Neben fachbezogenen Kriterien und Zusatzqualifikationen sind heute Soft Skills bei Mitarbeitern immer gefragter. Um Studierende aller Fachrichtungen auf die Anforderungen einer globalisierten, flexibilisierten, dezentralisierten und vernetzten Arbeitswelt vorzubereiten ist es nötig, dass bereits im Studium auf die Arbeit in virtuellen Teams vorbereitet wird. Dies spiegelt sich auch in den Anforderungen wieder, welche im Rahmen der Bologna-Reform an Lehrveranstaltungen gestellt werden. Zwei zentrale Forderungen darin sind das Lernen in Gruppen und die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechniken in der Hochschulbildung.
Diese Sachverhalte würden vermuten lassen, dass Veranstaltungsformen wie virtuelle Seminare oder Tutorien, welche auf diese Anforderungen des Arbeitsmarktes vorbereiten und Gruppenarbeit fördern, fester Bestandteil der universitären Ausbildung sind. Die Realität sieht jedoch ganz anders aus.
Damit dieses Defizit reduziert wird, sollte Gruppenarbeit stärker als bisher Einzug in die Hochschulbildung halten. Hier beinhaltet das Arbeiten in Gruppen mit der Unterstützung durch ein LMS, vor allem im Rahmen von rein virtuellen Veranstaltungen und „Blended Learning“-Veranstaltungen ein Potenzial, welches bisher nicht ausreichend ausgeschöpft wird. Damit Lehrende bereit sind, solche kooperativen Szenarien verstärkt in ihr Lehrangebot zu integrieren, müssen ihnen Konzepte und Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie dies zu realisieren ist.
Zielsetzung der Arbeit:
Ziel dieser Arbeit ist es, die Merkmale von Gruppenarbeit aufzuzeigen und Konzepte vorzustellen, mit deren Hilfe Aufgaben in Gruppen mit einem LMS bearbeitet werden können. Die beispielhafte Umsetzung dieser Konzepte soll mit dem LMS Moodle erfolgen, da es sich bei dem Virtuellen Campus der Otto-Friedrich-Universität Bamberg um ein Moodle-System handelt.
Zudem sollen Erweiterungsmöglichkeiten von Moodle identifiziert werden, welche einen Mehrwert für die Unterstützung der Arbeit in Gruppen mit diesem LMS bieten.
Die gewonnenen Erkenntnisse und die vorgestellten Umsetzungsmöglichkeiten sollen Lehrenden als Ausgangspunkt für die Gestaltung von Gruppenarbeiten in eigenen Veranstaltungen dienen. Durch diese mögliche Senkung der Hemmschwelle zum Einsatz von Gruppenarbeit im Rahmen der Nutzung eines LMS bei der Lehre, soll diese Arbeit ihren Beitrag leisten, um die Verbreitung von Gruppenarbeit in der Lehre auszuweiten
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Motivation
1.2 Zielsetzung
1.3 Aufbau der Arbeit
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Gruppenarbeit
2.1.1 Definition Gruppe
2.1.2 Vor- und Nachteile bei Gruppenarbeit
2.1.3 Gruppentypen
2.1.4 Interaktionsformen
2.1.5 Phasen der Gruppenentwicklung
2.1.6 Gruppenaufgabe
2.1.7 Gruppenbildung
2.1.8 Gruppengröße
2.1.9 Moderation
2.1.10 Kohäsion in Gruppen
2.1.11 Bewertung
2.2 Computervermittelte Kommunikation
2.3 Computer Supported Cooperative Work und Computer Supported Cooperative Learning
2.3.1 Begriffe
2.3.2 Klassifizierung von Groupware
2.3.3 Group Awareness
2.3.4 Unterstützungssysteme
2.3.5 Dimensionen des CSCL
2.3.6 Medienwahl
3 Konzepte für die Aufgabenbearbeitung in Gruppen
3.1 Kollaborative Übung
3.2 Projektmethode
3.2.1 Grundlagen
3.2.2 Merkmale der Projektmethode
3.2.3 Ablauf der Projektmethode
3.2.4 Dauer und Umfang von Projekten
3.3 Kooperationsskripte
3.3.1 Grundlagen
3.3.2 Skriptvielfalt
3.3.3 Skriptklassen
3.3.4 Vor- und Nachteile computergestützter Skripte .
3.3.5 Struktur
3.4 Kollaboratives Schreiben
3.4.1 Allgemein
3.4.2 COLAC-Modell
3.5 Aktuelle Umsetzung betrachteter Konzepte
3.5.1 Softwarepraktikum an der FernUniversität Hagen mit der Projektmethode
3.5.2 Manyscripts
3.5.3 eHistLing-Seminar
4 Das Learning-Management-System Moodle
4.1 Definition Learning-Management-System
4.2 Moodle Grundlagen
4.3 Pädagogische Grundkonzepte
4.4 Module für Gruppenarbeit
5 Fallstudie
5.1 Konzeption
5.1.1 Aufbau des Kurses Multimedia-Technik
5.1.2 Entwicklung der Aufgabenstellung
5.1.3 Verwendete Lernaktivitäten von Moodle
5.1.4 Umsetzung in Moodle
5.2 Durchführung
5.3 Befragung
5.3.1 Aufbau des Fragebogens
5.3.2 Auswertung der Befragung
5.4 Aufgabenformulierung
6 Erweitungsmöglichkeiten von Moodle
6.1 Zusatzmodule und Plugins für Moodle
6.1.1 Project-Modul
6.1.2 Technical project-Modul
6.1.3 Netpublish
6.1.4 NWiki
6.2 Virtuelle Klassenzimmer
7 Exemplarische Umsetzungsmöglichkeiten der Konzepte mit Moodle
7.1 Softwarepraktikum mit der Projektmethode
7.1.1 Zielsetzung
7.1.2 Planung
7.1.3 Durchführung
7.1.4 Beurteilung
7.2 Kollaborative Texterstellung
7.2.1 Kurs- und Systemeinführung
7.2.2 Gruppenbildung
7.2.3 Wissensvermittlung
7.2.4 COLAC
7.3 ConceptGrid-Skript in Moodle
8 Zusammenfassung und Ausblick
8.1 Fazit
8.2 Ausblick
A Fallstudie
A.1 Aufgabe
A.2 Hinweise zur Lernplattform bzw. deren Kommunikationsmöglichkeiten
A.3 Lösung
A.4 Fragebogen
A.5 Auswertung
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Motivation
Neben fachbezogenen Kriterien und Zusatzqualifikationen sind heute Soft Skills bei Mitarbei- tern immer gefragter. Die Staufenbielstudie JobTrends 2006/07 [sta06], welche zur Analyse des Arbeitsmarktes für Hochschulabsolventen 288 Unternehmen befragte, kam zu dem Ergebnis, dass Team- und Kommunikationsfähigkeit in allen Berufsgruppen eines der wichtigsten perso- nenbezogenen Einstellungskriterien ist. Für IT-Nachwuchskräfte wird Teamfähigkeit sogar als das wichtigste personenbezogene Einstellungskriterium, noch vor z.B. analytischen und konzep- tionellen Fähigkeiten, genannt ([sta06], S. 4ff.). Bezüglich dieses Sachverhalts fordern Kasparek und Mardsen:
Software Engineering findet zunehmend in weltweit verteilten Teams statt. Für die Ausbildung im Bereich Software Engineering bedeutet dies, dass die Studierenden auf diese Form der Zusammenarbeit vorbereitet werden und die Erfolgsfaktoren kennenlernen müssen ([KM07], S. 83).
Um Studierende aller Fachrichtungen auf die Anforderungen einer globalisierten, flexibilisierten, dezentralisierten und vernetzten Arbeitswelt vorzubereiten ([HK07], S. 1) ist es nötig, dass be- reits im Studium auf die Arbeit in virtuellen Teams vorbereitet wird. Dies spiegelt sich auch in den Anforderungen wieder, welche im Rahmen der Bologna-Reform an Lehrveranstaltungen gestellt werden. Zwei zentrale Forderungen darin sind das Lernen in Gruppen und die Nut- zung von Informations- und Kommunikationstechniken in der Hochschulbildung([SM05], S. 65). Diese Sachverhalte würde vermuten lassen, dass Veranstaltungsformen wie virtuelle Seminare oder Tutorien, welche auf diese Anforderungen des Arbeitsmarktes vorbereiten und Gruppen- arbeit fördern, fester Bestandteil der universitären Ausbildung sind. Die Realität sieht jedoch ganz anders aus. So kommt das HISBUS OnlinePanel zu dem Ergebnis, dass im Jahre 2004 lediglich von 8% der Studierenden virtuelle Seminare und Tutorien und nur von 5% virtuelle Praktika und Labore genutzt wurden ([Gmb05], S. 4). Meist werden die an den Hochschulen vorhandenen Learning Management Systeme (LMS) zwar zur Unterstützung der Präsenzlehre in Form von Foren und der Bereitstellung von Unterlagen bereits häufig genutzt, im Rahmen von Gruppenarbeit jedoch findet eine solche Nutzung bisher kaum statt ([MK06], 55f.).
