Die aus Niedersachsen stammende Jüdin Hannah Arendt, die 1941 in die USA emigriert war und sich schon lange vor dem Zeitpunkt der Entführung Eichmanns einen Namen gemacht hatte, sah im bevorstehenden Prozess gegen Eichmann ihre letzte Chance „diese Leute“ leibhaftig zu sehen.
Sie bot sich der Wochenzeitschrift „The New Yorker“ als Prozessbeobachterin an und erhielt prompt die Zusage vom damaligen Herausgeber William Shawn, der „glücklich war, eine so berühmte und gut informierte Korrespondentin zu haben“.
Daraufhin musste Hannah Arendt diverse, bereits vereinbarte Lehraufträge absagen. Die Absage eines Vortrags am Vasser College begründete sie folgendermaßen: „An diesem Prozeß teilzunehmen ist irgendwie, so meine ich, die Verpflichtung, die ich meiner Vergangenheit gegenüber habe.“3 In einem Brief an ihren mittlerweile zum Freund gewordenen ehemaligen Professor Jasper, bei dem sie bereits 1928, im Alter von 22 Jahren, promoviert hatte, führte Arendt weiter aus: „(…) ich würde es mir nie verziehen haben, nicht zu fahren und mir dies Unheil in seiner ganzen unheimlichen Nichtigkeit in der Realität, ohne die Zwischenschaltung des gedruckten Wortes, zu besehen. Vergessen Sie nicht, wie früh ich aus Deutschland weg bin und wie wenig ich im Grunde von der Sache direkt mitgekriegt habe.“
In diesen Essays stellt Hannah Arendt tabubrechende Thesen auf, die über den „Fall Eichmann“ hinausgehen und auf eine erbitterte Kontroverse stießen.
Auf den folgenden Seiten werde ich zunächst versuchen, diese Thesen darzustellen und anschließend die unmittelbar nach der Veröffentlichung der Essays geführte Kontroverse nachzuskizzieren.
Inhaltsverzeichnis
- I. Adolf Eichmann, Hannah Arendt und der Prozess
- II. Hannah Arendts Thesen
- 1. Das Eichmann-Portrait
- 1.1 Der Bürokrat
- 1.2 Recht und Unrecht
- 1.3 ,,Die Banalität des Bösen“
- 2. Die Judenräte
- 1. Das Eichmann-Portrait
- III. Kontroverse von 1963 bis 1966
- 1. Hauptkritikpunkte
- 1.1 Kritik an Arendts Darstellung der Judenräte
- 1.2 Kritik an Arendts Eichmann-Portrait
- 1.3 Kritik an Arendts Kommentaren über die Prozessführung
- 2. Sonstige Kritik an Hannah Arendts Prozessbericht
- 1. Hauptkritikpunkte
- VI. Eichmann in Jerusalem und die Folgen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit analysiert Hannah Arendts Buch „Eichmann in Jerusalem“ und beleuchtet die darin aufgestellten Thesen sowie die daraufhin entstandene Kontroverse. Sie untersucht Arendts Darstellung von Adolf Eichmanns Rolle im Holocaust, ihre These von der „Banalität des Bösen“ und ihre Kritik an den Judenräten. Zudem werden die Hauptkritikpunkte an Arendts Werk und deren Auswirkungen auf die Rezeption des Buches betrachtet.
- Hannah Arendts Thesen zum Eichmann-Prozess
- Die „Banalität des Bösen“ als Kernidee
- Kritik an Arendts Darstellung der Judenräte
- Die Kontroverse um Arendts Buch
- Die Folgen des Buches für die Holocaust-Debatte
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel widmet sich der historischen Einordnung des Eichmann-Prozesses, indem es die Rolle Adolf Eichmanns als „zentralen Vollstrecker der Vernichtung des europäischen Judentums“ und seine Verhaftung durch den israelischen Geheimdienst Mossad beleuchtet. Außerdem wird der Prozessverlauf sowie der Umfang des vorgelegten Beweismaterials und die Rolle der zeithistorischen Zeugen beschrieben.
Das zweite Kapitel analysiert Hannah Arendts Thesen zum Eichmann-Prozess, wobei der Fokus auf ihre Darstellung von Eichmanns Charakter als „subalterner Bürokrat“ liegt und ihre These von der „Banalität des Bösen“ beleuchtet wird. Außerdem werden Arendts Beobachtungen zu den Judenräten und deren Rolle im Holocaust diskutiert.
Das dritte Kapitel befasst sich mit der Kontroverse um Arendts Buch „Eichmann in Jerusalem“, die sich unmittelbar nach dessen Veröffentlichung entwickelte. Die wichtigsten Kritikpunkte an Arendts Darstellung der Judenräte, ihrer Eichmann-Analyse und ihren Kommentaren zur Prozessführung werden hier näher beleuchtet.
Schlüsselwörter
Adolf Eichmann, Hannah Arendt, Eichmann-Prozess, Banalität des Bösen, Holocaust, Judenräte, Kontroverse, Prozessbericht, Thesen, Kritik.
- Quote paper
- Philipp Goldner (Author), 2005, Eichmann in Jerusalem - Ein Bericht von der Banalität des Bösen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/81188