Die Lektüre der Zeitung gehört für viele ebenso zum geregelten Tagesablauf wie der Kaffee am Morgen oder das warme Mittagessen. Entweder besitzt man ein Abonnement und bekommt die neuesten Nachrichten bequem Tag für Tag nach Hause geliefert, oder man kauft sich ein Exemplar der „Zeitung des Vertrauens“ auf dem Weg zur Arbeit oder zur Universität, ganz selbstverständlich. Ebenso selbstverständlich ist es hierzulande, dass man für die Zeitung auch bezahlt. Nicht so in anderen europäischen Ländern oder auch in den USA, wo sich, vor allem in Ballungsräumen, Gratiszeitungen etabliert haben. Das höchste der deutschen Gefühle ist diesbezüglich das Anzeigenblatt, das einmal pro Woche kostenlos im Briefkasten landet. Ein tägliches Presseprodukt aber, unentgeltlich, da stellt sich zum einen die Frage nach der redaktionellen Qualität und zum anderen nach der Realisierbarkeit. Umzusetzen und rentabel ist das Konzept, wie Erfolge aus dem Ausland beweisen. Dennoch existieren keine derartigen Produkte (mehr) in der BRD.
Warum hat die Gratiszeitung hierzulande keinen Erfolg? Welches Konzept steckt hinter ihr? An welche Leserschaft richtet sie sich und wie erreicht sie genau dieses Publikum? Wie kann es ein Verlag sich leisten, auf die Erlöse durch die zahlenden Leser zu verzichten? Welche Vorteile birgt das Gratisblatt für Leser, Verlag und die werbende Industrie? Ist die äußere Erscheinungsform mitentscheidend?
Welches Konzept steht hinter Kompaktzeitungen? Gibt es Gemeinsamkeiten? Garantiert ein kleineres Format künftige Auflagensteigerungen? Ist es letztendlich egal, ob eine Zeitung überhaupt etwas kostet?
„Werbung macht die Medien billig und die Konsumgüter teuer.“[1]
1. Einleitung
Die Lektüre der Zeitung gehört für viele ebenso zum geregelten Tagesablauf wie der Kaffee am Morgen oder das warme Mittagessen. Entweder besitzt man ein Abonnement und bekommt die neuesten Nachrichten bequem Tag für Tag nach Hause geliefert, oder man kauft sich ein Exemplar der „Zeitung des Vertrauens“ auf dem Weg zur Arbeit oder zur Universität, ganz selbstverständlich. Ebenso selbstverständlich ist es hierzulande, dass man für die Zeitung auch bezahlt. Nicht so in anderen europäischen Ländern oder auch in den USA, wo sich, vor allem in Ballungsräumen, Gratiszeitungen etabliert haben. Das höchste der deutschen Gefühle ist diesbezüglich das Anzeigenblatt, das einmal pro Woche kostenlos im Briefkasten landet. Ein tägliches Presseprodukt aber, unentgeltlich, da stellt sich zum einen die Frage nach der redaktionellen Qualität und zum anderen nach der Realisierbarkeit. Umzusetzen und rentabel ist das Konzept, wie Erfolge aus dem Ausland beweisen. Dennoch existieren keine derartigen Produkte (mehr) in der BRD.
Warum hat die Gratiszeitung hierzulande keinen Erfolg? Welches Konzept steckt hinter ihr? An welche Leserschaft richtet sie sich und wie erreicht sie genau dieses Publikum? Wie kann es ein Verlag sich leisten, auf die Erlöse durch die zahlenden Leser zu verzichten? Welche Vorteile birgt das Gratisblatt für Leser, Verlag und die werbende Industrie? Ist die äußere Erscheinungsform mitentscheidend?
Welches Konzept steht hinter Kompaktzeitungen? Gibt es Gemeinsamkeiten? Garantiert ein kleineres Format künftige Auflagensteigerungen? Ist es letztendlich egal, ob eine Zeitung überhaupt etwas kostet?