Damit dieses Defizit reduziert wird, sollte Gruppenarbeit stärker als bisher Einzug in die Hoch- schulbildung halten. Hier beinhaltet das Arbeiten in Gruppen mit der Unterstützung durch ein LMS, vor allem im Rahmen von rein virtuellen Veranstaltungen1 und ”BlendedLearning2 “- Veranstaltungen ein Potenzial, welches bisher nicht ausreichend ausgeschöpft wird. Damit Leh- rende bereit sind, solche kooperativen Szenarien verstärkt in ihr Lehrangebot zu integrieren, müssen ihnen Konzepte und Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie dies zu realisieren ist.
1.2 Zielsetzung
Ziel dieser Arbeit ist es, die Merkmale von Gruppenarbeit aufzuzeigen und Konzepte vorzustellen, mit deren Hilfe Aufgaben in Gruppen mit einem LMS bearbeitet werden können. Die beispielhafte Umsetzung dieser Konzepte soll mit dem LMS Moodle erfolgen, da es sich bei dem Virtuellen Campus3 der Otto-Friedrich-Universität Bamberg um ein Moodle-System handelt. Zudem sollen Erweiterungsmöglichkeiten von Moodle identifiziert werden, welche einen Mehrwert für die Unterstützung der Arbeit in Gruppen mit diesem LMS bieten.
Die gewonnenen Erkenntisse und die vorgestellten Umsetzungsmöglichkeiten sollen Lehrenden als Ausgangspunkt für die Gestaltung von Gruppenarbeiten in eigenen Veranstaltungen dienen. Durch diese mögliche Senkung der Hemmschwelle zum Einsatz von Gruppenarbeit im Rahmen der Nutzung eines LMS bei der Lehre, soll diese Arbeit ihren Beitrag leisten, um die Verbreitung von Gruppenarbeit in der Lehre auszuweiten.
1.3 Aufbau der Arbeit
Im Anschluss an diese Einführung werden im 2. Kapitel zunächst die theoretischen Grundlagen erläutert, welche zum inhaltlichen Verständnis dieser Abhandlung notwendig sind.
In Kapitel 3 wird ausführlich in verschiedene Konzepte der Aufgabenbearbeitung in Gruppen eingeführt. Am Ende des Kapitels werden Ansätze vorgestellt, wie die betrachteten Konzepte bereits in der Lehre mit Hilfe von LMS umgesetzt sind.
Den Abschluss der theoretischen Einführung bildet Kapitel 4 mit der Darstellung der für diese Arbeit relevanten Bestandteile des LMS Moodle.
Nach diesem theoretischen Überblick wird in Kapitel 5 eine Gruppenarbeit im Rahmen einer Fallstudie durchgeführt und anschließend evaluiert. Ziel dieses Abschnitts ist es, mögliche Defizite von Moodle mit Hilfe der Ergebnisse aus der Evaluation und den theoretischen Grundlagen aus Kapitel 2 aufzuzeigen.
In Kapitel 6 werden Erweiterungsmöglichkeiten von Moodle aufgezeigt, welche die Aufgabenbe- arbeitung in Gruppen verbessern könnten. Mit Hilfe dieser zusätzlichen Features werden im 7. Kapitel exemplarische Umsetzungsmöglichkeiten der unter 3. vorgestellten Konzepte aufgezeigt.
Elemente deren Vorteile zu nutzen, bei gleichzeitiger Minimierung der Nachteile. Als solche Elemente sind beispielsweise die Mischung aus Präsenz- und Onlineelementen oder unterschiedliche Sozialformen zu nennen ([AKTZ04], S. 94).
Diese Arbeit endet schließlich mit einer kritischen Betrachtung der vorgestellten Konzepte und einem Ausblick auf den Beitrag dieser Konzepte für die zukünftige Entwicklung der Gruppenarbeit mit einem LMS.
2 Theoretische Grundlagen
Um im weiteren Verlauf dieser Arbeit eine klare und einheitliche Basis bzgl. der verwendeten Terminologie zu gewährleisten, werden die zentralen Begriffe im Folgenden näher erläutert.
2.1 Gruppenarbeit
Der Begriff Gruppenarbeit wird in zweierlei Hinsicht verwendet. Zum einen bezeichnet er die Arbeit innerhalb einer Lerngruppe. Dabei kommt es vor allem darauf an, dass jeder Einzelne der Gruppe etwas dazulernt und die Lösung eines gemeinsamen Problems steht im Hintergrund. Zum anderen ist damit die Lösung eines Problems innerhalb einer Arbeitsgruppe gemeint; dabei ist die Problemlösung das oberste Ziel und individuelle Lernfortschritte treten in den Hinter- grund ([RB03], S. 3). Im Rahmen dieser Arbeit wird insbesondere auf die Bearbeitung von Lernaufgaben durch Gruppen eingegangen, da dies die häufigere der beiden Arten von Aufga- ben ist, welche mit einem LMS bearbeitet werden. Dabei ist durchaus auch der problemlösende Charakter dieser Aufgaben von Bedeutung, besonders wenn die Aufgabenlösung bewertet wird.
2.1.1 Definition Gruppe
Gruppen sind ein elementarer Bestandteil menschlichen Zusammenlebens und sind gekennzeichnet durch eine Menge aus zwei oder mehr Personen, zwischen denen Interaktion stattfindet ([Zim95], S. 723). Nach Döring ist eine Gruppe folgendermaßen definiert:
Gruppen befriedigen individuelle Bedürfnisse sowie Anforderungen der Allgemein- heit, und zwar auf sozio-emotionaler Ebene (z.B. Wir-Gefühl, Vermittlung sozialer Normen und Werte, sozialer Unterstützung) als auch auf sachlich-instrumenteller Ebene (z.B. Arbeitsteilung, Wissensvermittlung, Interessenvertretung) ([Dör03], S. 489)
Bei der Zusammenstellung von Gruppen ist es vor allem interessant, wie diese gestaltet werden müssen, damit die Gruppenmitglieder zum einen ihre sozio-emotionalen Bedürfnisse befriedigen können und zum anderen die sachlich-instrumentellen Aufgaben erfolgreich (effektiv) und kostengünstig (effizient) erledigen können ([Dör03], S. 489).
2.1.2 Vor- und Nachteile bei Gruppenarbeit
Lernen und Arbeiten in Gruppen bietet eine Reihe von Vor- und Nachteilen. Diese in ihrer Gänze zu diskutieren und darzustellen ist nicht die Absicht dieses Abschnittes, vielmehr soll durch deren Auflistung ein Eindruck vermittelt werden, warum Gruppenarbeit sinnvoll ist und an welchen Stellen Probleme zu erwarten sind (die folgende Auflistung ist unter der Nutzung [RB03], S. 5f., [Hen02], S. 444f. und [Sta07] entstanden).
Vorteile von Gruppenarbeit
- Fördert das Nachdenken über gruppendynamische Prozesse
- Jedes Gruppenmitglied muss Verantwortung übernehmen
- Zusammenarbeit in der Gruppe wirkt anregend und motivierend
- Als Einzelner scheitert man schneller als in einer Gruppe
- Bessere Lernfähigkeit
- Das Risiko des Einzelnen wird durch die Gruppe geteilt, was die Risikobereitschaft erhöht.
- Kompetenzerwerb: Neben dem reinen Erwerb von Faktenwissen wird soziale Kompetenz gefördert. Dazu gehören: Selbstreflexionsvermögen, Kommunikationsfähigkeit, Einfühlungsvermögen, Kooperationsbereitschaft und Konfliktfähigkeit.
- Größere Informationsmenge, objektivere Betrachtung: Eine Gruppe verfügt durch das schwerpunktmäßig unterschiedlich gelagerte Wissen ihrer Mitglieder über einen größeren Gesamtumfang an Wissen, was die Perspektivenvielfalt erhöht und einen objektiveren Blick auf ein Problem ermöglicht.
