In der vorliegenden Arbeit wird herausgearbeitet, dass es sich bei der Tetrarchie um ein unter Einbeziehung der im 3. Jahrhundert gemachten Erfahrungen allmählich entwickeltes Herrschaftssystem und nicht um ein bloßes Reagieren auf jeweils akute politische oder militärische Notlagen durch improvisierte Einzelmaßnahmen handelt. Dabei wird weitestgehend die Argumentation, die Kolb in seiner überzeugenden Monographie "Diocletian und die Erste Tetrarchie" von 1987 vorbrachte, anhand der Quellen nachvollzogen.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Quellen
III. Argumentation für die Existenz eines tetrarchischen Systems
1. Die Entstehung der Tetrarchie
2. Die Abdankung der Augusti am 1. Mai 305
3. Traditionelle Versatzstücke in neuer Gestalt
IV. Fazit
V. Literaturverzeichnis
I. Quellen
II. Sekundärliteratur
I. Einleitung
Am 20. November des Jahres 284 trat im römischen Reich nach dem Tod des Kaisers Nume-rian ein neuer Mann aus dem Dickicht der Geschichte heraus an die Spitze des römischen Staates. C. Aurelius Valerius Diocletianus- besser bekannt als Diocletian- sollte die Herr-schaft bis zum 5. Mai 305 behaupten können. An diesem Tag trat er freiwillig von der Posi-tion des Augustus zurück, was einen für die römische Geschichte einmaligen Akt darstellt. Zuvor hatte er in seiner über zwanzigjährigen Regierungszeit das Angesicht der Kaiserherr-schaft entscheidend verändert. Er hatte drei nicht mit ihm verwandte Männer zu Mitherr-schern ernannt, seinen alten Kampfgefährten Maximian zum gleichberechtigten Augustus und Constantius Chlorus sowie Galerius Maximianus zu untergeordneten Caesares, die die Augu-sti später ablösen sollten.
Von der modernen Geschichtswissenschaft wurde das politische Vermächtnis Diocletians jedoch sehr verschieden beurteilt. Während die ältere Forschung etwa bis Mitte des 20. Jahr-hunderts der diocletianischen Herrschaftsteilung durchweg Systemcharakter beschied und von einem planhaften Vorgehen Diocletians ausging, ist man seitdem diesbezüglich etwas skepti-scher geworden und führt die Aufsplitterung der kaiserlichen Gewalt zumeist auf akute politi-sche oder militärische Notlagen zurück.
Jacob Burckhardt betrachtet die Tetrarchie noch als ein „künstliche[s] System“. Der schweizer Historiker urteilte 1853, dass die Vorgehensweise Diocletians „einerseits einen ho-hen, durchdringenden Geist [verrät], andererseits aber [...] sonderbar und rätselhaft [erschei-ne]“. Er führte die Teilung der monarchischen Gewalt auf die Erfahrungen, die man mit den unzähligen Usurpationen des dritten Jahrhunderts gemacht hatte, zurück und war der Auffas-sung, dass Diocletian eben dadurch reagierte, dass er sich „mit Nachfolgern und Mitregenten“ umgab, damit „der Usurpation des Ehrgeizes Ziel und Zweck verrückt, dem Lageraufruhr der Erfolg sehr erschwert“ war.[1] Burckhardt geht also davon aus, dass die Tetrarchie einer tiefer-gehenden Analyse der Krise des 3. Jahrhunderts entspringend durch das Handeln eines schöp-ferischen Geistes entstanden ist. Willhelm Enßlin erkennt immerhin noch an, dass Diocletian „ein Ziel von vorneherein vor Augen gehabt“ hat, wenn auch keinen „in Einzelheiten festge-legten Plan“.[2]
William Seston hingegen befand, dass das Reich nach Diocletian „est toujours la même vieille forteresse assiegeé“ und dass Diocletian „a improvisé la défense lançant l’une après l’autre les courtines neuves de ses quatre bastions, par- dessus les brèches des anciens rem-parts, sans trop savoir quels seraient l’aspect et l’équilibre du nouvel édifice“. Seston war also der Auffassung, dass die Entstehung der Tetrarchie jeweils akuten Notlagen geschuldet sei.[3]
Timothy D. Barnes vertrat die These, dass die tetrarchische Ordnung von Diocletian, da dieser mit den militärischen Herausforderungen nicht mehr fertig zu werden glaubte, nach der Konferenz von Mailand mit Maximian im Jahre 290 oder 291 in Sirmium entworfen wurde. „Here, in the course of the next two years, Diocletian formulated a plan for reconstructing the Roman state.“[4]
Frank Kolb brachte in seiner 1987 erschienenen Monographie[5] dann eine ganze Reihe von überzeugenden Argumenten für die Existenz eines tetrarchischen Systems hervor, auf die im weiteren Verlauf der Arbeit mehrfach zurückgegriffen werden wird.
