Die elektrische Energieversorgung wird für den Betrieb von allen aktiven Raumfahrzeugsystemen und -Geräten benötigt. Das elektrische Energieversorgungssytem (EVS) eines Raumfahrzeugs schließt die Energieerzeugung, Energieaufbereitung, die Energiespeicherung, den Stromleitungsschutz und die Stromverteilung an die Verbraucher über Niederspannungsbordnetze ein. Die Bordnetze versorgen Raumfahrzeuge in Leistungsbereichen von einigen 10W bis derzeitig ca. 50kW im Netzspannungsbereich von 20 bis 125V. Die voll ausgebaute internationale Raumstation ISS mit einer Leistung von 110 kW bildet bisher eine Ausnahme.
Hochspannungstechnik in Raumfahrzeugen kommt im zunehmenden Maße bei der Versorgung elektrischer Triebwerke zum Einsatz.
Das EVS muss die Versorgung der angeschlossenen Stromverbraucher während aller Missionsphasen des Raumfahrzeugs unter allen angetroffenen Weltraum-Umweltverhältnissen zuverlässig und wartungsfrei sicherstellen.
Eine zumindest bei unbemannten Raumfahrzeugen wichtige Anforderung besteht darin, die Energieversorgung in jedem möglichen Ausfallmodus des Raumfahrzeugs völlig autonom, ohne Betreiberintervention, aufrecht zu erhalten, denn der Verlust der Raumfahrzeugenergie führt fast immer zum irreversiblen Gesamtausfall des Raumfahrzeugs. Die Rückführung des Raumfahrzeugs in den Nominalbetrieb durch Bodenoperationen ist nach einem Ausfall nur möglich, wenn das Telekommunikationssystem und die Bahn- und Lageregelung des Raumfahrzeugs funktionsfähig bleiben.
All dieses erfordert ein gut durchdachtes, robustes und zuverlässiges EVS, das zudem in all seinen Funktionen testbar ist.
Das Buchkapitel beschreibt die Möglichkeiten zur Energieversorgung von Raumfahrzeugen und deren derzeitige Nutzung, sowie die in der Raumfahrt gängigen EVS-Architekturen. Es beschreibt den Entwicklungsprozess und analysiert durch Konzeptgegenüberstellungen die Auslegungskriterien, die beachtet werden müssen, um ein betriebs- und kostenoptimiertes EVS-Design vorlegen zu können. Das Ganze wird durch Berechnungsgrundlagen, anschauliche Bilder, Kennwertetabellen, Funktions- und Kennliniendiagramme sinnvoll unterstützt.
Diese Ausarbeitung ist keine Synthese aus vielen herangezogenen Literaturquellen, sondern ein Extrakt des Wissensfundus des Autors, der sich bereits mehr als zwei Jahrzehnte beruflich mit dem beschriebenen Fachgebiet beschäftigt.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungen uND Definitionen
1 Energieversorgung
1.1 Energieerzeugung
1.2 Energiequellen
1.2.1 Fotovoltaik
1.2.2 Solardynamik
1.2.3 Nukleare Energieversorgung
1.2.4 Chemische Energie / Brennstoffzelle
1.3 Entwicklungsprozess zur Auslegung einer optimierten EVS Architektur
1.3.1 Identifikation der EVS Designanforderungen
1.4 EVS Architekturen
1.4.1 Hauptversorgungsbuskonzepte
1.4.1.1 Geregelter Versorgungsbus
1.4.1.2 Ungeregelter Versorgungsbus
1.4.1.3 Semigeregelter Versorgungsbus
1.4.1.4 Hybrid-Versorgungsbus
1.4.2 Solargenerator
1.4.2.1 Solarzellentechnologien
1.4.2.2 Silizium-Solarzellen
1.4.2.3 Multijunction Gallium-Arsenid auf Germanium (GaAs/Ge) Solarzellen