- Eine Gruppe vermag Leistungen zu erbringen, die einem einzelnen Mitarbeiter überhaupt nicht möglich wären
Nachteile von Gruppenarbeit
- Kommunikations- und Koordinationsaufwand bei der Gruppenarbeit
- Sach- und Beziehungsebene stehen in engem Zusammenhang, was zu Konflikten in der Gruppe führen kann
- Unter Umständen keine klare Verantwortlichkeit für Fehler
Phänomene bei Gruppenarbeit
”Was-sollen-wir-denn-jetzt-tun“-Phänomen:ZweckderGruppenarbeitwirdnichter- kannt; Unsicherheit darüber, was zu tun ist
”Der-Hans-der-machts-dann-eh“-Phänomen:Einzelne ”Trittbrettfahrer“beteiligen sich nicht an der Gruppenarbeit ”Da-mach-ichs-doch-gleich-lieber-selbst“-Phänomen:Einzelneübernehmenfreiwillig den Löwenanteil der Gruppenarbeit (dies mag im Bezug auf das Gruppenergebnis nicht unbedingt von Nachteil sein, für den Lernfortschritt der anderen jedoch schon) ”Ja-bin-ich-denn-der-Depp“-Phänomen:Einzelneärgernsichdarüber,dasssiedie Hauptarbeit leisten müssen und stellen ihre Bemühungen ein. Dies kann zum Schei- tern der gesamten Gruppenarbeit führen. ”Kann-und-mag-ich-nicht-mach-du“-Phänomen:DieArbeitwirdoftsoaufgeteilt,dass diejenigen, die etwas Bestimmtes können, diese Arbeit auch ausführen (ebenfalls für das Gruppenergebnis nicht von Nachteil, aber kritisch bzgl. des Lernfortschritts des Einzelnen) ”Ich-habe-meinen-Teil-erledigt“-Phänomen:EinzelnesuchensichschnelleinenAuf- gabenteil, der ihnen besonders liegt, bearbeiten diesen und fühlen sich Schneider“. Eine Kollaboration kommt so nicht zustande. ”Gruppenarbeit-nein-danke“-Phänomen:GenerellenegativeEinstellunggegenüber Gruppenarbeit. ”Groupthink“-Phänomen:EineGruppemithohemZusammenhaltneigtdazuun- erwünschte Informationen abzuwehren und sich so allmählich von Außenkritik zu isolieren. ”Sucker-Effekt“:EineinzelnerreklamiertdengesamtenGruppenerfolgfür sich ”Ringelmann-Effekt“:DieindividuelleLeistungnimmtmitsteigenderGruppengröße ab
Das Ziel bei der Gestaltung von Gruppenarbeit ist es, bei der Nutzung der Vorteile - unter Beachtung der Phänomene - die Nachteile nach Möglichkeit zu minimieren, um so ein optimales Ergebnis zu erzielen. Dazu ist es nötig, Gruppen in ihrer Komplexität zu verstehen, weshalb im weiteren Verlauf dieses Kapitels relevante Größen der Gruppenarbeit beschrieben werden. Dieses grundsätzliche Verständnis soll später dazu dienen, Gruppenarbeit effektiv gestalten zu können.
2.1.3 Gruppentypen
Der bisher eingeführte Gruppenbegriff umfasst eine Vielzahl von sozialen Gebilden, welche als soziale Gruppen bezeichnet werden. Diese echten sozialen Gruppen unterscheiden sich anhand der vier Kriterien von flüchtigen Interaktionssituationen (z.B. Personen, die gemeinsam an einer Bushaltestelle stehen):
1. Ständige Kommunikationsmöglichkeit und fortgesetzte Kommunikation innerhalb der Gruppe (ongoing interaction)
2. Abgrenzung von der Umwelt und Binnenstrukturierung der Gruppe (boundary and struc- turation)
3. Zusammengehörigkeitsgefühl der Mitglieder (sense of membership)
4. Kollaboration und wechselseitige Unterstützung der Mitglieder (collaboration)
Diese sozialen Gruppen können durch die Abgrenzung von verschiedenen Gruppentypen struk- turiert werden (vgl. Abbildung 2.1). Der Betrachtungsgegenstand dieser Arbeit liegt dabei im Bereich der Lern- und Arbeitsgruppen, welche sich durch die folgenden Merkmale auszeichnen:
Formale Gruppe
Formale Gruppen dienen in erster Linie sachlich-instrumentellen Zielen und werden häufig innerhalb von Organisationen gebildet. Sie weisen einen geringeren sozio-emotionalen Bin- dungsgrad ihrer Mitglieder auf, als dies bei informellen Gruppen (z.B. in einer Reisegruppe) der Fall ist und werden häufig zu einem ganz bestimmten Zweck gebildet.
Kleingruppe
Unter einer Kleingruppe versteht man Gruppen mit nicht mehr als 30 Mitgliedern, welche typischerweise alle regelmäßig miteinander interagieren. Diese Gruppenform ist im Gegensatz zu den Großgruppen wesentlich umfangreicher erforscht.
Sekundärgruppe
In Sekundärgruppen herrscht im Gegensatz zu den Primärgruppen eine relativ geringe sozio-emotionale Bindung unter den Mitgliedern und sie bestehen meist nicht so lange wie Primärgruppen.
Diese Systematisierung, wie sie in Abbildung 2.1 aufgezeigt ist, stellt jedoch kein starres Gebilde dar. So können Personen auch Mitglied in verschiedenen Gruppen sein und es kann auch Mischtypen von Gruppen geben. Nichtsdestotrotz ist eine Systematisierung von sozialen Gruppen anhand dieser Merkmale sinnvoll ([Dör03], S. 490ff. und , [JJ04] S. 42f.).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.1 — Gruppentypen ([Dör03], S. 490)
In der Literatur findet zudem teilweise eine Unterscheidung zwischen Gruppen und Teams statt, wobei Teams durch ein Ziel charakterisiert sind, welches von außen vorgegeben ist. Bezüglich der Realisierung dieses Ziels, besitzen Teams jedoch einen gewissen Grad an Autonomie. Dieser erlaubt es ihnen, die Aufgabenverteilung, die individuelle Teilaufgabenausführung und die Koor- dination der Teillösungen selbst zu bestimmen ([Alt05], S. 46f.). Gruppen im Sinne dieser Arbeit hingegen besitzen bei der Bearbeitung von Aufgaben ebenso wie Arbeitsgruppen eher die Eigen- schaften von Teams, weshalb innerhalb dieser Abhandlung beide Begriffe synonym verwendet werden.
2.1.4 Interaktionsformen
Um Arbeiten innerhalb einer Gruppe auszuführen, sind bestimmte Interaktionsformen notwen- dig. Diese können in die drei Kategorien Kommunikations-, Koordinations- und Kooperations- prozesse differenziert werden. Sie stehen dabei wie in Abbildung 2.2 verdeutlicht in einem hier- archischen Abhängigkeitsverhältnis zueinander. Kooperationsprozesse (wie die Erstellung einer Lösung) erfordern demnach Koordinatiosprozesse. Diese wiederum sind nur möglich, wenn ad- äquate Kommunikationsprozesse zur Verfügung stehen ([TSMB95], S. 10f.). Nachfolgend werden
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.2 — Gruppenprozesse innerhalb der Gruppenarbeit ([TSMB95], S. 11)
diese drei Interaktionsformen genauer beschrieben:
Kommunikation
Klassisch wird Kommunikation als wechselseitige Übertragung von Information vom Sen- dern zum Empfänger über einen Kanal gedeutet. Sie wird jedoch komplexer, wenn man auch die Beziehungsebene mit berücksichtigt ([Sch01b], S. 448). Dabei kann menschliche Kommunikation als ein dynamischer und hochkomplexer Prozess betrachtet werden, in dem sprachliche und nicht-sprachliche Ausdrücke transferiert werden. Die Interpretation der Ausdrücke durch den Sender und die Empfänger ist dabei von großer Bedeutung. So unterscheidet beispielsweise Schulz von Thun1 die folgenden vier Seiten einer Nachricht: Sachaspekte: die Information, die durch die Nachricht zum Ausdruck kommt bzw. vom Empfänger interpretiert wird
Appellaspekte: die unausgesprochenen Wünsche des Senders bzw. die beim Empfänger wahrgenommenen Wünsche
Beziehungsaspekte: die Relation des Senders zum Empfänger bzw. die beim Empfänger wahrgenommene Relation
Selbstoffenbarung: die Offenbarung der Gefühle des Senders bzw. die beim Empfänger wahrgenommenen Gefühle
Dabei kann sowohl der Empfänger als auch der Absender einer Nachricht diese grundsätz- lich nach allen vier Aspekten analysieren ([GK07], S. 20ff.). Diese kurze Einführung in die Kommunikationstheorie soll im Rahmen dieser Arbeit ausreichen, um die Komplexität der Kommunikation aufzuzeigen2. Gerade diese Komplexität der Kommunikation sollte insbesondere bei der Gestaltung und Betrachtung von Aufgaben und bei der Wahl von Kommunikationsmedien berücksichtigt werden.
Koordination
Koordination bezeichnet die Kommunikation, welche zur Planung und inhaltlichen Abstim- mung von Personen bei der Bearbeitung einer Gruppenaufgabe nötig ist. Dazu werden, um eine Aufgabe zu bewältigen, die Abhängigkeiten zwischen Zielen, Aktivitäten und Akteu- ren gestaltet. So werden beispielsweise komplexe Aufgaben in Teilaufgaben zerlegt, welche einzelnen Gruppenmitgliedern zugeteilt werden. Allerdings ist nicht nur Kommunikation für die Koordination nötig, sondern es muss auch die Kommunikation koordiniert werden z.B. im Hinblick auf Zeit, Ort, Medien oder Teilnehmer des nächsten Treffens ([Sch01b], S. 12 und [TSMB95], S. 23ff.).
