Die vorliegende Arbeit entstand im Rahmen eines Seminars der Studienrichtung Politikwissenschaft, im Zuge dessen politologische Analysen von Filmen vorgenommen wurden.
Filme wurden lange Zeit nur als geist- und teilweise sinnloser Bestandteil der Populärkultur gesehen und dabei wurde völlig übersehen, dass auch die Wissenschaft Filme analysieren und wichtige Erkenntnisse daraus gewinnen kann. Die Art, wie gewisse Vorgänge in Filmen dargestellt werden, kann uns wichtige Rückschlüsse über die dahinter stehende Bewertung und Sichtweise der Bevölkerung verraten.
Gerade Filme die historische Tatsachen der Vergangenheit behandeln, haben die Möglichkeit das Bild, das die heutige Generation, die diese Zeit niemals selbst erlebt hat, entscheidend zu prägen. Was wir in den Filmen gesehen haben, wird zu dem was wir vor unserem geistigen Auge sehen, wenn wir uns mit dieser Zeit beschäftigen.
Zunächst geht die Arbeit ganz generell auf die Rolle von Filmen bei der Vergangenheitsbewältigung ein, um anschließend die historischen Grundlagen der Verfilmungen, also die Nürnberger Prozesse kurz darzustellen. Danach folgt die Darstellung der einzelnen analysierten Filme: „Judgement at Nuremberg“, „Nuremberg“ und „Speer und Er“.
Nach einer generellen Diskussion über die Hintergründe der Verfilmungen sowie einen Vergleich der Darstellungen insgesamt, erfolgt die hauptsächliche Analyse, welche sich auf drei Fragestellungen konzentriert: Erstens den Einsatz von Originalaufnahmen in den Filmen und die damit erzielten Effekte, zweitens die Analyse der Charaktere, hier vor allem die Darstellung der Alliierten sowie die Herausarbeitung verschiedener „Rollen“ von Angeklagten und drittens die Auseinandersetzung der Filme mit der Frage der Schuld oder Unschuld des deutschen Volkes.
Inhaltsverzeichnis:
1. Vorwort
2. Einleitung: Historische Filme als Vergangenheitsbewältigung
3. Der historische Hintergrund: Die Nürnberger Prozesse
4. Filmische Darstellungen der Nürnberger Prozesse
4.1. „Judgement at Nuremberg“ („Das Urteil von Nürnberg“)
4.2. „Nuremberg“ („Nürnberg – Im Namen der Menschlichkeit“)
4.3. „Speer und Er“
4.4. Vergleich der Darstellung der Prozesse in den einzelnen Filmen
4.5. Hintergründe der einzelnen Verfilmungen
5. Der Einsatz von Originalaufnahmen in den Filmen
6. Analyse der Charaktere
6.1. Verschiedene Typen von Angeklagten
6.2. Die Alliierten
7. Schuld oder Unschuld des deutschen Volks
8. Resümee
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Vorwort
Meine Wahl des Themas der Darstellung der Nürnberger Prozesse in Spielfilmen wurde im Wesentlichen durch mein persönliches Interesse an diesen Prozessen bestimmt, welche meines Erachtens einen wichtigen Beitrag dazu leisteten, dass die Begehung von Kriegsverbrechen tatsächlich als Verbrechen geahndet werden, wie auch die zunehmend zahlreicher werdenden vergleichbaren Prozesse der Gegenwart bestätigen. Die Nürnberger Prozesse stellen für mich den Anfang dieser bedeutsamen Entwicklung dar.
In meiner Arbeit möchte ich mich aber nicht eigentlich mit den Prozessen selbst beschäftigen, sondern vielmehr mit ihrer Darstellung in diversen Filmen. So gibt es drei Filme, welche die Nürnberger Prozesse thematisieren, wobei es sich bei „Speer und Er“ eigentlich um ein Dokudrama und nicht um einen reinen Spielfilm handelt. Ich werde die gespielten Szenen dennoch in meiner Arbeit mitberücksichtigen, da es sich bei dieser Verfilmung um die einzige deutsche Darstellung der Prozesse handelt.
