Erschreckende Meldungen über Jugendliche, die sich auf Flatrateparty bis zur Bewusstlosigkeit, sogar bis ins Koma betrinken, konnten im Frühjahr / Sommer 2007 in den Medien und politischen Diskussionen verfolgt werden. Vor allem männliche Jugendliche scheinen diesem Phänomen nachzukommen. Es konnte der Eindruck entstehen, dass sich ein Gros der Jugendlichen diesem maßlosen Alkoholkonsum hingibt.
In der vorliegenden Arbeit wird der Frage nachgegangen, ob die Jugendlichen tatsächlich so viel trinken und wie Soziale Arbeit darauf reagieren kann.
Die ersten Kapitel setzen sich mit den Begriffen Jugend und deren Lebenswelt, das allgemeine Bild von Männern und Männlichkeit und dem entstehenden Druck, diesem Bild nachzukommen auseinander. Weiter werden die Wirkungen und Folgen von Drogen und im Besonderen Alkohol beschrieben sowie die Haltung der Werbung und einzelner Parteien gegenüber Flatratepartys. Das Trinkverhalten und der Konsum von Alkohol sowie die Motivation der Jugendlichen werden sich im fünften Kapitel gewidmet. Vor dem Fazit werden die Aufgaben Sozialer Arbeit genannt und das Projekt HaLT – Hart am Limit analysiert.
Einleitung 3
1 Die Jugend 5
1.1 Definition: Jugendliche
1.2 Zum Begriff Lebenswelt
1.3 Lebenswelt und Interessen der Jugendlichen
2 Wann ist ein Mann ein Mann? – Mannsbilder und Mannserwartungen 11
2.1 Bilder vom „typischen Mann“
2.2 Diskrepanzen zum Idealbild
3 Drogen und Sucht 18
3.1 Definition: Drogen
3.2 Sucht
4 Alkoho 24
4.1 Geschichte, soziale Gewohnheiten, Zahlen und Fakten
4.2 Wirkungen und Folgen des Alkoholkonsums
4.2.1 Wirkung auf Körper und Psyche
4.2.2 Folgen für Körper und Psyche, soziale Konsequenzen
4.3 Werbung und Politik
Exkurs: Flatrate-Partys und deren Verbot
4.4 Trinkverhalten nach Typisierung
5 „Trink, wenn du ein Mann bist“ 37
5.1 Alkopops als Einstieg
5.2 Einfluss der Werbung auf das Trinkverhalten Jugendlicher
5.3 Alkoholkonsum männlicher Jugendlicher
5.4 Motivationen
5.5 Verfügbarkeit von Alkoholika
6 Anforderungen an die Soziale Arbeit 49
6.1 Kampagne „Na TOLL!“ / Bist Du stärker als Alkohol?“
6.2 Prävention in Fahrschulen
6.3 Offene Tür / Jugendzentrum
6.4 Mitternachtssport
6.5 Projekt HaLT
7 Fazit 57
8 Literaturverzeichnis 61
9 Anhang
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1 Die Jugend
1.1 Definition: Jugendliche
1.2 Zum Begriff Lebenswelt
1.3 Lebenswelt und Interessen der Jugendlichen
2 Wann ist ein Mann ein Mann? - Mannsbilder und Mannserwartungen
2.1 Bilder vom „typischen Mann“
2.2 Diskrepanzen zum Idealbild
3 Drogen und Sucht
3.1 Definition: Drogen
3.2 Sucht
4 Alkohol
4.1 Geschichte, soziale Gewohnheiten, Zahlen und Fakten
4.2 Wirkungen und Folgen des Alkoholkonsums
4.2.1 Wirkung auf Körper und Psyche
4.2.2 Folgen für Körper und Psyche, soziale Konsequenzen
4.3 Werbung und Politik Exkurs: Flatrate-Partys und deren Verbot
4.4 Trinkverhalten nach Typisierung
5 „Trink, wenn du ein Mann bist“
5.1 Alkopops als Einstieg
5.2 Einfluss der Werbung auf das Trinkverhalten Jugendlicher
5.3 Alkoholkonsum männlicher Jugendlicher
5.4 Motivationen
5.5 Verfügbarkeit von Alkoholika
6 Anforderungen an die Soziale Arbeit
6.1 Kampagne „Na TOLL!“ / Bist Du stärker als Alkohol?“
6.2 Prävention in Fahrschulen
6.3 Offene Tür / Jugendzentrum
6.4 Mitternachtssport
6.5 Projekt HaLT
7 Fazit
8 Literaturverzeichnis
Einleitung
Vor ein paar Wochen war in den Schlagzeilen der Tageszeitungen und im Fernsehen ein Thema sehr präsent: Jugendliche trinken bis zur Ohnmacht Alkohol. Das sog. „Komasaufen“ sowie Flatrate-Partys, bei denen für einen festen Betrag unbegrenzt viele Getränke ausgeschenkt werden sind bei den Jugendlichen sehr beliebt. Bemerkenswert sind die Preisunterschiede für Getränke in Bezug auf die Geschlechter. In verschiedenen Werbungen konnte ich lesen, dass Jungen / Männer einen höheren Betrag als Mädchen / Frauen zahlen mussten. Wird hier suggeriert, dass Jungen / Männer mehr (Alkohol) trinken als Mädchen / Frauen? Das Problem dieser Flatrate-Partys ist, dass viele Minderjährige an alkoholische Getränke gelangen, die für sie vom § 9 Jugendschutzgesetz noch nicht erlaubt sind. Meist handelt es sich hierbei um Spirituosen und Alkopops - alkoholische Mischgetränke mit einem häufig hohen Alkoholvolumenprozentteil, die mit süßen Geschmack und Aroma versetzt sind, so dass der hohe Alkoholgehalt nicht herauszuschmecken ist. Bei diesen Partys scheint sich ein Trend zu entwickeln: Das Trinken möglichst vielen Alkohols in geringer Zeit. Dabei ist zu beobachten, dass die Einweisung Jugendlicher in die Notaufnahmestationen der Krankenhäuser durch Alkoholvergiftungen enorm angestiegen ist. In Berlin trank sich ein 16-jähriger mit angeblich 45 Tequila ins Koma und starb in der Vorosterwoche1.