Kooperation und Kollaboration
In der Literatur werden die Begriffe Kooperation und Kollaboration von einem Teil der Autoren synonym verwendet; es kann jedoch auch eine Differenzierung festgestellt werden. Reinmann-Rothmeier und Mandel ([RRM99]) fassen im Kontext des Lernens kooperatives Lernen als Aufteilung der Arbeit auf die einzelnen Gruppenmitglieder auf. Die Ergebnis- se der einzelnen Mitglieder werden abschließend zu einem gemeinsamen Arbeitsergebnis vereint. Dabei kann der Arbeitsablauf durch unterschiedliche Vorgaben gesteuert werden. Demgegenüber bestimmen die Gruppenmitglieder beim kollaborativen Lernen ihr Vorge- hen weitgehend selbst und es erfolgt höchstens eine minimale Strukturierung von außen. Kurz ausgedrückt bezeichnet Kollaboration eine eher unstrukturierte, Kooperation eine eher strukturierte Zusammenarbeit ([Wes05] S. 18). Die Abbildung 2.3 verdeutlicht diesen Unterschied nochmals. Kooperation bzw. Kollaboration liegt vor, wenn die Gruppenmit- glieder gemeinsame Ziele verfolgen, welche sie alleine nicht erreichen können. Die folgenden Aspekte zeichnen Kooperation bzw. Kollaboration aus ([TSMB95], S. 24f.):
- Ziele
Es gibt ein gemeinsames Ziel (z.B. die Erstellung eines Berichtes), allerdings muss dieses nicht automatisch das übergeordnete Gesamtziel sein. Es ist also auch möglich, auf Basis von gemeinsamen Teilzielen zu kooperieren.
- Explizite Koordination
Manche Kooperationen lassen sich daran erkennen, dass es einen expliziten, gemeinsamen Plan gibt, der die Art der Zusammenarbeit regelt, insbesondere die Delegation von Arbeitsschritten.
- Gemeinsames Material
Kooperationen kann man unter Umständen an dem gemeinsamen Material erkennen, also an vorgegebenen oder künstlich geschaffenen Entitäten, die das Zusammenar- beiten vermitteln oder ermöglichen. Solche Entitäten können in verschiedenen Funk- tionen auftreten: Als gemeinsam gepflegte Ressource zur Unterstützung der Arbeit,
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.3 — Idealtypische Darstellung kollaborativer und kooperativer Prozesse ([Gri06] ,S. 78).
als Arbeitsgegenstand, als Gedächtnis, als Träger von Zeichen zwecks Verständnisvermittlung oder als Bezugspunkt, der die Interaktion fokussiert.
- Vertrauen
Als wesentliches Element muss eine gemeinsame Vertrauensbasis vorhanden sein. Darauf aufbauend können sich die Kooperationspartner darauf verlassen, dass der Beitrag des jeweils Anderen mit dem eigenen Interesse in der Gesamtwirkung vereinbar ist. Bei zwangsweise zusammengestellten Teams kann diese Vertrauensbasis fehlen, wodurch die Zusammenarbeit ineffizient werden kann.
2.1.5 Phasen der Gruppenentwicklung
Für die in dieser Arbeit betrachteten formalen Kleingruppen hat Bruce Tuckman ([Tuc65]) ein idealtypisches Fünf-Phasen-Modell der Gruppenentwicklung vorgeschlagen, welches aus den folgenden Phasen besteht (die nachstehenden Ausführungen orientieren sich an ([Dör03], S. 494ff. und [Hen02], S. 446ff.):
Forming
Orientierungsphase, in der sich die einzelnen Mitglieder in der neu zusammengestellten Gruppe zusammenfinden und erste Gruppenprozesse in Gang setzen. Die Zusammenstellung kann dabei von außen vorgegeben werden oder durch die Mitglieder selbst erfolgen. Diese Anfangsphase ist meist durch Verhaltensunsicherheit, aber auch durch Optimismus, Neugier und Vorfreude geprägt. Inhaltlich geht es in dieser Phase vor allem darum, die gemeinsame Aufgabe und die gemeinsamen Ziele zu definieren.
Storming
Konfliktphase, in der die Gruppenmitglieder sich ernsthaft mit der Aufgabe beschäftigen und unterschiedliche Vorstellungen über Ziele, Vorgehensweisen, Aufgaben- und Rollen- verteilungen formulieren. Dabei kommt es häufig zu Spannungen und Konflikten innerhalb der Gruppe, da die einzelnen Gruppenmitglieder in dieser Phase häufig bewusst oder unbe- wusst ihre Grenzen ausloten und es zu offenen oder verdeckten Positionskämpfen kommt.
Norming
Konsolidierungsphase, in der die Gruppenmitglieder zu einer gemeinsamen Linie und ein- vernehmlichen Regeln, Rollen und Aufgabenverteilungen finden. Es entsteht ein übergrei- fend akzeptierter Standpunkt und eine gemeinsame Begriffswelt. Dabei wird das Klima innerhalb der Gruppe freundlicher und die Fähigkeit zur Zusammenarbeit in der Gruppe wird größer.
Performing
Durchführungsphase, in der die Gruppenmitglieder einander bereits relativ gut kennen und sich verstärkt mit der Aufgabenbearbeitung befassen. Diese konstruktive Zusammenarbeit baut dabei auf den vorher von allen akzeptierten, formal festgelegten oder stillschweigend unterstellten Verhaltensregeln auf. Insgesamt besteht in dieser Phase ein starker Zusam- menhalt in der Gruppe, welcher durch die Erzielung von guten Ergebnissen noch verstärkt wird.
Adjourning
Auflösungsphase, in der die Aufgaben abgeschlossen und die sozialen Gruppenbeziehungen wieder gelockert werden. Falls die Anforderungen in den einzelnen Phasen nicht bewältigt werden können, so kann es schon vorher zum Auseinanderfallen der Gruppe kommen.
Das Durchlaufen der soeben dargestellten Phasen kann dabei in unterschiedlichen Zeiträumen stattfinden. So können z.B. Arbeitsteams diese Phasen binnen weniger Wochen, Tage oder sogar Stunden durchlaufen und abschließen. Bei der Gestaltung von Gruppenaufgaben, wie sie im Folgenden beschrieben wird, sind diese Phasen mit zu berücksichtigen.
2.1.6 Gruppenaufgabe
Gruppenproduktivität ist entscheidend auch von einer passenden Aufgabe abhängig. Nicht jede Aufgabe eignet sich für die Bearbeitung in Gruppen. Steiner unterscheidet 12 Aufgabentypen für die Gruppenarbeit, welche in die folgenden vier Dimensionen eingeteilt werden können ([Ste72] S. 14ff. nach [JJ04] S. 45):
Unterteilbarkeit der Aufgabe
Eine unterteilbare Aufgabe kann für die Arbeitsteilung in Teilaufgaben zerlegt werden; diese Zerlegung ist bei nicht-unterteilbaren Aufgaben nicht möglich.
Maximierung vs. Optimierung
Bei Maximierungsaufgaben steht die Quantität des Ergebnisses im Vordergrund (Samm- lung möglichst vieler Ideen beim Brainstorming), während bei Optimierungsaufgaben auf die Erreichung eines fest definierten Ziels hingearbeitet wird (Erarbeitung eines Textes).
Verhältnis von Einzelleistung und Gruppenprodukt
Innerhalb dieser Dimension wird nochmals zwischen fünf Aufgabentypen unterschieden:
- Additive Aufgaben
Die von den einzelnen Gruppenmitgliedern erbrachten Leistungen werden um das Gruppenergebnis zu erzielen (z.B. bei Brainstormingaufgaben).
- Kompensatorische Aufgaben
”aufaddiert“ Das Gruppenergebnis wird aus dem Durchschnitt der Einzelergebnisse gebildet (z.B. bei Schätzaufgaben).
- Disjunktive Aufgaben
Die Gruppe einigt sich auf eine einzige Lösung, welche als Gruppenlösung gilt und von allen Mitgliedern getragen wird (z.B. Rechenaufgaben oder Geschworenenent- scheidungen).
- Konjunktive Aufgaben
Der Beitrag aller Mitglieder ist nötig um eine Aufgabe zu erfüllen (z.B. gemeinsames Musizieren oder gemeinsame Bergbesteigung).
- Ermessensspielraum
So kann beispielsweise bei mehreren konkurrierenden Lösungen eine Abstimmung entscheiden, oder die Gruppenleitung trifft eine Entscheidung.
Abhängigkeit der Gruppenmitglieder voneinander
Diese Dimension teilt sich ebenfalls wie folgt auf:
- Kooperationssituationen
Reine Kooperationssituationen zeichnen sich dadurch aus, dass der Erfolg bzw. Misserfolg der gesamten Gruppe gleichermaßen von allen Mitgliedern abhängig ist, woraus sich ein ähnliches Interesse aller Mitglieder am Gruppenerfolg ergibt.
