Die U.S. Reifenindustrie war in ihren ersten 25 Jahren durch viele Markteintritte
gekennzeichnet und die Firmenanzahl stieg bis 1922 auf 276 Unternehmen. In der darauf folgenden Periode erlebte die Reifenindustrie trotz anhaltendem Marktwachstum einen Shakeout, der die Firmenanzahl innerhalb von 14 Jahren auf ca. 50 Firmen im Jahr 1936 reduzierte. Die folgenden 40 Jahre blieb die Marktstruktur, mit vier großen Unternehmen an der Spitze, relativ stabil. Ende der 80-er, eine Welle von Übernahmen, die drei der vier größten amerikanischen Reifenhersteller, die Existenz als unabhängige Körperschaft kostete.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist die historische Analyse der Entwicklung des Firmenclusters um Akron, Ohio, dem einstigen Zentrum der U.S. Reifenindustrie. Vor dem Hintergrund der U.S.-weiten Entwicklung der Reifenindustrie wird in einem ersten Schritt, die Entstehung des Clusters beleuchtet, speziell, wer dessen wichtigste Mitglieder waren und warum sich die Reifenhersteller ausgerechnet in Akron - einem Ort ohne besondere Standortvorteile für die Produktion von Reifen – verdichteten. Welches Innovationsverhalten die amerikanischen Reifenhersteller in den jungen Jahren der Industrie an den Tag legten, welche bedeutenden Innovationen dabei entstanden und wie diese auf den Shakeout in der Firmenanzahl gewirkt haben könnten, legt Abschnitt 3 offen. Wie und warum das Cluster um Akron zerfiel und welche Diskussionen die Theorie hierzu führt, erörtert vor dem abschließenden Fazit das Kapitel 4.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Entstehung des Akron - Clusters
2.1 Die Entwicklung der U.S. Reifenindustrie bis 1922
2.2 Die „Big Four“
2.3 Die Entstehung des Clusters um Akron
3. Der Shakeout - über Innovationen und die Überlebenschancen von Unternehmen
3.1 Die Produkt- und Prozessinnovationen bis 1940
3.2 Ursachen für den Shakeout in der U.S. Reifenindustrie
4. Der Untergang der U.S. Reifenindustrie Ende der 80-er Jahre
4.1 Strukturelle Umbrüche in der U.S. Reifenindustrie
4.2 Technologische Umbrüche in der U.S. Reifenindustrie und ihre Folgen
4.3 Diskussion des Zerfalls des Clusters
5. Fazit
Anhang
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Die U.S. Reifenindustrie 1905 bis 1981: Firmenanzahl, -eintritte und -austritte.2
1. Einleitung
“A company must ‘innovate or die’. The process of innovation is fundamental to a healthy and viable organization. Those who do not innovate, ultimately fail.”
(Biemans (1992, S. 2))
Scheiterten Ende der 80-er drei der größten amerikanischen Industriebetriebe, weil sie nicht innovierten?
„When an industry has thus chosen a locality for itself, it is likely to stay there long: so great are the advantages which people following the same skilled trade get from near neighborhood to one another. The mysteries of the trade become no mystery; but are as it were in the air… Good work is rightly appreciated, inventions and improvements in machinery, in processes and the general organization of the business have their merits promptly discussed: if one man starts a new idea, it is taken up by others and combined with suggestions of their own ; and thus it becomes the source of further new ideas.”
(Marshall (1890, S. 271))
Welche Rolle spielte dabei die Tatsache, dass zwei der Firmen seit Jahrzehnten demselben Cluster angehört hatten?
