Und Leslie Fiedler stellt, ähnlichen Gedankengängen folgend, heraus, dass „postmodern culture [has] crossed the borders and closed the gaps“[32] zwischen ernster und hoher Kunst und populärer Unterhaltungsliteratur, denn „populärkulturelle Ansätze [können] der Zeichen- und Medienvielfalt fast eher gerecht werden [...], als die hohe Literatur.“[33] So werden jegliche wertenden Obligationen quasi annulliert. Auf analoge Weise eliminiert postmodernes Denken auch alle verpflichtenden Strukturvorgaben und Regularien.
Postmodernes Leben bedeutet somit unabwendbar Chaos in jedweder Hinsicht, wobei allerdings mit Vehemenz konzediert werden muss: Dies bedeutet nicht im Geringsten, dass postmoderne Kunst keinerlei Strukturen kennt! Vielmehr ist es so – und dies wird im Verlaufe der im Hauptteil erfolgenden Romananalyse noch detailliert aufgezeigt werden – dass die Literatur der Postmoderne bewusst und voller Absicht allgemein bekannte und erwartete Strukturen unterläuft und dafür eigene Innovativformen der Darstellung entwickelt.
Dieser Aspekt geht einher mit Derridas poststrukturalistischem Dekonstruktions-Konzept, das darauf zielt, bestehende Sinngefüge, die das menschliche Denken durch ihre kontextuellen Gefüge (oftmals unbewusst) determinieren, zu demontieren.[34] Neue Denkwege werden – so die Hoffnung – durch die Zerlegung und damit durch die unendliche Erweiterung des Kontextes und der möglichen Sinnkonstruktionen begehbar.
2.1.3 Postmoderne Literatur, ihre Produktion und Rezeption
Für postmoderne Schriftsteller und ihre Schaffen hat die umfassende Grenzöffnung weitreichende Auswirkungen: Ein ‚Kunstwerk’ muss nun keinen spezifischen Rahmen mehr aufweisen, muss keinen restriktiven Wertnormen folgen, keine Grenzen beachten. So wie die ganze Welt als Text gesehen werden kann, hat – dies der logische Umkehrschluss – gleichsam ein Text keine Grenzen mehr, sondern interveniert als endloses Konstrukt aufgrund seiner metafiktionalen Anlage in alle Seinsbereiche.
Die gesamten Umstände literarischer Produktion haben sich weiter dahingehend verändert, dass in der Postmoderne Literatur zu einer Art unerschöpflichem „Sprachspiel“ wird,[35] wobei sich der Textautor ebenfalls in einer neuen Lage befindet: Er ist nicht mehr das ‚sein’ Kunstwerk initiierende und vollendende ‚Genie’, sondern nimmt äußerstenfalls eine Position inmitten der Konzeption ein, denn – so eine weitere These der Postmoderne – jegliches ihm als kreativer Basisfundus dienendes Textmaterial existiert (in seinen Kleinststeilen) bereits, bevor er zu schreiben beginnt; der Autor verarbeitet dieses Sprachkapital im Grunde nur noch weiter bzw. formatiert es neu. Daraus resultiert obendrein die außerordentliche Bedeutung von Intertextualität für die Postmoderne: Sie ist allgegenwärtig. Rymond Federman erfindet für diese postmoderne Eigenart das anschauliche Wortspiel des „Pla(y)-giarism“.[36]
Geht man diesen Gedanken weiter nach, wird bald klar: Der Autor hat seine Bedeutsamkeit verloren; stattdessen ist der Text selbst zum primären Gegenstand des (Rezeptions-)Interesses geworden, denn „Wen kümmert’s, wer spricht?“[37] Und so kann, weil jeder Autor zunächst einmal Rezipient (gewesen) ist, „[d]ie Geburt des Lesers [...] nur um den Preis des Todes des Autors stattfinden“.[38] Demnach rückt außerdem die Textproduktion zugunsten einer zentral werdenden Literaturrezeption in den Hintergrund, was wiederum an die pluralistische Postmoderne-Einstellung geknüpft ist, dass es niemals eine singuläre und exklusive ‚wahre’ Bedeutung geben kann, sondern vielfältige, frei erfindbare Auslegungsmöglichkeiten eines textuell dargebotenen Weltausschnitts existieren müssen. Erst durch die Leserauslegung konstituiert sich folglich ein – möglicherweise von Rezipient zu Rezipient völlig divergenter – Textsinn. Eine vermeintliche Autorenintention zu finden, soll bzw. darf daher gar nicht mehr Ziel einer Interpretation sein. Dieser leserorientierte Ansatz favorisiert den von André Breton so bezeichneten Schreibstil der „écriture automatique”,[39] der im Idealfalle ganz ohne Autorenlenkung funktioniert, so dass sich der Text quasi aus sich selbst heraus schreibt – was naturgemäß ein Utopie-konstrukt bleiben muss, weil eine komplette Ausschaltung der Autorenhand (selbst bei der, in der postmoderne häufigen, Zuhilfenahme von bewusstseins-lähmenden, den Autor somit von seinem Machwerk loslösenden Drogen) genauso unmöglich zu erreichen ist wie allumfassende, intentionslose Objektivität.
Infolge der postmodernen Entgrenzung aller Seinsbereiche kommt es nicht nur zu der von Hutcheon so genannten „historiographic metafiction“,[40] einer generellen geschichtlichen Metafiktionalisierung die sich in den fiktiven Stilelementen spiegelt, auch die literarischen Genregrenzen lösen sich zugunsten polyphoner, d.h. aus einem Chor unzähliger Stimmen bestehenden,[41] Hybridtexten bzw. Hybridgattungen. Die historiografische Metafiktion ist überdies geprägt von der generellen Unfassbarkeit eines jeden Geschehens – und sei es auch noch so kurz. Niemals kann ein Ereignis im Text eine exakte Realspiegelung erfahren. Analog lässt sich mit Blick auf das erzählende Subjekt ableiten: Zwischen dem ‚kleinen’ Ich, welches geschrieben wird, und dem ‚großen’ schreibenden Ich besteht unvermeidlich eine Bruchstelle;[42] das Subjekt wird somit gleichsam zu einem unfassbaren Konstrukt. Welche weiteren subjekttheoretischen Überlegungen die Postmoderne bereithält, wird der nächste Abschnitt beleuchten.
2.1.4 Zerstörte Identität: Dispersion des postmodernen Subjekts
Die Kontroverse um die Begriffe des Subjekts und der Identität ist seit jeher verankert in der Frage nach der Einheit und Autonomie des Ichs. Nun ist im postmodernen Denken eine geschlossene Konzeption des Selbst nicht länger denkbar; und dies ist keine Novum, deutet sich doch bereits in der Moderne an: Ein mit umfassendem Bewusstsein versehenes Ich kann nicht mehr existieren. Doch „[o]bwohl der Gedanke der Subjektdissoziation nicht auf die Postmoderne beschränkt ist, sondern seine Ursprünge weit vor Nietzsche hat, wird die Auflösung des Ichs hier bis zu einem Grad vorangetrieben, der für das Verständnis und die Einordnung des Subjekts neu ist“.[43] Kein in einer postmodernen, dekonstruierten, pluralistischen Welt lebendes Subjekt kann in der Lage sein bzw. darf überhaupt intendieren, seine ‚Identität’, bzw. das Bild dieses (nun als solches erkannten) Idealkonstrukts, vollends zu bestimmen und reflexiv zu fassen.