1.4.2.4 Elektrische Kennwerte von Solarzellen
1.4.2.5 Temperatur- und Strahlungsverhalten
1.4.2.6 Solargenerator-Technologien
1.4.2.7 Reihenschaltung von Solarzellen
1.4.2.8 Parasitäre Kapazitäten und Induktivitäten
1.4.2.9 Betriebstemperaturen
1.4.2.10 Elektrostatische Aufladung, Entladung und Durchschlagseffekte
1.4.3 Energiespeicher
1.4.3.1 Sekundärbatterie-Technologien
1.4.3.2 Eigenschaften und Lebensdauer
1.4.3.3 Vergleich der Batterietechnologien
1.4.3.4 Berechnungsgrundlagen zur Auslegung von Batterien
1.4.4 Batterieladeregelung
1.4.4.1 Nickel-Cadmium- und Nickel-Wasserstoff-Batterie
1.4.4.2 Lithium-Ionen Batterie
1.4.5 Grundsätzliche EVS Designbetrachtungen
1.4.5.1 Busspannung
1.4.5.2 Aufbereitung der Solargeneratorenergie
1.4.5.3 Spannungswandler und Leistungsregler
1.4.5.4 Erdungskonzept
1.4.5.5 Maßnahmen zum Schutz des Energieversorgungsbusses
1.4.5.6 Energieverteilung
Literaturverzeichnis
Abkürzungen uND Definitionen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
KONVENTIONEN UND ERKLÄRUNGEN
- Mathematische Formeln bzw. Gleichungen sind wie folgt gekennzeichnet: (fortlaufende Nummer).
- Direkte Bezüge zu den im Literaturverzeichnis angegebenen Quellen sind mit [# (Nummer im Literatur-verzeichnis)] gekennzeichnet. Die Literaturverzeichnisnummer zu Beginn eines Kapitels, z.B. ,,[24]" sagt aus, dass der gesamte Kapiteltext aus der angegebenen Quelle übernommen wurde. Die Übernahme einzelner Sätze, Textblöcke oder Bilder wird durch eine nachfolgende [# (Nummer im Literaturverzeichnis)] gekennzeichnet.
- Alle nicht gekennzeichneten Texte, Bilder und Formeln stammen ausschließlich aus dem Wissensfundus und dem Berufsumfeld des Autors.
- Nicht alle Literaturverzeichnisnummern werden im Verlauf des Textes durch entsprechende Bezüge aufgerufen. Das ist damit begründet, dass diese Quellen nur zur Bestätigung und Absicherung der Autor-Fachkenntnisse herangezogen wurden.
- Der Inhalt dieses Fachartikels entspricht weitestgehend dem des Kapitels 4.2 aus Quelle [24], Handbuch der Raumfahrttechnik, 3 Auflage, Hanser Fachbuchverlag 2007, ISBN: 3446411852, EAN: 9783446411852, welches vom gleichen Autor verfasst wurde.
1 Energieversorgung
Die elektrische Energieversorgung wird für den Betrieb von allen aktiven Raumfahrzeugsystemen und Geräten benötigt. Das elektrische Energieversorgungssystem (EVS) eines Raumfahrzeugs schließt die Energieerzeugung, Energieaufbereitung, die Energiespeicherung, den Stromleitungsschutz und die Stromverteilung an die Verbraucher über Niederspannungsbordnetze ein. Die Bordnetze versorgen Raumfahrzeuge in Leistungsbereichen von einigen 10W bis derzeitig ca. 50kW im Netzspannungsbereich von 20 bis 125V. Die voll ausgebaute internationale Raumstation ISS mit einer Leistung von 110 kW bildet bisher eine Ausnahme.
Hochspannungstechnik in Raumfahrzeugen kommt im zunehmenden Maße bei der Versorgung elektrischer Triebwerke zum Einsatz.
Das EVS muss die Versorgung der angeschlossenen Stromverbraucher während aller Missionsphasen des Raumfahrzeugs unter allen angetroffenen Weltraum-Umweltverhältnissen zuverlässig und wartungsfrei sicherstellen.
