Das föderale System der Bundesrepublik Deutschland und der Wettbewerb der Parteien gelten oft als die Ursache von Blockaden dringend nötiger Reformen. Der Föderalismus in der Bundesrepublik Deutschland weist einen hohen Grad an Politikverflechtung auf und steht gerade deshalb des öfteren im Kreuzfeuer der Kritik. Das bewusst schwerfällig konstruierte Entscheidungssystem im politischen System der Bundesrepublik scheint den neuen wettbewerbsintensiven Herausforderungen der globalisierten Welt nicht mehr gewachsen. Diese Arbeit beabsichtigt deshalb zu untersuchen, welchen Beitrag parteipolitische Gegensätze, in Form von Wettbewerb unter den Parteien im in die Kritik geratenen föderalistischen System der Bundesrepublik haben. Hierbei steht in der Beantwortung der Frage nach der Möglichkeit oppositioneller Parteien, Reformvorhaben zu blockieren, die zentrale Zielsetzung dieser Arbeit.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Charakteristika des deutschen „Verbundföderalismus“
3. Verschiedenartige Entwicklungen des Parteiensystems und des Bundesstaates
4. Zwischen föderalem Aushandlungszwang und Konkurrenzdemokratie
5. Parteienwettbewerb als Blockadeinstanz im föderalen System ?
6. Resümee
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Insgesamt kann man eine positive Bilanz des Föderalismus in der Bundesrepublik Deutschland ziehen“ (Rudzio 2003: 391). So förderte der Föderalismus in der Bundesrepublik eine Dezentralisierung von Entscheidungskompetenzen. Die Qualität der Entscheidungen stieg durch die Ortsnähe staatlicher Entscheidungen und sorgte so unter anderem für eine Vielfalt des kulturellen Angebots durch größere Streuung öffentlicher Einrichtungen. Des Weiteren erfüllt der bundesdeutsche Föderalismus eine Integrationsfunktion der neuen Bundesländer. Die föderale Ordnung der Bundesrepublik Deutschland erfreut sich einer weitgehenden Akzeptanz, so zeigten sich 1983 73 Prozent der Befragten mit dem Föderalismus zufrieden, während ihm nur 8 Prozent ein schlechtes Zeugnis ausstellten. Die Tatsache dass sich diese Einstellungen seither auf diesem Niveau bewegen, unterstreicht die überwiegend positive Wirkung des Föderalismus in Deutschland(Vgl. Rudzio 2003: 391 f.). Doch trotz dieser positiven Wirkungen zeigen sich Strukturdefizite im föderalen Entscheidungssystem. Insbesondere das föderale System der Bundesrepublik und der Wettbewerb der Parteien gelten oft als die Ursache von Blockaden dringend nötiger Reformen. Der Föderalismus in der Bundesrepublik Deutschland weist einen hohen Grad an Politikverflechtung auf und steht gerade deshalb des öfteren im Kreuzfeuer der Kritik. Das bewusst schwerfällig konstruierte Entscheidungssystem im politischen System der Bundesrepublik scheint den neuen wettbewerbsintensiven Herausforderungen der globalisierten Welt nicht mehr gewachsen. Diese Arbeit beabsichtigt deshalb zu untersuchen, welchen Beitrag parteipolitische Gegensätze, in Form von Wettbewerb unter den Parteien im in die Kritik geratenen föderalistischen System der Bundesrepublik haben. Hierbei steht in der Beantwortung der Frage nach der Möglichkeit oppositioneller Parteien, Reformvorhaben zu blockieren, die zentrale Zielsetzung dieser Arbeit. Ein erster Schritt wird die Charakterisierung des Verbundföderalismus in der Bundesrepublik sein, dessen typisches Merkmal der Politikverflechtung das Umfeld zur Analyse des Einflusses von Parteienkonkurrenz auf die Blockadefähigkeit im politischen System darstellt. Um sich der Beantwortung der Frage zu nähern, gilt es vorab, die Verschiedenartigkeit der Handlungslogik von Parteienwettbewerb und bundesstaatlichen Entscheidungsprozessen im System der Politikverflechtung zu untersuchen. In dieser unterschiedlichen Handlungslogik der beiden Systeme wird der Schlüssel zur Erklärung des tatsächlichen Ausmaßes und institutioneller Möglichkeiten von parteipolitisch motivierter Blockadetätigkeit vermutet.
