Die wirtschaftliche Globalisierung vor allem innerhalb der Triade ließ seit dem Ende der bipolaren Weltordnung und dem Durchbruch der neuen IuK-Technologien den Grad des ökonomischen Wettbewerbs und Wandels in der Welt verstärkt zunehmen. Unternehmen sind in komplexeren Umfeldern gezwungen, auf die neuen Herausforderungen sowohl in ihren Strategieprozessen als auch in ihren Organisationsstrukturen dynamisch zu reagieren und klassische strategische Dilemmata etwa zwischen den Koordinationsformen Markt und Hierarchie oder den Wettbewerbsstrukturen Konkurrenz und Kooperation in hybrider Art zu vereinen. In diesem Sinne wurde in den letzten 25 Jahren in der empirischen Wirklichkeit des postfordistischen Wirtschaftssystems vor allem das Netzwerkprinzip sowohl unternehmensintern als auch in den interorganisationalen Beziehungen zunehmend dominant.
Dennoch bleiben viele Dynamiken ökonomischer Kooperation bzw. Netzwerkbildungen nach wie vor fragmentarisch erforscht bzw. theoretisch vage beschrieben. Die spieltheoretische Betrachtung der Netzwerkformierung kann hierbei den Zugang der Wirtschaftswissenschaften zu den angesprochenen Fragestellungen ontologisch und epistemologisch erweitern und ist deshalb Hauptgegenstand der vorliegenden Arbeit. Die Erklärung intra- und interorganisationaler Netzwerkbildungen aus spieltheoretischen Ansätzen heraus könnte somit neue, grundlegende Einsichten in die heute globalisierten „Wirtschaftsspiele“ innerhalb des Paradigmas von „make, buy or ally“ erbringen.
Die vorliegende Arbeit wird nach einem kurzen Überblick über Terminologie und Einordnung von Konzepten der betriebswirtschaftlichen Netzwerkforschung zunächst in die Grundzüge der Spieltheorie einführen und die „Ausgangssituation“ statisches Gefangenendilemma bzw. Nichtkooperation erläutern. Im Anschluss daran wird sie sich der Überwindung der dargestellten Problematiken zuwenden und zeigen, wie Kooperation und Netzwerkbildung letztlich doch spieltheoretisch deduziert werden können. Es folgt ein Verlassen des engen Rahmens der klassischen Spieltheorie durch einen Blick auf die Kontexte der Netzwerkformation aus Sicht der noch jungen Behavioral Game Theory, bevor im Fazit die Essentials einer spieltheoretischen Explikation der Netzwerkbildung nochmals aufgegriffen werden.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Netzwerke
3. Netzwerkbildung unter spieltheoretischen Gesichtspunkten
3.1 Überblick über die Spieltheorie
3.2 Ein spieltheoretischer Ausgangspunkt: Das Gefangenendilemma
3.3 Die Überwindung des Gefangenendilemmas: Kooperation
3.4 Erweiterungen der Spieltheorie: Behavioral Game Theory
4. Fazit
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Kooperationsformen, die sich teils der Gruppe der Unternehmensnetzwerke zuordnen lassen
Abb. 2: Auszahlungsmatrix im Gefangenendilemma
1. Einleitung
Die wirtschaftliche Globalisierung vor allem innerhalb der Triade ließ seit dem Ende der bipolaren Weltordnung und dem Durchbruch der neuen IuK-Technologien den Grad des ökonomischen Wettbewerbs und Wandels in der Welt verstärkt zunehmen. Unternehmen sind in zunehmend komplexeren Umfeldern gezwungen, auf die neuen Herausforderungen sowohl in ihren Strategieprozessen als auch in ihren Organisationsstrukturen dynamisch zu reagieren und klassische strategische Dilemmata etwa zwischen den Koordinationsformen Markt und Hierarchie oder den Wettbewerbsstrukturen Konkurrenz und Kooperation in hybrider Art zu vereinen. In diesem Sinne wurde in den letzten 25 Jahren in der empirischen Wirklichkeit des postfordistischen Wirtschaftssystems vor allem das Netzwerkprinzip sowohl unternehmensintern als auch in den interorganisationalen Beziehungen zunehmend dominant,[1] was nicht zuletzt auch dem Ashbyschen Gesetz einer „requisite variety“ Rechnung trägt.