Eine zumindest bei unbemannten Raumfahrzeugen wichtige Anforderung besteht darin, die Energieversorgung in jedem möglichen Ausfallmodus des Raumfahrzeugs völlig autonom, ohne Betreiberintervention, aufrecht zu erhalten, denn der Verlust der Raumfahrzeugenergie führt fast immer zum irreversiblen Gesamtausfall des Raumfahrzeugs. Die Rückführung des Raumfahrzeugs in den Nominalbetrieb durch Bodenoperationen ist nach einem Ausfall nur möglich, wenn das Telekommunikationssystem und die Bahn- und Lageregelung des Raumfahrzeugs funktionsfähig bleiben.
All dieses erfordert ein gut durchdachtes, robustes und zuverlässiges EVS, das zudem in all seinen Funktionen testbar ist.
Ein EVS kann, wie in Bild 1-1 Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden. dargestellt, allgemein in vier Funktionsblöcke unterteilt werden, nämlich in Energiequelle, Energiespeicher, Energiemanagement und Energieverteilung.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bild 1-1: Wesentliche Funktionsblöcke eines Energieversorgungssystems in Raumfahrzeugen
1.1 Energieerzeugung
[24] Raumfahrzeuge mit elektrischer Energie zu versorgen, kann auf vielfältige Weise erfolgen. Dabei muss zwischen zwei grundsätzlichen Arten von Energieversorgungssystemen unterschieden werden:
1. Energie wird von außen zugeführt (bis jetzt lediglich in Form von Sonnenenergie).
2. Die Energiequelle wird mitgeführt.
Die Umwandlung von Primärenergie in elektrische erfolgt entweder direkt durch den Fotoeffekt in Solarzellen sowie chemoelektrisch in galvanischen Elementen (Batterien und Brennstoffzellen), oder indirekt durch Umwandlung von solarer oder nuklearer Energie in thermische Energie, wobei die Wandlung von Wärmeenergie in elektrische Energie statisch mit Thermo- und Thermionikelementen erfolgen kann, oder dynamisch, d. h. über kinetische Energie, mit Magneto-Hydro-Dynamik (MHD)-Generatoren oder turboelektrischen Wärmekraftmaschinen mit Gasturbinen (Brayton-Zyklus oder Stirlingmotor) und Dampfturbinen (Rankine-Zyklus).
Obwohl mit schlechtem Wirkungsgrad behaftet, benutzen alle bisher geflogenen EVS mit nuklearen Energiequellen thermo-elektrische Wandler, weil sie einfach und zuverlässig sind.
Das solardynamische System mit der Umwandlung von solarer Energie in thermische Energie ist eine Wandler-Energiequellen-Kombination, die trotz der günstigen Flächenleistung (d. h. erzeugte Energiemenge pro Sonnen beschienener Flächeneinheit) durch entscheidende Wirkungsgradverbesserung und kostengünstigere Produktion von Solarzellen vorläufig zurückgestellt wurde.
1.2 Energiequellen
Raumfahrzeugmissionen benötigen gewöhnlich eine Energiequelle, die Energie über sehr viele Orbitzyklen erzeugen muss, um elektrische Lasten zu versorgen und Batterien aufzuladen. Während Trägerraketen Primärbatterien als Energiequelle für ihre elektrischen Lasten benutzen, weil deren Energieversorgung meistens weniger als eine Stunde benötigt wird, beziehungsweise in einigen Fällen ungefähr 4 Stunden, wäre für ein Raumfahrzeugbetrieb über Wochen, Monate und Jahre der Energieinhalt von Batterien allein zu gering. Bild 1-2 veranschaulicht, welche Arten von Energiequellen dafür in Frage kommen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bild 1-2: Möglichkeiten zur Erzeugung von elektrischer Energie
1.2.1
Zukünftige lunare / planetare Basen und Langzeitmissionen erfordern äußerst leistungsstarke bis hin zu regenerativen Lebenserhaltungssystemen, deren Leistungsanforderungen weit über denen heutiger Energieversorgungssysteme wie z.B. bei der ISS mit zurzeit 110 KW liegen [24].