Diesen und mehr Fragen widmet sich diese Arbeit. Zu Beginn wird eingegrenzt, was die Gratiszeitung von der restlichen Tagespresse unterscheidet, abgesehen von dem offensichtlichen Umstand, dass sie gratis ist. Dazu wird das ökonomische Konzept hinter Abonnement- respektive Kaufzeitung, Gratiszeitung und Kompaktzeitungen zu erläutern versucht. Im weiteren Verlauf wird auf den „Kölner Zeitungskrieg“ eingegangen, den bislang einzigen Versuch, eine Gratiszeitung in Deutschland zu installieren. Dabei werden auch mögliche Substitutionswirkungen betrachtet. Schließlich wird der überschaubare Kompaktzeitungsmarkt in Deutschland betrachtet, es wird auf die Chancen von Gratis- und, vor allem, Kompaktzeitungen auf dem von der etablierten Tagespresse dominierten Zeitungsmarkt eingegangen, am Beispiel aktueller oder erst aktuell werdender Kleinformatblätter wie Welt kompakt und Frankfurter Rundschau.
2. Abgrenzung der Zeitungsformen
Das Produkt „Zeitung“ wird charakterisiert durch seine Eigenschaften Aktualität, Periodizität, Publizität und Universalität.[2] Schon hier fällt auf, dass die vier Kriterien ebenso auf einen Großteil des Zeitschriftenmarkts zutreffen und die Definition somit die meisten Produkte der Presse abdeckt. Es sind Unterschiede in den einzelnen Kriterien, beispielsweise in der Aktualität, die die Unterkategorien des Produkts „Zeitung“ voneinander abgrenzen, beispielsweise Tages- und Wochenzeitung. Auch mit Blick auf die Besonderheiten in der Finanzierung und der Distribution werden im Folgenden die zu behandelnden Zeitungstypen jeweils enger bestimmt.
2.1. Tageszeitung – Anzeigenblatt – Gratiszeitung – Kompaktzeitung
Die „klassische“ Tageszeitung, unter der hier sowohl Abonnement- als auch Kaufzeitung zusammengefasst sein soll, zeichnet sich dadurch aus, dass sie zugleich auf zwei Märkten vertreten ist, dem Lesermarkt und dem Werbe- oder Anzeigenmarkt. Somit stellt sie ein Verbundprodukt dar, das von beiden Seiten finanziert wird. Nach Kiefer lässt sich auch von einem „Kuppelprodukt“[3] sprechen, sogar auf mehreren Ebenen, wobei hier nur die eine von Interesse ist: Sowohl Redaktions- als auch Anzeigenteil werden zusammengefasst in einem Printprodukt.
Die Nachfrage seitens der Leser lässt sich im Mengenindikator „verkaufte Auflage“ und im Wertindikator „Umsatz“ erfassen, die Nachfrage seitens der werbenden Unternehmen und Haushalte im Mengenindikator „Zahl der Anzeigenseiten“ und im Wertindikator „Umsatz aus Anzeigen“.[4]
Vertrieben wird die Tageszeitung entweder durch Zusendung an Abonnementkunden oder im Straßenverkauf. Spezielle Formen, hauptsächlich die Boulevardpresse, setzen allein auf Straßenverkauf.
Ebenfalls ein Kuppelprodukt ist die kostenlose Pendlerzeitung, wie die Gratiszeitung auch bezeichnet wird.
Dass die Seite der „zahlenden Kundschaft“ fehlt und sich ein Medienprodukt allein durch die Schaltung von Werbung finanziert, ist keineswegs außergewöhnlich. Der private Rundfunk funktioniert Zeit seines Bestehens auf diese Weise. Bei Zeitungen stellt die alleinige Finanzierung durch den Umsatz aus Anzeigen jedoch eine Seltenheit dar.