Schnell wurden Forderungen nach einem Verbot der Flatrate-Partys ausgesprochen, um diesem Trend Einhalt zu gebieten. Hannover setzte als erste bundesdeutsche Stadt dieses Verbot durch. Dabei ist letztendlich noch nicht geklärt, ob die Stadt das Recht hat, auf die Preisgestaltung der Gastronomie Einfluss zu nehmen oder die Partys ganz verbieten darf.
Die Medien haben die Themen des sog. Komasaufens und der Flatrate-Partys so weit verbreitet, dass der Gedanke entstehen könnte, die heutigen Jugendlichen trinken exzessiver als die Generationen zuvor. Ist dies eine neue Bewegung, eine neue Generation? Wie ist die Jugend heute? Welche Werte hat sie? Welche Interessen verfolgt sie? Da Jungen einen höheren Eintrittspreis als Mädchen zahlen sollen, stellt sich mir die Frage, ob männliche Jugendliche mehr trinken als weibliche Jugendliche. Alkohol ist in der Gesellschaft anerkannt. „Ein Gläschen in Ehren kann niemand verwehren“ oder das „Feierabendbierchen“ sind gängige Phrasen und Ausdrücke. Hier wird etwas Bestimmtes verharmlost. Die Menschen sind sich bewusst, dass Alkohol psychotrop wirkt und nehmen dies billigend mit der Verniedlichung eines Wortes durch die Endsilbe -chen in Kauf. Mir ist noch nicht zu Ohren gekommen, dass ein Kokainschnupfender oder THC-Konsumierender von einem „Linechen“ oder einem „Jointchen“ spricht.
In Schlagerliedern wird Alkohol mythologisiert und als wertvolles Gut dargestellt (z.B. „Griechischer Wein“ von Udo Jürgens). Der Genuss des Alkohols wird heute assoziiert mit guter Laune, Party, netten Leuten, Sex, Lifestyle, usw. Als psychotrope Substanz ist Alkohol eine Droge2. Gesellschaftlich wird Alkohol gerade mal als Genussmittel wahrgenommen. In Deutschland sterben jedes Jahr 42.000 Menschen an den Folgen des Alkohols3. Etwa 2,4 % der über 18-jährigen Wohnbevölkerung in Deutschland ist abhängig vom Alkohol. Die Zahl der Menschen, die Alkohol missbrauchen, ist fast doppelt so hoch4.
Die Toleranz des Konsums der Droge Alkohol ist soweit verinnerlicht, dass es immer wieder zu erstaunlichen Äußerungen kommt, wenn ich auf einer Party keinen Alkohol trinke. Häufig ist die erste Reaktion: „Ach, du musst noch fahren?“. Verneine ich dieses und erkläre, dass ich gar keinen Alkohol trinke, werde ich skeptisch angeschaut und häufig gefragt, ob ich trockener Alkoholiker sei. Ich stehe bei dieser Frage immer wieder in einem Rechtfertigungszwang5. Werde ich aber nach einer Zigarette gefragt und verneine dieses, weil ich Nichtraucher bin, gibt es kein Nachfragen und damit ist dieses Thema einfach beendet.
Das Thema Alkohol umfasst ein weites Gebiet. Ich befasse mich in dieser Arbeit mit der Frage nach dem steigenden Alkoholkonsum männlicher Jugendlicher und mit den entstehenden Anforderungen an Soziale Arbeit.
Wann ist ein Mann ein Mann? Die Idealvorstellungen vom „Mann“ passen nicht unbedingt zu jedem jungen Mann und der Druck, diesem Ideal nachzukommen ist hoch. Dem Thema Mann und Männlichkeit widme ich mich im zweiten Kapitel.
Das dritte Kapitel soll einen kurzen Überblick über Drogen, Sucht und die verschiedenen Suchtformen schaffen.
Das vierte Kapitel beschäftigt sich konkreter mit der Droge Alkohol, deren Wirkung, Folgen und Risiken. Es beinhaltet einen Exkurs zu aktuellen Ereignissen im Bezug auf die Flatrate-Partys und deren Verbot.
Im fünften Kapitel gehe ich der Frage nach, weshalb männliche Jugendliche Alkohol konsumieren und wie dies zu ihrem Leben passt.
Die Anforderungen Sozialer Arbeit werden im sechsten Kapitel näher untersucht. Es werden verschiedene Maßnahmen und Projekte vorgestellt.
Im siebten Kapitel werde ich in meinem Fazit eine Position formulieren.
Aus Gründen der Lesbarkeit habe ich mich entschlossen, die männliche Form zu wählen. Es sind immer beide Geschlechter gemeint.
Sozialpädagogik und Sozialarbeit wird in Niedersachsen in einem Studiengang angeboten. Dementsprechend meine ich bei Nennung einer einzigen dieser Berufsbezeichnungen stets beide.
An manchen Stellen werde ich Markennamen nennen. Diese sind nicht als geschützte Marke kenntlich gemacht. Die Nennungen von Marken stellen keinen Missbrauch derselben dar, sondern dienen lediglich Informationszwecken.