Als mögliche Primärenergieträger bis hin zur Energieversorgung einer Mondbasis gelten die Sonne (elektromagnetische Solarstrahlung, solare Korpuskularstrahlung), der Interplanetare Raum (interplanetares Magnetfeld, kosmische Strahlung) und die Planeten (chemische Energieträger, Kernenergie, physikalische Energieträger mit Windenergie, Gezeiten, Geowärme, Magnetfelder) [24].
Diese Alternativen reduzieren sich allerdings bei der Zugrundelegung von physikalisch und technisch sinnvoller Nutzung auf [24]:
- elektromagnetische Solarstrahlung
- Kernenergie (Radionuklide, Kernspaltung)
- Planetare Magnetfelder (elektrodynamischer Tether = Seilgefesselte Satellitensysteme)
Die augenblicklichen und in naher Zukunft dominierenden Energieversorgungssysteme basieren auf der Umwandlung der elektromagnetischen Solarstrahlung, die durch folgende Prozesse erfolgen kann [24]:
- fotovoltaische Energiewandlung
- fotochemische Prozesse
- fotoelektrochemische Prozesse
- fotobiologische Prozesse
- Wärme (direkte Wärmenutzung, thermodynamische Prozesse)
Das fotovoltaische Energieversorgungssystem besteht aus den Hauptkomponenten:
- Energiewandlung
- Energieaufbereitung
- Energieverteilung
- Energiespeicherung
und wird im Detail im gesamten restlichen Kapitel behandelt.
[24] Die Nutzung fotochemischer, fotoelektrochemischer und fotobiologischer Prozesse konnte sich bisher in der Energieaufbereitung nicht durchsetzen [24].
Die Wärme kann zur direkten Wärmenutzung oder für den thermodynamischen Kreisprozess mit den beiden Energiewandlungsschritten Wärme-Drehmoment und Drehmoment-Strom dienen [24].
Nukleare Systeme dienen überwiegend in militärischen oder interplanetaren Missionen als mögliche Energiequelle für die elektrische Energieversorgung [24].
Seilgefesselte Satellitensysteme (Tethered Satellite Systems) mit elektrisch leitendem Seil können zur Energiegewinnung eingesetzt werden, da ein induzierter Stromfluss wegen der Bewegung in einem Magnetfeld vorliegt. Sie können aber auch der Schuberzeugung dienen, wobei die resultierende Kraft wegen des Stromflusses durch einen elektrischen Leiter zur Kompensation des aerodynamischen Widerstands genutzt wird. Der elektrodynamische Tether befindet sich auf einer kreisförmigen Bahn im LEO bei einer Geschwindigkeit von ca. 7,6 km/s abhängig von der Bahnhöhe. Zwei Tether-Satellitenmissionen wurden von der NASA zusammen mit Italien durchgeführt, die leider wegen technischen Versagens nicht den endgültigen Nachweis des physikalischen Prinzips erbringen konnten [24].
Als ein alternatives Energiespeichersystem gilt der Schwungradspeicher (Flywheel), bestehend aus einem rotierenden Festkörper, dessen spezifischer Energieinhalt (Wh/kg) mit dem Quadrat der Winkelgeschwindigkeit ω wächst. Zur Aufrechterhaltung der konstanten, elektrischen Spannung muss allerdings ein großer Regelungsaufwand betrieben werden. Außerdem ist die Drehzahl begrenzt aufgrund der hohen Fliehkräfte, die zusätzlich auch noch die Lageregelung eines Raumfahrzeuges beeinflussen können [24].