Abzugrenzen sind hier die Anzeigenblätter, die zwar alle Kriterien einer Zeitung erfüllen, Aktualität, Periodizität, Publizität und Universalität, doch erscheinen sie nur wöchentlich und sind, wie auch der Name schon verrät, eine Zeitungsgattung für sich. Henning von der Osten spricht von „gedruckte[n] periodische[n] Anzeigenblätter[n], die in zeitungsähnlicher Aufmachung – meist wöchentlich – lokal oder regional in großer Auflage erscheinen.“[5] Auch liegt ihr Hauptaugenmerk ganz eindeutig auf der Verbreitung von Werbung, das redaktionelle Umfeld nimmt weit weniger Platz ein beziehungsweise ist weniger gewichtet als dasselbe in einer durchschnittlichen Tageszeitung,[6] wo man von einer Verteilung von gerundeten 60 Prozent redaktionellem Inhalt zu 40 Prozent Werbeinhalt ausgehen kann.[7]
Tagespresse und Anzeigenblatt unterscheiden sich also grundlegend in ihrer Intention – hier steht das Redaktionelle im Vordergrund, dort die Werbung – und im Bereich Aktualität – täglich zu wöchentlich. Weit mehr Konvergenz weisen Tageszeitungen, im speziellen regional orientierte Boulevardzeitungen, mit Gratisblättern auf. Sie bearbeiten dieselben Themen, stellen in Kürze die wichtigsten Fakten dar, ohne allzu viel Hintergrundwissen zu vermitteln, und sind als Eye-Catcher aufgemacht, Bilder dominieren. Zwei deutliche Unterscheidungskriterien kann man von Vornherein aber festmachen: Die Gratiszeitung ist unentgeltlich und erscheint im Tabloid-Format (auch: halb-nordisches oder halb-rheinisches Format), ebenso wie Anzeigenblätter also, die übliche Tageszeitung ist entgeltlich und setzt auf das Broadsheet-Format (auch: nordisches Format). Beide erscheinen wochentäglich und bei beiden ist die Gewichtung innerhalb des Blatts mehr auf den Text respektive die Information/Unterhaltung gelegt als auf die Anzeigen.
Nach Kiefer gilt das „Ausschlussprinzip“, also das Prinzip, dass jemand, der sich nicht an den Kosten eines Produkts beteiligt, von dessen Benutzung respektive dem Konsum ausgeschlossen werden kann, nicht für Medieninhalte.[8] Auf einem materiellen Träger wie dem Papier der Zeitung wird das Ausschlussprinzip allerdings wieder aktuell. Nicht jedoch, wenn sowohl der Träger als auch der Inhalt, die Informationen also, völlig kostenlos sind. Somit besteht auch hier ein wichtiger Unterschied zwischen Tages- und Gratiszeitung.
Das Ausschlussprinzip gilt generell natürlich auch für die Kompaktzeitung. Allerdings zeichnet sie sich durch ihren recht geringen Preis aus. Ihr Format ist, ebenso wie bei der Gratiszeitung, die ja genaugenommen Gratiskompaktzeitung heißen müsste, das Tabloid. Auf die speziellen Eigenheiten der Kompaktzeitung wird im Punkt 4. eingegangen.
2.2. Die divergierenden ökonomischen Voraussetzungen von Tageszeitung und Gratiszeitung
Um die Mikroökonomie der Tagespresse zu verstehen, ist nicht die einfache Gewichtung Redaktionelles zu Werbung bedeutsam, sondern die Umsatzstruktur, „das Verhältnis von Umsatz aus Anzeigen zu Umsatz aus Vertrieb“.[9] Deutschland nimmt bei der Umsatzstruktur eine Vorreiterrolle im europäischen Vergleich ein. Der Anzeigenumsatz macht 64,5 Prozent am Gesamtumsatz aus.[10] In Großbritannien beispielsweise ist die Gewichtung fast exakt Fifty-Fifty.
[...]
[1] Heinrich 1994, S. 211.
[2] Vgl. Haas 2005, S. 21.
[3] Kiefer 2001, S. 131.
[4] Vgl. Heinrich 1994, S. 201ff.
[5] Ebd.
[6] Vgl. Holznagel 2006, S. 529.
[7] Vgl. Heinrich 1994, S. 209. Mittelwert aus Erhebung zwischen 1980 und 1990.
[8] Vgl. Kiefer 2003, S. 203.
[9] Heinrich 1994, S. 209.
[10] Vgl. Heinrich 1994, S.211. Erhebung von 1987.
- Citation du texte
- Christian Ritter (Auteur), 2007, Die ökonomischen Voraussetzungen und Konsequenzen von Gratiszeitungen und Kompaktzeitungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82518
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