"Si se hiciera una estadística de mis libros. El porcentaje de animales sería enorme; para empezar, mi primer libro se llama “Bestiario”. En mi territorio de lo fantástico, efectivamente, hay una gran circulación de animales."
In meinem Gebiet des Fantastischen gibt es eine große Zirkulation von Tieren, sagt der argentinische Schriftsteller Julio Cortázar in einem Interview. Wer seine Kurzgeschichten liest, wird dies ohne Zögern bestätigen. Tiger, Ameisen, Kaninchen, Katzen, Axolotl oder auch Phantasietiere tauchen dort neben den menschlichen Figuren auf. Tiere in der Literatur sind dabei nichts Neues. Sie üben auf uns Menschen seit jeher eine große Faszination aus, und sie bevölkern unsere Geschichten, seitdem wir Geschichten erzählen. Allerdings verändern sich mit der Zeit sowohl die Menschen, als auch die Geschichten, die sie erzählen, als auch die Tiere in den Geschichten.
Untersuchungen zu Tieren in der Literatur setzten sich vor allem mit Fabeln, Mythen und Märchen auseinander und legen Nachdruck auf motivgeschichtliche Aspekte. In dieser Hausarbeit dagegen möchte ich in erster Instanz von einer Textanalyse einiger ausgewählter Kurzgeschichten Cortázars ausgehen. Meine Hauptfrage hierbei ist stets, welche Funktion die Tiere in der Geschichte erfüllen. Dabei ist die Art ihres Auftretens wichtig, sowie ihr Verhältnis zu den menschlichen Figuren. Weiterhin möchte ich die Tiere in Beziehung setzen zum Genre von Cortázars Kurzgeschichten, der fantastischen Literatur. Meine Zielsetzung ist es also, die spezifischen Aspekte von Cortázars Tieren herauszukristallisieren und damit gleichzeitig die Möglichkeiten, die das Genre der fantastischen Literatur und das Tiermotiv sich gegenseitig eröffnen, aufzuzeigen.
Die Kurzgeschichten, die ich für meine Analyse ausgewählt habe, stammen aus den ersten beiden Erzählbänden Cortázars. Aus Bestiario (1951) habe ich außer der gleichnamigen Erzählung noch “Carta a una señorita in París” ausgewählt. Aus dem darauf folgenden Band Final del Juego (1956), kommt die Geschichte “Axolotl”. Es finden sich in Cortázars literarischem Oeuvre zwar noch mehr Geschichten, in denen Tiere vorkommen, aber aufgrund des begrenzten Umfangs meiner Studie, beschränke ich mich auf die genannten drei. Es handelt sich um eine kleine Auswahl, die aber dennoch eine große Bandbreite in der Verwendung des Tiermotivs bietet.
Inhaltsangabe
1. Einleitung
2. Tier, Mensch und Literatur
3. Textanalyse
3.1 Bestiario
3.1.1 Der Tiger
3.1.2 Die Ameisen
3.2 Carta a una señorita en París
3.2.1 Die Kaninchen
3.3 Axolotl
3.3.1 Die Axolotl und der Mensch
4. Fazit: Tiere in Cortázars Kurzgeschichten
5. Schluss
Bibliographie
1. Einleitung
Si se hiciera una estadística de mis libros. El porcentaje de animales sería enorme; para empezar, mi primer libro se llama “Bestiario”. En mi territorio de lo fantástico, efectivamente, hay una gran circulación de animales.[1]
In meinem Gebiet des Fantastischen gibt es eine große Zirkulation von Tieren, sagt der argentinische Schriftsteller Julio Cortázar in einem Interview. Wer seine Kurzgeschichten liest, wird dies ohne Zögern bestätigen. Tiger, Ameisen, Kaninchen, Katzen, Axolotl oder auch Phantasietiere tauchen dort neben den menschlichen Figuren auf. Tiere in der Literatur sind dabei nichts Neues. Sie üben auf uns Menschen seit jeher eine große Faszination aus, und sie bevölkern unsere Geschichten, seitdem wir Geschichten erzählen. Allerdings verändern sich mit der Zeit sowohl die Menschen, als auch die Geschichten, die sie erzählen, als auch die Tiere in den Geschichten.