Die U.S. Reifenindustrie war in ihren ersten 25 Jahren durch viele Markteintritte gekennzeichnet und die Firmenanzahl stieg bis 1922 auf 276 Unternehmen. In der darauf folgenden Periode erlebte die Reifenindustrie trotz anhaltendem Marktwachstum einen Shakeout, der die Firmenanzahl innerhalb von 14 Jahren auf ca. 50 Firmen im Jahr 1936 reduzierte. Die folgenden 40 Jahre blieb die Marktstruktur, mit vier großen Unternehmen an der Spitze, relativ stabil. Ende der 80-er, eine Welle von Übernahmen, die drei der vier größten amerikanischen Reifenhersteller, die Existenz als unabhängige Körperschaft kostete. Ziel der vorliegenden Arbeit ist die historische Analyse der Entwicklung des Firmenclusters um Akron, Ohio, dem einstigen Zentrum der U.S. Reifenindustrie. Vor dem Hintergrund der U.S.-weiten Entwicklung der Reifenindustrie wird in einem ersten Schritt, die Entstehung des Clusters beleuchtet, speziell, wer dessen wichtigste Mitglieder waren und warum sich die Reifenhersteller ausgerechnet in Akron - einem Ort ohne besondere Standortvorteile für die Produktion von Reifen - verdichteten. Welches Innovationsverhalten die amerikanischen Reifenhersteller in den jungen Jahren der Industrie an den Tag legten, welche bedeutenden Innovationen dabei entstanden und wie diese auf den Shakeout in der Firmenanzahl gewirkt haben könnten, legt Abschnitt 3 offen. Wie und warum das Cluster um Akron zerfiel und welche Diskussionen die Theorie hierzu führt, erörtert vor dem abschließenden Fazit das Kapitel 4.1
2. Die Entstehung des Akron - Clusters
2.1 Die Entwicklung der U.S. Reifenindustrie bis 1922
Grundsätzlich ist zu sagen, dass sich die U.S.-amerikanische Reifenindustrie zusammen mit der amerikanischen Automobilindustrie entwickelt hat, da Reifen für die Automobilproduktion eine kritische Komponente darstellen. So fand die U.S. Reifenindustrie ihre Anfänge Ende des 19ten Jahrhunderts, kurz nach dem Beginn der Produktion von Automobilen. Der Boom der Automobilindustrie Anfang des 19ten Jahrhunderts erklärt auch die extreme Zunahme der Verkäufe von Reifen: Wurden 1905 erst 334.000 Reifen verkauft, so waren es 1919 bereits 30 Mio. Stück. Der lukrative Markt ließ die Anzahl an Reifenfirmen bis 1922 kontinuierlich ansteigen und mit 276 Firmen 1922 ihr Maximum erreichen. Mit durchschnittlich 15 Markteintritten in der Periode von 1906 bis 1911, verdoppelte sich die Zahl der U.S.-weiten Firmeneintritte in den Jahren 1912 bis 1922 auf durchschnittlich 30 Firmen pro Jahr. Abbildung 1 veranschaulicht die Entwicklung der Firmenanzahl graphisch:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Die U.S. Reifenindustrie 1905 bis 1981: Firmenanzahl, -eintritte und -austritte
Quelle: Klepper/Simons (1997, S. 403)
Bis 1930 traten 533 Reifenfirmen in 34 verschiedene Staaten der U.S.A ein. Dabei ließen sich mit Abstand die meisten Firmen - genau 127 - in Ohio nieder. In den 20-er Jahren saßen 8 bis 13% aller U.S. Reifenhersteller in Akron, einem kleinen Ort im Nordosten von Ohio. Der Anteil der in Akron ansässigen Firmen an der U.S.-weiten Reifenproduktion belief sich Ende der 20-er Jahre auf 65%. Anhang 1, ein von Klepper/Bünstorf (2004, Anhang) zusammengestelltes Ranking der führenden Reifenhersteller in den U.S.A. um 1920, erklärt die Konzentration der Produktion in Akron: Drei der Top 5 Firmen bzw. neun der Top 24 Firmen hatten ihren Sitz in Akron. Die Top 4 Firmen, genannt die „Big Four“, erhöhten ihre summierten Marktanteil bis 1933 auf 72,1%.
Somit war die U.S. Reifenindustrie in zweifacher Weise konzentriert, zum einen lagen mehr als zwei Drittel der Reifenproduktion in den Händen der „Big Four“ und zum zweiten, war die Industrie geographisch, um Akron verdichtet. So eine „…geographically proximate group of interconnected companies and associated institutions in a particular field, linked by commonalties and complementarities.“ bezeichnet Porter (1998, S. 199) als „industrielles Cluster“.
Wie die „Big Four“ entstanden und welche Ursachen zur Entstehung des Clusters in Akron geführt haben, beleuchten die folgenden Abschnitte 2.2 und 2.3.2
2.2 Die „Big Four“
In ihren frühen Jahren wurde die Industrie von fünf großen Firmen dominiert, aus denen dann, nach der Fusion von B.F. Goodrich und Diamond 1912, die „Big Four“ entstanden: B.F. Goodrich, Goodyear, Firestone und U.S. Rubber.
1871 in Akron gegründet, produzierte B.F. Goodrich zunächst erfolgreich Fahrradreifen und andere Gummiprodukte. 1896, bereits ein Jahr nach dem Beginn der Automobilindustrie, stellte Goodrich dann seinen ersten Automobilreifen her und entwickelte sich schnell zu einem der größten Autoreifenhersteller, ohne je seine anderen Geschäftsfelder vollständig verlassen zu haben. Als erster in Akron ansässiger Reifenhersteller, war Goodrich auch mit den Gründungen anderer Reifenfirmen verbunden. So gründete1898, Frank Seiberling, der Sohn eines wichtigen Financiers von Goodrich, das Reifenunternehmen Goodyear. Als Hauptlieferant von General Motors arbeitete sich Goodyear bis 1916 an die Spitze der U.S. Reifenindustrie und erhöhte seinen Marktanteil bis 1933 auf 30,1%. Erst in der Distribution von Reifen tätig, und von Goodrich mit diesen beliefert, gründete Harvey Firestone 1900 seine eigene Reifenfabrik. Wie Goodyear umging auch Firestone bestehende Patente mit der Entwicklung neuer Reifen. Ab 1906 Hauptlieferant von Ford, steigerte Firestone seinen Marktanteil bis 1929 auf 19%. Das einzige Mitglied der „Big Four“, das seinen Sitz nicht in Akron hatte, war U.S. Rubber. 1892 als Trust zur Kontrolle der Gummiindustrie von neun Unternehmen gegründet, kaufte U.S. Rubber 1905 die Rubber Goods Manufacturing Company (RGM) auf. RGM besaß neben wichtigen Patenten damals auch vier Tochtergesellschaften die Reifen produzierten und U.S. Rubber 1912 zum Reifenhersteller Nummer Eins machten.