2. Charakteristika des deutschen „Verbundföderalismus“
Die Bundesrepublik Deutschland ist in ihrer Staatsorganisation nach dem föderalen Prinzip gegliedert. Der bundesdeutsche Föderalismus ist dabei einerseits von der Gliederung in Bund und Länder, sowie von der relativen Autonomie der Beteiligten und andererseits durch „Eigenschaften die normalerweise einem Einheitsstaat zugeschrieben werden, nämlich Rechts- und Wirtschaftseinheit sowie ein hohes Maß an Einheitlichkeit oder zumindest Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ gekennzeichnet (Schmidt 2001: 474). Des weiteren lässt sich der bundesdeutsche Föderalismus durch eine „ausgeprägte Fragmentierung der Staatsorganisation“ und einer entsprechend „hochgradig vertikalen Differenzierung der Entscheidungsstruktur“ charakterisieren (Schmidt 2001: 474). Die vorliegende Fragmentierung der Staatsorganisation in Bund und Länder wird durch ein System der Politikverflechtung miteinander verknüpft. Kompetenzen von Bund und Ländern sind seit Bestehen der Bundesrepublik 1949 nach dem Prinzip der Kooperation geregelt. Die Aufgabenverteilung verpflichtet damit sowohl den Bund als auch die Länder zur Bundestreue, d.h. ein „gedeihliches“ Zusammenwirken und einen „föderalismusschonenden“ Konsens des Bundes zu bewahren (Sturm 2001: 36 f.). Bis in die 1970er Jahre fand ein, auch wegen einer leichten Rezension nach dem Wirtschaftswunder, schrittweiser Unitarisierungstrend statt. Dies hatte eine Zentralisierung von Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen für als national bedeutsam erachtete Aufgabenbereiche beim Bund zur Folge. Ziel dieser zunehmenden Globalsteuerung war ein „konjunkturgerechtes und vor allem gleichgerichtetes Handeln von Bund, Ländern und Gemeinden zur Vermeidung wirtschaftlicher Krisen zu erreichen“ (Sturm 2001: 40). Rudzio bemerkt, dass die zunehmende Unitarisierung in einem System der Politikverflechtung zwischen Bund und Ländern resultierte: „Bundesstaatsreformen haben [...] nicht einfach zu einem zentralistischen System geführt, sondern eine Verschiebung von einem Föderalismus der getrennten Verantwortung zu einem kooperativen Föderalismus bewirkt“ (Rudzio 2003: 388). Schmidt bezeichnet gerade deshalb den bundesrepublikanischen Föderalismus als einen „unitarischen Bundesstaat“ (Schmidt 2001: 474). Als Argumentation für den Unitarisierungstrend wurde angeführt, dass Entscheidungsstrukturen des deutschen Föderalismus ineffizient und ein Hindernis bei der Durchsetzung staatlicher Maßnahmen seien. Neben der starken wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern, sollte der kooperative Föderalismus auch auf weitere Politikfelder ausgeweitet werden. So fanden wichtige Reformen des Grundgesetzes im Rahmen der Politikverflechtung statt. Der große Steuerverbund nach Artikel 106 Absatz 3 GG sieht vor, dass die ertragreichsten Steuern zu Gemeinschaftssteuern des Bundes und der Länder werden. Artikel 91a und 91b regeln Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern. So trägt der Bund mindestens die Hälfte der Kosten bei Ausbau und Neubau von Hochschulen, Verbesserung der regionalen Wirtschafts- und Agrarstruktur sowie bei Bildungsplanung und Forschung. Die Zuweisung von finanziellen Hilfen des Bund an strukturschwache Länder im Sinne der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet wird durch Artikel 104a im Grundgesetz verankert. Artikel 75 beinhaltet eine Ausweitung der Rahmengesetzgebung. Demnach kann der Bund für die in Artikel 75 genannten Politikfelder Rahmenvorschriften für die Gesetzgebung der Länder erlassen. Neben dem Bereich der ausschließlichen Gesetzgebung durch den Bund, der auswärtige Angelegenheiten, Verteidigung, Geld und Währung, Bahnen, Post und Luftverkehr betrifft, bestehen Regelungen zur „Zusammenarbeit von Bund und Ländern beim Verfassungsschutz und der Verbrecherverfolgung“, geregelt in Artikel 71 und 73 GG (Rudzio 2003: 377). Den weitaus interessantesten Bereich der Politikverflechtung zwischen Bund und Ländern stellt das Prinzip der konkurrierenden Gesetzgebung dar. Artikel 72 besagt, dass die Länder Gesetzgebungsbefugnisse besitzen, „[...] solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz gebrauch gemacht hat“. Artikel 