- Wettbewerbssituationen
In reinen Wettbewerbssituationen stehen die Mitglieder einer Gruppe in Konkurrenz um z.B. Status oder Ressourcen zueinander.
- Soziales Dilemma
Als Soziales Dilemma werden Situationen bezeichnet, in denen sowohl Kooperationsals auch Wettbewerbssituationen auftreten und ein einzelnes Mitglied seine Interessen besser durchsetzen kann, wenn es nicht für die Gruppe arbeitet. Solche Situationen treten z.B. auf, wenn ein einzelnes Gruppenmitglied sein Wissen nicht teilt, um in einem abschließenden vergleichenden Test besser abzuschneiden.
Die Vermeidung von Wettbewerbssituationen ist dabei eine Voraussetzung für Gruppenarbeit, da die kooperative Zusammenarbeit insgesamt zu Gruppen führt, welche produktiver und zufriedener sind.
Diese soeben dargestellte Klassifikation ermöglicht jedoch keine eindeutige Ableitung von an- gemessenen Aufgabentypen für bestimmte Gruppensituationen; vielmehr stehen die einzelnen Aufgabentypen in einer Wechselbeziehung zueinander. Bei einer Entscheidung, welche Aufga- benform für eine Gruppenarbeit gewählt wird, ist jedoch zu beachten, in wieweit durch die Aufgabenstellung eine positive Aufgabeninterdependenz3 entsteht.
Positive interdependence is linking students together so one cannot succeed unless all group members succeed. Group members have to know that they sink or swim together ([JJH98], S. 4:7).
Es sollte nach Möglichkeit vermieden werden, dass die einzelnen Mitglieder einer Gruppe weitgehend unabhängig voneinander arbeiten und die Ergebnisse lediglich additiv zusammengefügt werden ([Hin04], S. 82f.).
Hinze weist neben dem Typ der Aufgabe auch auf die Wichtigkeit hin, dass eine Gruppenaufga- be ein prüfungsfähiges Produkt (vgl. dazu auch den Punkt 2.1.11) hervorbringen sollte, welches öffentlich präsentiert wird. Auch die Dimensionierung der Aufgabe muss angemessen sein, wobei vor allem auf den Zeitrahmen für die Bearbeitung der Aufgabe zu achten ist. Neben dem Faktor Zeit ist auch die Strukturiertheit der Aufgabe von Bedeutung. So sind komplexe unstrukturierte Aufgaben für ”echte“Gruppenarbeitgutgeeignet,allerdingsstellensieauchhoheAnforderun- gen an die Teilnehmer. Dies kann zur Folge haben, dass Teilnehmer überfordert werden, was zur Demotivation führen kann. Es ist deshalb unter Umständen (je nach den Fähigkeiten der Teilnehmer) sinnvoll, den Komplexitätsgrad iterativ zu steigern und mit weniger komplexen Aufgaben zu beginnen ([Hin[04]], S.84f.).
Um eine Aufgabenbearbeitung im Sinne des Aufgabenstellers zu gewährleisten ist eine adäqua- te Formulierung der Aufgabenstellung in einer angemessenen Granularität wichtig. Bei einer unscharf formulierten Arbeitsanweisung kann es ansonsten zu Verständnisproblemen kommen, deren Klärung insbesondere bei einer rein virtuellen Aufgabenbearbeitung nur mit hohem Auf- wand möglich ist. Zudem sollte aus der Aufgabenstellung auch hervorgehen, inwieweit die Grup- pe bei der Lösung autonom handeln kann. Durch die Formulierung der Aufgabe erfolgt i.d.R. auch eine Vorstrukturierung der Zusammenarbeit in der Gruppe. Je nach Intention ist darauf zu achten, ob eher eine kollaborative oder kooperative (vgl. dazu 2.1.4) Bearbeitung der Aufgabe angestrebt wird ([Hin[04]], S.86).
2.1.7 Gruppenbildung
Bei der Gruppenbildung gibt es prinzipiell die Möglichkeiten, dass sich die Teilnehmer selbst zu Gruppen zusammenfinden, durch den Lehrenden eingeteilt werden, eine Einteilung durch Vorgaben (z.B. in jeder Gruppe muss mind. eine weibliche Person sein) reglementiert ist, oder per Zufall erfolgt. Eine wichtige Grundüberlegung bei der Auswahl der Methode der Gruppenbildung ist es, ob die Gruppe eher homogen oder heterogen zusammengesetzt werden soll. Bei einer Einteilung durch die Teilnehmer selbst entstehen tendenziell eher homogene Gruppen, was für die Verständigung innerhalb der Gruppe förderlich ist, da die einzelnen Gruppenteilnehmer tendenziell über einen ähnlichen Hintergrund verfügen. Für die Bearbeitung von best. Aufgaben sind jedoch unterschiedliche Kompetenzen nötig, welche nur in heterogenen Gruppen vorhanden sein können. Ist das der Fall, so ist eine Einteilung der Gruppen durch den Lehrenden vorzuziehen ([Hin04], S. 125 und [KNN04], S. 273f.).
Für das Lösen von Problemen sind heterogene Gruppen prinzipiell besser geeignet als homogene. Dabei ist der Faktor Zeit bei der Zusammenstellung von Gruppen von entscheidender Bedeutung, da - je heterogener Gruppen sind - es aufgrund der verschiedenen Meinungen, Fähigkeiten, Einstellungen und Werte umso länger dauert, bis die Unterschiede innerhalb der Gruppe entdeckt und akzeptiert sind und so produktiv genutzt werden können. Allerdings kann aufgrund der Homogenität bzw. Heterogenität alleine keine Entscheidung über die Zusammensetzung der Gruppe getroffen werden. Ein gewisses Maß an Heterogenität sollte jedoch nicht überschritten werden, da es ansonsten zu Prozessverlusten kommt ([Hin04], S. 128f.).
2.1.8 Gruppengröße
Neben den bisher angesprochenen Einflussgrößen ist auch die Gruppengröße ein entscheidender Faktor für die Effizienz und Effektivität der Gruppenarbeit. Im Gegensatz zu z.B. den persönli- chen Merkmalen der Gruppenmitglieder lässt sich die Gruppengröße sehr leicht beeinflussen. Es gibt allerdings keine ideale Gruppengröße, sondern es lassen sich lediglich Aussagen über die Wir- kung von Veränderungen bei bestimmten Aufgabentypen treffen ([Alt05], S. 55). Grundsätzlich kann angenommen werden, dass eine steigende Gruppengröße zu Prozessverlusten führt. Des- halb empfehlen Schmidtmann und Heidbrink für virtuelle Arbeitsgruppen eine Größe zwischen drei und fünf Mitgliedern, um den Koordinationsaufwand innerhalb der Gruppe in Grenzen zu halten ([SH04a], S. 19).
Empirische Untersuchungen zur Gruppengröße werden von Steiner ([Ste72], S. 67ff. nach [Alt05], S. 55) wie folgt zusammengefasst:
- Bei unitären, disjunkten Aufgaben führt eine Erhöhung der Gruppengröße zu potenziell höherer Produktivität.
- Wird bei einer unitären, konjunktiven Aufgabenstellung die Anzahl der Gruppenmitglieder erhöht, so wird die Produktivität der Gruppenmitglieder tendenziell sinken.
- Handelt es sich um eine additive Aufgabenstellung, liegt ein positives Verhältnis zwischen der Gesamtgruppenleistung und der Gruppengröße vor. Jedes weitere Mitglied steigert die potenzielle Leistung der Gruppe linear.
- Bei teilbaren Aufgaben ist ein positiver Produktivitätseffekt bei Erweiterung der Gruppe zu erwarten. Abhängig von der Art der Aufgabe wird jedoch häufig eine abnehmende Grenzproduktivität beobachtet.
2.1.9 Moderation
Moderation, welche auch als Gruppenleitung bezeichnet wird, hat das Ziel, die Zusammenar- beit zu unterstützen und produktiv und effizient zu machen. Diese Leitungsfunktionen in einer Gruppe sind nicht automatisch an bestimmte Personen gebunden und können sowohl von Ein- zelpersonen als auch von Leistungsteams übernommen werden ([SS01], S. 67 und [JJ04], S. 51f.).
Der Moderator muss dabei die drei Ebenen Aufgabe, Gruppe und Individuum, welche bei der Zusammenarbeit zum Tragen kommen, beachten. Daraus lassen sich die drei folgenden, unter- trennbar miteinander verbundenen und gleichzeitig ablaufenden Funktionen ableiten ([McG91] S. 151ff. zitiert nach [SS01], S. 67):
- Die aufgabenbezogene Funktion bzw. Produktionsfunktion, die sich auf die Ausführung einer übertragenen Aufgabe bezieht. Das Produktionsergebnis ist z.B. ein Beitrag zu einer Problemlösung innerhalb der Institution, für die die Gruppe tätig ist.