1 Die Jugend
Die allgemeine Auffassung über Jugend zeichnet eher ein negatives Bild der Jugendlichen ab. In diesem Bild verschwinden die Moral- und Wertvorstellungen bei Jugendlichen; sie avancieren zu frühen Alkoholikern; hören den ganzen Tag mit ihren Handys aus plärrenden Lautsprechern Musik und engagieren sich nicht mehr in Vereinen. In diesem Kapitel überprüfe ich kurz die allgemeine Auffassung über Jugend und gebe einen Überblick über die Lebenswelt und Interessen der Jugendlichen.
Damit dem Leser deutlich wird, in welcher Zeit ich die Phase der Jugend sehe, gebe ich vorab eine Definition über den Begriff „Jugendliche“.
1.1 Definition: Jugendliche
Die Zeitspanne der Jugend ist vom Gesetzgeber genau definiert. So sind nach § 7 (1) Ziffer 1 bis 4 SGB VIII in der Fassung der Bekanntmachung vom 08. Dezember 1998 die Unterteilungen Kind, Jugendlicher, junger Volljähriger und junger Menschen eingeteilt. Kinder sind Personen unter 14 Jahren. Als Jugendliche gelten Personen, die zwischen 14 und 18 Jahren alt sind. Volljährig sind Personen zwischen 18 und 27 Jahren und als junger Mensch werden Personen unter 27 Jahren bezeichnet6. Die Absätze 2 bis 4 sind für diese Arbeit nicht relevant. Die o. g. Altersgruppen und die damit verbundenen Begriffe Jugendliche, junge Volljährige und junge Menschen werde ich in dieser Arbeit synonym anwenden. Der Fachdienst Kinder und Jugend der Stadt Langenhagen, in dem ich als Honorarkraft in einem Jugendtreff tätig bin, wendet z. B. sein Angebot nach dem § 11 (4) SGB VIII7 an 12- bis 27-jährige Personen.
1.2 Zum Begriff Lebenswelt
Um die einleitende These zu überprüfen, muss die Welt der Jugendlichen, in der sie sich täglich bewegen, untersucht werden: die Lebenswelt.
Die Lebenswelt ist die alltägliche Region / Handlungsraum, in der Menschen mit ihrem Handeln und Wirken Einfluss nehmen und sie verändern können. Sie können sie gestalten. Sie sind frei, in ihrem Lebensraum Dinge zu tun, wie sie sie möchten. Diese Freiheit ist auf den Raum beschränkt, an dem die Lebenswelt eines anderen beginnt. Dieser Bereich kann durch Kommunikation erweitert werden. Lebenswelt ist das, was alltäglich passiert und als schlicht gegeben bezeichnet wird. Damit ist alles das gemeint, was nicht in Frage gestellt wird und bis auf weiteres unproblematisch scheint8.
Zu den allgemeinen Strukturen der Lebenswelt gehören nach Alfred Schütz
- Bedeutungen statt Sinneseindrücke
- pragmatische Motive
- Handlungsraum und Bewusstseinsstruktur
- Wissen um Ich und Außenwelt
- Räumliche Zentrierung
- Zeitliche Zentrierung
- Soziale Welt.
Für Schütz zählen nicht die Sinneseindrücke. Er nimmt seine Welt in Objekten (Gegenständen, Menschen und Ereignissen) wahr. Diese sind für ihn Sinn bildend, weil sie eine Bedeutung für den jeweiligen Menschen haben. Die Objekte können zu Symbolen und Sinnbildern werden und identitätsbildend sein.
Das Handeln in der Lebenswelt ist stets von pragmatischen Gründen bestimmt. Das Interesse wird auf die anstehenden Probleme des alltäglichen Lebens gelenkt. In der Lebenswelt gibt es Handlungsräume der alltäglichen Lebenspraxis und gleichzeitig die Struktur des Bewusstseins. Das bedeutet, die täglichen Tätigkeiten, Handlungen werden bzw. sind Routine. Dieses Wissen ist eine Selbstverständlichkeit und darüber muss nicht nachgedacht werden. Das, was jemand ganz selbstständig kann, geht in sein Bewusstsein über, in sein Selbstbewusstsein und ist damit seine Identität.
Das Wissen um Ich und die Außenwelt ist ein Wissen, das im Alltag nicht bewusst gemacht wird. Menschen wissen, dass sie Teil eines Komplexes sind, der unabhängig von ihrer Existenz begründet ist. In diesen Komplex, die Außenwelt, sind sie hineingeboren. Die Außenwelt wird weiter bestehen, wenn der einzelne Mensch stirbt. Das Wissen um Ich und Außenwelt wird erst in nicht alltäglichen, also Ausnahme- und vor allem Extremsituationen wie psychischen oder neurodegenerativen Krankheiten, Traumatisierung oder Gedächtnisverlust bewusst.
Der Mensch steht für sich als Person im Mittelpunkt. Um ihn herum sind drei verschiedene Zonen: aktuelle, potentielle und unerlangbare Reichweite. Die Zone der aktuellen Reichweite ist der Raum, in dem der Mensch direkt durch sein Handeln eingreifen kann. Die potentielle Reichweite ist das, was ein Mensch real erreichen kann. Die unerlangbare Reichweite steht für das unmöglich erreichbare. Die zeitliche Zentrierung wird durch subjektiv empfundene Zeit, biologische Zeit, natürliche Zeit (Jahreszeiten, Tag und Nachtwechsel und kalendarischer Zeit) unterschieden. Während die subjektive Zeit für jeden Menschen individuell mit seinen Tagesplänen und -rhythmen definiert ist, wird die kalendarische Zeit für Menschen vergleichbar und als Orientierung genommen.