Eine Analyse sämtlicher Aspekte der filmischen Darstellung wäre bei weitem zu umfassend und würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Deswegen habe ich mich dazu entschlossen, bestimmte einzelne Aspekte vergleichend darzustellen. So werde ich mir einerseits die generelle Herangehensweise der einzelnen Filme an die Darstellung der Nürnberger Prozesse anschauen, sowie ein wenig auf mögliche Hintergründe der Schaffung der Filme eingehen. Genauer möchte ich mich in der Folge mit der Verwendung von Originalaufnahmen in den Filmen auseinandersetzen. Des Weiteren werde ich eine Analyse der Darstellungen der einzelnen Charaktere vornehmen, wobei ich auch dabei eher überblicksmäßig und selektiv arbeiten werde. So habe ich mich dazu entschlossen, mir lediglich bestimmte Charaktere, wie die Angeklagten oder die jeweilige Hauptperson aus dem Kreis der Alliierten näher anzusehen. Natürlich ist mir klar, dass bei dieser Auswahl zahlreiche, ebenfalls für den filmischen Aufbau relevante Personen unberücksichtigt bleiben müssen. Abschließend möchte ich mich mit der Frage beschäftigen, welche Stellungnahme die einzelnen Filme zur Frage nach Schuld oder Unschuld des deutschen Volkes, das bei den Prozessen nicht auf der Anklagebank sitzt, abgeben.
Wie bereits erwähnt, kann es sich hierbei lediglich um eine Auswahl interessanter Aspekte handeln, die keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.
2. Einleitung: Historische Filme als Vergangenheitsbewältigung
Der Einfluss, den historische Filme auf die Bevölkerung haben, kann meines Erachtens gar nicht zu hoch geschätzt werden. Einerseits wecken sie das Interesse zahlreicher Menschen an der Vergangenheit, die zum Gesprächsthema wird, zum Beispiel wenn sich Menschen darüber unterhalten, ob sie die Umsetzung in diesem oder jenem Film für gelungen bzw. authentisch halten und andererseits prägen sie das Bild, das die Menschen von der Vergangenheit haben, entscheidend mit. So schreibt zum Beispiel Wolfgang Becker über die Absicht, welche historische Filme verfolgen: „den Adressaten, dem Publikum einen Anhalt zu geben, wie er Gegenwart und Vergangenheit zu sehen und zu begreifen habe, wie er sie und sich in ihnen einordnen solle“ (Becker 1995, S. 8).
Historische Filme erwecken den Anschein, die Realität wiederzugeben. Sie zeigen dem Zuschauer wie ‚es damals wirklich war’. Allerdings wird diese Vergangenheitsdarstellung oft verändert oder so ausgestaltet, dass uns Vergangenheit verzerrt oder nur unter einem bestimmten Blickwinkel präsentiert wird. So werden vielfach bewusst Veränderungen oder Verzerrungen vorgenommen, um Filme zu instrumentalisieren und sie für politische Zwecke nutzbar zu machen. Filme, welche die Vergangenheit darstellen, können zur Schaffung einer gemeinsamen Identität oder zur Legitimation einer bestimmten Herrschaft genützt werden. (vgl. Reichel 2004, S. 9)
Andererseits sind Verfälschungen und Verzerrungen nicht immer das Resultat einer bewussten Instrumentalisierung der Geschichte. Drehbuchautoren, Produzenten und Regisseure historischer Filme stoßen sehr oft auf Probleme bei der tatsächlichen filmischen Umsetzung vergangener Abläufe. So fehlen vor allem bei Ereignissen, die schon lange Zeit zurückliegen, aufschlussreiche Quellen oder es existieren keine objektiven Quellen[1]. Vielfach geht aus den vorhandenen Quellen nicht alles hervor, was für die filmische Umsetzung erforderlich ist, da vor allem Emotionen, Gedanken oder Absichten, welche oft die tragenden Elemente eines guten Filmes sind, kaum dokumentiert sind. (vgl. Toplin 1996, S. 3)
