Georg Büchner begann die Arbeit an der Erzählung „Lenz“ bereits 1835. Das Werk ist nie vollendet worden, es befindet sich aber in einem fortgeschrittenen Entwurfstadium. Es handelt sich also um ein Fragment, welches erst posthum veröffentlicht wurde. Die Novelle erzählt von der Figur des jungen Künstlers Lenz, der zunehmend dem Wahnsinn verfällt. Besonderen Wert legte Büchner, der u. a. Medizin studierte, auf die Beschreibung des Krankheitsverlaufes, vor allem aus Lenz eigener Sicht.
In dieser Arbeit wird untersucht, welche literarischen Motive der Autor einsetzt. Weiterhin wird eruiert, wie diese Motive unter anderem Lenz Gefühlswesen, seine Einsamkeit und Krankheit veranschaulichen. Es werden die Leitmotive, z. B. die zahlreichen Landschaftsbeschreibungen und Symbole der religiösen Welt, sowie weitere prägnante Motive auf ihren Einsatz und ihre Wirkung in der Erzählung untersucht.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Hauptteil
2.1. Zum Begriff „literarisches Motiv“
2.2. Leitmotive
2.3. Weitere Motive
2.3.1. Situationsmotive
2.3.2. Typusmotive
2.3.3. Raummotive
2.3.4. Zeitmotive
2.3.5. Dingmotive
3. Schlussbemerkung
4. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Georg Büchner begann die Arbeit an der Erzählung „Lenz“ bereits 1835. Das Werk ist nie vollendet worden, es befindet sich aber in einem fortgeschrittenen Entwurfstadium. Es handelt sich also um ein Fragment, welches erst posthum veröffentlicht wurde. Die Novelle erzählt von der Figur des jungen Künstlers Lenz, der zunehmend dem Wahnsinn verfällt. Besonderen Wert legte Büchner, der u. a. Medizin studierte, auf die Beschreibung des Krankheitsverlaufes, vor allem aus Lenz eigener Sicht.
In dieser Arbeit wird untersucht, welche literarischen Motive der Autor einsetzt. Weiterhin wird eruiert, wie diese Motive unter anderem Lenz Gefühlswesen, seine Einsamkeit und Krankheit veranschaulichen. Es werden die Leitmotive, z. B. die zahlreichen Landschaftsbeschreibungen und Symbole der religiösen Welt, sowie weitere prägnante Motive auf ihren Einsatz und ihre Wirkung in der Erzählung untersucht.
2. Hauptteil
2.1. Zum Begriff „literarisches Motiv“
Es gibt keine verbindliche Definition des Begriffes „literarisches Motiv“; die Hauptproblematik besteht darin, dass der Begriff „Motiv“ aus anderen Kunstgattungen (Musik, bildende Kunst) stammt und für die Literatur im Nachhinein übernommen wurde. Daher existieren verschiedene Ansätze der Begriffsdefinition: Mit einem literarischen Motiv ist die kleinste strukturbildende und bedeutungsvolle Einheit innerhalb eines Textganzen gemeint.[1] D. h., es kann als Oberbegriff über bestimmte Stoffgefüge bzw. als Beschreibung von etwas Allgemeinen gesehen werden.[2] Im engeren Sinne handelt es sich um eine thematische Konstellation, die gegebenenfalls die dramatische Handlung auslösen kann bzw. beschreibende, bildliche oder symbolische Funktion hat.
Zudem unterscheidet die deutsche Thematik zwischen Motiv, Stoff und Thema: Das Motiv wird als kleinste semantische Einheit bezeichnet, der Stoff als Kombination von Motiven und das Thema als abstrahierte Grundidee des Textes.[3]
Das Motiv wird auf zwei Ebenen verwendet: bei der immanenten Strukturanalyse von Texten und bei intertextuellen Beziehungen. Das Motiv hat als kleinste bedeutungstragende Einheit verschiedene Funktionen: formale oder semantische Gliederung, Verbindung von Themenkomplexen, Spannungsaufbau, Anschaulichkeit, Entfaltung von Bedeutungspotenzial. Es werden verschiedene Motive unterschieden: Auf der Strukturebene findet man vorrangig Leit- und Nebenmotive. Auf der Inhaltsebene differenziert man zwischen Situations-, Typus-, Raummotiven, etc. Darauf wird im Hauptteil genauer Bezug genommen.