Durch die Existenz anderer Menschen wird die soziale Welt begründet. Diese anderen Menschen können in ihrer Lebenswelt ebenso durch Handeln direkt wirken und beeinflussen. Die soziale Welt wird in die Umwelt (persönlich bekannte Menschen), Mitwelt (Zeitgenossen), Vorwelt (Menschen vergangener Epochen) und Nachwelt (Menschen künftiger Epochen) gegliedert9.
Lebensweltorientierung ist für Soziale Arbeit bedeutend. Sie ist z. B. in der klientenzentrierten Gesprächsführung nach Carl R. Rogers von Bedeutung. Nach seiner Annahme lebt der Klient in seiner subjektiven Welt. Die Beratungsgespräche stellen den Klienten in den Mittelpunkt. Es gilt, ihn, den Klienten, beraterisch zu begleiten und ihn zu befähigen, sich so zu entwickeln, dass er mit seinem gegenwärtigen Problem und künftigen Problemen besser umgehen kann10. Lebensweltorientierte Soziale Arbeit bedeutet „Menschen primär in den Schwierigkeiten zu helfen, die sie mit sich selbst und für sich selbst haben, nicht aber in denen, die andere mit ihnen haben“11.
1.3 Lebenswelt und Interessen der Jugendlichen
Junge Menschen erleben in ihrer Entwicklung gerade in der Pubertät eine Menge Veränderungen. Am auffälligsten ist das Äußere, welches durch das Reifen der Geschlechtmerkmale bestimmt ist. Bei Mädchen wachsen die Brüste und die erste Menstruation setzt ein. Jungen bekommen ihren ersten Bartwuchs, die Hoden und der Penis wachsen und ihre Gliedmaßen verlängern sich. Dabei kann es vorkommen, dass ihr Körper unproportional und schlaksig wirkt. Dieses Missverhältnis normalisiert sich mit fortschreitender Reife. Achsel-, Scham- und Körperbehaarung nehmen zu. Im Gesicht kann es hormonell bedingt zu Pickeln kommen. Jungen und Mädchen entwickeln eine Geschlechtsidentität. Sie machen erste Erfahrungen im sexuellen Umgang.
Nicht nur körperlich erleben sie Veränderungen. Sie wissen, dass sie fortan nicht mehr zu den Kindern gehören. Sie entwickeln Eigenständigkeit und fordern diese von ihren Eltern ein, weswegen es häufig zu Streit zwischen ihnen kommt. Obwohl sie mehr und mehr unabhängig sein wollen, stellt ihre Familie einen großen Stellenwert dar. Die Bedeutung der Peers nimmt zu. Peers sind Menschen des gleichen Alters und mit gleichen Interessen. Mit den Peers fällt es Jugendlichen leichter, ihre Entwicklung zu verstehen, gleiche Probleme zu bewältigen und Vertrauen sowie Geheimnisse zu tauschen12.
Die Jugendphase dauerte in den 1950ern ca. fünf Jahre. Heute sind Jugendphasen zwischen zehn bis sogar zwanzig Jahren keine Seltenheit. Das hängt mit der wirtschaftlichen Situation zusammen. Früher reichten häufig Hauptschulabschlüsse und die meisten Jugendlichen bekamen eine Lehrstelle. Anschließend begannen sie in ihrem Beruf zu arbeiten und gründeten in frühen Jahren eine eigene Familie. Heute ist das Alltagsleben komplexer geworden, die Absolventen an Hochschulen und Verleihungen von akademischen Abschlüssen nehmen zu. Da es an Fachkräften fehlt wird es mit einem Hauptschulabschluss immer schwieriger, einen Arbeitsplatz zu erhalten13.
Ihre beruflichen Wünsche verwirklichen zu können, sehen im Westen Deutschlands 65 %, im Osten 58 % der Jugendlichen zuversichtlich. Nach Schulformen aufgeteilt sind eher Gymnasiasten, Studenten und sich schon in der Ausbildung befindende Jugendliche optimistisch, ihren Berufswunsch zu verwirklichen (deutlich über 60%). Haupt- und Realschüler liegen unter 60 %14.
Die von der Shell Deutschland Holding herausgegebene Studie über Jugend wurde 2006 zum 15. Mal durchgeführt. Erstmalig wurde sie 1952 erhoben. Im Zeitraum von Januar bis Mitte Februar 2006 wurden 2532 Jugendliche im Alter zwischen 12 und 25 Jahren nach einem standardisierten Fragebogen interviewt. Sie gilt somit als repräsentativ15.
„Wertorientierungen wie Freundschaft, Partnerschaft, Familie und Kontakte nehmen im Leben von Jugendlichen einen hohen Stellenwert ein“16. Der Jugend ist wichtig, sich auf ihre Zukunft vorzubereiten. Dazu zählen schulische Bildung, berufliche Chancen, und Familie. Fleiß und Ergeiz gehören genau so zu Wertorientierungen wie persönliche Entfaltung.
Bildung ist das Schlüsselthema der Jugend. Bildung bedeutet für sie die Chance auf einen Arbeitsplatz, dieser wiederum bietet Geld und damit Sicherheit. 25% der Jugendliche besuchen die Hauptschule, 33% die Realschule und 37% streben einen Abschluss an einem Gymnasium an. Zu beobachten ist, dass Mädchen vermehrt einen Hochschulabschluss anstreben.
Die Familie ist für zwei Drittel der Jugendlichen notwendig zum „Glücklichsein“. Viele möchten gerne selber Kinder haben und ihre Kinder so erziehen wie sie erzogen worden sind.
Am unteren Ende der Werteskala fanden sich Glaubensfragen. Für viele Jugendliche gehört zum Glauben nicht nur Beten und ein Gotteshaus besuchen. Außerkirchliche Religionsformen sind häufiger aufgetreten und eine Pluralisierung der religiösen Angebote hat stattgefunden.