Wichtig ist in diesem Kontext anzumerken, dass die führenden Unternehmen der Reifenindustrie, die grob eingeteilt zwei verschiedene Märkte bedienten, den Original Equipment Market (OEM) und den Markt für Ersatzkäufe, feste Beziehungen zu den führenden Automobilproduzenten pflegten. Dabei spielte jedoch nicht die Größe des OEMarktes - OEM-Absatz betrug nur 30 % der gesamten Reifenverkäufe - eine Rolle, sondern vielmehr die Wichtigkeit für den zukünftigen Nachkauf von Reifen, da Automobilbesitzer dazu tendieren Automobilreifen derselben Marke nachzukaufen.
2.3 Die Entstehung des Clusters um Akron
Um die Entstehung des Clusters um Akron zu erklären, bieten sich grundlegend zwei Ansätze. So würde die neoklassische Theorie die Konzentration um Akron mit der Wirkung (externer) Agglomerationsvorteile begründen3: Die geographisch günstige Lage Akron’s zu den Abnehmern aus der Automobilindustrie in Detroit und die frühe Konzentration führender Reifenhersteller, allen voran B.F. Goodrich, hatten Akron zu einem attraktiven Standort gemacht und so Reifenhersteller nach Akron gelockt. Die evolutorische Theorie hingegen, würde die Bildung von Clustern durch gemeinsame historische Wurzeln und die Pfadabhängigkeit regionaler Entwicklungen erklären.
Inwieweit (externe) Agglomerationsvorteile und die Nähe zu Detroit bei der Standortentscheidung von Firmen tatsächlich eine Rolle gespielt, und die Firmen zur Niederlassung in Akron bewegt haben, analysieren Klepper/Bünstorf (2005) in der Schrift „Heritage and Agglomeration - The Akron Tire Cluster Revisited“. Im Folgenden sollen einige Ergebnisse der Autoren, die sich mit der amerikanischen Reifenindustrie bereits mehrmals beschäftigt haben4, ausführlicher dargestellt werden.
Der prinzipielle Aufbau ihrer Analysen gestaltet sich wie folgt: Einer im Vorfeld durchgeführten empirischen Analyse der Entwicklung der U.S. Reifenindustrie, schließen die Autoren eine zweistufige ökonometrische Analyse an, die im ersten Schritt untersucht an welchen U.S.-weiten Standorten Reifenfirmen gegründet wurden und welche Faktoren dabei eine Rolle gespielt haben könnten. Im zweiten Schritt, zur Untersuchung der Vorteilhaftigkeit des Standortes Akron, fokussierte man sich dann nur auf die Firmen, die sich in Ohio niedergelassen haben.
Die Ergebnisse der empirischen Analyse überraschen in so weit, dass der Anteil an Firmen, die nach Akron kamen, kleiner war als man erwarten kann, wenn Akron als Standort für Reifenfirmen tatsächlich so geeignet war. Auch erklärt der starke Abfall in der Zahl der Firmengründungen in Akron ab 1922, während in den benachbarten Bezirken die Firmengründungen zunahmen, nicht die Entstehung des Clusters. So, machen die Autoren deutlich, entstand das Cluster nicht, weil der Standort Akron, wie obige Darstellung behauptet, viele Firmen aus anderen Regionen anzog, die Firmen, die dort gegründet wurden, entstanden auf Grund bereits vorhandener Beziehungen zu den ansässigen Firmen. Ob die geographisch verhältnismäßig (200 Meilen) günstige Lage Akron’s zu Detroit, also die Nähe zur Nachfrage nach Reifen in Form von OE, ein wichtiger Faktor war, ist nach Betrachtung der bloßen empirischen Daten nicht eindeutig feststellbar. So ließen sich unmittelbar in Michigan nur wenige Firmen nieder, und von diesen gehörte nur U.S. Rubber zu den erfolgreicheren Reifenherstellern. Möglicherweise war Akron als Standort sogar nachteilig, was die späteren Subniederlassungen der führenden Firmen in anderen Staaten der U.S.A. erklären würde.
[...]
1 Vgl. zu diesem Abschnitt Klepper/Simons (1997), Klepper/Bünstorf (2004), Sull (2001) 2
2 Vgl. zu diesem Abschnitt Ausführungen von Klepper/Simons (1997), Klepper/Bünstorf (2004), Rajan et al. (1997).
3 vgl. hierzu bspw. Sull (2001, S. 5)
4 s. Klepper (1996), Klepper/Simons (1997, 2000), Klepper/Bünstorf (2004, 2005) 4
- Quote paper
- Jasmina Djulic (Author), 2005, Die US-Reifenindustrie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82164
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