Roger Rees wiederum hat die These von der Systemhaftigkeit der Tetrarchie auf Grund neuerer Forschung einiger Gelehrter wieder in Zweifel gezogen: „According to this view the whole concept of a system is better replaced by a vision of a makeshift alliance of affiliated emperors, each able and willing to negotiate in certain areas, but in others sometimes deter-minedly individualistic.“[6]
In der vorliegenden Arbeit soll nun noch einmal herausgearbeitet werden, dass es sich bei der Tetrarchie um ein unter Einbeziehung der im 3. Jahrhundert gemachten Erfahrungen all-mählich entwickeltes Herrschaftssystem und nicht um ein bloßes Reagieren auf jeweils akute politische oder militärische Notlagen durch improvisierte Einzelmaßnahmen handelt.
Um diese These zu belegen, muss als erstes gezeigt werden, dass die Ernennung des Maxi-mian zum Augustus sowie die Ernennungen des Constantius Chlorus und des Galerius zu Caesares nicht durch akute politische Notlagen diktiert wurden. Zweitens muss dargelegt wer-den, dass die Abdankung der beiden Augusti Diocletian und Maximian am 1. Mai 305 nicht nur freiwillig geschah, sondern dass sie auch bereits seit längerer Zeit geplant war.
Des Weiteren soll gezeigt werden, dass einige Elemente, die Diocletian in den Principat einbaute- wie zum Beispiel die Herrschertheologie- in ihrer Grundsubstanz zwar altbekannt sind, jedoch dennoch einige interessante Innovationen aufweisen und daher als Neuerungen betrachtet werden können. Dies ist aus zwei Gründen von Bedeutung: Erstens soll es zeigen, wie Diocletian den Prinzipat auf durchaus kreative Weise verändert hat und dass ihm deswe-gen auch der Entwurf eines neuartigen Systems politischer Herrschaft zuzutrauen ist. Zwei-tens soll aufgezeigt werden, dass diese Elemente als konstitutive Teile dieser Herrschaftskon-zeption anzusehen sind.
Als erstes jedoch sollen im Folgenden die verwendeten Quellen vorgestellt und einer kri-tischen Prüfung unterzogen werden.
II. Quellen
Die beiden wichtigsten Quellen für die Entstehung der Tetrarchie sind Aurelius Victors Liber de Caesaribus 39 und Eutropius Breviarium ab Urbe Condita, liber IX, 20-22.
Aurelius Victor, der um 320 n. Chr. wahrscheinlich in der Provinz Africa das Licht der Welt erblickte[7] und heidnischer Gesinnung war, schaffte es bis zum Stadthalter konsulari-schen Ranges der Provinz Pannonia secunda.[8] Wir wissen nicht mit Sicherheit, welche Quel-len er für seine Darstellung des dritten Jahrhundert gebrauchte, doch wird von einigen Philo-logen vermutet, dass er die verlorengegangene sogenannte Enmannsche Kaisergeschichte für seine Kurzdarstellung der Kaiserzeit, die um die Mitte des vierten Jahrhundert entstand, kon-sultierte.[9]
Auch Eutropius war Heide[10], und auch bei seinem Geschichtswerk handelt es sich um eine Kurzdarstellung römischer Geschichte, nur zeitlich noch mehr gerafft als bei Aurelius Victor, da er nicht nur über die Kaiserzeit schreibt, sondern versucht, die gesamte römische Vergan-genheit in Kurzform darzustellen. Sein Werk entstand im Auftrag Kaiser Valens’[11] in den Jah-ren 369/ 370[12], und seine Hauptquelle für das dritte Jahrhundert war wohl ebenfalls die En-mannsche Kaisergeschichte[13], wobei er zusätzlich nie mehr als höchstens eine Nebenquelle verwandte.[14]
Für diese beiden Historiographen kann man somit zusammenfassend sagen, dass sie ers-tens keine Zeitgenossen der Tetrarchen und zweitens Heiden waren, also zweifellos den Kai-sern aus religiösen Motiven nicht negativ gegenüberstanden. Drittens beruht die Darstellung mit einiger Wahrscheinlichkeit auf ein und derselben Hauptquelle[15] und des Weiteren bieten beide Autoren keine allzu detaillierte Überlieferung. Zwar gibt es für den modernen Histori-ker noch einige weitere Quellen wie das fragmentarisch erhaltene Werk des Ammianus Mar-cellinus, Zonaras oder die Panegyrici Latini, doch bieten auch diese keine genaue, zusam-menhängende Darstellung der Entstehung der Tetrarchie, sondern weisen im Gegenteil die verschiedensten Probleme auf.[16]