Erstmalig wurde 2006 das Gesundheitsverhalten der Jugendlichen untersucht. Aus dieser Untersuchung geht hervor, dass die Zahl der übergewichtigen Jugendlichen weiter gestiegen ist. Dieses wirkt sich negativ auf ihre Psyche und Körper aus. Als Ursache dieses Phänomens ist ungesunde Ernährung, mangelnde Bewegung, Konsum von Alkohol und Zigaretten zu nennen. Auffallend ist, dass Jugendliche aus weniger wohlhabenden Schichten mehr Zigaretten rauchen, länger Fernsehen, Softdrinks konsumieren und sich schlechter ernähren. Anzumerken ist, dass Mädchen sich laut Jugendstudie gesünder ernähren als Jungs17.
Politisch sind Jugendliche eher weniger interessiert, da sie keine Partei finden, die eine klare Linie für sie fährt. Dies spiegelt sich in der sehr geringen Wahlbeteiligung Jugendlicher wider. Dem entgegen setzen sie aber ein hohes Maß an sozialem Engagement.
Die Ängste, keinen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz zu finden, stiegen von 2002 auf 2006 dramatisch von 55% auf 69% an. Waren es im Jahr 2002 Ängste vor drohenden terroristischen Angriffen (ausgelöst durch die Anschläge des 11.09.2001), sind es 2006 nationale wirtschaftliche Themen, die sie beschäftigen18.
Die Nutzung des Internets und anderen neuen Medien fällt den Jugendlichen wesentlich einfacher als ihren Eltern, da sie nicht von einem anderen Medium umlernen müssen. Die Nutzung des Internets kann positive wie negative Entwicklungen hervorrufen. So wird der Umgang mit Medien wie Büchern, Zeitungen und Internet in wohlhabenden Familien reflektiert und in Familien mit niedriger Bildung wird das Verhalten der Eltern übernommen, welche das Internet selbst eher passiv konsumieren19.
Jugendliche haben fast immer wenig Geld und müssen sparsam leben und alltägliche Abstriche machen, wenn sie sich etwas leisten möchten. Die finanzielle Situation wird von dem Großteil der Jugendlichen als einigermaßen zufrieden angesehen. Nur 16% sehen sie schlecht. Beachtenswert ist wieder der Unterschied zwischen den sozialen Schichten. Aus der Unterschicht sind 40% und aus der Oberschicht nur 5% unzufrieden mit ihren finanziellen Mitteln.
Ein erheblicher Anteil Jugendlicher nimmt regelmäßig, das heißt mindestens einmal pro Woche Alkohol zu sich. Ältere Jugendliche trinken besonders viel. In der Altersgruppe zwischen 18 bis 25 Jahren ist ein besonders hoher regelmäßiger Alkoholkonsum zu verzeichnen. Während in der Altersgruppe zwischen zwölf und 14 noch 72 % alkoholabstinent lebt, sind es bei den 18- bis 25-jährigen nur noch 9 %. Der Alkoholkonsum zwischen den Geschlechtern unterscheidet sich gewaltig: 49 % der männlichen Jugendlichen trinken und nur 31 % der weiblichen20.
In der Shell Jugendstudie wurden Geschlechtsunterschiede immer wieder eingebracht. Im folgenden Kapitel wird das Thema Mann und Männlichkeit beschrieben.
2 Wann ist ein Mann ein Mann? - Mannsbilder und Mannserwartungen
Was ist es, das einen Mann ausmacht? Spätestens seit dem Buch von Allan und Barbara Pease „Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken“ hat die Gesellschaft Sensibilität für das Thema Gender entwickelt. Es gibt typisch männliche und typisch weibliche Charaktereigenschaften, die dem jeweiligen Geschlecht zugeschrieben wurden. Natürlich können diese Züge nicht auf jeden einzelnen übertragen werden. Es gibt Männer mit femininen und Frauen mit maskulinen Charakterzügen. Wie ein Mensch sich entwickelt, hängt stark von seiner Sozialisation ab. Für die Mehrheit der Menschen kann aber diese geschlechtsspezifische Zuteilung angewandt werden.
In diesem Kapitel setze ich mich mit den Vorstellungen und Charakterzügen, Stärken und Schwächen eines Mannes auseinander und der Schwierigkeit, diesen Vorstellungen und Idealen, gerecht zu werden oder gerecht werden zu müssen. Weiter beschäftige ich mich mit dem Thema Mannsbilder und damit, wie männliche Jugendliche ihre Rolle als junge Männer einnehmen.
2.1 Bilder vom „typischen Mann“
In Märchen, Mythen, Sagen, Literatur und Liedern werden dem Mann typische Rollen zugeschrieben. Diese Rollen blieben häufig in modernen kommerziellen Medien und der Werbung erhalten. In diesen Rollenbildern werden Männer als Beschützer, Retter, Gentleman, als kräftig und überlegen dargestellt. Solche und weitere Attribute haben sich bis heute verfestigt und beschreiben die allgemeinen Vorstellungen über einen Mann. Die Autoren Jantz und Grote nennen dies Männlichkeit. Das Bewusstsein, dass jemand ein Mann ist, nennen sie Mann-Sein. Das bedeutet, dass eine Person, die einen Penis hat und im Alltag von anderen und sich selbst als Mann angesehen wird und mit diesem Lebensgefühl lebt, sich dessen bewusst ist21. Für diese Rollen werde ich in dieser Arbeit den Begriff Männlichkeit wie beschrieben übernehmen.
