„Wir dürfen nicht wegsehen, wenn eine Regierung ihrem Volk Grausamkeiten antut. Wir müssen eingreifen, zur Not auch mit Waffen.“ Das sagte Kenneth Roth am 20. Juli 2007 in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Beim Kosovo-Konflikt beispielsweise hat die NATO mit Waffen eingegriffen und mit einer gewaltsamen Intervention auf die Vertreibung von Kosovo-Albanern reagiert – ohne UN-Mandat, obwohl der UN-Sicherheitsrat den exzessiven Gebrauch von Gewalt durch das Regime Milosevic verurteilt hat.
Nicht erst dieser Konflikt zwischen NATO und UNO beispielsweise hat ein Interventionsproblem offen gelegt, mit dem sich diese Hausarbeit beschäftigen wird und somit folgende Fragestellung aufwirft: Ist ein Krieg im Sinne einer humanitären Intervention zur Durchsetzung von Menschenrechten gerechtfertigt? Diese Fragestellung soll aus-schließlich unter Berücksichtigung der Theorien über gerechte Kriege zweier Vertreter der politischen Philosophie untersucht werden: Ernesto Garzón Valdés und Michael Walzer. Zur Einschränkung bleibt weiterhin festzuhalten, dass die Darstellung eines konkreten realen Fallbeispiels staatlicher Interventionen nur in einzelnen Fällen, welche die Problematik veranschaulichen, eingesetzt werden kann. Im ersten Teil der Arbeit soll zunächst versucht werden, den Begriff der humanitären Intervention definitorisch einzugrenzen, um die terminologischen Voraussetzungen für eine Untersuchung eines theoretischen Fallbeispiels zu ermöglichen. Dieses soll im Anschluss in die Darstellung des Interventionsproblems bei Garzón Valdés eingebunden werden, bevor diese konstruierte Überlegung auf die Theorie Michael Walzers über den gerechten Krieg angewendet wird. In Form einer kritischen Wertung sollen im vierten Kapitel die Theorien von Garzón Valdés und Walzer im Hinblick auf die Frage nach dem gerechten Krieg zur Durchsetzung von Menschenrechten bewertet werden und ein Ergebnis bieten, welches ein Dilemma zwischen Recht und Moral offenbart.
Zum Abschluss der Arbeit werden in einem Fazit die Ergebnisse der Hausarbeit noch einmal kurz zusammengefasst und offene Forschungsfragen aufgeworfen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Was ist eine humanitäre Intervention?
3. Das Interventionsproblem vs. die Theorie vom gerechten Krieg
3.1 Ernesto Garzón Valdés und das Interventionsproblem
3.2 Michael Walzer und die Theorie des gerechten Krieges
4. Das (völkerrechtliche) Dilemma zwischen Moral und Recht
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Wir dürfen nicht wegsehen, wenn eine Regierung ihrem Volk Grausamkeiten antut. Wir müssen eingreifen, zur Not auch mit Waffen.“[1] Das sagte Kenneth Roth am 20. Juli 2007 in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Beim Kosovo-Konflikt beispielsweise hat die NATO mit Waffen eingegriffen und mit einer gewaltsamen Intervention auf die Vertreibung von Kosovo-Albanern reagiert – ohne UN-Mandat, obwohl der UN-Sicherheitsrat den exzessiven Gebrauch von Gewalt durch das Regime Milosevic verurteilt hat.
