György Ligeti war „einer der meistgespielten Gegenwartskomponisten“ . Untersucht man sein kompositorisches Schaffen, so erkennt man, dass „seine musikalische Handschrift stets in ein Geflecht musikalischer und außermusikalischer Einflüsse verwoben ist“ . So auch sein 1982 geschriebenes Werk Trio für Violine, Horn und Klavier.
Diese Arbeit enthält etwas über das Leben György Ligetis, sein Schaffen und seine kompositorische Entwicklung. Außerdem geht es um die Entstehung des Trios. Es folgt eine Analyse der einzelnen Sätze und einige Gedanken über Ligetis Art des "Musikverstehens".
Inhaltsübersicht
1. Einleitung
2. György Ligeti
2.1. Aus seinem Leben
2.2. Seine kompositorische Entwicklung
3. Trio für Violine, Horn und Klavier
3.1. Einflüsse und die Entstehung des Trios für Violine, Horn und Klavier
3.2. Form und Struktur
3.2.1. Erster Satz - Adantino con tenerezza
3.2.3. Zweiter Satz – Vivacissimo molto ritmico
3.2.3. Dritter Satz – Alla Marcia
3.2.4. Vierter Satz – Lamento. Adagio
4. Ligeti(s) Verstehen
5. Fazit im Zusammenhang mit Musik verstehen
Literatur- und Quellenübersicht
1. Einleitung
György Ligeti war „einer der meistgespielten Gegenwartskomponisten“[1]. Untersucht man sein kompositorisches Schaffen, so erkennt man, dass „seine musikalische Handschrift stets in ein Geflecht musikalischer und außermusikalischer Einflüsse verwoben ist“[2]. So auch sein 1982 geschriebenes Werk Trio für Violine, Horn und Klavier.
Dieses Trio trägt die Widmung „Hommage à Brahms“, da nach Ligetis Auffassung „dessen Horntrio [ Trio für Piano, Violin und Horn op.40] als unvergleichliches Beispiel dieser Kammermusik-Gattung im musikalischen Himmel schwebt“. Trotzdem verwendete der Komponist keine musikalischen Bezüge auf das Brahm´sche Werk, sondern nimmt Bezug auf drei Intervalle („Hornquinten“) der Les Adieux- Sonate (Klaviersonate Nr. 26, op. 81a).
Bevor jedoch diese Bezugnahme auf die traditionelle Musik weiter erläutert wird, die tiefer in eine Analyse führt, soll hier auf grundlegende Informationen zum Mensch und Komponisten György Ligeti eingegangen werden:
2. György Ligeti
2.1. Aus seinem Leben
Ligeti (1923-2006) lebte von Anfang an als „Emigrant in der eigenen Kultur“[3], das Anders-Sein gehörte zu seinen Grunderfahrungen. Geboren als Jude in Siebenbürgen wurde er stets „nicht ganz akzeptiert“[4], auch die ungarische Kultur, in die er hineingeboren wurde, war (da Siebenbürgen nach dem ersten Weltkrieg zu Rumänien gehörte) zerrissen. Es herrschte „eine merkwürdige Mehrschichtigkeit“[5]. Der junge Ligeti wuchs also an einem Ort mit unterschiedlichen Kulturen bzw. Mentalitäten auf. Schon als Kind erhielt er Klavierunterricht und studierte (nachdem er 1941 für ein Physik- und Mathematik-Studium nicht zugelassen wurde, da er Jude war[6]) am Konservatorium von Klausenburg, später in Budapest. In dieser Zeit bekam er intensiven Kontakt zur Musik von Bartók an den auch seine ersten Werke erinnern.
Während des zweiten Weltkrieges musste er seine Studien unterbrechen, 1944 rief ihn die ungarische Armee zu Arbeitsdienst. Da Ungarn zunächst Verbündeter von Deutschland war und Ligeti damit feindlich gesinnt, erlebte er keinerlei Sicherheit der eigenen kulturellen und persönlichen Identität[7]. Im selben Jahr starben sein Vater und sein jüngerer Bruder im KZ.