Ob Menschen biologisch-genetisch bedingt bestimmte Wesenszüge erhalten und damit Männlichkeit ein natürliches Phänomen sein muss, ist strittig. Die Beantwortung dieser Frage polarisiert. Auf der einen Seite steht die Meinung, dass Menschen mit einer Veranlagung, nicht nur den sichtbaren Merkmalen, als Mann oder Frau geboren werden. Auf der anderen Seite wird die Meinung vertreten, Menschen werden durch ihre Sozialisation zu Männern oder Frauen. Die These des populär-wissenschaftlichen Magazins „Gehirn und Geist“ (5 / 1993, S. 50), dass Eltern ihre neugeborenen Söhne etwas anders behandeln als Töchter beruht auf der Annahme, dass die Eltern durch ihre eigene Umwelt und Sozialisation ein Gefühl dafür entwickelt haben, wie Männer und Frauen sein sollten und dementsprechend ihr Kind behandeln und erziehen22.
Bisher wurde nicht nachgewiesen, wie die Geschlechterdifferenz entsteht. In Untersuchungen wurde nachgewiesen, dass einige Hirnareale bei bestimmten Reizen oder Aktivitäten bei Frauen und Männern anders durchblutet werden und aktiver sind. Das Sehfeld ist beim Mann eher punktuell und detailliert forciert, wobei die Frau einen umfassenden Blick hat. Frauen haben tendenziell eher das Bedürfnis, sich mitzuteilen23. Männer verbergen sich hinter einer Maske und sind der Meinung, dass sie ihre Probleme allein bewältigen müssten. Es stehe ihnen nicht zu, Familie, Freunde, Eltern oder Trainer um Hilfe, Trost, Verständnis und Unterstützung zu bitten. Obwohl in den 1970er Jahren die neue Frauenbewegung und die Emanzipation der Frau begründet wurden, hat oft noch kein Umdenken in der Welt der Männer stattgefunden. Für Jungen und Männer gilt noch immer der überholte Verhaltenskodex aus den Vorstellungen des 19. Jahrhunderts24.
Das männliche Verhalten wird auch in einer modernen Gesellschaft, in der ehemalige Tabus wie Homosexualität und Transvestitismus gebrochen sind, beibehalten. „Tief sitzende kulturgeschichtliche Erfahrungen mit einer geschlechtlichen Aufteilung der schwerpunktmäßigen Aktivitäten auf Außenwelt und auf Innenwelt lassen sich nicht in wenigen Jahren oder Jahrzehnten überwinden. Die Vorstellung von Männlichkeit ist mit diesen Aufgaben und Rollen verbunden. Sie stiftet Identität25 “. In der neokapitalistischen Konsumgesellschaft werden dem Mann viele Wege geboten, sich selbst darzustellen und in Szene zu setzen. Die Bekleidungsindustrie hat ein weites Spektrum entworfen, woraus der Mann sich seinen ganz persönlichen Stil zusammensetzen und seine Identität finden kann. Es gibt „zwar eine Veränderung der visuellen Präsentation von Männern in der Anzeigenwerbung, jedoch keine Veränderung der den Männern zugeschriebenen Attribute: »Männer sind vor allem sportlich, erfolgreich, tüchtig und vernunftbegabt«26 “. Androgynes Verhalten und Bekleiden, also weibliche und männliche Merkmale vereinigend, wird „gender confusion“ genannt. Böhnisch nennt als maskulines Beispiel den Fußballer David Beckham, der sich in seinem Outfit permanent wechselnd präsentiert und von Männern und Frauen gleichwohl anerkannt wird. David Beckham trägt ein Band im Haar, dass normalerweise nur von Frauen getragen wird. Dennoch wirkt David Beckham nicht feminin, weil er sich als Mann fühlt, sein Mann-Sein auslebt und mit ihm Fußball assoziiert wird. Fußball ist eindeutig als Männerdomäne zu betrachten und findet mehrheitlich bei Männern Anklang. Dabei ist der Erfolg sekundär. Die deutsche Damennationalmannschaft ist mehrfacher Weltmeister und wird in der Öffentlichkeit nicht annähernd so hoch diskutiert wie die nationale Herrenmannschaft. David Beckham wird mit einer eindeutig männlichen Domäne identifiziert. Kleideten sich traditionelle Männer wie Beckham, wirkten sie lächerlich27. Ähnliche Verwirrung in den kulturell geprägten Normalitätserwartungen stiften Männer in frauentypischen Berufen und Studiengängen und Frauen in typisch männlichen Berufen und Studiengängen28.
In geschlechtsspezifischen Seminaren nennt ein Großteil der Jungen auf die Frage nach ihren Zukunftsvorstellungen „viel Geld“, eine „tolle Frau“ und ein „geiles Auto“29. Das Geld wird erarbeitet werden müssen und damit bringen die Jungen zum Ausdruck, dass sie sich nach wie vor als die materiellen Ernährer der Familie sehen. Bis in die 1970er Jahre war der Mann „für das Außen, die Arbeitswelt und die Sicherung der materiellen Versorgung zuständig und die Frau übernahm die Verantwortung für die innerfamiliären Prozesse und Beziehungen sowie die damit verknüpfte personale Versorgung der Kinder“30. Da der Mann dementsprechend häufig körperlich oder geistig abwesend ist, fehlt es dem Jungen an Vorbild seines gleichen. Er wächst in einer femininen Welt auf. Er lernt die Verhaltensmuster der Mutter und ihre Züge kennen. Die Entwicklung seiner männlichen Identität bedeutet den größtmöglichen Unterschied zu seiner ihm nächsten Person, der Mutter, herzustellen31. Ein beruflich erfolgreicher Vater kann sich keine freundschaftlichen Beziehungen in seinem Arbeitskontext leisten32. Emotionale Äußerungen können dadurch verloren gehen. Der Junge ahmt also seinen Vater nach und lernt, dass zu Männlichkeit weiche Attribute unangebracht sind. Dabei haben Forschungen „ergeben, daß männliche Babys bei ihrer Geburt und in den darauffolgenden Monaten in ihren Gefühlen ausdrucksstärker sind als weibliche Babys“33. Allerdings haben die Jungen bis zum Grundschulalter einen Großteil dieser Ausdrucksmöglichkeiten entweder abgelegt oder verborgen und es fällt ihnen schwerer als Mädchen, ihre Gefühle zum Ausdruck zu bringen34.