1.2.1 Fotovoltaik
Solargeneratoren (SG) aus fotovoltaischen Solarzellenanordungen (PVA) in Verbindung mit aufladbaren Batterien (Sekundärbatterien) sind die gebräuchlichste Energiequelle für erdumkreisende Raumfahrzeuge und die Internationale Raumstation (ISS).
Die Fotovoltaik nimmt bei der praktischen Primärenergieversorgung die führende Stellung ein und wird daher im Untersystem Energieversorgung ausführlichst bezüglich der folgenden Kapitel behandelt:
1.5 EVS Architekturen
1.5.1 Hauptversorgungsbuskonzepte
1.5.2 Solargenerator
1.5.3 Energiespeicher
1.5.4 Batterieladeregelung
1.5.5 Grundsätzliche EVS Designbetrachtungen
Erwähnt werden soll hier der Vollständigkeit halber der immer wiederkehrende Vorschlag des „Solar Power Satellites“, der die im GEO einfallende Strahlung mit Hilfe von riesigen Solarzellenflächen in elektrische Energie bzw. Mikrowellenenergie oder Laserstrahlung umwandelt, diese gebündelt zu Empfangsantennenanlagen auf der Erde sendet, dort wieder in elektrische Energie umwandelt und ins Netz einspeist. Akzeptanzprobleme bezüglich des Transportszenarios und der Finanzierbarkeit haben jedoch bisher der Realisierung im Wege gestanden.
1.2.2 Solardynamik
[24] Die einzige effiziente Alternative zur Umwandlung der von der Sonne ausgesandten elektromagnetischen Strahlung als einzige natürlich verfügbare Energiequelle im Weltraum stellt neben der Fotovoltaik die Solardynamik dar. Das solardynamische Energieversorgungssystem sieht neben dem konventionellen thermodynamischen Kreisprozess mit einem geschlossenen Kreis des Arbeitsmediums einen thermisch-mechanisch-elektrischen Energiewandler vor.
Bei der solardynamischen Energieumwandlung wird die nahezu parallel einfallende Solarstrahlung von einem quasi-rotationsparaboloiden Kollektor auf einen Strahlungsempfänger (Receiver) reflektiert, der sich mitsamt seiner Öffnung (Apertur) im Brennpunkt des Paraboloids befindet und die reflektierte Sonnenenergie an ein Arbeitsmedium überträgt. Diese so genannte Prozesswärme wird zur Arbeitsabgabe in einer Wärmekraftmaschine benutzt und die überschüssige Restwärme über einen Radiator in den Weltraum abgestrahlt. Durch den Generator wird die Wellenleistung der Wärmekraftmaschine als elektrische Leistung zur Verfügung gestellt.
Als raumfahrttaugliche Kreisprozesse seien erwähnt:
- Stirling-Prozess (hermetisch gekapselte thermisch-mechanischer Energiewandler
- mit äußerer Wärmezufuhr)
- Brayton-(Joule) Prozess (Gasturbine mit einphasigem Arbeitsmedium)
- Hochtemperatur-Rankine-Prozess (Dampfturbine mit zweiphasigem Arbeitsmedium)
- Organischer Rankine-Prozess (ORC) für den Mitteltemperaturbereich
Aufgrund des sehr hohen Leistungsbedarfs der ersten operationellen Ausbaustufe der Internationalen Raumstation von 110 KW hatte die NASA Ende der 80er Jahre für einige Monate an den Einsatz von solardynamischen Energieversorgungssystemen gedacht, um der Forderung nach möglichst geringer Kollektorfläche nachzukommen, da zusätzlicher Treibstoff zur Überwindung des aerodynamischen Widerstands durch die Restatmosphäre in der erdnahen ISS-Umlaufbahn, d.h. zur Beschleunigung der Raumstation, um die Umlaufbahn einzuhalten, gespart werden kann.