Nicht erst dieser Konflikt zwischen NATO und UNO beispielsweise hat ein Interventionsproblem offen gelegt, mit dem sich diese Hausarbeit beschäftigen wird und somit folgende Fragestellung aufwirft: Ist ein Krieg im Sinne einer humanitären Intervention zur Durchsetzung von Menschenrechten gerechtfertigt? Diese Fragestellung soll ausschließlich unter Berücksichtigung der Theorien über gerechte Kriege zweier Vertreter der politischen Philosophie untersucht werden: Ernesto Garzón Valdés und Michael Walzer. Zur Einschränkung bleibt weiterhin festzuhalten, dass die Darstellung eines konkreten realen Fallbeispiels staatlicher Interventionen nur in einzelnen Fällen, welche die Problematik veranschaulichen, eingesetzt werden kann. Im ersten Teil der Arbeit soll zunächst versucht werden, den Begriff der humanitären Intervention definitorisch einzugrenzen, um die terminologischen Voraussetzungen für eine Untersuchung eines theoretischen Fallbeispiels zu ermöglichen. Dieses soll im Anschluss in die Darstellung des Interventionsproblems bei Garzón Valdés eingebunden werden, bevor diese konstruierte Überlegung auf die Theorie Michael Walzers über den gerechten Krieg angewendet wird. In Form einer kritischen Wertung sollen im vierten Kapitel die Theorien von Garzón Valdés und Walzer im Hinblick auf die Frage nach dem gerechten Krieg zur Durchsetzung von Menschenrechten bewertet werden und ein Ergebnis bieten, welches ein Dilemma zwischen Recht und Moral offenbart.
Zum Abschluss der Arbeit werden in einem Fazit die Ergebnisse der Hausarbeit noch einmal kurz zusammengefasst und offene Forschungsfragen aufgeworfen.
2. Was ist eine humanitäre Intervention?
Bevor der Begriff der humanitären Intervention definiert werden kann, muss zunächst das Nichteinmischungsprinzip vorgestellt werden. Grundsätzlich soll damit der Souveränitätsgedanke und somit die Sicherstellung der Autonomie aller Staaten ausgedrückt werden. Im 20. Jahrhundert wurde dieser Grundsatz der Nichteinmischung beispielsweise in der Charta der Organisation Amerikanischer Staaten festgeschrieben. Dort heißt es nach Garzón Valdés, dass „Kein Staat oder Menschengruppe […] das Recht (hat), sich direkt oder indirekt […] in die inneren und äußeren Angelegenheiten eines anderen Staates einzumischen.“[2] Es herrscht also ein prinzipielles Interventionsverbot.
Dies bedeutet allerdings im Umkehrschluss, dass bei einer „Einmischung eines Staates in die Angelegenheiten eines anderen Staates“[3], eine Intervention im völkerrechtlichen Sinne vorliegt. Nimmt man an, dass ein Staat intervenieren möchte, weil beispielsweise Menschenrechtsverletzungen in einem anderen Staat geschehen, dann ist von einer humanitären Intervention zu sprechen, denn diese liegt dann vor, wenn „[…] (militärische) Interventionen eines oder mehrerer Staat(en) zur Beendigung massiver Menschenrechtsverletzungen gegenüber einer Bevölkerung eines anderen Staates“[4] genutzt werden. „Das Attribut „humanitär“ konkretisiert den Interventionsbegriff […] (und stellt fest, dass) als Interventionsmittel nur militärische Zwangsmaßnahmen in Betracht (kommen).“[5] Und die Anwendung von Waffengewalt bei militärischen Maßnahmen ist ein Indiz dafür, dass es sich bei einer humanitären Intervention um einen Krieg handelt, denn Krieg wird im Allgemeinen definiert als „den Rechtszustand, der es zwei oder mehr feindlichen Gruppen gleichermaßen zuläßt, einen Konflikt mit Waffengewalt auszutragen.“[6] Im folgenden Verlauf dieser Arbeit soll also eine humanitäre Intervention als Krieg verstanden werden, der die Bürger des intervenierten Staates vor Menschenrechtsverletzungen bewahrt und gegen diese militärisch vorgeht.