Bereits angesprochen wurde diesbezüglich eine entscheidende Empirie, und zwar die Freudsche Erkenntnis der menschlichen Geistesspaltung in ICH, ÜBER-ICH und ES, welche nicht nur die Kategorie des Unterbewussten etabliert, sondern außerdem gleichzeitig die Aufbrechung einer psychischer Einheit evoziert.[44] Und diese Einheitszersprengung verschärft sich in der postmodernen Perspektive dahingehend, dass nicht von einer Spaltung in zwei oder drei Komponenten ausgegangen wird, vielmehr zerspringt das Subjektkonstrukt in unzählbare Einzelfragmente, all jene ambivalenten Rollen, Charakterfacetten und Ansichten, die durch die postmoderne Pluralität erschaffen werden. So entwickelt Jean Baudrillard die Vorstellung eines „fraktalen“ Subjekts, das in eine „Vielzahl von winzigen gleichartigen Egos zerfällt, die sich auf gleichsam embryonaler Ebene vermehren und durch fortdauernde Teilung ihre Umgebung besetzten.“[45] Es geht nun also nicht mehr um eine Unterscheidung von Subjekt und Anderem,[46] sondern um eine „Zersplitterung ins Identische“, eine „endlose interne Differenzierung von ein und demselben Subjekt“.[47]
Überdies gehört ebenso „das Bedenken auch anderer Möglichkeiten [...] zu den notwendigen Kompetenzen postmoderner Subjekte“ wie auch die Fähigkeit „zwischen verschiedenen Sinnsystemen und Realitätskonstellationen überzugehen“.[48] Eine weitere Konsequenz des Pluralismus-Konzepts ist folglich die unabdingbare revolutionäre Modifikation des Subjektbegriffs, welche dadurch besiegelt wird, dass ein Individuum nun auf keinen Fall mehr allein durch seinen rationalen Geist und eine vernunftbegründete, universell gültige Weltsicht Autonomie beanspruchen kann, zu vielfältig sind die Möglichkeiten divergenter (jedoch durchaus gleich zu wertenden) Welterfassungsweisen. Das Subjekt darf nicht als Ursprung angesehen werden, sondern – mit Jeremy Hawthorn metaphorisch ausgedrückt – als ein Ort, „an dem voneinander unabhängige Besucher kommen und gehen [...] und es keinen allmächtigen Organisator gibt.“[49]
So wird, einen Schritt weiter gedacht, menschliche, individuelle Autonomie zu einem utopistischen Phantasiegebilde, was wiederum die verbreitete provokante These vom – Peter Zima zufolge die Postmoderne charakterisierenden – „Tod des Subjekts“ stützt,[50] die mit dem subjektiven Dahinscheiden und Verschwinden im Grunde nochmals eine Radikalisierung des zuvor beleuchteten Verflüssigungsaxioms vornimmt. Auch Peter Bürger unterstützt diese Gedanken: „Unter den Stichworten der Postmoderne ist das vom Tod des Subjekts vielleicht das beunruhigendste, scheint es doch das in Frage zu stellen, woran wir am meisten hängen, die Identität unseres Selbst.“[51]
Zimas an Lacan orientierte Schlussfolgerung lautet, dass im postmodernen Denken „das individuelle Subjekt fremdbestimmt ist, weil es sich an das Andere des Unbewußten, der Sprache oder der Natur verliert“;[52] somit komme es dazu, dass „ die Frage nach dem Subjekt negativ beantwortet oder an die Peripherie einer neuen, postmodernen Problematik abgedrängt “ werde.[53] Diese Entwicklung koppelt der Theoretiker an die (massen-)medialen Bedingungen der postmodernen Zeit: Medien wie das Fernsehen verschulden Subjektlosigkeit, da Individuen aufgrund ihrer (durch die Intention der Massenwirksamkeit herbeigeführten) verabsolutieren Diktion Eigenständigkeit abhanden kommt.[54]
Die Postmoderne habe, so Zima weiter, im Gegensatz zur Moderne den literarischen „Anspruch der Romangattung, Subjektivität zu konstituieren und Leser als Subjekte anzusprechen, längst aufgegeben“.[55] Infolge der Daseins-Dekonstruktion durch „radikale Partikularisierung“ werde „dem Subjekt sein diskursives Instrumentarium aus der Hand [ge]schlagen“.[56] Entsprechend gelte das postmoderne Werk nicht mehr als Ausdruckswille des Subjekts, sondern es stehe, losgelöst von seinem Erschaffer, für sich selbst, was den Ursprung der Debatte vom Subjekttod markiert.
Mit der These vom toten Subjekt einher geht außerdem die von Michel Foucault erkannte Zerstörung des als Hülle und Oberfläche fungierenden menschlichen Körpers:
Der Körper: Oberfläche, in die sich Ereignisse einschreiben (während
die Sprache sie bezeichnet und die Ideen sie auflösen), Ort der Auflösung des Ichs (das er mit der Schimäre ineinssetzt [sic!], eine substantielle Einheit zu sein), ein Ding, das endlos zerbröckelt. [...] Nichts im Menschen – nicht einmal sein Körper – ist so fest, daß es gestatten würde, die anderen Menschen zu verstehen und sich in ihnen wiederzuerkennen.[57]
Diese postmodernen von Skeptizismus geprägten Gedanken gipfeln also im sowohl körperlichen als auch geistigen Ende des Subjekts; an das individuelle Ich als solches wird nicht mehr geglaubt.
Jochen C. Schütze allerdings – und dieser Gedanke ist für die vorliegende Arbeit von enormer Bedeutung – relativiert die Vorstellung vom Subjekt-Exitus, indem er einschränkend verkündet:
Die Rede vom ‚Tod des Subjekts’ ist, wie die postmoderne Popularphilosophie insgesamt zu laut; es besteht die Gefahr, daß man ihren Gehalt noch nicht wahrgenommen hat, wenn der Effekt, den sie hervorruft, bereits nicht mehr wirkt. [...] Daß das Subjekt heute einen geringeren Stellenwert hat als in früheren Abschnitten seiner Geschichte, macht es sinnvoll, seine Konstitution auf eine neue Weise zu beschreiben. Es stellt sich als Produktion der Diskurse dar, denen ein Mensch zeitlebens ausgeliefert ist, die ihn einkreisen und sich an ihm ablagern.[58]
Wolfgang Welsch steht der Hypothese vom Subjekttod indes generell skeptisch gegenüber, lehnt diese apokalyptische Negationsstrategie ab und spricht sich stattdessen für ein dynamisches Konstrukt aus: Die konkret-idealistische subjektive Einheitsvorstellung wird nicht ersetzt durch eine „Subjektauflösung“, sondern muss allenfalls einer „tatsächlichen Subjektverflüssigung“ Platz machen, denn postmoderne „Individualität bildet sich in der Konstellation von Differentem“.[59] Anders ausgedrückt: Das Subjekt hat sich durch die Dynamik der es bedingenden, sich immer wieder neu formierenden pluralistischen Daseins-Umstände ständig neu zu erfassen – und dies geschieht insbesondere durch ein prozedurales sprachliches Formulieren. Für das postmoderne Subjekt ist deshalb die selbstbezogene Erzählung von eklatanter Wichtigkeit. Im narrativen (Fiktions-)Prozess kann eine ultimative Selbstbehauptung stattfinden, wie Roland Barthes behauptet: „Vielleicht kehrt nun das Subjekt nicht als Illusion, sondern als Fiktion zurück. [...] Diese Fiktion ist nicht mehr die Illusion einer Einheit [...].“[60] So verschwimmen in Barthes Vorstellung die Grenzen einer ‚realen’ und einer ‚fiktiven’ Subjekt-Kreation, was jedoch nicht mit der Kategorie von ‚Wirklichkeit’ verwechselt werden darf, sondern vielmehr an das bereits angesprochene Postulat von einer ganzen ‚Welt als Text’[61] angelehnt ist, in der durch die Eigenschaften der Sprache als stets reflexiv agierendem Instrumentarium alles Sein zumindest immer eine metafiktive Ebene hat.