Solardynamische EVS-Anlagen werden wegen ihrer im Vergleich zur Solargeneratoren 2-3fach höheren Flächenleistung zielstrebig auf höhere Zyklenfestigkeit, Zuverlässigkeit und Lebensdauer weiter entwickelt, um sie für Hochleistungs-Raumfahrzeuge in sehr erdnahen Umlaufbahnen von 200-400 km Bahnhöhe zu verwenden, denn eine geringere Sonnenkollektorfläche ist auch geringeren Störmomenten durch die Restatmosphäre der Erde ausgesetzt. Das solardynamische EVS mit seinem rotierenden Aggregaten stört jedoch andererseits den Mikrogravitationslevel, was bei sehr lagegenauen Raumfahrzeugen mit erheblichen Lageregelungsproblemen einher geht .
1.2.3 Nukleare Energieversorgung
[24] Die statische und dynamische Umwandlung von nuklear erzeugter Wärmeenergie finden ihren Einsatz hauptsächlich in Raumfahrzeugen mit militärischen Missionen im niedrigen LEO zu Aufklärungs- und Überwachungszwecken oder bei interstellaren Missionen (unbemannte Deep-Space-Missionen), in denen die Sonnenintensität durch die Distanz zur Sonne so gering ist, dass der PVA-Flächenbedarf zu einer ungünstigen Raumfahrzeuggeometrie führt, oder auch in Missionen mit unverträglich hoher, PVA-schädigender kosmischer Strahlungsintensität.
Nukleare Energieversorgungssysteme umfassen ,,Radioisotope Thermoelectric Generators (RTG)" und nukleare Reaktoren, die sich wiederum unterscheiden in statische Systeme mit direkter Energieumwandlung und dynamische Systeme auf der Basis thermodynamischer Prozesse.
RTG´s mit direkter Energiewandlung liegen bei η = 5-10 % und niedrigen elektrischen Leistungen bis 1 kW und wurden bei den Satellitenmissionen GALILEO und ULYSSES mit der GPHS (General Purpose Heat Source) als Standard-Wärmequelle eingesetzt, die auch bei katastrophalen Flugabbrüchen sicher sein soll.
RTG´s, bei denen die Energieumwandlung über thermodynamische Prozesse erfolgt (DIPS = Dynamic Isotope Power System), werden in Brayton- oder ORC-Prozessen eingesetzt bei einem Gesamtwirkungsgrad von η = 18-25 % und einem elektrischen Leistungsbereich von 1-10 kW.
Nukleare Reaktoren mit direkter Energiewandlung wenden thermodynamische, thermoionische und AMTEC-Wandler (Alkali Metal Thermoelectric Converter) mit einem η = 10-19 % an. Bei dynamischen Energiewandlern werden Wirkungsgrade von η = 18-25% bei elektrischen Leistungen von P > 20 kW erzielt.
Den Vorteilen von nuklearen Energieversorgungssystemen wie
- Kontinuierliche Energieversorgung ohne zusätzlichen Speicher für Schattenphasen
- Hohe Zuverlässigkeit
- Externe Energiequelle nicht erforderlich
- Resistenz gegen hohe Partikelflussraten z.B. im van Allen Belt und Jupiter Orbit
- Kompakte Bauweise mit kleinen Radiatorflächen
- Lange Lebensdauer
stehen jedoch gravierende Akzeptanzprobleme wie
- Entsorgung des radioaktiven Materials bei erdnahen Missionen (Endlagerung, Wiedereintritt)
- Zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen während der Startphase und in der Aufstiegsphase
- Abschirmung der radioaktiven Strahlung
- Wiedereintritt eines Reaktors
gegenüber.
1.2.4 Chemische Energie / Brennstoffzelle
Obwohl eher selten und dann meistens in bemannten Raumfahrtmissionen eingesetzt, muss vor allem auch der Brennstoffzelle als Ersatz für Sekundärbatterien eine Zukunft in der unbemannten Raumfahrt zugetraut werden. Sofern sie sich für die Raumfahrtauglichkeit mit hoher Lebensdauer qualifiziert, verspricht sie durch ihre potentiell hohe Energiedichte von derzeitig erzielbaren 500 Wh/kg (Wattstunden pro Kilogramm Gewicht) Gewichts- und Kostenersparnis.