Untersuchungen zu Tieren in der Literatur setzten sich vor allem mit Fabeln, Mythen und Märchen auseinander und legen Nachdruck auf motivgeschichtliche Aspekte.[2] In dieser Hausarbeit dagegen möchte ich in erster Instanz von einer Textanalyse einiger ausgewählter Kurzgeschichten Cortázars ausgehen. Meine Hauptfrage hierbei ist stets, welche Funktion die Tiere in der Geschichte erfüllen. Dabei ist die Art ihres Auftretens wichtig, sowie ihr Verhältnis zu den menschlichen Figuren. Weiterhin möchte ich die Tiere in Beziehung setzen zum Genre von Cortázars Kurzgeschichten, der fantastischen Literatur. Meine Zielsetzung ist es also, die spezifischen Aspekte von Cortázars Tieren herauszukristallisieren und damit gleichzeitig die Möglichkeiten, die das Genre der fantastischen Literatur und das Tiermotiv sich gegenseitig eröffnen, aufzuzeigen.
Die Kurzgeschichten, die ich für meine Analyse ausgewählt habe, stammen aus den ersten beiden Erzählbänden Cortázars. Aus Bestiario (1951) habe ich außer der gleichnamigen Erzählung noch “Carta a una señorita in París” ausgewählt. Aus dem darauf folgenden Band Final del Juego (1956), kommt die Geschichte “Axolotl”. Es finden sich in Cortázars literarischem Oeuvre zwar noch mehr Geschichten, in denen Tiere vorkommen, aber aufgrund des begrenzten Umfangs meiner Studie, beschränke ich mich auf die genannten drei. Es handelt sich um eine kleine Auswahl, die aber dennoch eine große Bandbreite in der Verwendung des Tiermotivs bietet. Bevor ich mit der Analyse der einzelnen Geschichten beginne, möchte ich jedoch kurz auf das Verhältnis von Tier und Mensch im allgemeinen eingehen sowie auf die Entwicklung des Tiermotivs in der Literaturgeschichte.
2. Tier, Mensch und Literatur
Grundsätzlich kann man feststellen, dass Menschen sich seit jeher für Tiere interessieren. Oder anders formuliert: ein starkes Verlangen, Tiere zu begreifen, ist menschlich.[3] Wir beobachten sie, versuchen, ihr Verhalten zu verstehen, und sind fasziniert von ihnen. Wir haben Achtung vor den Fähigkeiten der Tiere. Was wir Menschen nicht oder nur mit technischen Hilfsmitteln schaffen, gelingt ihnen leicht. Wir bewundern, wie perfekt sie an ihre Lebensumgebung angepasst sind, dass sie fliegen oder im Wasser leben können, dass sie stark sind und manchmal für uns gefährlich.[4]
Gleichzeitig gibt es dagegen eine starke Trennung zwischen Tier und Mensch. Diese Trennung ist das Ergebnis einer langen Entwicklung, die an das wandelnde Selbstverständnis der Menschen geknüpft ist. Der Mensch, der schließlich auch ein Tier ist, hat sich mit wachsendem Selbstbewusstsein eine immer größere Distanz zum Tier geschaffen.[5] Wir definieren Tiere als die „Anderen“. Dabei legen wir Nachdruck auf die Unterschiede zwischen ihnen und uns. Ihre natürliche Welt bildet einen Gegensatz zu unserer zivilisierten Welt.[6] In dieser zivilisierten Welt werden sie über ihren Nutzen für uns definiert.
Immer bessere technische Möglichkeiten, erleichtern es uns, Wissen über Tiere zu sammeln. Die Geheimnisse der Tierwelt werden nach und nach ans Licht geführt. Kürzlich erst gelang es japanischen Forschern, das erste Foto eines Riesenkraken aufzunehmen. Dabei verhedderte sich der Krake im Köder und verlor einen Fangarm. Was wir über Tiere wissen, ist ein Ausdruck unserer Macht über sie, der implizierten Hierarchie, in der wir uns über sie stellen. Und damit entfernen wir uns eigentlich umso weiter von ihnen, je mehr wir von ihnen wissen.[7] Wir können Tiere „zu Tode verstehen“[8]. Unsere Eingriffe in ihre Umwelt können in Verheerenderem bestehen, als abgerissene Gliedmaßen. Es gibt Grenzen in unseren Möglichkeiten, Wissen über Tiere zu erlangen, die wir nicht überschreiten können.[9] Vieles bleibt reine Hypothese. Die Art, wie wir uns Tiere vorstellen, ist oft ein Konstrukt, das von unserer Wahrnehmungswelt ausgeht. So reden wir von emsigen Bienen, oder geben Tieren Namen, die sie alles andere als treffend charakterisieren. Ein Meerschweinchen ist weder ein Schweinchen noch lebt es im Wasser.[10] Die Fauna ist größtenteils zu einer Kulturlandschaft geworden, wilde Tiere gehören nicht in unsere moderne menschliche Welt.