Treffend fasst diese Subjektentgrenzung und ihre Folgen Jochen C. Schütze zusammen:
Mit dem Verlust seiner Grenzen wird das Subjekt zunächst unförmig, narzißtisch, hypertroph; je weniger Bedeutung es hat, desto hysterischer behauptet es sich. Dem Chaos, das ihm zu drohen scheint, und das vielleicht die Quelle eines neuen Erfindungsreichtums sein könnte, begegnet es mit monumentaler Überproduktion.[62]
Ihab Hassan notiert nun als eine Art ‚Notbehelf’ des postmodernen, sich in einem Zustand (vorgetäuschter) Selbstauslöschung befindlichen Subjekts die Methode der eigenen Verhüllung in Sprachspiele:
Indem das Ich sich in Sprachspielen verliert, in den Differenzen, aus denen die Realität pluralistisch geschaffen wird, entpersonifierziert es seine Abwesenheit [...].[63]
Für American Psycho und vor allem für das darin entfaltete Konzept des ‚Brilliant Disguise’ bedeutet diese postmoderne Sonderheit eine exemplarische Tarnmethode. Inwiefern dies der Fall ist und inwiefern weitere der subjekttheoretischen Auslegungen in Ellis’ Werk Anwendung bzw. auch Wiederlegung finden, wird im Hauptteil zu ergründen sein.
Alles in allem lässt sich hinsichtlich des postmodernen Subjektkonstrukts in jedem Falle summarisch festhalten, dass dieses ein instabiles, trügerisches und verspieltes ist, dass daher Subjektfiguren im Prinzip nicht mehr als reale Personen angesehen werden dürfen;[64] vielmehr stellt der, jede Form von Idealismus vehement negierende, Text – und hier kommt nun eine erste Komponente des ‚Brilliant-Disguise’-Konzept ins Spiel – eine nebulöse Verkleidung des Subjekts, eine komplexe Verrätselung seiner Selbst dar. Postmoderne Erzählwerke werden infolgedessen zu Rätseln voll offen bleibender Fragen und Doppeldeutigkeiten, zu lückenhaften, mit eigenmächtigen Sinnappositionen zu vervollständigenden Fragmenten. Und auch ihr oftmals parodistischer Charakter[65] liegt begründet in und gehört mit zu den Verschleierungsstrategien des Subjekts – American Psycho bildet diesbezüglich keine Ausnahme, was im folgenden, den Beginn der konkreten Textanalyse markierenden Teil belegt wird.
2.2 Übertragung auf den Textgegenstand: Postmodern-Parodistisches oder Prämissen für die American-Psycho -Subjektanalyse
In Zeiten der Postmoderne wird die Realität unter veränderten Vorzeichen wahrgenommen. Vor allem sich zunehmend einschleichende Parodiemomente, die „usually considered central to postmodernism“ sind,[66] erschweren mitunter die Deutung unseres Seins.[67] Was ist Spaß, was ist Ernst, wo ist die Grenze zu setzen? Die Beantwortung dieser Fragen fällt bisweilen gar nicht so leicht, oftmals vermischen sich beide Sphären, im Scherz wird ernste Kritik geübt oder Ernst gemeintes wird als Witz gedeutet, Missverständnisse sind keine Seltenheit.
Auch in American Psycho sorgt ein ambivalenter parodistischer Grundcharakter für eine allgemeine satirische Doppelsphäre, die zum Teil nicht eindeutig entschlüsselbar ist.[68] Eine Szene, welche diese bizarre doppelsinnige Struktur vielleicht recht adäquat einzufangen vermag, ist Batemans verzweifelt-abstruser Versuch, Bethany zum Mitkommen in seine Wohnung zu überreden: „’I have a 1940s Durgin Gorham four-piece sterling silver tea and coffee set I’d like to show you.’“ (243) Inwiefern ist diese parodistisch-postmoderne ‚Anmache’ nun mehr als ein purer Witz? Birgt sie nicht eventuell weitaus mehr Wahrheit und Interpretationsstoff, als auf den ersten Blick ersichtlich? Derlei offene Fragen lassen sich entsprechend für das Subjekt formulieren, welches sich durch sein ‚Brilliant Disguise’ zweifelsohne ebenfalls in eine parodistisch determinierte Doppelstruktur einhüllt: Es macht Gebrauch von makaberer Satire und kritisiert jedoch gleichzeitig, auf einem zweiten Level der Ernstheit, im Kern seiner allegorischen Aussage die missständige Realität. Ferner ist nicht klar auszumachen, ab welchem Punkt das parodistische Spiel für das Subjekt selbst zum leidvollen Moment wird: Es lebt mit und in der Parodie und verliert dadurch, so scheint es, mitunter vollkommen den Bezug zur nichtparodistischen Sphäre – durch diese Deutung erhalten auch surreal anmutende Partien der Batemanschen Schilderungen einen neuen Sinn; vollends eins geworden mit seinem umfassenden ‚Disguise’, befindet er sich teilweise in einer Art parodistisch-überhöhtem Schwebezustand, der die Realität mehr und mehr verzerrt. Wie sich dies konkret im Text signifiziert, wird noch genauer erörtert werden.