Nach dem Krieg konnte der Komponist seine Studien zwar wieder aufnehmen, durch die Gleichschaltung unter den Sowjets wurden Ligetis Werke jedoch verboten, wie sie angeblich „bourgeois-kapitalistisch dekadente Kultur“[8] waren.
Nach Ende des Volksaufstandes in Ungarn gegen die Unterdrückung 1956 floh er zunächst nach Wien, kurze Zeit später zog es ihn nach Köln. Mit Köln verband er Stockhausen, dessen Werk „Gesang der Jünglinge“ er gehört hatte. Tatsächlich lernte er Stockhausen kennen und lernte in kürzester Zeit die kompositionstechnischen Prämissen der seriellen und elektronischen Musik.
2.2. Seine kompositorische Entwicklung
„Ich war nie ein experimenteller Komponist im Sinne von John Cage, aber gehörte zu dem, was man Avantgarde nennt; und dennoch gibt es auch eine sehr starke Ader zur Neoromantik. Zwar fühle ich mich zur Moderne gehörend, bin auch dieser Vorstellung treu; und trotzdem, ich würde nicht sagen, dass es ein bloßer Modetrend ist, wenn ich ins 19. Jahrhundert zurückschaue“[9] –
Diese Aussage Ligetis von 1984 charakterisiert recht gut seine kompositorische Vielschichtigkeit, die sich auch in seinen Werken zeigt. Er lässt sich schwer einer bestimmten Richtung zuordnen, denn es war zwar sein Ziel „derselbe Mensch zu bleiben, derselbe Künstler“[10], es war ihm aber ebenso wichtig „nicht in Klischees zu verfallen, also nicht eine musiksprachliche oder stilistische Innovation zu finden und dann als Markenzeichen zu behalten“[11].
Seine Arbeit begann in den 60er Jahren mit komplexen, (mikro-)polyphonen Netzstrukturen. Bereits vorher hatte er viele theoretische Schriften über Neue Musik (über eigene Werke und u.a. über Werke von Stockhausen und Boulez) verfasst. In dieser Zeit wurde überhaupt viel theoretisiert, „das ideologische Kommentieren einer eigenen Richtung [war] geradezu ein sozialer Teil der Komponierens“[12], gleichzeitig gab es so etwas wir eine Formvorgabe für das Komponieren, „man hatte eine gewisse Vorstellung, auf welche Weise Stücke konstruktiv geformt sein sollen“[13]. In den 60er Jahren nun bekam Ligeti Zweifel, ob es überhaupt nötig sei, solche Aufsätze zu verfassen, oder „ob Kunst nicht rein im Hervorbringen von Werken besteht“[14] und kam in den 70ern gänzlich zu der Auffassung, dass ein Komponist das Schreiben lassen solle, denn „eine schlechte Komposition [kann] auch vom besten Artikel nicht gerettet werden“[15].
Ende der 60er Jahre komponierte er immer noch komplizierte polyphone „Netze“, die aber sehr viel durchsichtiger waren als seine früheren Werke. In den 70er Jahren tendierte er dann eher zu einer Struktur, in der „einzelne Stimmen klar durchhörbar“[16] waren, die Stimmen sollten vermehrt „melodische Gestalten werden“[17].
Ligeti blieb nie bei einer bestimmten Kompositionsweise, wenn er auf einem Gebiet „etwas gemacht [hatte], was stand hält“[18], dann wollte er anschließend etwas Neues probieren. Er wollte dabei nicht mit bereits bestehenden Strukturen arbeiten, aber er verleugnete auch nicht die traditionelle Musik und Kultur. Trotzdem wäre er nie auf den Gedanken gekommen, sich regelmäßig an älterer Musik zu „bedienen“, denn: „Zwar ist auch die Avantgarde alte geworden, aber die alte Musik ist ebenfalls alt. Etwas wiederzukäuen, was schon einmal da war, finde ich eigentlich überflüssig“[19]. Anders formuliert: „Ich möchte (…) eine Musik, die ganz persönlich und neu ist - (…) - Musik also, die tatsächlich neue Ideen enthält.“[20]
In den 70er Jahren versuchte er nun vermehrt eine konstantere Harmonik aufzubauen, ohne dabei in die funktionale Tonalität zurückzufallen.