Bei der Beurteilung muss aber auch berücksichtigt werden, dass Filmemacher vielfach mit ihren Produkten, den Filmen auf dem Markt bestehen müssen. So geht es oft darum, Ereignisse möglichst effektvoll oder emotionsgeladen darzustellen. Auch sonst greifen Filmemacher oft tief in die Trickkiste, um Vergangenheit vor unseren Augen wieder lebendig werden zu lassen. Sie verbinden mehrere Figuren in einem einzelnen Helden, sie vereinfachen komplexe Ursachen und Abläufe, um sie leichter darstellen zu können und sie erfinden Dialoge um den Zuschauern einen Blick in die inneren Vorgänge der Protagonisten zu ermöglichen. (vgl. Toplin 1996, S. 10)
Andererseits gestatten es aber Filme Vergangenheit auf eine ganz neue Art zu untersuchen. (vgl. Toplin 1996, S. 5) Die filmische Darstellung ermöglicht oder zwingt Filmemacher oft dazu, Spekulationen anzustellen über die alternativen Entwicklungsmöglichkeiten, welche zu dieser Zeit existiert haben, als die Geschichte noch nicht in einer geraden Zeitlinie vorlag, als welche sie sich uns im Nachhinein präsentiert. Weiters ist zumeist eine Auseinandersetzung mit den Emotionen und inneren Antrieben der Protagonisten erforderlich, welche vielfach nicht für die Zukunft dokumentiert wurden.
3. Der historische Hintergrund: Die Nürnberger Prozesse
Die Nürnberger Prozesse stellen eine historische Besonderheit dar, da es das erste Mal war, dass in der Folge eines Krieges ein internationales Gericht der Sieger über die Besiegten richtete.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Die Angeklagten des Hauptkriegsverbrecherprozesses
Hauptverantwortliche für die Geschehnisse im Dritten Reich galten. (vgl. Riess 2004, S. 505) Die Anklage lässt sich in vier zentralen Punkten zusammenfassen (vgl. Heydecker/Leeb 2003, S. 100):
1. Verschwörung
2. Verbrechen gegen den Frieden
3. Kriegsverbrechen
4. Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Im Anschluss an den so genannten Hauptkriegsverbrecherprozess fanden die 12 Nürnberger Nachfolgeprozesse statt. Entgegen der ursprünglichen Absicht, auch diese Verfahren vor internationalen Tribunalen zu führen, wurden die Nachfolgeprozesse lediglich durch die Amerikaner, also ausschließlich unter Einbindung amerikanischer Ankläger und Richter, betrieben. Das letzte Urteil erging am 11. April 1949 und beendete die Nürnberger Prozesse endgültig. (vgl. Müller-Ballin)
Vor allem zu Beginn der Prozesse wurden diese vom Großteil der Deutschen akzeptiert und fast 80% beurteilten die Verfahren als notwendig und fair. Doch mit zunehmender Prozessdauer nahm die gesellschaftliche Akzeptanz ab. Vor allem im letzten Jahr der Prozesse verlangte die Gesellschaft mehrheitlich danach, einen Schlussstrich unter die Vergangenheit zu ziehen. (vgl. Reichel 2004, S. 134-135) Schon während des Prozesses wurde vielfach über seine Sinnhaftigkeit gerätselt und auch aus völkerrechtlicher Perspektive waren und sind diese Verfahren sehr umstritten. Dennoch ist es auch der Verdienst dieser Prozesse, die Vergangenheit in unvergleichlicher Genauigkeit ermittelt und für die Nachwelt dokumentiert zu haben. (vgl. Riess 2004, S. 542) Weiters setzten sie eine Entwicklung in Gang, welche es ermöglicht, heutzutage Kriegsverbrecher wie alle anderen Verbrecher vor Gericht zu stellen und für ihre Taten zu bestrafen.