Auch in der Literatur in ihrer gesamten Bandbreite, macht sich der Mensch immer wieder ein Bild von Tieren. Tiere sind ein gattungsübergreifendes Motiv, das es seit der Antike gibt. Griechische Mythen zählen Tiere zu ihrem festen motivischen Repertoire, und dies oft in Form von Verwandlungen. Einerseits finden sich Selbstverwandlungen der Götter, die die Tierform annehmen, um ihre Ziele zu erreichen und die dabei von den Möglichkeiten, die ihnen der Tierköper bietet, profitieren. Andererseits gibt es Fremdverwandlungen, bei denen Menschen als Strafe für Unglauben und Ungehorsam gezwungen werden, eine Tierform anzunehmen. Dieser Zustand ist in der Regel bleibend[11], und insofern eine Qual, als dass die Verwandelten weiterhin ihr menschliches Bewusstsein und Denkvermögen besitzen.[12] Sie sind in einer Tierhülle eingeschlossen, deren Wesen sie nicht verstehen.[13] Die Mythen dienen dazu, sowohl religiöse Rituale und Glaubensfragen zu klären, als auch die natürliche Ordnung der Dinge und gesellschaftliche Organisationsformen.[14]
Ein anderes Genre, das sich grundlegend der Tierwelt bedient, ist die Fabel. Es handelt sich dabei um eine humoristische oder satirische Allegorie, die eine menschliche Schwäche symbolisiert.[15] Den Tierfiguren in der Fabel werden in ihrem Verhalten menschliche Charakteristika zugeschrieben. Am Ende wird die dem Text inhärente Moral meist ausdrücklich genannt.[16] In Fabeln sprechen die Tiere in der Sprache der Menschen, während die verwandelten Menschen in Mythen meistens nicht mehr kommunizieren können. Fabeln haben ihren Ursprung in frühen griechischen Allegorien, sind aber mit ihrer didaktischen Dimension vor allem im Mittelalter und in der Aufklärung verbreitet.
Eine weiteres mittelalterliches Genre, in dem Tiere vorkommen, und an das sich Cortázar in der Namensgebung seines ersten Kurzgeschichtenbandes anlehnt, ist das Bestiarium. Das Bestiarium hat wie die Fabel ein didaktisches Anliegen, dass es jedoch mit naturwissenschaftlichen Elementen verbindet. Es beschreibt das Aussehen und die Eigenschaften von Tieren oder Pflanzen, sowie von fantastischen Tieren. Danach setzt es die beschriebenen Eigenschaften allegorisch in einen christlich moralischen Kontext.[17] Der wichtigste Unterschied zur Fabel ist, dass die Tiere hier nicht selber reden und handeln, sondern nur beschrieben werden, und dass die Lektion sich nicht narrativ nach und nach entwickelt, sondern vom Autor vermittelt wird.[18] Das Bestiarium ist nach dem Mittelalter nie ganz verschwunden, sondern wurde von verschiedenen Autoren wieder aufgegriffen. Beispiele dafür sind im 20. Jahrhundert Apollinaires Bestiare (1919) und Jorge Luis Borges’ Book of Imaginary Beings (1970).[19]
Man könnte an dieser Stelle auch noch Märchen, Epen, Gedichten, Erzählungen und Romane beschreiben – Tiere bevölkern alle literarischen Formen. Interessant ist jedoch, dass es in den oben beschriebenen Genres, in denen Tiere vorkommen, gar nicht um Tiere geht, sondern um Menschen. Die Tiere sind ein Instrument, um Menschen wiederzuspiegeln, um ihre Bedürfnisse und Defizite zu reflektieren.[20] Sie sind ein literarisches Stilmittel, eine Projektionsfläche für die menschliche Selbstdarstellung. Das Verhältnis von Tier und Mensch ist also in der Literatur genauso ambivalent wie in der Realität. Das Tier taucht nicht um seiner selbst Willen in der Literatur auf. Die Welt der Tiere bleibt uns verschlossen, und es wird wohl selbst niemals darüber schreiben. In dem, was wir über Tiere schreiben, reflektieren wir unsere menschliche Perspektive, und den Platz den das Tier in unseren Kulturen und Gesellschaften einnimmt.