Was aber sind Menschenrechte und wann werden diese tatsächlich verletzt? In der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10.12.1948 durch die Vereinten Nationen sind diese Rechte in 30 Artikeln festgeschrieben worden. Es sind Rechte, die jedem Menschen „unabhängig von seiner Stellung in Staat, Gesellschaft, Familie, Beruf, Religion und Kultur bereits dadurch zustehen, dass er als Mensch geboren ist.“[7] Interessant für die Forschungsfrage dieser Hausarbeit sind vor allem die Artikel 3 („Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person“[8]), 5 („Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden“[9]) und vor allem Artikel 30, in dem es heißt, dass „keine Bestimmung der vorliegenden Erklärung […] so ausgelegt werden (darf), dass sich daraus für einen Staat […] irgendein Recht ergibt, eine Tätigkeit auszuüben oder eine Handlung vorzunehmen, welche auf die Vernichtung der in dieser Erklärung angeführten Rechte und Freiheiten abzielen.“[10]
Dieses Spannungsverhältnis zwischen dem Souveränitätsgedanken und dem der Menschenrechte führt zurück zu der Forschungsfrage, ob humanitäre Interventionen und damit ein Krieg tatsächlich gerechtfertigt sind, um Menschenrechte durchzusetzen? Dazu sollen im nächsten Kapitel die Theorien von Garzón Valdés und Michael Walzer näher beleuchtet werden.
3. Das Interventionsproblem vs. die Theorie vom gerechten Krieg
3.1 Ernesto Garzón Valdés und das Interventionsproblem
Der Einfluss eines Staates kann nach Garzón Valdés primär „sowohl durch Handlungen als auch durch Unterlassungen stattfinden […].“[11] So kann es beispielsweise zu „Zwangsdurchsetzung von Bildungs- und Kulturprogrammen über diplomatischen Druck (oder auch) den Einsatz von Wirtschaftssanktionen“[12] kommen. In diesem Zusammenhang betont er den Aspekt einer gewaltsamen Einmischung, erweitert also den Begriff und entwickelt dadurch verschiedene Formen von Interventionen. So schreibt Garzón Valdés, dass die Androhung oder der Einsatz von Gewalt vor dem letzten Schritt, nämlich dem Einmarsch von Streitkräften, stattfindet.[13] Und dieser militärische Aspekt stellt, wie in Kapitel 2 bereits erwähnt, das Kriterium dar, nach dem in dieser Arbeit ein Krieg, also eine humanitäre Intervention erfolgen kann.
Um das Interventionsproblem zu analysieren, hat Ernesto Garzón Valdés ein Schema (siehe Abbildung 1) entwickelt, in dem drei Kriterien zur Überprüfung einer gerechtfertigten Intervention benutzt werden. Es geht dabei um die Zustimmung (+) bzw. Ablehnung (-) einer Intervention von Seiten der Regierung bzw. der Regierten und um die Legitimität des intervenierten Staates (+ symbolisiert eine vorliegende Legitimität, - das Nichtvorliegen von Legitimität).
Abbildung 1: Die Analyse des Interventionsproblems[14]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Dazu nimmt Garzón Valdés allerdings an, dass sein Verständnis von Intervention und Legitimität angenommen wird. Legitimität lässt sich nach Garzón Valdés nicht einfach aus faktischer Zustimmung, also einer einfachen Legitimation, ableiten, sondern vielmehr bevorzugt Garzón Valdés anstelle der Analogie zwischen Staat und Person[15] eine Unterscheidung zwischen Souveränität und Legitimität. Diese staatliche Autonomie oder eben Souveränität „bezieht sich auf das Vermögen eines Staates, seine Rechtsnormen in einer Bevölkerung, die ein bestimmtes Gebiet bewohnt, nach Belieben durchzusetzen.“[16] Und eben diese „Vereinbarkeit solcher Normen mit ethischen Prinzipien lässt sich als Legitimität bezeichnen.“[17] Es bleibt als Grundvoraussetzung also festzuhalten: Garzón Valdés verzichtet auf die Gleichsetzung von Souveränität und Autonomie. Selbstverständlich hat Garzón Valdés noch weitere Fälle als die im oben dargestellten Schema abgebildeten untersucht, allerdings sollen diese vernachlässigt und in dieser Arbeit nur noch der Fall 6 näher betrachtet werden, der im Hinblick auf die Fragestellung von eminenter Bedeutung ist. In den Fällen 1 und 2 des Schemas lässt sich zunächst sagen, dass eben keine Intervention vorliegt, wenn die Definition einer Intervention nach Garzón Valdés angenommen wird.