Die angedeutete satirisch-überspitzte Anlage des Romans hat zwar einerseits zur Folge, dass der Romaninhalt keineswegs als ernstzunehmender Versuch einer Realitätsdarstellung verstanden werden darf und ebenso wenig von einem nach authentischen Mustern angelegten Protagonisten bzw. erzählendem Subjekt auszugehen ist; andererseits jedoch bewirkt gerade die spöttische Übertreibung des fiktiven Konstrukts, dass dem Werk eine erst noch zu entschlüsselnde, erstaunlich offene Deutungsebene inhärent ist. In Korrespondenz hierzu ist auch dem Ich-Erzähler eine okkulte, weil codierte Doppelstruktur inskribiert, welche erst durch den (typisch postmodernen) sinngebenden Rezeptionsprozess dechiffriert werden kann. Es darf daher der agierende und vermittelnde Charakter Patrick Bateman nicht als vertrauenswürdiges subjektives und reell existentes Subjektmodell verstanden werden, er manifestiert sich stattdessen als „representation of representations in which he is the center as the negative space“,[69] und so konstruieren die bewusst irrealen Qualitäten des Protagonisten eine verzerrte narrative Sichtweise, also eine Karikatur der realen Welt. Es ist daher auch keineswegs von Relevanz, ob die Romanhandlung, ob Batemans Taten ‚wirklich’ stattfinden oder Erzeugnisse seiner Fantasie sind[70] – dies zu fragen wäre ein banaler, simplizistischer Ansatz und würde dem auf seine Weise[71] in der Tat hochkomplexen Werk keineswegs gerecht werden. Mark Storey meint diesbezüglich:
The question is not whether the ‘action’ really takes place – a careful reading reveals that was never the point – but what the ‘action’ tells us about the person who recounts it. The narrative is life through the prism of Patrick Bateman’s psyche, but closer inspection reveals his psyche is nonexistent.[72]
Was Storey hier auszudrücken versucht, ist, dass das Subjekt Patrick Bateman einzig und allein ein Produkt externer Kräfte, im Prinzip also gar nicht eigens existent sei, sondern lediglich die Repräsentation seiner Umgebung. Wenn man diese These wörtlich nähme und ihr vollen Glauben schenkte, ließe sich schnell deduzieren: Eine Subjektanalyse macht hinsichtlich des Romans American Psycho keinen Sinn, da dieser im Grunde subjektlos ist. Dies wäre nun wiederum nichts weiter als ein neuerlicher Simplifikationsakt; denn: Obschon für das Subjekt sicherlich ein Großteil seines Selbst allein durch Fremdbestimmung, durch seine gesellschaftlich-kulturellen Umweltfaktoren, generiert wird, reflektiert es dennoch ein unikal-abnormales Identitätskonzept, eine Selbstkreation am Rande des Möglichen. Paradoxe Selbsterkenntnis-Geistesblitze des Erzählers, in welchen er seine vermeintliche ‚Inexistenz’ eigenmächtig feststellt („I am unreal.“ [71][73] ), gehen zweifelsohne zwangsläufig gegen diese selbstnegierende Erleuchtung an: Was nicht ist, kann logischerweise auch nichts erkennen.
Eine Subjektanalyse erweist sich somit als legitim, obgleich eine vollständig fassbare Identität aufzuspüren und zu fixieren definitiv nicht Ziel sein kann – dieses Bestreben wäre wahrlich utopisch. Die vorliegende Studie intendiert jedoch, zumindest eine Art ‚imaginiertes’ Selbst herauszuarbeiten, und zwar handelt es sich hierbei um ein Selbst, für dessen Konstituierung das ‚Brilliant-Disguise’-Prinzip unabdingbar ist und welches daher als Subjekt der perfekten Verkleidung bezeichnet werden kann.
3. Formgestaltung als Ausdruck des Selbst: Zum Verhältnis von Struktur und Subjekt
Obschon es unter den postmodernen Theorien mehrfach Ansätze gibt, die das Subjekt vom Werk rigoros zu separieren versuchen, die, wie etwa Jacques Derrida, meinen, „der literarische Text dekonstruiere das Subjekt als Urheber des Textsinns“,[74] möchte ich mich von diesem Denken distanzieren und vielmehr – im Sinne etwa des im Surrealismus verwurzelten André Breton – das Ich als „den Text organisierende [...] Instanz“ begreifen.[75]
Der Text und das Subjekt werden folglich als aneinander gekoppelt begriffen. Das Subjekt des Romans spiegelt sich in der Struktur, dem Aufbau sowie dem Stil des Textes wider. Dies ist allein schon daher anzunehmen, weil Patrick Bateman nicht nur den Platz des Protagonisten, sondern auch den der erzählenden Instanz einnimmt: Seine Welt wird somit durch die eigenen Worte erst konstituiert; selbst wenn er als ein – wie die Postmoderne-Theorie behaupten würde – schwaches, weil von den Umweltfaktoren bisweilen aufgefressenes bzw. nicht von seiner Umgebung abzugrenzendes und daher verflüssigtes Ich anzusehen wäre,[76] würde die von ihm aufgebaute Textlandschaft zweifelsohne Rückschlüsse auf die Verfassung, ja, auf das Sein und damit gleichsam auf das Innenleben Patrick Batemans als dem Mediator der Geschichte zulassen. Dieser Gedanke drängt sich regelrecht auf; allein die Wahl der vermittelnden Instanz – dies sei hier bereits herausgestellt – führt die These ad absurdum, dass das Subjekt tatsächlich ‚tot’ sein könnte, denn es enthüllt sich, sein ‚Ich’, im Text.
Naomi Mandel treibt die These vom unwiderruflichen Zusammenhang von Text und Erzählfigur gewissermaßen auf die Spitze, wenn sie abstrahierend schreibt:
Become pure text, Patrick […] is American Psycho – not just the title’s referent but the novel’s text. As agent, as perpetrator, he has disappeared – the culmination of “a slow, purposeful erase” (282).[77]
In diesem Teil geht es nun also um die Erfassung der spezifischen, an den Protagonisten selbst gekoppelten Struktureigenarten und ihre Beziehungen zum ‚Disguise’-Konzept, wobei es sich hier und da sicherlich nicht vermeiden lässt, auch einige inhaltliche Aspekte miteinzubeziehen. Die nachstehende Untersuchung soll vor allem zeigen, dass der Text keineswegs strukturlos ist, dass folglich auch dem Charakter Patrick Bateman durchaus ein bestimmtes (vertracktes) Identitätskonzept inskribiert ist, welches sich deutlich in der formalen Textanlage spiegelt.
3.1 Panoramablick auf die Struktur: Das Roman-Gesamtkonzept
Strukturelle Eigenarten kann man auf divergenten Ebenen untersuchen. Auf einer ersten Ebene lässt sich die textuelle Gesamtstruktur von einem tendenziell panoramischen Rezeptionsstandpunkt aus betrachten. Und selbst hierbei müssen – und das gilt für das Analyseobjekt American Psycho im Speziellen – unterschiedliche Betrachtungsweisen nochmals differenziert werden, die diverse interpretative Anhaltspunkte liefern.
3.1.1 Durch Intertextualität erzeugte Lesererwartungen, ihre Enttäuschung und die (widerlegte) These von der Strukturlosigkeit
Zu der ganzheitlichen Analyseperspektive zählt, erstens, die Frage nach der – für den postmodernen Roman typischen – intertextuellen, also beispielsweise durch die Übernahme von Titel- oder Handlungselementen erzeugten, Verlinkung eines Werkes zu vorangegangen Fiktionsgebilden. Derartige vernetzende Knüpfstellen sind in American Psycho vielfach zu finden, so etwa zu Norman Mailers An American Dream (1965), Edward Albees The American Dream (1961), zu dem thematisch verwandten Werk The Demon (1976) von Hubert Selby,[78] oder auch zu Tom Wolfes Bonfire of the Vanities (1987), dem der Name der Firma, bei der Bateman angestellt ist, „Pierce & Pierce” (z.B. 3), übernommen wurde,[79] und – nicht zu vergessen – besonders auch Alfred Hitchcocks Film Psycho (1960) nach der weniger populären Romanvorlage von Robert Bloch aus dem Jahre 1959.[80] Diese zum Publikationszeitpunkt von American Psycho bereits bekannten Werke folgen allesamt einem mehr oder weniger konventionellen Strukturbogen, zeigen eine Entwicklung auf, kommen zum Höhepunkt und münden in einen Abschluss der Handlung, weshalb ein belesener Rezipient, welcher die intertextuell angeknüpften Werke im Gedächtnis hat, auch für Ellis’ Roman eine ähnliche strukturelle Form erwarten wird. Hier ist diese logische Verlaufskonvention jedoch nicht mehr im klassischen Sinne gegeben, weshalb viele Theoretiker[81] vorschnell urteilen: Der Roman ist völlig strukturlos.[82] Diese Auffassung birgt jedoch bei genauerer Betrachtung viel Diskussionspotential, stellt sie doch im Prinzip ein Paradoxon an sich dar. Denn allein schon der evidente Fakt, dass das Romanwerk insgesamt als ein geschlossenes Textkonzept operiert, sträubt sich gegen die Strukturlosigkeits-These.