Ich möchte den Begriff Motiv in dieser Arbeit als tradierbares intertextuelles Element in der Literatur benutzen. Eine besondere Bedeutung kommt dem Leitmotiv zu. Beim Leitmotiv handelt es sich um eine sich im Text wiederholende Formeinheit, die einer nachvollziehbaren Strukturierung und der symbolischen Vertiefung dient. Sie ist also intratextuell, wiederholt sich konstant und hat vor allem stilistische und charakterisierende Funktion.
2.2. Leitmotive im Lenz-Fragment
Eines der prägnantesten Leitmotive ist die Beschreibung der Natur als Äquivalent der Gemütszustände des Lenz. In der Literatur ist diese Funktion des Landschaftsmotives nicht ungewöhnlich: Es wird häufig eingesetzt, um die Gefühle der Person zu spiegeln oder eine bestimmte Stimmung hervor zu rufen. Gleich zu Beginn wird der Leser durch die Naturschilderung an die ambivalente, sich ständig verändernde Gefühlswelt des Lenz herangeführt: „strich schwer und feucht durch das Gesträuch, so träg, so plump.“[4]
„Anfangs drängte es ihm in der Brust, wenn das Gestein so wegsprang, der graue Wald sich unter ihm schüttelte, und der Nebel die Formen bald verschlang“.[5]
„[D]er Sonnenschein dazwischen durchging […], so dass ein helles, blendendes Licht über die Gipfel in die Täler schnitt.“[6]
Georg Büchner verwendet verschiedene Mittel, um die Natur und parallel dazu Lenz Wahrnehmung und seine seelische Verfassung zu veranschaulichen. Büchner versieht die Landschaft mit menschlichen Eigenschaften (Anthropomorphisierung), lädt die Bilder mit Akustik (auditive Sprache) auf und bedient sich einer sehr lebendigen Sprache (Vitalisierung).[7]
Durch die gesamte Erzählung ziehen sich ähnliche Textstellen, in denen mit den Zuständen der Landschaft auch die Gefühle des Lenz beschrieben werden: „es wurde ihm heimlich nach und nach […] wie er hinunterging, sah er, daß um seinen Schatten sich ein Regenbogen von Strahlen legte“.[8] Entweder ist die Landschaft grau, plump und neblig oder aber farbenfroh und schön - so wie Lenz sich fühlt: träge, geistig getrübt und öde oder lebensfroh und übermütig. Am Schluss der Novelle jedoch ist Lenz Zustand beinahe autistisch, er reagiert nicht mehr. Nunmehr stehen die Naturbeschreibungen im Gegensatz zu Lenz seelischer Verfassung: Draußen verändert sich etwas, die Schönheit tritt hervor, in Lenz Innern dagegen ist nichts mehr, dort ist es leer und dunkel: „er war vollkommen gleichgültig.“[9] Nur das „schimmernde[…] bläuliche[...] Gespinst“[10] lässt den traurigen Fortgang der Geschichte ahnen.
[...]
[1] vgl. Metzler, S. 455
[2] vgl. Frenzel, S. 12
[3] vgl. Metzler, S. 455
[4] Büchner: Lenz, S. 136
[5] ebd.
[6] ebd.
[7] vgl. Strehlow, S. 20
[8] Büchner. Lenz, S. 141
[9] Büchner: Lenz, S. 157
[10] Büchner: Lenz, S. 158
- Citation du texte
- Barbara Schilling (Auteur), 2004, Die literarischen Motive in Georg Büchners Lenz-Fragment, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82229