- Die gruppenbezogene Funktion, die das Wohlbefinden der Gruppe als intaktes und fortdauerndes soziales Gebilde betrifft, z.B. die ÜbernahmevonRolleninderGruppeunddas Entwickeln von Verhaltensregeln und Normen für das Miteinander.
- Die personenbezogene Funktion, die sich auf die Unterstützung des einzelnen Gruppenmitgliedes bezieht, z.B. den Aufbau von Beziehungen untereinander.
Die Koordination dieser Funktionen, zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit der Gruppe, ist die Auf- gabe des Moderators. Dabei hat er sich aus inhaltlichen Auseinandersetzungen herauszuhalten und eine neutrale Position inhaltlich und auch gegenüber von Personen einzunehmen ([SS01], S. 67). Im Rahmen von Lehrveranstaltungen wird die Moderation i.d.R. von einem Lehrenden übernommen4. Neben der bereits angesprochen Neutralität des Moderators charakterisieren die folgenden Merkmale moderierte Zusammenarbeit ([SS01], S. 68):
- Vereinbarung von Regeln der Zusammenarbeit Zu Beginn der Zusammenarbeit vereinbaren die Gruppenmitglieder einfache Kommunikationsregeln, wie z.B. dass jeder zu Wort kommt und dass die Gruppenmitglieder fremde Meinungen akzeptieren.
- Strukturierung des Problemlösungsprozesses Diese Gruppenarbeit wird in unterschiedliche Problemlösungsphasen gegliedert. Insbesondere werden Ideengenerierung, -verdichtung und Bewertung voneinander getrennt.
- Medieneinsatz
Die Gruppe verlässt sich nicht nur auf das gesprochene Wort, sondern verwendet auch Medien, um den Arbeitsfortschritt zu dokumentieren.
- Einsatz von Moderationsmethoden und -techniken Diese machen rezeptartige Vorschläge für die bisher genannten Punkte
- Ergebnisorientierte Vorplanung
Die Zusammenarbeit wird ausgehend vom gewünschten Ergebnis geplant und nicht ausge- hend von dem aktuellen Problem. Dadurch wird eine zielorientierte Vorgehensweise mög- lich.
- Offenlegung des Prozesses
Den Gruppenmitgliedern wird die Planung der Zusammenarbeit offen gelegt; sie werden dadurch dazu eingeladen, über die Arbeit zu reflektieren und selbst aktiv zum Gelingen beizutragen ( ”dadurch wird jeder Teilnehmer auch zum Moderator“)
2.1.10 Kohäsion in Gruppen
Kohäsion bezeichnet das unterschiedliche Maß an Gemeinschaftsgefühl, Solidarität und Commitment in Gruppen und kann als durchschnittliche Attraktivität der Gruppe für ihre Mitglieder definiert werden. Diese Attraktivität ist dabei von vielen Aspekten abhängig. Wesentliche Aspekte sind dabei ([Hin04], S. 132ff.):
Attraktivität der Gruppemitglieder
Diese ist einerseits von situationsbezogenen Merkmalen wie der Gelegenheit zur gegenseitigen Beeinflussung und der Gelegenheit für gemeinsames Tun ebenso abhängig, wie andererseits interpersonale Merkmale, d.h. etwa die erlebte Ähnlichkeit und die beobachteten Fähigkeiten der anderen Gruppenmitglieder.
Attraktivität der Gruppenaktivitäten
Interessante Betätigungen ermöglichen die Befriedigung elementarer Bedürfnisse (z.B. Diskussionen).
Attraktivität der Gruppenziele
Dabei geht es um Ziele, die von der Gruppe als Ganzes erreicht werden können und von denen man persönlich profitieren kann.
Attraktivität der Gruppenmitgliedschaft
Die Möglichkeit zum Vergleich der Fähigkeiten und Meinungen mit denen anderer Mitglieder, die Unterststützung bei der Erreichung individueller Ziele, eine besondere Leistungsfähigkeit der Gruppe oder ein hohes Ansehen der Gruppe im Vergleich zu anderen Möglichkeiten macht eine Gruppenmitgliedschaft interessant.
Eine hohe Kohäsion in der Gruppe führt dazu, dass sich Mitglieder im Sinne der Gruppe verhal- ten, wodurch externe Kontrollen und Sanktionen minimiert werden können. Ebenfalls wirkt eine hohe Kohäsion als individuell motivierend und die Kooperation und Leistungssteigerung erfolgt primär aus dem Interesse an der Gruppe. Dadurch können Phänomene wie das ”Trittbrettfah- ren“ verringert werden. Allerdings bringt eine hohe Kohäsion nicht zwangsläufig eine Erhöhung der Gruppenleistung mit sich. Vielmehr gilt es ein optimales Maß an Kohäsion in einer Gruppe zu finden, um die beste Gruppenleistung zu erreichen, denn allgemein gilt, dass sich sowohl eine zu hohe als auch eine zu geringe Gruppenkohäsion kontraproduktiv auf die Leistung der Gruppe auswirken.
2.1.11 Bewertung
Bei der Aufgabenbearbeitung innerhalb von Lerngruppen ist i.d.R. letztlich eine Bewertung der Leistung nötig. Die Art und Weise wie diese durchgeführt wird, sollte mit Bedacht gewählt wer- den, da die Mitglieder einer Gruppenarbeit ihre Tätigkeiten häufig nach ihrer Prüfungsrelevanz priorisieren. Deshalb ist es bei der Bewertung einer Gruppenarbeit wichtig, dass nicht nur die individuellen oder nur die Gruppenleistungen berücksichtigt werden. Denn beides kann zu ne- gativen Effekten (vgl. Abbildung 2.4) bei der Aufgabenbearbeitung führen. Eine ausschließliche Bewertung der Gruppenleistung kann einerseits zu sozialem Faulenzen von einzelnen Gruppen- mitgliedern führen und ist andererseits aus rechtlichen Gründen5 oft problematisch. Demge- genüber bedingt eine ausschließliche Bewertung von Einzelleistungen, dass das Interesse der Teilnehmer an der Gruppe in den Hintergrund tritt und jeder versucht sein wird, die Bewertung für sich zu maximieren. Deshalb sollten bei der Beurteilung von Gruppenergebnissen sowohl
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.4 — Bewertung bei Gruppenaufgaben und mögliche Folgen ([Hin04], S. 105)
die individuelle, als auch die Gruppenleistung in einem angemessenen Verhältnis berücksichtigt werden. Die Aufgabenstellung sollte dabei so gestaltet sein, damit zwischen den Teilnehmern eine Interdependenz hergestellt wird, was zur Folge hat, dass eine eigene gute Leistung auch zur Verbesserung des Gruppenergebnisses führt. So könnte beispielsweise die gesamte Gruppe für die erstellte Leistung / das Produkt eine Note erhalten, welche innerhalb der Gruppe leistungsbezogen aufgeteilt wird ([Boh05], S. 104ff und [Hin04], S. 104f.).
2.2 Computervermittelte Kommunikation
Bei der Gruppenarbeit im Rahmen von rein virtuellen Veranstalltungen und beim Blended Lear- ning läuft die Kommunikation zum Teil bzw. vollständig computervermittelt ab. Unter Compu- tervermittelter Kommunikation (CvK) wird jene Kommunikation verstanden, bei der sowohl auf der Seite des Senders, als auch auf der Seite des Empfängers einer Botschaft ein Computer zur En- und Dekodierung der Nachricht zum Einsatz kommt. Diese breitgefasste Definition umfasst eine ganze Reihe von Medien, welche sich hinsichtlich der folgenden Dimensionen unterscheiden lassen ([BJS00], S. 2):
- synchron oder asynchron
- textbasiert, auditiv oder audiovisuell
- bilateral (one-to-one) oder multilateral (one-to-many)
- pull (Empfänger muss sich selbst Zugang zur Botschaft verschaffen) vs. push (dem Empfänger wird die Botschaft geliefert)
Eine erste Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile von Face-to-Face-Kommunikation und CvK ist in Tabelle 2.1 dargestellt. Zur Erklärung der Effekte der CvK jedoch reicht eine so schlichte Gegenüberstellung zwischen Face-to-Face-Kommunikation und CvK i.d.R. nicht aus, da durch die CvK auch neue Kommunikationssituationen generiert werden ([Gri06], S. 35f). Deshalb wur- den mittlerweile eine Reihe von Modellen entwickelt, welche sich mit den sozialen Bedingungen,
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2.1 — Vor- und Nachteile von Face-to-Face-Kommunikation und CvK ([Wol07], S. 33)
Merkmalen und Konsequenzen medialer (und insbesondere computervermittelter) Kommunikation befassen ([Dör00], S. 27). Einen Überblick über die Kernaussagen der elf wichtigsten Theorien6 zur CvK zeigt Tabelle 2.2. In ihr unterteilt Döring die unterschiedlichen Modelle in die folgenden drei Gruppen ([Gri06], S. 39):
- Theorien der Medien: Diese Theorien liefern Erklärungsansätze zur Frage, welches Medium von welcher(n) Person(en) warum in welcher Situation gewählt wird.