‚Struktur’ erweist sich folglich quasi als relativer Begriff, da auch eine destruktive Formgebung als spezielle Strukturierungsart betrachtet werden kann. Überdies ist American Psycho durchaus in seinem Verlauf lesbar, meistens sogar schlüssig von Kapitel zu Kapitel einem chronologischen Lauf folgt – wenn dieser auch oftmals recht zusammenhangslos Momente unterschiedlichster, scheinbar wahllos ausgewählter Tage beleuchtet.[83] Das Leserinteresse, ja die Bereitwilligkeit des Lesers zur Rezeption des Romans rührt, so könnte man sagen, daher, dass diesem eine Handlungslinie eingeschrieben ist, eine – obschon eigenwillige – Struktur, die durchaus nicht frei von Kohärenz ist, vom Romananfang zu seinem Ende hin, 399 Seiten umfassend.
3.1.2 ‚Minimierte Erzählung’: Das erste Kapitel als Kompaktform des Romans
Eine weitere auffällige Strukturbesonderheit, die in Verbindung mit einem ganzheitlichen Blick auf den Roman steht: Die Gesamt-Story wird, sowohl inhaltlich wie auch formal, im ersten Erzählabschnitt gewissermaßen antizipiert.
Hinsichtlich des Inhalts ist beispielsweise die in Batemans Gedanken herumspukende Nachricht von dem Verschwinden zweier Personen während einer Party bedeutsam: „Foul play is suspected [...] perhaps a machete was the killer’s weapon [...]. No bodies have been found. There are no suspects.” (5) In Verbindung mit der beinahe unmittelbar darauf folgenden metaphorischen Beobachtung des Ich-Erzählers, „a police car cruises silently the wrong way down a one-way street” (5), indiziert die Verbrechensmeldung, wie hilflos die – sich auf dem falschen Wege befindliche – Polizei, wie ohnmächtig die Exekutive ist: Ein Verbrecher (wie später auch Patrick Bateman) kann seine Taten folglich ohne Probleme verbergen. Im Grunde tauchen im ersten Kapitel bereits alle romanrelevanten diskursiven Themen auf: Rassismus, Sexualität, Konsum/Prestige (Kleidung, Essen), Mord, Körperkult (Spiegel, Kosmetik), Identitätsmangel[84] (Verwechslungen), Medienmanipulation, Kommunikationsversagen sowie z.B. die Motive Les Misérables, Patty Winters Show, Fisher Account, American Express. Sogar eine das ‚Disguise’-Thema einläutende Metapher lässt sich finden: Auf Evelyns Tisch liegt eine Zeitschrift mit dem symptomatischen Titel „ Deception “ (12). Und das Prinzip der perfekten ‚Deception’ wendet der Ich-Erzähler sogleich an: in einer minutenlangen moralisierenden (Heuchler-)Rede über soziale Missstände, die einer Fürsprache der Unterschicht gleichkommt (vgl. 15f.), jedoch durch sie umrahmende Banalitätsthemen – „’Why is there an ice cube in my soy sauce?’“ (15); „’I have . . . sor bet ’“ (16) – an Ernst- und Glaubhaftigkeit einbüßt; die Oberschicht interessiert sich mehr für schicke Speisen als Gesellschaftsprobleme.
Sogar formal deutet sich der gesamte strukturelle Verlauf, der abstruse, offene Kreislauf von aneinander gereihten Episoden ohne befriedigende Lösung schon hier auf versteckte Weise an, wenn nämlich Tim Price in seiner Klage über die sozialen Missstände seiner Zeit zusammenfasst: „’[...] and look, you’re back where you started, confused, fucked [...].’“ (6) – Ebenso wird sich letztlich auch der Leser fühlen: als habe er sich seit Beginn des Romanlesens nicht vom Fleck bewegt, erfüllt von einem Gefühl extremer Konfusion.
Da das Einstiegskapitel jene Vorwegnahme auf einer recht verrätselten Ebene durchführt, kann sein kaschierender Antizipationscharakter als Part des ‚Brilliant-Disguise’-Konzepts betrachtet werden.
3.1.3 Sonderheiten der Gesamtstruktur: Verlaufsfragen & Aufschubstrategien
Schließlich und vor allem ist auf der Ebene, welche eine panoramatische Sicht auf die Gesamtstruktur des Textes favorisiert, grobzügig und großflächig der Romanverlauf von seinem Beginn zum Ende zu untersuchen. Wenn die konkrete Strukturanalyse nun mit dem abrupten Einsetzen der Handlung beginnt, so fehlt ihr bereits ein formelles Merkmal der Erzählung: die paratextuellen vorangestellten Zitate, drei an der Zahl. Das erste entstammt den Notes from Underground von Fjodor Dostojewskij[85] und widmet sich der Ausweisung jenen Textes als fiktives Machwerk:
Both the author of these Notes and the Notes themselves are, of course, ficitonal. Nevertheless, such persons as the composer of these Notes not only exist in our society, but indeed must exist, considering the circumstances under which our society has generally been formed. […] (keine Seitenangabe)
Ellis spannt hier nicht nur erneut einen intertextuellen Bogen zu einem mehr als ein Jahrhundert zuvor verfassten Text und wendet die von Dostojewskij verfassten Zeilen als die Rezeption leitenden Ausgangspunkt seiner eigenen Romanhandlung an, wodurch der ‚Fremdtext’ in die Struktur des Ellisschen Werkes eingreift und gleichsam die strukturellen Grenzen von American Psycho bereits vor dem eigentlichen Romanbeginn auf paratextuelle Weise geöffnet werden. Die tendenzielle Grenzenlosigkeit des postmodernen Romans, die daher rührt, dass die ganze Welt ein Text ist (und der Text die ganze Welt), wird so gewissermaßen gespiegelt.[86]
Die beiden weiteren Zitat können im Konnex mit der Wiedergabe von Dostojewskijs Textpassage als Epitome der grenzaufhebenden Postmoderne-Theorie Leslie Fiedlers[87] gesehen werden, sind sie doch Ratschlag-Kolumne der US-Journalistin „Miss Manners“, alias Judith Martin sowie einem Songtext der amerikanischen Post-Punkt- und New-Wave-Popgruppe „Talking Heads“ entnommen und kombinieren somit – auf einer Metaebene am Rande des Primärtextes – unmittelbar ernste Hochliteratur mit dem – allgemein als nieder eingestuften – Niveau der Ratgeber-Beiträge und Musik-‚Lyrics’ im medialen Unterhaltungssektor. Das Zitat der „Talking Heads“, „And as things fell apart / Nobody paid much attention“ (ebd.), fungiert, nebenbei bemerkt, gewissermaßen als Motto zum Roman (als Vorausblick auf Kommendes und Kommentar zu Geschehendem), interveniert auf formaler Ebene somit permanent in die Romanstruktur, wodurch diese abermals einen Komplexitätszuwachs erfährt.