[...]
[1] Schmiese, Wulf: „Berlin setzt zu sehr auf Dialog“, Interview mit Kenneth Roth, dem Direktor der Nichtregierungsorganisation „Human Rights Watch“, die Menschenrechtsverletzungen in aller Welt beobachtet, auf: http://www.faz.net/s/RubFC06D389EE76479E9E76425072B196C3/Doc~E6D78C94601D4444C957625151FFEF54B~ATpl~Ecommon~Scontent.html , aufgerufen am Montag, dem 23.07.07.
[2] Auszug aus Artikel 18 der Charta der OAS. Zitiert nach: Garzón Valdés, Ernesto: Interventionismus und Paternalismus, in: Rechtstheorie 22, Münster, 1991, S. 146.
[3] Schubert, Klaus / Klein, Martina (Hrsg.): Das Politiklexikon, 4. Aufl., Bonn, 2006.
[4] Liese, Andrea: Definition „humanitäre Intervention“ auf: http://www.politikwissen.de/lexikon/humanitaereintervention.html , aufgerufen am Mittwoch, dem 11.07.07.
[5] Bartl, Jürgen: Die humanitäre Intervention durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen im „Failed State“: das Beispiel Somalia, in: Schriften zum Staats- und Völkerrecht 82, Frankfurt, 1999, S. 59.
[6] Gantzel, Klaus Jürgen: Definition „Krieg“ auf: http://www.politikwissen.de/lexikon/krieg.html , aufgerufen am Mittwoch, dem 11.07.07.
[7] Auszug aus der Definition „Menschenrechte“ auf: http://lexikon.meyers.de/meyers/Menschenrechte , aufgerufen am Mittwoch, dem 11.07.07.
[8] Erklärung der Menschenrechte durch die UN auf: http://www.bpb.de/files/67JIPU.pdf , aufgerufen am Mittwoch, dem 11.07.07.
[9] Ebd.
[10] Ebd., Dazu eine Anmerkung: Allerdings muss auch darauf hingewiesen werden, dass diese allgemeine Erklärung der Menschenrechte für Staaten nicht bindend ist. Für diejenigen Staaten, die diese Erklärung der Menschenrechte akzeptieren, sind Menschenrechte also dann verletzt, sobald ein Mensch ein Recht dieser Erklärung nicht in Anspruch nehmen kann. Wenn aber nicht alle Staaten diese Erklärung der Menschenrechte anerkennen oder sie differenziert auslegen, dann kann es zu einem Konflikt zwischen dem Staat oder Staatenbund kommen, der eine Verletzung der Menschenrechte sieht und dementsprechend eingreifen will und eben dem Staat, der diese Intervention als Eingriff in seine staatliche Souveränität betrachtet und demzufolge auf das Nichteinmischungsprinzip verweist.
[11] Garzón Valdés, Ernesto: S.149.
[12] Ebd.
[13] Vgl. Ebd.
[14] Abbildung 1: Die Analyse des Interventionsproblems. Eigene, verkürzte Darstellung nach Schema in Garzón Valdés, Ernesto: S. 156.
[15] Die Analogie zwischen Staat und Person geht auf Michael Walzers „legalistisches Paradigma“ zurück, welches in Kapitel 3.2 näher betrachtet wird. Prinzipiell geht es darum, dass nach Walzer Staaten ähnliche Rechte wie Individuen besitzen. Diese Rechte dürften nicht durch Interventionen verletzt werden.
[16] Garzón Valdés, Ernesto: S. 153.
[17] Garzón Valdés, Ernesto: S. 154.
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