- Theorien zu Medienmerkmalen: Versuchen die Frage zu beantworten, welche Einschränkungen und Mehrwerte mediale Umgebungen zur Folge haben.
- Theorien zum medialen Kommunikationsverhalten: Geben Erklärungsmuster auf, welche Art von Personen ihr Kommunikationsverhalten den medialen Einschränkungen anpassen bzw. Mehrwertpotenziale nutzen, um neue Handlungsoptionen auszubilden.
Dieser Überblick über die CvK soll an dieser Stelle genügen. Im Rahmen dieser Arbeit sind vor allem die im folgenden Unterpunkt ausführlicher beschriebenen Theorien für die Auswahl geeigneter Medien zur Unterstützung der Aufgabenbearbeitung in Gruppen von Bedeutung.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2.2 — Kernaussagen der elf wichtigsten Theorien zur CvK ([Dör03], S. 187)
2.3 Computer Supported Cooperative Work und Computer Supported Cooperative Learning
Erkenntnisse aus den Forschungsgebieten Computer Supported Cooperative Work und Computer Supported Cooperative Learning bilden die Grundlagen für die Bearbeitung von Lern- und Arbeitsaufgaben. Deshalb werden in diesem Kapitel zentrale Erkenntnisse, welche bei der Wahl und Gestaltung von Gruppenarbeit mit einem LMS zu berücksichtigen sind, dargestellt.
2.3.1 Begriffe
Zunächst werden die in diesem Zusammenhang genannten relevanten Begriffe kurz erklärt. Deren Interdependenzen mit den bisher betrachteten Begriffen zeigt sich deutlich Anhand des statischen Begriffsnetzes vom Beats Biblionetz [Bib07] zum Begriff CSCW (vgl. Abbildung 2.5).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.5 — Statistisches Begriffsnetz zum Begriff CSCW (in Anlehnung an [Bib07])
Computer Supported Cooperative Work (CSCW)
Das Forschungsgebiet des CSCW beschäftigt sich mit der Nutzung computergestützter Technologien zur Unterstützung von Menschen bei der Bearbeitung einer gemeinsamen Aufgabe. In der Literatur findet man eine Reihe von Definitionen von CSCW ([Ger07], S. 145). Für das Verständnis von CSCW in dieser Arbeit soll die folgende Definition nach [TSMB95] dienen:
CSCW ist die Bezeichnung des Forschungsgebietes, welches auf interdisziplinärer Basis untersucht, wie Individuen in Arbeitsgruppen und Teams zusammenarbeiten und wie sie dabei durch Informations- und Kommunikationstechnologie unterstützt werden können. Ziel aller Bemühungen im CSCW ist es, unter Verwendung aller zur Verfügung stehenden Mittel der Informations- und Kommunikationstechnologie, Gruppenprozesse zu unterstüt- zen und dabei die Effektivität und Effizienz der Gruppenarbeit zu erhöhen ([TSMB95], S. 17).
Computer Supported Cooperative Learning (CSCL)
CSCL bezeichnet das Forschungsgebiet des computergestützten kooperativen bzw. kolla- borativen Lernens unter Nutzung vernetzter Computer. Die wichtigsten Grundlagen liefern Forschungen zum kooperativen Lernen und zur CSCW ([Wes05], S. 36). Ebenso wie CSCW ist auch CSCL ein interdisziplinäres Forschungsfeld, in welchem Aspekte aus Psychologie, Pädagogik, Soziologie und Kommunikationswissenschaften und der Informatik eine Rolle spielen ([HSW04], S. 2).
Groupware
Es existiert zwar keine einheitliche Definition von Groupware, jedoch wird sie häufig als die Realisierung von Ergebnissen aus Gestaltungsaktivitäten des CSCW gesehen. Darun- ter versteht man Software, Hardware und Dienste zur Unterstützung von Gruppen. Das wichtigste Charakteristikum von Groupware ist dabei die Eigenschaft, Benutzer nicht von- einander zu isolieren, sondern gegenseitig übereinander zu informieren (Koexistenz, Awa- reness) ([GK07], S. 10f.). Unter diese Definition würden auch traditionelle Systeme wie das Telefon fallen, jedoch bezieht sich Groupware auf eine bestimmte Klasse von Technologi- en. Damit sind meist Technologien gemeint, die auf Computernetzwerken basieren, z.B. E-Mail oder BSCW7 ([Ger07], S. 148).
Für diese Arbeit sind CSCW, CSCL und Groupware dahingehend von Bedeutung, da sich CSCW und Groupware insbesondere mit der effektiven und effizienten Bearbeitung von Aufgaben be- schäftigt, während CSCL insbesondere Vermittlung von Wissen zum Ziel hat. Bei der Lehre, also auch beim CSCL, werden meist Lernplattformen (vgl. 4.1) eingesetzt. Gegenstand dieser Arbeit ist insbesondere die Bearbeitung von Aufgaben mit einem LMS im Lehrkontext. Um dafür Verbesserungspotentzial von LMS für die Gruppenarbeit zu identifizieren, lohnt sich auch die Betrachtung von CSCW und Groupware, zumal viele Erkenntnisse des CSCL ohnehin dar- auf aufbauen. Wessner geht sogar soweit, dass er im weiteren Sinn CSCL als Anwendung von Groupware für den Bereich des Lehrens und Lernens versteht ([Wes01], S. 203).
2.3.2 Klassifizierung von Groupware
Die computergestützte Bearbeitung von Aufgaben bietet eine Fülle an möglichen Szenarien und die Palette an Unterstützungswerkzeugen ist groß. Aufgrund der großen Auswahl an verschiedener Groupware und den unterschiedlichen Intentionen, die ihrer Entwicklung zu Grunde liegen, ist es sinnvoll, eine Klassifikation vorzunehmen. Im Folgenden werden drei Modelle zur Klassifikation von Groupware vorgestellt.
Raum-Zeit-Taxonomie
Ein erster Versuch war die Klassifikation von Groupware nach Raum und Zeit. Dazu ordnete Johansen [Joh91] Groupware-Lösungen in einer zweidimensionalen Raum-Zeit-Matrix an (vgl. Abbildung 2.6). Es ist jedoch zu beachten, dass umfangreichere Groupware dabei häufig mehrere Quadranten gleichzeitig abdeckt ([GK07], S. 49f.).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.6 — Klassifikation von Groupware nach Raum und Zeit (nach [Joh91] zitiert nach [GK07],
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.7 — Klassifikation von Groupware nach den Interaktionstypen ([TSMB95], S. 27)
Das 3-K-Modell
Groupware-Systeme können auch danach klassifiziert werden, in wieweit sie die drei Interaktionsformen Kommunikation, Koordination und Kooperation (vgl. Abbildung 2.7), welche ausführlich unter Punkt 2.1.4 beschrieben wurden, unterstützen.
Klassifikation nach Gross und Koch
Die Klassifikation von CSCW-Anwendungen nach Gross und Koch weißt viele Parallelen zum 3-K-Modell auf. So dienen ebenfalls Kommunikations- und Koordinationsunterstützung zur Einordnung von Groupware. Die Kooperationsunterstützung wird hier jedoch in Team- und Community-Unterstützung aufgebaut, wobei für diese Arbeit insbesondere Systeme zur Teamunterstützung von Interesse sind. Neu in dieser Klassifikation ist die separate Nennung der Awarenessunterstützung, welche als Erweiterung der Kommunikationsunterstützung verstanden werden kann.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.8 — CSCW-Unterstützung nach Gross und Koch ([GK07], S. 58)
2.3.3 Group Awareness
Ein generelles Problem des CSCL und CSCW ist die Awareness. Diese bezeichnet die gegenseiti- ge Wahrnehmung von Akteuren bei einer Gruppenarbeit übereinander und ist somit ein zentraler Bestandteil für eine erfolgreiche und effiziente soziale Interaktion ([GK07], S. 25 und [Sch01a], S. 205). Bei räumlich verteilten Teams ist eine solche Wahrnehmung besonders schwierig, da die soziale Präsenz fehlt. Dadurch wird eine Abstimmung über einen gemeinsamen Wissenshin- tergrund ( ”Grounding“)erschwert,weshalbesbeiverteiltenTeamswichtigist,dassTeilnehmer explizit über die Aktivitäten der anderen informiert werden ([GK[07]], S.25und [Wes[05]], S.35).
Gutwin und Kollegen unterscheiden vier grundlegende Arten von Group Awareness, welche je nach Art der Kooperation unterschiedlich wichtig für deren Gelingen sind ([GSG[95]] zitiert nach [Wes[05]], S.38):
-Die Social Awareness bezieht sich auf die Gruppe selbst. Was kann und soll ich von den anderen Gruppenmitgliedern erwarten? Wie kann ich mit den anderen Mitgliedern interagieren? Welche Rolle habe ich in der Gruppe?