Bei Betrachtung des tatsächlichen Romanbeginns – und hier muss nun zeitweise doch einmal näher an den Text herangegangen werden – kristallisiert sich unweigerlich die Diagnose heraus, dass durch textuelle Sonderheiten schnell Irritation, Unsicherheit, ja, vielleicht sogar Hilflosigkeit beim Rezipienten evoziert werden. Nach Ansicht der meisten Sekundärtexte liegt die Begründung hierfür in dem Fehlen von narrativen Einleitungselementen,[88] was ich jedoch etwas zurücknehmen möchte. Denn das befremdliche und vor allem doppeldeutige Eingangszitat „ABANDON ALL HOPE YE WHO ENTER HERE“ (3) fungiert durch sein imperatives Potential im Sinne einer pseudodirekten Leseranrede durchaus als einleitendes Romanelement, markiert sowohl strukturell als auch inhaltlich den Eintritt in eine fiktive Welt, deren Rahmen zwar tendenziell offen angelegt, deren Form jedoch nicht weniger geschlossen als diejenige zahlreicher modernen oder auch vormodernen Werke ist. Die Befremdlichkeit des Eingangskapitels und seine ‚strukturlose’ Wirkung werden definitiv dadurch intensiviert, dass sich die erzählende Instanz – und diese ist zudem ja, wie sich sodann enthüllt, mit dem zentralen Subjekt identisch – lange Zeit versteckt, mehr noch: Sie täuscht eine andere, eher außerhalb des Romanweltrahmens liegende Identität vor, fokussiert mit Timothy Price ein fremdes Individuum. Dies ruft den Eindruck einer personalen Er-Erzählung hervor, und zwar einerseits aufgrund der monologartigen Wirkung der Ausführungen Price’ über sich selbst („I’m resourceful, [...] I’m creative, I’m young, unscrupulous, highly motivated, highly skilled. [...] I’m an asset.“ [3]) andererseits aufgrund der (expositorischen) Integration von persönlichen Hintergrundinformationen und emotionalen Details zu Timothys Person:
Timothy Price notices the words a bus pulls up [...], but Price who is with Pierce & Pierce and twenty-six doesn’t seem to care [...]. Price calms down, continues to stare out the cab’s dirty window, probably at the word FEAR sprayed in red graffiti on the side of a McDonalds [...]. He continues talking as he opens his new Tumi calfskin attaché case he bought at D. F. Sanders. (3f.)
Rasch stellt sich der Eindruck, Price sei der zentrale Charakter und die Erzählung in der Er-Form verfasst, als Finte heraus; gleichwohl konstituiert Timothys Erscheinung sozusagen den strukturellen Rahmen, kehrt er doch nach seinem baldigen Verschwinden ins Unbekannte[89] erst im Romanfinale wieder ins Geschehen zurück. Dirk Padekens Statement „Der Roman beginnt wahllos, er endet wahllos“[90] wird hiermit widerlegt.
Die strukturrelevante ‚Aufschubmethode’, also das Zurückhalten von Roman- wie Erzählereigenschaften, hat einerseits den Effekt der Leserüberraschung und -irritation, macht das Konstrukt damit auf verschleiernde Weise interessanter und verleiht ihm Vielschichtigkeit; auf der anderen Seite, und zwar aus der Perspektive des Subjekts gesehen, kommt es einer Selbstverhüllung gleich, einer Tarnung, die Teil des ‚Brilliant-Disguise’-Konzepts des Texts bzw. Patrick Batemans ist. Die anfängliche Kaschierung der Erzählinstanz ist übertragbar auf die Handlungsebene, denn auch vom Romaninhalt wird aufgrund der Strukturanlage des Werks jeder Leser überrascht sein – sowohl derjenige, welcher den Plot zu kennen glaubt und/oder die Publikationsgeschichte samt ihrer Restriktionen verfolgt hat und erwartet, von Horrorszenen und Blutbädern übermannt zu werden, als auch jener Rezipient, der ohne Vorwissen den Roman zur Hand nimmt: Erstgenannter wartet nämlich lange Zeit vergebens, und letzterer wird sehr spät von den makaberen Gräueldarstellungen in ihrer schonungslosesten Perversion überrascht: Erst ab Seite 131 (von 399) setzen nach und nach, mit kumulativer Frequenz, völlig retardiert die Batemanschen Meucheltaten ein – hier ist es zunächst sogar ‚nur’ die brutale Misshandlung, nicht die Tötung eines schwarzen Obdachlosen, auf den der Protagonist zufällig während eines ziellosen Streifzugs durch die nächtlichen Straßen Manhattans trifft: „[...] I pull out a long, thin knife with a serrated edge and, being very careful not to kill him, push maybe half an inch of the blade into his right eye, flicking the handle up, instantly popping the retina.” (131) Erst noch später setzen die Tötungsszenarien ein, insbesondere die zahlreichen Sexualmorde, auch diese einer Steigerungsstruktur folgend: Das erste „Girls“-Paar[91] Sabrina und Christie wird, „bleeding but well paid“ (176), ausnahmsweise (noch) lebend entlassen. Nichtsdestotrotz ist dieser steigernde Handlungsaufbau keineswegs darauf zurückzuführen, dass Bateman zuvor noch keine Menschenleben ausgelöscht hat: Als er seinen (dem Romanverlauf nach) ersten Mord begeht hat er bereits Erfahrung mit dem Verhalten von Tötungsopfern, denn „to make sure the old queer is really dead and not faking it (they sometimes do) I shoot him with a silencer twice in the face“ (166). Außerdem offenbaren sich permanent in – teilweise weiter – Vergangenheit liegende kriminelle Taten, so etwa gegen Ende des Romans ein Erinnerungsfetzen Batemans an einen Weihnachtsabend „when I was fourteen and had raped one of our maids“ (342); dies beweist, dass die die Brutalität des Erzähl-Ichs zögerlich enthüllende und dann – drastisch – steigernde Romanstruktur nicht mit einer Subjektentwicklung zu verwechseln oder gleichzusetzen ist.