4. Filmische Darstellungen der Nürnberger Prozesse
Filmemacher haben, wenn sie die Nürnberger Prozesse verfilmen wollen, Zugang zu einer Vielzahl von Quellen. Da es sich um gerichtliche Verfahren handelte, wurde in Protokollen jede Äußerung, die vor Gericht getätigt wurde akribisch von mehreren Gerichtsschreibern festgehalten. Weiters kann der Filmemacher auf filmische Aufzeichnungen, die während des Verfahrens gemacht wurden, sowie auf Berichte einer Vielzahl prominenter Zeitzeugen zurückgreifen. Auch die inneren Vorgänge und Beweggründe der Angeklagten scheinen durch die intensiven Untersuchungen und darüber geführten Aufzeichnungen von Seiten des Gefängnispsychologen hinreichend dokumentiert. Natürlich bleibt immer noch die Frage, inwieweit die Angeklagten beim Prozess tatsächlich die Wahrheit gesagt haben oder nur Selbstinszenierung betrieben haben. Unbestritten ist allerdings, dass für die filmische Darstellung der Nürnberger Prozesse eine große Menge an Quellen zur Verfügung steht.
Andererseits wird durch die Vielzahl an Quellen der Regisseur sehr in seiner Darstellungsfreiheit eingeschränkt, vor allem wenn er versucht, die Vergangenheit möglichst authentisch darzustellen. Durch diese Vorgegebenheit sehr vieler Elemente des Filmes wird auch eine Analyse schwieriger, da es zum Beispiel nicht zielführend ist die Effekte, welche durch die Urteilssprüche erzeugt werden zu analysieren, wenn diese den tatsächlich gefällten Urteilen entsprechen.
Insgesamt fällt auf, dass es trotz des umfangreichen Quellenmaterials nur sehr wenige Aufarbeitungen der Nürnberger Prozesse in Form von Spielfilmen gibt. Vor allem die Deutschen haben die Chance die sich ihnen bot, die Geschehnisse der Prozesse zu verfilmen, lange Zeit nicht genützt. (vgl. Reichel 2004, S. 136)
Die erste Darstellung der Prozesse in Form eines Spielfilmes stellt der Film ‚Judgement at Nuremberg’ von Stanley Kramer aus dem Jahr 1961 dar. 2000 wurde unter der Regie von Yves Simoneau das erste Mal der Hauptprozess im Film „Nuremberg“ dargestellt. Die erste deutsche Verfilmung des Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozesses erfolgte 2005 in dem Dokudrama „Speer und Er“ von Heinrich Breloer.
4.1. „Judgement at Nuremberg“ („Das Urteil von Nürnberg“)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Filmplakat
Juristenprozess. Im Film sind vier deutsche Richter angeklagt, welchen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen werden. Jener Angeklagte, auf welchen sich der Film hauptsächlich konzentriert, Ernst Janning weigert sich zuerst, die Zuständigkeit des Gerichtes anzuerkennen, schließlich macht er aber doch eine Aussage vor dem Tribunal.
Der Prozess wird vor einem ausschließlich amerikanisch besetzten Gericht geführt, wobei Richter Dan Haywood die zentrale Person des Filmes ist. Der Ankläger Colonel Ted Lawson führt zahlreiche Zeugen vor, um die Schuld der Angeklagten zu beweisen. Der Verteidiger Hans Rolfe argumentiert innerhalb der Logik des nationalsozialistischen Regimes, und weist zum Beispiel nach, dass einer der Zeugen ‚zu Recht’ zwangssterilisiert wurde. Schließlich verurteilt der Richter sämtliche Angeklagte zu lebenslanger Haft, obwohl zuvor Druck auf ihn ausgeübt wurde, aufgrund der veränderten weltpolitischen Lage Milde walten zu lassen, um die Deutschen als neue Bündnispartner gegen die Sowjetunion gewinnen zu können.
Der Film erhielt 1962 zwei Oscars (bestes Drehbuch, bester Hauptdarsteller) und zwei Golden Globes (beste Regie, bester Hauptdarsteller) und war in zahlreichen weiteren Kategorien nominiert. (vgl. Wikipedia: Das Urteil von Nürnberg)
[...]
[1] Zum Beispiel bei Sklavenaufständen, welche nur durch die im Endeffekt siegreichen Sklavenherren dokumentiert wurden.
- Citar trabajo
- Mag Elisabeth Bergmann (Autor), 2006, Die Darstellung der Nürnberger Prozesse in Spielfilmen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/81108
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