Theoretische Arbeiten der Strategieforschung, die die Formierung von Netzwerken als strategische Entscheidung begreift, aber auch kooperationstheoretische Ansätze der Neuen Institutionenökonomie (v.a. der Transaktionskostentheorie), Systemtheorie und soziologische Netzwerkansätze (die – oft strukturalistisch argumentierend - auf so wichtige Faktoren wie „relational und structural embeddedness“ hinweisen), befassen sich durchaus detailliert mit der Erklärung des oben angesprochenen Wandels in den Organisationsstrukturen.[2] Dennoch bleiben viele Dynamiken ökonomischer Netzwerkbildungen nach wie vor fragmentarisch erforscht bzw. theoretisch vage beschrieben.
Mit Blick auf diese Forschungslücke mag die spieltheoretische Betrachtung der Netzwerkbildung den Zugang der Wirtschaftswissenschaften zu den angesprochenen Fragestellungen vielleicht ontologisch und epistemologisch erweitern (wie sie es etwa bei der Untersuchung der Aufteilungsproblematik von Gewinn und Kosten in Unternehmensnetzwerken bereits getan hat)[3] und ist deshalb Hauptgegenstand der vorliegenden Arbeit. Die Erklärung intra- und interorganisationaler Netzwerkbildungen aus spieltheoretischen Ansätzen heraus könnte somit neue, grundlegende Einsichten in die heute globalisierten „Wirtschaftsspiele“ innerhalb des Paradigmas von „make, buy or ally“ erbringen.
Die vorliegende Arbeit wird nach einem kurzen Überblick über Terminologie und Einordnung von Konzepten der betriebswirtschaftlichen Netzwerkforschung zunächst in die Grundzüge der Spieltheorie einführen und die „Ausgangssituation“ statisches Gefangenendilemma bzw. Nichtkooperation erläutern. Im Anschluss daran wird sie sich der Überwindung der dargestellten Problematiken zuwenden und zeigen, wie Kooperation und Netzwerkformationen letztlich doch spieltheoretisch deduziert werden können. Es folgt ein Verlassen des engen Rahmens der klassischen Spieltheorie durch einen Blick auf die Kontexte der Netzwerkformation aus Sicht der noch jungen Behavioral Game Theory (BGT), bevor im Fazit die Essentials einer spieltheoretischen Explikation der Netzwerkbildung nochmals aufgegriffen werden.
2. Netzwerke
Das Netzwerkkonzept hat u. a. seine Ursprünge in der Organisationssoziologie der 1930er Jahre und erhält seit den 1980er Jahren verstärkte sozialwissenschaftliche Aufmerksamkeit, wobei allerdings der Netzwerkbegriff an sich einen wahren Dschungel an Verwendungen und Definitionen aufweist.[4] Ungeachtet dieser terminologischen Schwächen werden in der betriebswirtschaftlichen Forschung – bisher noch weitgehend hypothetisch — Netzwerke als überlegene Organisationsform und als spezifische Form des Überbegriffes Kooperation betrachtet, durch die Ergebnisse erzielt werden können, die durch individuelles Handeln nicht erreichbar sind.[5]
Mögliche Wettbewerbsvorteile für Netzwerkteilnehmer wie etwa organisationales Lernen und Wissenstransfer, die Erhöhung des Kapitalrahmens und Marktzugang, eine Kombination komplementärer Ressourcen bei gleichzeitiger Konzentration auf Kernkompetenzen, das Ausnutzen von Größenvorteilen und Teilen gewisser Risiken, aber auch entsprechende Nachteile von Netzwerken wie etwa die Gefahr des outlearning oder negative Lock-in-Effekte sind in der Literatur ausführlich diskutiert und nicht weiter Gegenstand dieser Arbeit.[6] Im Folgenden wird ein Überblick über Definitionsmöglichkeiten und begriffliche Zuordnungen des Netzwerkbegriffs gegeben, um die Grundlage für die spieltheoretische Betrachtung der Netzwerkbildung zu legen.