-Die Task Awareness bezieht sich auf die gemeinsame Aufgabe. Was weiß ich über die Aufgabe und ihre Struktur? Welche Schritte muss die Gruppe absolvieren, um die Aufgabe zu erledigen? Wie wird das Gruppenergebnis bewertet? Welche Ressourcen (Werkzeuge, Materialien, Zeit) werden benötigt? Welche Ressourcen stehen zur Verfügung?
-Die Concept Awareness bezieht sich auf die gemeinsame Information und gemeinsames Wissen. Wie passen die gemeinsamen Informationen zu meinem bisherigen Wissen? Wel- ches Wissen fehlt mir noch? Welche Hypothesen kann ich in Bezug auf das Ergebnis der Aufgabe aufstellen?
- Die Workspace Awareness bezieht sich auf den gemeinsamen virtuellen Arbeitsraum. Was tun die anderen Gruppenmitglieder im Hinblick auf die Erledigung der gemeinsamen Aufgabe? An welchen Teilbereichen arbeiten sie gerade? Was haben sie bereits erledigt? Was planen sie als nächstes zu tun?
Für diese Arbeit gilt es, mit Hilfe des LMS Moodle die gegenseitige Wahrnehmung der Teilneh- mer möglichst gut zu unterstützen. Dabei ist auf das richtige Maß an Awareness-Informationen zu achten, da sich ein Übermaß an Informationen zum einen kontraprokuktiv auf das Gesamt- ergebnis auswirken kann und zum anderen die Privatsphäre der Teilnehmer gefährdet.
2.3.4 Unterstützungssysteme
Virtuelle bzw. ”teilvirutelle“Kleingruppen,wiesiehierbetrachtetwerden,organisierenihreAk- tivitäten zum größten Teil selbst. Deshalb bedarf es Systeme, welche eine Zusammenarbeit in der Gruppe unterstützen. Welche Unterstüzungssysteme prinzipell existieren und welche Eigenschaften sie besitzen müssen, soll Anhand der für diese Arbeit relevanten Unterstützungsformen nach Gross und Koch (vgl.2.3.2) gezeigt werden.
Kommunikationsunterstützung
Die Werkzeuge zu Computervermittelter Kommunikation lassen sich dabei grob in die beiden Klassen zeitversetzte (asynchrone) und zeitgleiche (synchrone) Kommunikation einteilen ([SH[04]b], S.66f.).
Synchrone Kommunikation
Bei der synchronen Kommunikation tauschen die Kommunikationspartner Nachrichten über einen Kommunikationskanal aus. Dabei tritt lediglich eine geringe Zeitverzögerung auf.
Asynchrone Kommunikation
Bei der asynchronen Kommunikation findet eine zeitversetzte Kommunikation statt. Dabei kann ein Kommunikationsparter eine Nachricht absetzen, welche erst später von den anderen Kommunikationspartnern empfangen wird. Dies hat zur Folge, dass nicht alle Kommunikationspartner zur selben Zeit anwesend sein müssen.
Da die einzelnen Werkzeuge für die synchrone und asynchrone Kommunikation mittlerweile weit verbreitet sind, sollen diese nicht einzeln vorgestellt werden sondern in Tabelle2.3nur überblicksartig dargestellt werden.
Koordinationsunterstützung
Bei der Koordinationsunterstützung lassen sich prinzipiell zwei Typen der Unterstützung unterscheiden. Zum einen die Automatisierung von Arbeitsprozessen und zum anderen die implizite8 Koordination über gemeinsame Artefakte. Vor allem die Koordination über ge- meinsame Artefakte ist im Kontext dieser Arbeit von Bedeutung und wird z.B. mittels gemeinsamer Kalendersystemen realisiert. Häufig kommen jedoch auch generische Werk- zeuge wie Wikis und Blogs bei der Koordinationsunterstützung zum Einsatz. Für eine
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Ein Beispiel hierfür ist Skype (http://www.skype.com (letzter Abruf am 15.07.2007)).
2 Als Beispiele sind hier iChat, NetMeeting und Skype zu nennen.
Tabelle 2.3 — Übersicht von Werkzeugtypen zur Kommunikation (eigene Darstellung)
erfolgreich Nutzung ist dabei jedoch eine Einbettung in das soziale System unabdingbar, da eine reine technische Bereitstellung nicht zwangsläufig zum Erfolg führt ([GK07], S. 97ff.).
Awareness-Unterstützung
Wie unter 2.3.3 beschrieben, ist die gegenseitige Wahrnehmung der Teilnehmer einer Gruppenarbeit von großer Bedeutung. Deshalb müssen Anwendungen, welche zur gemeinsamen Aufgabenbearbeitung benutzt werden, fehlende Awareness nach Möglichkeit kompensieren. Dazu sollten diese Werkzeuge den Zustand und Kontext einzelner Teilnehmer, den Status der Objekte und Prozesse sowie Gruppen und Einzelaktivitäten anzeigen. Insbesondere bei asynchroner Zusammenarbeit ist es wichtig, dass die Teilnehmer über Veränderungen an einem gemeinsamen Objekt informiert werden ([HJ04], S. 88). Die Verteilung solcher Awarenessinfomationen findet derzeit meist per E-Mail statt. Anzustreben wäre hier eine Bereitstellung von synchronen Awarenessinformationen, was bisher jedoch nur in Forschungsprototypen vorhanden ist ([GK07], S. 75).
Team-Unterstützung
Für das kooperative Arbeiten sind neben der soeben beschriebenen Awareness noch zu- sätzliche Funktionen kooperativer Systeme nötig. So sollten ein Kooperatives System über einen gemeinsamen Arbeitsbereich zum Austausch von Dokumenten verfügen, welcher Awarenessfunktionen unterstützt. Ebenfalls sollten Kooperative Editoren zur Verfügung gestellt werden, falls mit Anwendungen gearbeitet wird, welche nicht für die kooperati- ve Nutzung konzipiert wurden. So bietet sich die Verwendung von Application Sharing an. Zusätzlich sollen kooperative System auch zusätzliche Steuerungsmechnismen wie Ab- stimmungsprozese unterstützen ([HJ04], S. 88ff.). Typische Anwendungen sind neben den bereits angesprochenen Application Sharig z.B. auch noch Weblogs, Wikis und White- bords.
Im Rahmen dieser Arbeit soll ein Verständnis über den Einsatz von Systemen zur Bearbeitung von Aufgaben in Gruppen dazu beitragen, dass Gruppen die notwendigen Systeme für ihre Arbeit zur Verfügung gestellt werden.
[...]
1 In diesem Zusammenhang spielt insbesondere das im Punkt 2.3 näher betrachtete CSCL eine wichtige Rolle in der wissenschaftlichen Diskussion.
2 Für ”BlendedLearning“oderauch ”hybridesLernen“existiertkeineklareBegriffsdefinition.Allgemeinkann es als ein Ansatz umschrieben werden, der versucht, durch den Einsatz bzw. die Kombination verschiedener
3 http://vc.uni-bamberg.de/moodle/ (letzter Abruf am 13.08.2007)
1 Für eine ausführliche Einführung in die Kommunikationstheorie sei verwiesen auf Schulz von Thun: Miteinander reden, Bd. 1: Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation. - 43. Aufl., RowohltTaschenbuch-Verlag 2006.
2 Für eine weitere Vertiefung sei neben Schulz von Thun auch auf die Theorie der Sprechakte von Habermas (The theory of communicative action, Polity Press, 2004) sowie auf die Semiotik (Nöth: Handbuch der Semiotik, Metzler, 2000) verwiesen.
3 Aufgabeninterdependenz bedeutet, dass Gruppenmitglieder nicht nur die Möglichkeit besitzen zusammenzuarbeiten, sondern dass die Aufgabe eine Zusammenarbeit direkt erfordert.
4 Für eine umfangreiche Einführung in die Betreuung von E-Learning-Veranstaltungen durch Lehrende sei der interessierte Leser auf [Bre06] verwiesen, der einen umfassenden Überblick zu den Aufgaben, die bei der Betreuung von Lernenden auftreten, sowie zu den hierfür benötigten Kompetenzen gibt.
5 Häufig ist eine ausschließliche Beurteilung einer Gruppenleistung und deren Anrechnung als Individualleistung mit geltenden Prüfungsordnungen nur schwer oder gar nicht in Einklang zu bringen.
6 Für eine detaillierte Darstellung sei auf [Dör03] S. 127-200 verwiesen.
7 BSCW steht für Basic Support for Cooperative Work und ist ein am Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik entwickeltes Shared-Workspace-System. Weitere Informationen unter: http://www.bscw. de (letzter Abruf am 23.07.2007).
8 Die Unterstützung impliziter Koordination erfolgt über die Bereitstellung von Awareness ([GK07], S. 101).
- Quote paper
- Johannes Hösl (Author), 2007, Die Aufgabenbearbeitung in Gruppen mit einem Learning Management System. Konzepte und Umsetzungsmöglichkeiten mit Moodle, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82187
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