2.2 Diskrepanzen zum Idealbild
Fällt ein kleiner Junge und weint vor Schreck, wird ihm häufig gesagt, dass er nicht weinen solle, weil ein Mann das nicht tue. Der Junge ist noch kein Mann sondern ein Junge. Schon früh bekommt er gelehrt, wie sich ein Mann zu verhalten habe. Das ist gegen seine gegenwärtigen Empfindungen, Gefühle und Gedanken. Kinder verstehen sehr früh, „dass ihr Handeln je nach Geschlecht unterschiedlich bewertet wird“35. In unserer Gesellschaft stehen trotz Emanzipation, Aufklärung und Vermischung der Geschlechterrollen noch immer die Ideale aus vorigen Jahrhunderten für Männlichkeit.
Was für den kleinen Jungen das Weinen als Reaktion auf einen Sturz ist, ist die Gratwanderung der Körpergestaltung pubertierender Teenager. „Sie dürfen den Körper nicht vernachlässigen, ihn aber auch nicht zu wichtig nehmen; das Aussehen wird von der sozialen Umwelt selbstverständlich wahrgenommen, es darf aber nicht zu stark betont werden“36. So wird ein gepflegter männlicher Körper eines südländischen Jugendlichen von einigen als natürliche Schönheit idealisiert und von anderen als Machokörper abgestempelt37. Männer stehen unter permanenter Musterung anderer Männer. Die anderen Männer beobachten sie, vergleichen sie und gestatten ihnen nur unter deren Willen, in das Reich der Männlichkeit aufgenommen zu werden38.
Zum weiteren Reich der Männlichkeit und Körperlichkeit zählt das primäre Geschlechtsteil des Mannes: der Penis. Während Kindern zwar das Wissen um die Geschlechtsunterschiede bekannt, jedoch relativ gleichgültig sind, kommen ihnen mit fortschreitendem Alter eine erhebliche Bedeutung zu. Unter männlichen Jugendlichen werden die Größen ihrer Penisse unter der Dusche heimlich verglichen. Heute wie vor 30 Jahren praktizieren Jungen in der Umkleidekabine des Schwimmbades die gleiche Prozedur. Sie wickeln ihr Handtuch um die nasse Badehose, ziehen diese umständlich herunter und schlüpfen anschließend genau so umständlich in ihre Unterhose. Der Mythos der Größe und der damit verbundenen geringeren oder größeren Qualität des Penis ist immer noch vorhanden. Lehrer, die versuchen, im Sexualkundeunterricht Kindern und Jugendlichen beizubringen, dass die Form und Größe des Penis nichts über seine Qualität aussage, scheinen selbst das Gefühl zu haben, von der Natur unzureichend ausgestattet worden zu sein39. Das, worauf laut Freuds Penisneidtheorie jeder Mann stolz sein müsste, im Gegensatz zu Frauen einen Penis zu haben, scheint für viele Männer ein Problem zu sein.
Durch die Medien erhalten Jugendliche Informationen über Liebe und Sex. Im Gegensatz zu früher werden diese Themen nicht mehr tabuisiert. Erwachsene könnten meinen, dass jugendlichen Jungen der Zugang zur Liebe und Sexualität leichter fallen müsste. Schließlich wüssten alle wie es geht. Doch die Erfahrung kann nicht kognitiv vorweggenommen werden und so stehen männliche Jugendliche wie weibliche unter einem enormen Erwartungsdruck40. Männliche Jugendliche präsentieren sich, als ob sie schon viele Erfahrungen im intimen Bereich mit einer Frau hätten, haben aber viel Angst vor dem Versagen, Erektionsproblemen und vorzeitigem Samenerguss. Die Angst, sexuell zu versagen kommt aus dem biologischen Naturell, dass die „Fähigkeit zum Sexualgenuss … an die Erfüllung bestimmter physiologischer Bedingungen geknüpft“41 ist. Der Penis muss versteifen, die Vagina nicht. Eine Erektion ist nicht unbegrenzt möglich. Eine Vagina kann theoretisch ständig Geschlechtsverkehr haben. Damit liegt eine Begünstigung der Frau vor und Männer fühlen sich unterlegen42.
Männer scheinen unempfindlich gegenüber Schmerzen zu sein und gebrauchen ihren Körper wie eine Maschine. Scheinbar können sie arbeiten bis zum Umfallen. Eine von der Marine beauftragte Studie fand heraus, dass Männer im Zuge des Abhärtungsprozesses bereit sind, „körperlichen und seelischen Schmerz klaglos zu ertragen, sie setzen sogar ihr Leben aufs Spiel, um die Anerkennung ihrer Altersgenossen zu gewinnen“43. Wut scheint das einzige Gefühl zu sein, dass Männer nach außen zeigen dürfen. Andere Gefühle, die sanfter und eher weibliche Attribute sind, wollen Männer nicht zeigen. Zu groß wäre die Scham, sich weinend oder verzweifelt zu zeigen. Angestaute Gefühle, die nicht ausgelebt worden sind und sich angesammelt haben, bringen bei Männern leicht Wut hervor. Wut wirkt als „emotionale Schleuse“44.