74 und 74a legen den wesentlichen Betreff der konkurrierenden Gesetzgebung fest: Bürgerliches und Strafrecht, Justizwesen, Besoldungsrecht, Wirtschaft, Arbeitsrecht, Soziales, Verkehr, Umwelt, Gesundheit (Vgl. Rudzio 2003: 377). Rudzio stellt fest, dass „die große Masse innenpolitisch interessanter Sachgebiete“, aufgrund der Gemeinschaftsaufgaben, der konkurrierenden sowie der Rahmengesetzgebung, „zum Bereich der überlappenden Gesetzgebung von Bund und Ländern“ gehört (Rudzio 2003: 377). Aufgrund dieser eng miteinander verzahnten Politikverflechtung zwischen Bund und Ländern im Rahmen der Gesetzgebung, exklusive der ausschließlichen Gesetzgebung durch den Bund, unterscheidet Rudzio vier Ebenen der Bund-Länder Kooperation. Das wichtigste Organ, das die Mitwirkungsrechte der Länder auf Bundesebene institutionalisiert, ist der Bundesrat. Sofern Gesetzesentwürfe einer Zustimmungspflichtigkeit durch die Länder unterliegen, kann die parteipolitische Zusammensetzung des Bundesrates durch ein absolutes Veto die Verabschiedung der Gesetze verhindern. Eine Zustimmungsbedürftigkeit von Gesetzen ergibt sich daraus, dass bestimmte Gesetze, vor allem Finanz- und Steuergesetze, das Verhältnis von Bund und Ländern, vornehmlich das Verhältnis von Bundes- und Landesverwaltung, betreffen. Dabei lässt sich beobachten, dass die Zahl der zustimmungsbedürftigen Gesetzesvorlagen ansteigt, je „stärker durch die Politikverflechtung die Notwendigkeit des Zusammenwirkens von Bund und Ländern bei der Aufgabenerfüllung des Staates [...]“ wächst (Kilper/Lhotta 1996: 61). Hierin liegt besondere Brisanz, da im Bundesrat die Opposition über die Mehrheit der Stimmen verfügen kann, während die Regierungspartei(en) einen Gesetzesentwurf erarbeitet haben, der nun der Gefahr der Ablehnung durch den oppositionsbeherrschten Bundesrat gegenübersteht. Diese parteipolitische Komponente, mit besonderer Beachtung der konkurrierenden Stellungen der Parteien und deren Konsequenzen für die Verabschiedung von Gesetzen, wird im weiteren Verlauf dieser Untersuchung eine ausführlichere Erläuterung erfahren. Neben der Funktion des Bundesrates als Vertretung der Länderinteressen auf Bundesebene, finden Konferenzen der Regierungschefs und Ressortministerkonferenzen statt. Diese Konferenzen stellen „lediglich informale Zusammenkünfte, in denen Absprachen nur im Konsens und ohne Rechtsverbindlichkeit möglich sind“ dar (Rudzio 2003: 389). Hinzu kommen „zahllose Bund-Länder-Ausschüsse unterhalb der Ministerebene“, deren Aufgaben von der „Entwicklung von Gesetz- und Verordnungsentwürfen bis zur Abstimmung bei der Gesetzesdurchführung“ reichen (Rudzio 2003: 389). Schließlich existieren Planungsräte, denen neben jeweils Bund- und Länderabgesandten, auch Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und anderen gesellschaftlich relevanten Bereichen angehören (Vgl. Rudzio 2003: 389). Anhand dieser verschiedenartig organisierten Gremien und Ausschüssen der Bund-Länder-Kooperation wird deutlich, dass der bundesdeutsche Föderalismus aufgrund von weitgehender Politikverflechtung ein sehr verhandlungsintensives System darstellt. Die Verstrickung von Bund und Ländern geht so weit, dass die Formen dieser Zusammenarbeit in zahlreichen, unterschiedlich formalisierten Gremien und Arbeitsformen kaum noch überschaubar sind (Vgl. Rudzio 2003: 389). Festzuhalten bleibt, dass die Praxis des kooperativen Föderalismus die Beteiligung der Länder auf bundespolitischer Ebene intensiviert hat, während gleichzeitig die Länder an legislativer Kompetenz und Autonomie verloren (vgl. Rudzio 2003: 388). Kritiker des kooperativen Föderalismus sehen vor allem hier die Gefahr eines Bedeutungsverlustes der Landesparlamente. In ihrer Annahme werden sie durch die von der kooperativen Struktur des Föderalismus bedingten Zentralisierungstendenzen bestärkt, da diese „Tendenzen zum Exekutivföderalismus“ begünstigen (Vgl. Pilz/Ortwein 1997: 53).
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- Quote paper
- Bastian Engelmann (Author), 2006, Parteienwettbewerb als Blockadeinstanz im föderalen System der Bundesrepublik Deutschland?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82179
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