Doch ist Kritikern, die von einer fehlenden Entwicklung Batemans sprechen,[92] rundweg zuzustimmen? Vielen Analytikern entgeht, dass durch die soeben erörterte strukturelle Anlage, durch die Retardation der Gräuelaufdeckung, für den Rezipienten sehr wohl erst nach und nach das Ausmaß der Boshaftigkeit des Protagonisten ersichtlich wird, obschon dessen Perversion – dem kann sicherlich zugestimmt werden – im Laufe des Romangeschehens keine große Veränderung, allenfalls gelegentliche Dämpfer bzw. Hochpunkte erfährt.[93] Allerdings ist die relative charakterliche Unbewegtheit keinesfalls auf ein unkomplexes, flaches Subjektgebilde zurückzuführen! Patrick Batemans Erzählung gleicht vielmehr einer rätselhaften Offenbarung: Zunächst hält er seine augenscheinliche Identität recht lange versteckt, anfangs hinter Tim Price, dann hinter meinungsbildenden Wertungen anderer wie der ihm von Evelyn aufgedrückten, mehrfach wiederholten Metapher vom „netten Jungen von nebenan“ („the boy next door“ (11; 18; 20)), die später von Price als hämische Affront aufgegriffen wird (vgl. 37), hinter irreleitenden floskelhaften Anti-Rassismus-Kommentaren („’[...] cool it with the anti-Semitic remarks.’“ [37; Bateman zu einem Kollegen, der Juden verhöhnt]) und monologischen, politisch korrekten Stellungnahmen zur amerikanischen Gesellschaftslage – hier nur ein Auszug aus einer mehr als anderthalb Romanseiten langen Ereiferung:
“[…] we have to end apartheid for one. And slow down the nuclear arms race, stop terrorism and world hunger. Ensure a strong national defense, prevent the spread of communism in Central America, work for a Middle East peace settlement, prevent U.S. military involvement overseas. We have to ensure that America is a respected world power. […] Better and more affordable long-term care for the elderly, control and find a cure for the AIDS epidemic, clean up environmental damage from toxic waste and pollution, improve the quality of primary and secondary education, strengthen laws to crack down on crime and illegal drugs. We also have to ensure that college education is affordable for the middle class […]. We have to provide food and shelter for the homeless and oppose racial discrimination and promote civil rights while also promoting equal rights for women but change the abortion laws to protect the right to life yet still somehow maintain women’s freedom of choice. [...]“ (15f.)
[...]
[1] Das Verlagshaus Simon & Schuster, mit dem Ellis zunächst einen Vertrag abgeschlossen hatte, annullierte angesichts der drastischen Publikumsreaktionen den bereits unterzeichneten Deal. Die Entscheidung, ein Werk aufgrund seiner negativen Wirkung auf die Öffentlichkeit nicht zu publizieren, war innerhalb der amerikanischen Verlagsgeschichte noch nie vorgekommen.
[2] Vgl. Voßmann (2000): 10f.
[3] Vgl. Seim (2004).
[4] Alle im Fließtext in Klammern angeführten Zahlen beziehen sich auf die Seitennummerierung der in der Bibliographie angegebenen englischsprachigen Ausgabe des Primärtextes American Psycho.
[5] Texte absichtlich lückenhaft zu lassen, ist eine typische Methode der literarischen Postmoderne; vgl. hierzu ausführlich Kapitel 2.1.3.
[6] Meist wird dies sogar im Titel explizit deutlich: vgl. Mandel (2006) [„'Right Here in Nowheres': American Psycho and Violence's Critique”]; Messier (2004) [„Violence, Pornography, and Voyeurism as Transgression in Bret Easton Ellis' American Psycho”]; Werber (2003) [„Der Teppich des Sterbens: Gewalt und Terror in der neusten Popliteratur“]; Abel (2001) [„Judgment Is Not an Exit: Toward an Affective Criticism of Violence with American Psycho”]; Brusseau (2000) [„Violence and Baudrillardian Repetition in Bret Easton Ellis's American Psycho”]; Freccero (1997) [„Historical Violence, Censorship, and the Serial Killer: The Case of American Psycho”]. Und auch Brannon (1993) [„Torturing Women as Fine Art: Why Some Women and Men Are Boycotting Knopf”] sowie Lee (2005) [„Wall Street Jekyll: Identity and Meaningless Pleasure in American Psycho(s)”] fokussieren in ihren Untersuchungen den Gewaltdiskurs.
[7] Vgl. z.B. Zaller (1993) [„American Psycho, American Censorship and the Dahmer Case”].
[8] Vgl. Weinreich (2004) [„'Into the Void': The Hyperrealism of Simulation in Bret Easton Ellis's American Psycho”] oder auch Allué (2002) [„Serial Murder, Serial Consumerism: Bret Easton Ellis's American Psycho (1991)”].
[9] Auch dies wird im Verlaufe der Arbeit herauszustellen sein.
[10] Vgl. besonders Kapitel 2.1.4.
[11] Der vollständige Songtext findet sich im Appendix (7.1). Als „saddest song“, dies nur ergänzend, nennt Bateman „’You Can’t Always Get What You Want’ by the Beatles“ – dies wiederum indiziert seine durch den Konsum herbeigeführte (materielle) Unersättlichkeit.
[12] Mitunter wird – dies sei nur am Rande erwähnt – zwischen der (auf eine spezifische historische Periode verweisenden) Postmoderne und dem (zeitgenössische Kultur beschreibenden) Postmodernismus unterschieden. Vgl. hierzu etwa Eagleton (1997): VII („Vorwort“). Im Kontext dieser Arbeit ist eine solche Differenzierung jedoch nicht relevant und kann daher außen vor gelassen werden.
[13] Eco (1988): 75.
[14] Schlegel (1947): 45(ff.); auch Paul Hankamers „Vorrede“ zu Schlegels Text (5-41) stellt Schlegels Moderne-Konzept heraus. (Schlegels Definition zufolge muss Moderne immer dynamisch und auf der Suche nach Neuem und Interessantem sein; durch die unweigerliche Veraltung jeder erreichten Innovation gelangt sie jedoch niemals zu einem Endpunkt und ist nie zufrieden gestellt. Die Moderne bleibt so ein unvollendetes, fragmentarisches Projekt.)
[15] Vgl. Lamping (1991): 7ff. (Laut Lampings gattungsgeschichtlichen Ansatz fängt die Moderne in der Literaturwissenschaft einmal im 18. Jahrhundert an, hinsichtlich einer anderen Gattung jedoch erst im 19. Jahrhundert.)
[16] Makroepochen sind beispielsweise auch die Zeit des Realismus oder des Naturalismus.
[17] Žmegač: (1994): 278.
[18] Z.B. Silvio Vietta betitelt in Die literarische Moderne die Moderne als „Superepoche “ ; vgl. Vietta (1992): 15.
[19] Borchmeyer (1994): 358.
[20] Huyssen (1997): 30.
[21] Vgl. Engelmann (1990): 20ff.
[22] Vgl. Freud (1975): 283ff.
[23] Zitiert nach Grüter (1994): 329.
[24] Feyerabend (1993): 32.
[25] Ausführlicher befasst sich mit dem Begriff des Pluralismus John Dupré (vgl. Dupré [1993]).
[26] Welsch (1993): XVII.
[27] Ebd.: 5.
[28] Ebd.: 40.
[29] Vgl. Derrida (1990): 67-113, besonders 103f. und 111.
[30] Welsch (1993): 323.
[31] Lyotard (1982): 32ff.
[32] Fiedler (1977): 271. Das Zitat erschließt sich zudem bereits aus Fiedlers 1975 gehaltenem Vortrag „Cross the border, close that gap: post-modernism“, erschienen in: Marcus Cunliffe (Hg.): American Literature since 1900, London 1975, 344-366.
[33] Klepper: (2004): 83.