Ein Beispiel, wie Männer zu Männern sozialisiert werden, zeigt eine seltene Enzymmangelkrankheit, die in der Dominikanischen Republik an 18 Männern in zwei Dörfern festgestellt wurde. Bei dieser Mangelerscheinung haben die männlichen Geschlechtsteile die Erscheinung von weiblichen. Die 18 erkrankten genetisch männlichen Kinder wurden darauf von ihren Familien weiblich sozialisiert. Ihnen wurden Aufgaben übertragen, die die Frauen in den Dörfern erledigten. Mit Beginn der Pubertät normalisierte sich der Testosteronhaushalt und ließ die Geschlechtsteile und den gesamten Körper der Kinder männlicher aussehen. Nun wurden ihnen Aufgaben zuteil, die üblicherweise von Männern ausgeführt wurden. 16 der 18 Erkrankten nahmen die männliche Geschlechterrolle an. Die Studie zeigt, dass das gegebene Geschlecht durch Sozialisation zur Geschlechtsidentität führt45. Das bedeutet, dass Jungen zu Jungen gemacht werden.
Ein weiteres typisches männliches Attribut ist das Erstreben von Macht und die Orientierung an selbiger. Männer wollen überlegen sein46. Sie können schlecht damit umgehen, wenn eine Frau ihr Vorgesetzter oder zumindest eine höhere berufliche Position bekleidet als sie. Männer müssen immer konkurrieren. Sie vergleichen sich mit anderen Männern und konkurrieren sogar mit ihren Söhnen, damit sie für sich sichergestellt haben, dass sie besser sind. Ein Beispiel aus der Werbung macht dieses deutlich:
Ein Junge sitzt vor seiner Spielekonsole. Der Vater kommt herein. Der Junge prahlt mit den technischen Daten des Spiels und der Konsole, lässt seinen Vater aber nicht spielen. Dieser fühlt sich gekränkt und degradiert. In der nächsten Szene sitzen Vater und Sohn im Auto. Der Sohn fragt: „Darf ich auch mal?“ Der Vater antwortet nicht, denn der Junge darf noch gar nicht fahren. Stattdessen prahlt nun der Vater mit den technischen Daten des Autos47. „Die Botschaft des Vaters drängt sich auf: 1. Werde erst mal erwachsen! 2. Dein Spiel kann mit meinem Auto gar nicht konkurrieren! 3. Meine Identität ist mächtiger - zumindest jetzt noch. 4. Deine Identitätspräsentation ist, zumindest im Vergleich mit meiner eigenen, gescheitert. 5. Tja hättest Du Dich mal gar nicht erst auf den Demonstrationskampf eingelassen! 6. Ich bin zufriedener Sieger und zeige mein überlegenes Grinsen“48. Damit hat der Vater seine Degradierung von vorhin wieder zu Recht gerückt und gezeigt, dass er überlegen ist.
[...]
1 Hunfeld 2007, 37
2 s. Kapitel 3
3 vgl. DHS 2003,17ff ; Schliekau 2004, 85
4 vgl. DHS im Internet
5 vgl. Lindenmeyer 2001, 59
6 vgl. Beck 2005, 1033
7 § 11 (4) SGB VIII: Angebote der Jugendarbeit können auch Personen, die das 27. Lebensjahr vollendet haben, in angemessenem Umfang einbeziehen.
8 vgl: Schütz und Luckmann 1979, Kapitel I ; Weber 2006
9 vgl. Schütz und Luckmann 1979, Kapitel I bis III ; Weber 2006
10 vgl. Galuske. 2005, 182f
11 Thiersch. 2000, 24
12 vgl. Seiffge-Krene / Seiffge. 2005, 268
13 vgl. Hurrelmann et al. 2006, 32ff
14 vgl. Langness et al.:2006, 73.
15 vgl. Shell. 2006, 30
16 Hurrelmann et al.. 2006, 39
17 vgl. Hurrelmann et al. 2006, 41ff
18 vgl. Langness et al. 2006, 74f
10
19 vgl. ebd. 82f
20 vgl. ebd. 91
21 vgl. Jantz / Grote 2003, 19f
22 vgl. Böhnisch 2004, 23ff
23 vgl. Brandes 2001, 18
24 vgl. Pollack 2001, 19f
25 Schröder 2005, 297
26 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 1999, 23; Es wurden Werbeanzeigen aus den Zeitschriften Auto, Motor und Sport, Stern und Brigitte der Jahrgänge 1955, 1975 und 1995 verglichen.
13
27 vgl. Böhnisch 2004, 208ff
28 vgl. Eggert-Schmid Noerr 2005, 122
29 vgl. Jantz / Grote 2003, 18
30 Schröder 2005, 296
31 vgl. Brandes 1992, 50 sowie Pech 2006, 46
32 vgl. Brandes 2001, 22
33 Pollack 2001, 24
34 vgl. ebd.
35 Jantz und Brandes 2006, 37
36 Winter und Neugebauer 2005, 212
37 vgl. ebd.
38 vgl. BMFSFJ 1999, 18
39 vgl. Schnack und Neutzling. 2006, 46f; vgl. Böhnisch 2004, 96
40 Vgl. Schröder 2005, 293
41 Böhnisch 2004, 129
42 vgl. ebd.
43 Pollack 2001, 63
44 Pollack. 2001, 61
45 vgl. Connel 2000, 68
46 vgl. Pech 2006, 47
47 vgl. Jantz und Brandes 2006, 88
48 ebd.
- Citation du texte
- Andre Tantzscher (Auteur), 2007, "Trink, wenn du ein Mann bist!" - Zur Entwicklung steigenden Alkoholkonsums bei männlichen Jugendlichen und den daraus entstehenden Anforderungen an soziale Arbeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82324
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