Nach seinen postmodern geprägten Werken Hungarian Rock und Passacaglia ungherese 1978 schrieb Ligeti vier Jahre lang keine neuen Werke mehr. Nach eigener Aussage befand er sich 1980 „in einer Art von kompositorischer Krise (…). Und das ist keine persönliche Krise vielmehr (…) eine Krise der ganzen Generation, zu der ich gehöre: der Generation, die in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre (…) etwas Neues, etwas Originelles entwickelt hat. Allmählich gibt es für uns die Gefahr des Akademismus“[21]. Ligeti wollte aber die formalen technischen und ästhetischen Regeln nicht in strenger Form beibehalten. Für ihn war in dieser Zeit besonders eine „große rhythmische Komplexität“[22], „eine Überlagerung vieler metrischer Schichten“[23] wichtig und er wollte nun „mit viel härteren, schärferen rhythmischen Gestalten arbeiten“[24] als zuvor, als vor allem das Auflösen und Verwischen von rhythmischen Gestalten oder auch das völlige Negieren von melodischen Gestalten seine Vorlieben waren[25].
Von der ursprünglichen Idee der „gitterartigen Muster“[26] in den 60ern kam er Anfang der 80er auf komplexere Strukturen, die „eine neue Art von rhythmisch-metrischen Erscheinungen oder musikalischen Gebilden waren“[27].
Bis zu seinem Tod entwickelte er seine Kompositionsweise weiter, aber auch 1996 bekannte er noch: „Bis heute weiß ich nicht, ob ich ein experimenteller oder ein postmoderner Komponist bin“[28].
[...]
[1] http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.de/kulturzeit/themen/93076/index.html, Stand: 12.06.07., 12 Uhr
[2] Wiedemann, Günther: Konstruktion und Imagination – Virtuelle Räume. György Ligetis 6. Etüde Automne à Varsovie aus den Etudes pour piano (Premier livre, 1985), in: Bäßler, Hans/ Nimczik, Ortwin/ Schatt, Peter W.: Neue Musik vermitteln. Analysen – Interpretationen – Unterricht, Mainz 2004, S.39
[3] Wilson, Peter Niklas: Vom Nutzen der Wurzellosigkeit. Notizen nach einem Gespräch mit György Ligeti, in: Neue Zeitschrift für Musik, Ausgabe 5/98, Mainz 1998, S.42
[4] Ebd.
[5] Ebd.
[6] Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Gy%C3%B6rgy_Ligeti Stand: 12.06.07, 12 Uhr
[7] Vgl. Wilson 1998 S.43
[8] Zitiert nach: Wilson 1998 S.43
[9] Wiesmann, Sigrid: „The Island is full of Noise“. György Ligeti im Gespräch mir Sigrid Wiesmann, in: Österreichische Musik Zeitschrift, Ausgabe 10/84, Wien 1984, S.510
[10] Ebd.
[11] Ebd.
[12] Ebd. S.512
[13] Ebd.
[14] Ebd. S.513
[15] Ebd.
[16] Ebd. S.510
[17] Ebd.
[18] Ebd.
[19] Lichtenfeld, Monika: „Musik mit schlecht gebundener Krawatte“. György Ligeti im Gespräch mit Monika Lichtenfeld, in: Neue Zeitschrift für Musik, Ausgabe 5/81, Mainz 1981, S.471
[20] Ebd.
[21] Ebd.
[22] Ebd. S.472
[23] Ebd.
[24] Ebd.
[25] Vgl. Dibelius, Ulrich: Ligetis Horntrio, in: MELOS. Vierteljahresschrift für zeitgenössische Musik, Ausgabe 1/84, Mainz 1983, S.57
[26] Erwe, Hans Joachim: Interview mit György Ligeti, in: Zeitschrift für Musikpädagogik, Ausgabe 37/1986, Regensburg 1986, S.3
[27] Ebd.
[28] Wilson 1998 S.44
- Citar trabajo
- Susanne Engelbach (Autor), 2007, Musik verstehen am Beispiel von Ligetis "Trio für Violine, Horn und Klavier", Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82314
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