Nach Sydow liegt eine Netzwerkorganisation vor, „wenn in der Regel mehr als zwei Akteure (Organisationen, … Individuen oder Gruppen) in rechtlicher wie wirtschaftlicher Hinsicht über viel Autonomie verfügen, dabei aber über strukturierte Beziehungen miteinander verknüpft sind. In Netzwerken organisierte Akteure sind loser gekoppelt als in einer (idealtypischen) Hierarchie, gleichwohl fester als in einem (idealtypischen) Markt.“[7] Diese Definition hat den Vorteil, dass sie entsprechend breit und somit inklusiv für sowohl interne als auch externe Netzwerke ist. Präziser gelingt eine Nominaldefinition jedoch bei Horvath et al., wobei diese sich allerdings auf Unternehmensnetzwerke, also interorganisationale Netzwerke beschränken: “Ein Unternehmensnetzwerk ist eine auf freiwilliger Basis entstandene zwischenbetriebliche Kooperation mindestens dreier Unternehmen, die dadurch in ihrer unternehmerischen Autonomie partiell eingeschränkt werden. Die Anzahl der Beziehungsbündel zwischen den Partnern .. darf die Anzahl der teilnehmenden Unternehmen .. nicht unterschreiten“.[8]
Begrifflich lassen sich nach Horváth et al. die eigenständigen Kooperationsformen Virtuelles Unternehmen, Konsortium, strategische Allianz und Franchising bei bestimmten Merkmalsausprägungen teilweise der Gruppe der Unternehmensnetzwerke zuordnen, wohingegen die Kooperationen des Verbandes, der Supply Chain oder des Joint Ventures sich nicht in die Gruppe der Unternehmensnetzwerke einbeziehen lassen (vgl. Abb. 1).[9]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Kooperationsformen, die sich teils der Gruppe der Unternehmensnetzwerke zuordnen lassen.
Quelle: Horváth et al (2004), S. 29.
Die hier dargestellten Definitionen und Zuordnungsmöglichkeiten von Netzwerken ermöglichen es nun, verstärkt auf die spieltheoretischen Erklärungsansätze ihrer Entstehung einzugehen. Dabei sollen die nachfolgenden Erkenntnisse über die Bildung von „Kooperation“ auch für den spezielleren Fall der Netzwerkbildung gelten. Für das einzelne Unternehmen stellt sich zunächst die Frage der „Unabhängigkeit oder Kooperation“, die nur zu Gunsten letzterer entschieden wird, wenn die Teilnahme an z.B. Unternehmensnetzwerken einen entsprechenden Mehr-Wert oder netzwerkspezifische Wertschöpfungspotentiale erwarten lässt.[10] Genau an diesen Erwartungshaltungen der „Spieler“ und ihrem relational bedingten, rational-strategischem Agieren setzt die spieltheoretische Erklärung der Netzwerkformation an.