[34] Detailliert geht auf das Dekonstruktionsmodell Martin McQuillans Deconstruction. A Reader (2000) ein, besonders Teil 4 (161-216): „Literature”. Vgl. außerdem Fairlamb (1994): Kapitel 3: „Theory and/or deconstruction: Derrida’s slippage” (81-103).
[35] Welsch (1993): 33.
[36] Borchmeyer (1994): 352.
[37] Foucault (2003): 270.
[38] Barthes (1977): 148.
[39] Der Ausdruck ’écriture automatique’ taucht erstmal in André Bretons Manifest aus dem Jahr 1924 auf; vgl. Breton (1968).
[40] Hutcheon (1988): 52.
[41] Der Begriff des „polyphonen Romans“ entstammt dem Vokabular Michail Bachtins, der jedoch dennoch an dem Konstrukt des – die polyvalenten Stimmen der Erzählung „orchestrier[enden]“ – Autors festhält; vgl. Martinez (1996): 437f.
[42] Vgl. Bürger: (1998): 232.
[43] König (2003): 102.
[44] Vgl. hierzu ausführlich Freud (1960).
[45] Baudrillard (1991): 252.
[46] Wobei dem Anderen jedoch eine erhöhte Bedeutung zukommt, denn „[d]as Ich ist [...] nicht mehr als etwas Gegebenes zu verstehen, das auf ein Bewusstsein oder eine Existenz zentriert ist. Es erlangt seine Existenz vielmehr erst durch den Anderen [...].“ (König [2003]: 102.)
[47] Ebd.
[48] Welsch (1988): 40 („Einleitung).
[49] Hawthorn (1994): 360.
[50] Vgl. beispielsweise Peter Zimas ausführliche Darlegungen zum vermeintlichen Subjekttod: Zima (2000): insbesondere Kapitel III und IV; und auch Zima (2001): besonders 73ff. [hier geht der Autor auf die den Subjekttod befürwortende Theorie Lyotards ein].
[51] Bürger (1998): 197.
[52] Zima (2000): 206.
[53] Zima (2001): 1 [Kursivsetzung im Original].
[54] Vgl. Zima (2000): 312ff. Der Mediendiskurs spielt auch in American Psycho eine übergeordnete Rolle; vgl. Abschnitt 4.3.3.
[55] Zima (2001): 199.
[56] Ebd.: 236. [Zima beruft sich beim Ausdruck der „radikale[n] Partikularisierung“ auf die Theoriekonzepte der Franzosen Jacques Derrida und Roland Barthes.]
[57] Foucault (2002): 236.
[58] Schütze (1992): 319; 322.
[59] Welsch (1988): 40. Von einem durch „Liquidierung“ allgegenwärtig gewordenen Subjekt geht überdies Niklas Luhmann aus, wie Peter Zima herausstellt (vgl. Zima [2000]: 324ff.).
[60] Barthes (1974): 91f.
[61] VGL: BLUME: Kapitel 3.1.5 („Die Welt als Text”), 85-88.
[62] Schütze (1992): 324.
[63] Hassan (1987): 160.
[64] Vgl. König (2003): 102.
[65] Vgl. Denith (2000): 154-185 („Is nothing sacred? Parody and the postmodern”).
[66] Hutcheon (2002): 89.
[67] Vgl. zur postmodernen Parodieform ausführlich Denith (2000): 154-185. (Denith stellt z.B. die typischen Parodie-Methoden (wie Variation, Imitation und Verzerrung) vor. )
[68] Dies erkennt in ihrem American-Psycho -Artikel, der bezeichnenderweise den Teiltitel „Parodied to Death“ trägt, auch Ruth Helyer; vgl. Helyer (2000).
[69] Storey (2005): 59.
[70] Dennoch sind gerade diese Frage in vielen (vor allem älteren) Studien zu Ellis’ Roman durchaus von zentralem Interesse. Und sogar junge Studien werfen häufig noch diese im Prinzip bereits im Ansatz ‚falsche’, d.h. nicht gewinnbringende Frage auf, so etwa Mark Storey (vgl. Storey [2005]: 58) oder auch Carl Tighe (vgl. Tighe [2005]: 113).
[71] Gemeint ist vor allem die innovative Umkehrung gewohnter Strukturen; vgl. Kapitel 3.
[72] Storey (2005): 58.
[73] Vgl. ähnliche Gedanken beispielsweise auf den Seiten 245f.; 277; 370.
[74] Bürger (1998): 161.
[75] Ebd. (Bürger versieht diese Textstelle überdies mit folgender Fußnote: „Immer wieder scheint es Breton dazu zu drängen, das eigene Ich als Ursprung der Textproduktion zu fixieren und sich als Bedeutung setzendem Subjekt Identität zu geben. [...]“)
[76] Ich wähle an dieser Stelle bewusst den Konjunktiv, denn selbiges ist – wie bereits angedeutet – noch zu untersuchen.
[77] Mandel (2006): 18.
[78] Irmer (1993): 355.
[79] Vgl. Wolfe (1987): 10ff.
[80] Irmer (1993): 355.
[81] So etwa Weinreich (2004): 75. Und auch Mark Storey spricht von der „impossibility of treating the narrative as a coherent structure“ (vgl. Storey [2005]: 63).
[82] Diese Verlinkung ist besonders hervorzuheben, da zudem der Name des Hitchcockschen Protagonisten, Norman Bates, unzweifelhaft eine Verbindungslinie zu American Psycho und seinem Hauptcharakter Patrick Bateman zieht. Hierzu mehr in Teil 4.3.4.
[83] Vgl. auch Teilabschnitt 3.2.3.
[84] Selbst die partielle Selbstlosigkeit und Weggetretenheit Batemans, wird bereits zum Thema; auf Evelyns Feststellung, sein Haar sei dünn geworden – ein Hinweis auf den Körper-/Schönheitsdiskurs –, reagiert Patrick mit:„’It’s not,’ I find myself saying.“ (24) Der Zusatz „I find myself saying“ impliziert, dass das Subjekt quasi als Zuhörer das eigene Agieren beobachtet, also neben sich steht. Hierzu mehr im Teil 4.3.5.
[85] Schreibweise im englischen Original: Fyodor Dostoevsky.
[86] Warum das Subjekt dennoch nicht völlig grenzenlos ist, wird im Folgenden zu ergründen sein.
[87] Nach Fiedler schließen sich die Lücken zwischen ernster Kunst und Unterhaltungsliteratur. (Vgl. Theorieteil.)
[88] Entsprechend argumentiert beispielsweise Bert van den Brink (1997): 51.
[89] Auf Batemans Frage nach seinem Ziel antwortet er schlichtweg: „’ Away! ’“ (60)
[90] Padeken (2000): 252.
[91] Siehe zu der unpersönlichen Kapitelbezeichnung „Girls“ auch Teilabschnitt 3.2.2.
[92] Beispielsweise erkennt Martin Weinreich bei Bateman weder eine strukturelle Entwicklung noch eine fortschreitende Selbsterkenntnis. (Vgl. Weinreich [2004]: 75.)
[93] So wirken beispielsweise die drei eingeschobenen Kommentare zu musikalischen Interpreten wenig aggressiv.
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- Sabine Buchholz (Author), 2007, Eingehüllt in 'Brilliant Disguise' - Bret Easton Ellis' "American Psycho" im Kontext von Postmoderne, Subjektauflösung und S(ch)ein, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82569
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