Die Brennstoffzelle beruht auf der Technologie der Umkehrung der Wasserelektrolyse, bei der die chemische Reaktionsenergie des Wasserstoffs (Brennstoff) und des Sauerstoffs (Oxydationsmittel) in elektrische Energie umgewandelt wird [24].
Bild 1-3 zeigt den prinzipiellen Aufbau einer Brennstoffzelle, die aus zwei Elektroden, die mit Wasserstoff und Sauerstoff versorgt werden, und dem Elektrolyten die benötigte Elektrizität liefert. Der Elektrolyt (z.B. Phosphorsäure) verbindet die beiden Elektroden miteinander. Die Elektronen fließen über den äußeren Stromkreis und leisten Arbeit, wogegen der Ladungstransport in der Zelle durch die Bewegung der Ionen im Elektrolyten erfolgt mit der Summenreaktion [24]:
H2 + ½ O2 → H2O
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bild 1-3: Prinzipieller Aufbau einer BZ mit saurem Elektrolyten [23].
Der Prozess der elektrochemischen Reaktion entspricht dem in normalen Batterien bzw. Säureakkumulatoren, wobei die Gase Wasserstoff und Sauerstoff kontinuierlich zugeführt und die Reaktionsprodukte sowie die Reaktions- und Verlustwärme aus dem Elektrolyten und der Zelle entfernt werden müssen. Die verschiedenen Brennstoffzellen lassen sich mit steigender Betriebstemperatur unterscheiden in Niedertemperatur-, Mitteltemperatur- und Hochtemperatur-Brennstoffzellen [24].
Überdies gibt es noch Unterschiede bezüglich wässrigen, alkalischen und sauren Elektrolyten, sowie Polymermembranzellen und Systemen mit Karbonatschmelzen oder keramischen Oxiden als Elektrolyt [24].
Der noch erhebliche Platzbedarf einer BZ-Anlage macht ihren Einsatz z. Z. nur in großen Satelliten mit entsprechend hohem elektrischen Energiebedarf sinnvoll. Dieser hohe Energiebedarf deckt jedoch sehr signifikant das Hauptproblem der BZ mit ihrem geringen Wirkungsgrad von bestenfalls 60% auf. Leistungsverluste von 40% bei einem Satellitenleistungsbedarf von 10kW erfordern die Entsorgung von 6.7kW Verlustwärme, allein durch die BZ verursacht. Der ohnehin schon ziemlich ausgereizte Thermalhaushalt eines Satelliten dieser Größe ist mit dieser zusätzlichen Aufgabe grundsätzlich überfordert.
1.3 Entwicklungsprozess zur Auslegung einer optimierten EVS Architektur
Um aus der begrenzten Zahl der in der Raumfahrt gebräuchlichen EVS-Architekturen eine robuste, zuverlässige und insbesondere anwendungsoptimierte EVS Architektur für eine vorgesehene Raumfahrzeugmission herzustellen, ist eine bestimmte Reihenfolge von Arbeitschritten entsprechend dem Ablauf in Bild 1-4 notwendig.