In der modernen Literatur hat sich die Spannbreite des Tiermotivs enorm vergrößert.[21] Tiere werden nicht mehr wie in den in der Antike und im Mittelalter bekannten Genres nach festen Schemata instrumentalisiert. Ein literarisierter Hund kann heute genauso vielgestaltig sein, wie seine realen Artgenossen.[22] Es gibt ganze Romane, die aus der Perspektive von Tieren erzählt sind, wie zum Beispiel Paul Austers Timbuktu (2000). Ein Motiv, dass Schriftsteller und Leser nach wie vor fasziniert, ist die Mensch-Tier-Verwandlung. Man denke hier zum Beispiel an Franz Kafkas Die Verwandlung (1915). Zum Tiermotiv in der modernen Literatur gibt es jedoch, wie schon in der Einleitung erwähnt, viel weniger Studien als zum Beispiel zur klassischen Fabel. Wie steht es also mit den Tieren bei Cortázar? Wie werden sie in seinen Geschichten dargestellt, und welche Schlussfolgerungen lassen sich bezüglich des Tiermotivs in der fantastischen Literatur ziehen?
[...]
[1] González Bermejo, Ernesto. Conversaciones con Cortázar. Barcelona: Edhasa, 1978, S. 53
[2] Römhild, Dorothee (Hrsg.). Die Zoologie der Träume. Studien zum Tiermotiv in der
Literatur der Moderne. Opladen/Wiesbaden: Westdeutschen Verlag, 1999, S. 14-15
[3] Sanders Pollock, Mary und Catherine Rainwater. Figuring Animals: Essays on Animal
Images in Art, Literature, Philosophy, and Popular Culture. New York: Palgrave Macmillan, 2005,
S. 1
[4] Brunner Ungricht, Gabriela: Die Mensch-Tier-Verwandlung. Eine Motivgeschichte unter besonderer Berücksichtigung des deutschen Märchens in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Bern: Peter Lang, 1998, S. 15
[5] Ebda
[6] Franklin, Adrian. Animals and Modern Cultures: A Sociology of Human-Animal Relationships in Modernity. London: Sage, 1995, S. 12
[7] Berger, John. “Why we look at animals”. In About Looking. New York: Pantheon, 1980, S. 14
[8] Malamud, Randy. Poetic Animals and Animal Souls. New York: Palgrave Macmillan, 2003, S. 39
[9] Pollock und Rainwater 2005, S. 1
[10] Malamud 2003, S. 4
[11] Mit Ausnahme des Circe Motivs, einem Thema aus der Odysee: Die Göttin Circe verwandelt die Gefährten des Ulixes aus purer Bösheit in Schweine, und wird gezwungen, dies wieder rückgängig zu machen.
[12] Daemmrich, Horst S. und Ingrid. Themen und Motive der Literatur. Ein Handbuch, Tübingen: Francke Verlag, 1987, S. 310
[13] Brunner 1998 , S. 29-31
[14] Ross, Bruce. The Inheritance of Animal Symbols in Modern Literature and World Culture. New York: Peter Lang, 1988, S. 75
[15] Daemmrich 1987 , S. 310
[16] Ross 1988, S. 1
[17] Ebda, S. 43
[18] De Francesato, Martha P. El ‘Bestiario’ de Julio Cortázar: Enriquecimiento de un genero. University of Illinois, Ph.D. 1970. Ann Arbor: University Microfilms International, 1981, S. 13
[19] Ross 1988, S. 44
[20] Römhild 1999 , S. 17
[21] Ebda , S. 15
[22] Ebda, S. 13
- Citar trabajo
- Anne Renner (Autor), 2005, Der gefühlte Zoo, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/81932
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