Angesichts der vermeintlich wachsenden Unzufriedenheit der deutschen Bürger mit der aktuellen Politik ist es leicht, von Politikverdrossenheit zu reden. Schon im Jahr 1992 wählte die Gesellschaft für deutsche Sprache den Begriff „Politikverdrossenheit“ zum Wort des Jahres. Auch heute noch, mehr als zehn Jahre nach dieser Reaktion der Sprachwissenschaftler auf die immer häufiger werdende Verwendung dieses Begriffes,
taucht er oft in den Medien, in der Öffentlichkeit, in der Politik und in den Sozialwissenschaften auf. Jedoch erwies es sich in der Vergangenheit als schwierig, eine eindeutige Definition dieses Begriffes zu erbringen. Vielmehr scheint es, dass „Politikverdrossenheit“ für viele als eine Art Oberbegriff für eine Reihe politischer Phänomene (z.B. „Parteien-“, „Politiker-“ oder „Demokratieverdrossenheit“) steht. Sinkende Wahlbeteiligung, das Erstarken von links- und rechtsextremen Parteien und der Entzug von Vertrauen in staatliche und gesellschaftliche Institutionen werden unter anderem als Ausdruck von Politikverdrossenheit angesehen. Dieser weite Bedeutungshorizont erklärt wahrscheinlich auch die häufige Verwendung des Begriffs. Doch was genau verbirgt sich hinter diesem Terminus? Wie setzt er sich aus wissenschaftlicher Sicht zusammen und vor allem welche Konsequenzen auf die Wahlbeteiligung werden mit ihm in Verbindung gebracht?
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, Politikverdrossenheit theoretisch zu erfassen und ihre mögliche Auswirkung auf die Wahlbeteiligung darzustellen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Präzisierung des Begriffs „Politikverdrossenheit“
2.1 Eigenschaften des Gegenstandsbereichs „Politikverdrossenheit“
2.2 Elemente und Dimensionen der Politikverdrossenheit
2.3 Determinanten von Politikverdrossenheit
2.3.1 Strukturelle Determinanten
2.3.2 Rationale Faktoren
2.3.3 Historisch-kulturelle Determinanten
3. Wahlbeteiligung als Konsequenz von Politikverdrossenheit
3.1 Ebenen der Konsequenzen von Politikverdrossenheit
3.2 Wahlbeteiligung
3.2.1 Politikverdrossenheit als Erklärungsvariable für sinkende Wahlbeteiligung
4. Fazit
Quellenverzeichnis
1 Einleitung
Angesichts der vermeintlich wachsenden Unzufriedenheit der deutschen Bürger mit der aktuellen Politik ist es leicht, von Politikverdrossenheit zu reden. Schon im Jahr 1992 wählte die Gesellschaft für deutsche Sprache den Begriff „Politikverdrossenheit“ zum Wort des Jahres. Auch heute noch, mehr als zehn Jahre nach dieser Reaktion der Sprachwissenschaftler auf die immer häufiger werdende Verwendung dieses Begriffes, taucht er oft in den Medien, in der Öffentlichkeit, in der Politik und in den Sozialwissenschaften auf. Jedoch erwies es sich in der Vergangenheit als schwierig, eine eindeutige Definition dieses Begriffes zu erbringen. Vielmehr scheint es, dass „Politikverdrossenheit“ für viele als eine Art Oberbegriff für eine Reihe politischer Phänomene (z.B. „Parteien-“, „Politiker-“ oder „Demokratieverdrossenheit“) steht. Sinkende Wahlbeteiligung, das Erstarken von links- und rechtsextremen Parteien und der Entzug von Vertrauen in staatliche und gesellschaftliche Institutionen werden unter anderem als Ausdruck von Politikverdrossenheit angesehen. Dieser weite Bedeutungshorizont erklärt wahrscheinlich auch die häufige Verwendung des Begriffs. Doch was genau verbirgt sich hinter diesem Terminus? Wie setzt er sich aus wissenschaftlicher Sicht zusammen und vor allem welche Konsequenzen auf die Wahlbeteiligung werden mit ihm in Verbindung gebracht?
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, Politikverdrossenheit theoretisch zu erfassen und ihre mögliche Auswirkung auf die Wahlbeteiligung darzustellen.
2 Präzisierung des Begriffs „Politikverdrossenheit“
2.1 Eigenschaften des Gegenstandsbereichs „Politikverdrossenheit“
Eine Charakterisierung oder gar eine Definition von Politikverdrossenheit ist aus mehreren Gründen nicht unproblematisch. Nicht umsonst wird in vielen Arbeiten, die sich mit dieser Problematik befassen, gerne auf den jetzigen Bundestagspräsidenten
Wolfgang Thierse verwiesen, welcher den Begriff als: „medialen Mülleimer […], in den alles hineingepackt wird, was auch nur entfernt an Kritik, Unzufriedenheit, Ängste,
Unbehagen oder auch anti-politische Vorurteile erinnert“[1] beschreibt. Thierse veranschaulicht hierbei die Unschärfe des Begriffes, da offensichtlich viele Teilbereiche der Politik hier aufeinander treffen und die Grenzen dieser Teilbereiche fließend sind.