3. Netzwerkbildung unter spieltheoretischen Gesichtspunkten
3.1 Überblick über die Spieltheorie
Die Spieltheorie gilt heute als wichtiges Mittel zum Verständnis moderner Geschäftswelten.[11] Sie entsprang als Zweig der angewandten Mathematik vor allem den taktischen Überlegungen des Zweiten Weltkrieges und das von Morgenstern und von Neumann 1944 in ihrem Klassiker „Theory of Games and Economic Behaviour“ erstmals publizierte Gedankengebäude lieferte die Grundlage für die Verwendung der Spieltheorie in vielen Fachdisziplinen.[12] So wurden z.B. in der Politikwissenschaft und speziell den Internationalen Beziehungen vor allem in der neoinstitutionalistischen Großtheorie bereits seit den 1980er Jahren spieltheoretische Analysen angewandt, und ihre Ergebnisse zur Kooperations- und Netzwerkbildung von Staaten trotz (neo-)realistischem Sicherheitsdilemma waren ausgesprochen bedeutsam für zentrale Fragen der internationalen Politik.[13]
Innerhalb der Betriebswirtschaftslehre hat die klassische Spieltheorie mit den Theorien der Neuen Institutionenökonomie den methodologischen Individualismus und die Prämissen einer individuellen, opportunistischen Nutzenmaximierung gemein, ist anderseits aber keinesfalls auf nur dyadische Austauschbeziehungen festgelegt und trägt in ihrer modernen, behavioristischen Orientierung auch entsprechenden Rationalismuskritiken Rechnung (vgl. Kapitel 3.4).[14]
In Abgrenzung zur klassischen Entscheidungstheorie, die Situationen analysiert, in denen ein rationaler Agent zwischen mehrere Aktionsmöglichkeiten diejenige mit dem höchsten Erwartungswert auswählt (oder auswählen soll), befasst sich die Spieltheorie als Theorie sozialer Interaktion mit komplexen Entscheidungssituationen unter Unsicherheit (Spielen), an denen mehrere bewusst handelnde Entscheidungsträger (Spieler) beteiligt sind, die mögliche Handlungsergebnisse unterschiedlich bewerten.[15] Somit ist hier das Eintreten eines Ergebnisses von den Aktionen und Verhaltensplänen (Strategien) mehrerer Entscheider abhängig bzw. Konsequenz des Verhaltens aller – eine Situation, die in jeder Form von Kooperation mehr oder minder gegeben ist.[16] Entscheidend für die Lösung von Spielen sind somit die Erwartungen der Spieler über die Strategiewahl ihrer Mitspieler. Dieser Allozentrismus der Spieltheorie ist somit auch Basis ihrer Erklärungskraft in Bezug auf die Netzwerkformation: „[wichtig für Unternehmen] ist, daran zu denken, ein Spiel aus vielfältigen Perspektiven zu betrachten - aus .. [der eigenen] Perspektive und aus den Perspektiven aller anderen Spieler.“[17]
[...]
[1] vgl. Brand (2002), S. 45
[2] vgl. ebenda, S. 1ff. und Möller (2004), S.15ff.
[3] vgl. Fromen (2004), 145ff.
[4] vgl. Brand (2002), S. 45 und Deguchi (2004), S. 200
[5] vgl. Möller (2004), S. 1 und Ullrich (2004), 4
[6] vgl. Möller (2004), S. 18, Horvath u.a. (2004), S. 32 und Zahn (2000), S. 515f.
[7] Sydow (1995), S. 629, zitiert nach: Brand (2002), S. 51
[8] Horváth et. al. (2004), S. 14
[9] vgl. ebenda, S. 23ff.
[10] vgl. Ullrich (2004), S. 23; 29 und Möller (2004), S.3f.; 22
[11] vgl. Nalebuff/Brandenburger (1996), S. 17. Unter anderem ging 1994 der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften an die Spieltheoretiker Nash, Harsanyi und Selten.
[12] vgl. ebenda, S. 18
[13] vgl. Zangl (2003), S. 122ff. und Deguchi (2004), S. 43
[14] vgl. Brand (2002), S. 3f.
[15] In Netzwerken können Spieler etwa die einzelnen Unternehmen, an einem Projekt beteiligte Kostenstellen-Verantwortliche oder Interessengruppen sein; vgl. Fromen (2004), S. 82
[16] vgl. Wendel (1996), S. 5f., Bamberg/Coenenberg (1989), S. 147, Ullrich (2004), S.10f., Rieck (1993), S. 16 und Davis (1993), S. 15
[17] Nalebuff/Brandenburger (1996), S.71f.
- Citation du texte
- Jörg Vogelmann (Auteur), 2006, Netzwerkbildung unter spieltheoretischen Gesichtspunkten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/81662
-
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X.