Das Resultat einer belastbaren Analyse der EVS-Anforderungen, verbunden mit einem auf Optimierung ausgerichteten Raumfahrzeugdesign, führt nicht nur zu einer angepassten Auslegung der Energiequellen, sondern auch zu Gewichtsverringerung und reduzierten Raumfahrzeug-Systemkosten, was eindrucksvoll durch die folgenden, momentan gültigen Kostenansätze gezeigt wird, die sich in der Zukunft selbstverständlich ändern können:
- 15…...150 € pro Gramm Masse von unbemannten Raumfahrzeugen
- 300….1100 € pro Watt installierter BOL Solargeneratorleistung
- 50…...350 € pro Wattstunde BOL Batterieenergie
- 30...…160 k€ pro Modul der Energieaufbereitungs- und Energieverteilungselektronik
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bild 1-4: Arbeitsablauf zum EVS-Entwicklungsprozess
1.3.1 Identifikation der EVS Designanforderungen
Die EVS Designanforderungen werden im wesentlichen bestimmt durch:
- den Energiebedarf des Raumfahrzeugs in allen missionsabhängigen Betriebsmodi, der auch unter Fehlerbedingungen und insbesondere unter Berücksichtigung der durch die mehrjährige Missionslebensdauer hervorgerufenen Degradation der Energiequellen gedeckt werden muss.
- Orbitparameter wie Höhe, Neigung, lokale Zeit (definiert durch den aufsteigenden oder fallenden Orbitschnittpunkt mit dem Erdäquator) und den daraus resultierenden Zeitdauern der Sonnenlicht- (Sunlit) und Schattenphase (Eklipse) pro Orbit. Solare Energiesysteme müssen deshalb so ausgelegt werden, dass im Sunlit neben der Versorgung der Stromverbraucher genügend überschüssige Energie gespeichert wird, um die Versorgung der Verbraucher auch in der Eklipse oder in anderen Fällen unzureichender solarer Strahlungsenergie sicher zu stellen.
- die optimale Ausnutzung der vorhandenen Solargenerator- und Batterieenergie, wann immer erforderlich durch den Energiebedarf des Raumfahrzeugs.
- bestimmte Anforderungen der Stromverbraucher an die Qualität der Energieverteilung hinsichtlich Versorgungsspannungsbereich, Stabilität bei Lastwechsel, Quellenimpedanz und Störspannungen.
Des weiteren muss das EVS so konzipiert werden, dass dessen volle Funktionalität auch im Falle einer Fehlerbedingung, beziehungsweise in bemannten Raumfahrzeugen, im Falle eines Doppelfehlers innerhalb eines Einzelteils, eines Stromkreises oder jedes möglichen anderen Elementes noch gegeben ist.
Nicht selten werden Solargenerator- und Batterietechnologie, sowie die Bordnetztopologie bereits durch vorliegende Pflichtenhefte (Spezifikationen) vorgegeben.
Andere signifikante Anforderungen
- EVS Designoptimierung mit dem Ziel niedrige wiederkehrende Flugkomponentenkosten zu erreichen, oder, wo immer möglich, so genannte Off-The-Shelf (OTS) Komponenten einzusetzen.
- Nachweis von Raumfahrterprobung durch in der Raumfahrt bereits erfolgreich eingesetzte Komponenten, um Versicherungskosten zu verringern.
- Höchste praktizierbare numerische und funktionelle Zuverlässigkeit des EVS durch Anwendung passender Redundanzkonzepte, um Missionsanforderungen von 15 Jahren und mehr zu erfüllen, jedoch ohne überzogenen Umfang.
- Auf funktionelle und menschliche Sicherheit orientiertes Design.
- Ein ausbaufähiges Architekturkonzept, dass eine sinnvolle Erhöhung des Raumfahrzeug-Energiebedarfs zulässt.
- Einsatz eines Designs, dass unter voll flugrepräsentativen Bedingungen testbar ist.
- Erhöhte Widerstandsfähigkeit gegen radioaktive Strahlung.
Alle diese Anforderungen müssen sorgfältig analysiert und ausgewertet werden. Falls die vorgegebenen Anforderungen dem EVS Ingenieur nicht ausreichen, um die jeweils erforderliche EVS-Architektur und die Auslegung der Energiequellen festzulegen, müssen fehlende Designanforderungen und Parameter aus EVS Designstandards, Raumfahrttechnik-Handbüchern und durch den Vergleich mit Referenzarchitekturen entnommen und vervollständigt werden.
[...]
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