In der Literatur findet sich eine große Anzahl von Definitionen und Beschreibungen von Politikverdrossenheit, die sich allerdings oftmals in ihrer Präzisierung unterscheiden. Arzheimer findet, seiner Auffassung nach, einen kleinsten gemeinsamen Nenner und stellt folgendes fest:
„Politikverdrossenheit wird von praktisch allen Autoren als ein mentaler oder emotionaler Zustand der Bürger begriffen, der sich auf den Gegenstandsbereich des Politischen bezieht.“[2]
Smith dagegen geht auf die Ausrichtung dieses emotionalen Zustands genauer ein:
„Die Politikverdrossenheit muss vielmehr als ein schleichendes Unbehagen gesehen werden, das sich in etablierten politischen Institutionen ausbreitet und mit einer diffusen allgemeinen Unzufriedenheit mit der Funktionsweise der Parteiendemokratie gekoppelt ist.“[3]
Eine weitere Beschreibung dieses Phänomens liefert Maier:
„Im gegenwärtigen Sprachgebrauch wird unter Politikverdrossenheit üblicherweise eine recht undifferenzierte Unzufriedenheit mit der Politik im Allgemeinen verstanden.“[4]
Anhand dieser Beispiele lässt sich zweifelsohne erkennen, dass Unschärfe eine bestimmende Eigenschaft des Gegenstandsbereichs Politikverdrossenheit darstellt. Weiterhin lassen die Beschreibungen erahnen, dass dieser Begriff einen sehr komplexen Sachverhalt darstellt. Diese Komplexität wird bestätigt, wenn man die beiden semantischen Bestandteile des Begriffes betrachtet. „Politik“ zum einen und „Verdrossenheit“ zum anderen stellen jeweils höchst komplexe Sachverhalte dar, welche in den wissenschaftlichen Teilgebieten, die sie behandeln, eine hohe Vielschichtigkeit aufweisen. Zusammengefügt zum Begriff der Politikverdrossenheit steigert sich diese Komplexität enorm. Begriffe wie z.B. Parteien-, Staats- oder Politikerverdrossenheit fallen hierbei in denselben Gegenstandsbereich und zeugen so von der außerordentlichen Mehrdimensionalität von Politikverdrossenheit.[5] Ein weiteres Indiz für die Komplexität des Begriffes stellt die Tatsache dar, dass keine einheitliche Möglichkeit der Operationalisierung von Politikverdrossenheit besteht. Es fehlt der direkte empirische Bezug, um dieses Phänomen greifbar zu machen, d.h. zu messen. Die Schwierigkeit besteht darin, die richtigen Indikatoren zu finden, was unter anderem mit einer weiteren Kerneigenschaft des Begriffes zusammenhängt, nämlich der Variabilität von Politikverdrossenheit. Politikverdrossenheit ist „kein statisches Phänomen, sondern unterliegt einem bisher ungeklärten Ausmaß an struktureller, zeitlicher und geographischer Variabilität.“[6] Die strukturelle Variabilität erklärt den Umstand, dass sich Verdrossenheit bei dem einzelnen Individuum im subjektiven Empfinden, aber auch im daraus resultierenden Verhalten stark unterscheiden kann. Dagegen erklärt die zeitliche Variabilität die Tatsache, dass sich der Begriff im Laufe der Zeit in seiner Bedeutung ständig verändert hat, da er von den jeweiligen sozialen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen beeinflusst wird. Die geographische Variabilität des Begriffes wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass das Phänomen der Politikverdrossenheit nicht nur in Deutschland zu verzeichnen ist, sondern auch in anderen westlichen Demokratien Teil der politischen Landschaft ist.[7]
Es kann somit festgehalten werden, dass Komplexität, Variabilität und Unschärfe bestimmende Eigenschaften des Terminus Politikverdrossenheit darstellen.
2.2 Elemente und Dimensionen der Politikverdrossenheit
Betrachtet man allerdings den Verdrossenheitsbegriff und die Systematik, wie dieser in der Forschungsliteratur strukturiert wird genauer, so wird schnell deutlich, dass er als Oberbegriff für eine Reihe von politischen Objekten steht. Maier fasst diese bei seiner Bewertung der Forschungsliteratur wie folgt zusammen: „Politikverdrossenheit ist also ein Syndrom, dessen wichtigste Dimensionen mit Parteien-, Politiker-, und Demokratieverdrossenheit benannt werden können.“[8] Die Verdrossenheit beziehe sich hierbei auf die auf der Individualebene befindliche Einstellung gegenüber diesem Objekt. Da sie jedoch in der Bevölkerung weit verbreitet sei, handele es sich somit um ein kollektives Phänomen.[9] Schedler differenziert bei seiner Betrachtung von Politikverdrossenheit zwei Dimensionen. Zum einen nennt er eine „(pauschale) Negativbewertung der Politik seitens der Staatsbürger“ und zum anderen eine „Entfernung von der Politik.“[10] Die Ebenen der Kritik und Distanz, welche strukturgebend für den Begriff Politikverdrossenheit sind, resultieren allerdings nicht von genau bestimmbaren Mißständen der Politik, sie sind vielmehr wie zuvor schon beschrieben als „diffuse Einstellungen“[11] anzusehen.
[...]
[1] Thierse 1993, S. 19
[2] Arzheimer 2002, S. 28
[3] Smith in Schmitz 1996, S. 160
[4] Maier 2000, S. 19
[5] Vgl. Maier 2000, S.18
[6] Maier 2000, S. 18
[7] Vgl. Smith in Schmitz 1996, S. 159 ff.
[8] Maier 2000, S. 20
[9] Vgl Maier 2000, S. 20
[10] Schedler 1993, S. 415-416 in Maier 2000, S. 20
[11] Maier 2000, S. 21
- Citar trabajo
- Christian Ziegler (Autor), 2006, Politikverdrossenheit und Wahlbeteiligung, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/81845
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