Über die Abdankung der beiden Augusti im Jahre 305 berichten wiederum Aurelius Victor und Eutropius sowie der christliche Autor Lactantius in seinem Werk de mortibus persecuto-rum. Mit dieser Quelle gibt es eine Vielzahl von Problemen, die sich zum einen aus der schlechten Überlieferungssituation[17], zum anderen aus der Person und den Absichten des Lac-tantius ergeben. Dieser war von Diocletian als Lehrer für lateinische Rhetorik nach Nikomed-ia geholt worden[18] und somit nicht nur Zeitgenosse des Kaisers, sondern auch im weiteren Umfeld Diocletians. Der Rhetor war jedoch- wie schon erwähnt- auch Christ und die Tetrar-chen Christenverfolger. Die Darstellungsabsicht des zwischen 313 und 316[19] entstandenen Pamphletes ist, dass Gott „zwar ein langmütiger, aber strenger Richter [ist], der die Untaten seiner Gegner noch hier auf Erden bestrafe, und zwar mit einem entsetzlichen, in jedem Fall jämmerlichen Tod“.[20] Um dieses Ziel zu erreichen, scheint Laktanz jedes Mittel recht zu sein, und auch vor offensichtlichen Manipulationen wie zum Beispiel an den Regierungsjahren des Kaisers Maxentius im Jahr der Schlacht an der Milvischen Brücke 312 schreckt er nicht zu-rück.[21] Bei den Tetrarchen versucht Laktanz unter anderem, die Reformmaßnahmen Diocle-tians und sein Bauprogramm so zu verfremden, dass die Maßnahmen wie das Handeln eines wahnsinnigen Tyrannen klingen:
Et ut omnia terrore conplerentur, provinciae quoque in frusta concisae,
multi praesides et plura officia singulis regionibus ac paene iam civita-
tibus incubare, item rationales multi et magistri et vicarii praefectorum,
quibus omnibus civiles actus admodum rari, sed condemnationes tantum
et proscriptiones frequentes, exactiones rerum innumerabilium non dicam
crebrae, sed perpetuae, et in exactionibus iniuriae non ferendae.[22]
[...]
[1] Burckhardt, Jacob, Die Zeit Konstantins des Großen, Leipzig 1927 (5. Auflage), S.40
[2] Enßlin, Willhelm, RE VII A2 (1948), 2419- 2495, Sp. 2449
[3] Seston, William, Dioclétien et la Tétrarchie, Paris, 1946, S.184f
[4] Barnes, Timothy D., Constantine and Eusebius, Cambridge und London 1981, S.8
[5] Kolb, Frank, Diocletian und die Erste Tetrarchie, Berlin 1987
[6] Rees, Roger, Diocletian and the Tetrarchy, Edinburgh, 2004, S.89
[7] Aurelius Victor, Liber de Caesaribus/ Die römischen Kaiser, lateinisch und deutsch, hrsg., übers. und erläutert von Kirsten Groß Albenhausen und Manfred Fuhrmann, Darmstadt 1997, S.151 (Kommentar)
[8] Fuhrmann, S.152 (Kommentar)
[9] Ebendieser, S. 158f (Kommentar)
[10] Müller, Friedhelm, Eutropii Breviarium ab urbe condita/ Eutropius, Kurze Geschichte der Kaiserzeit, lateinisch und deutsch, hrsg. von Otto Lendle und Peter Steinmacher, Stuttgart 1995, S.2
[11] Ebendieser, S.3
[12] Rees, S.4
[13] Müller, S.10
[14] Ebendieser, S.11
[15] Rees, S.4
[16] Die Darstellung des Ammianus Marcellinus über die tetrarchische Epoche ist verlorengegangen, doch gibt es teilweise einzelne verstreute Informationen, die für die Zeit zwischen 284 und 305 relevant sein können, so zum Beispiel Ammian XXXII 6,16. Das Werk des Johannes Zonaras stammt aus dem 12. Jahrhundert und ist zeitlich somit weit von der tetrarchischen Epoche entfernt. Die Panegyrici Latini hingegen sind zwar zeitgenössisch, aber es handelt sich um Lobreden auf die Kaiser weswegen sie nur mit äußerster Vorsicht zu verwenden sind. Außer-dem finden sich auch hier nur einzelne, verstreute Informationen und keine zusammenhängende Darstellung.
[17] Laktanz, de mortibus persecutorum/ Die Todesarten der Verfolger lateinisch und deutsch, übersetzt und einge-leitet von Alfons Städele, Turnhout 2003, (Einleitung) S.9: Die Schrift ist nur durch ein einziges, stark beschä-digtes Manuskript aus dem 11. Jahrhundert überliefert, was dazu führt, dass der Text an einigen Stellen nicht mit hundertprozentiger Sicherheit rekonstruiert werden konnte, so zum Beispiel mort. pers. 7,5 und 22ff.
[18] Städele, S. 10 (Einleitung)
[19] Ebendieser, S.75 (Einleitung)
[20] Ebendieser, S.32 (Einleitung)
[21] Kolb 1987, S.134: Indem Laktanz dem Maxentius eine um ein Jahr kürzere Regierungszeit zuschreibt, fallen die Feiern der Quinquenalien des Maxentius und die damit verbundenen felicitas - Propaganda mit der Niederla-ge in der Schlacht an der Milvischen Brücke zusammen, wodurch der Autor eine Ironisierung der Ereignisse erreichen will.
[22] Lact. mort. pers. 7,4
- Citation du texte
- Eberhard Thörel (Auteur), 2005, Über die Existenz eines tetrarchischen Systems, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82117
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