Heute, nach den abgelehnten Verfassungsreferenden in Frankreich und den Niederlanden, ist die Frage nach der zukünftigen Gestalt der Union wieder aktuell und muss, wie es die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel für die deutsche Ratspräsidentschaft im Jahr 2007 ankündigt, tätig mit Blick auf die bisherige Erfolgsgeschichte des europäischen Zusammenwachsen weiter entwickelt werden. Anfang der 1970er Jahre begann die europäische Regional- und Strukturpolitik Teil dieser Debatte zu werden und hat seither ihre Relevanz über drei wesentliche Reformschritte hinweg eindrucksvoll ausgebaut.
Das Mehrebenennetzwerk der Europäischen Union verarbeitet dazu einen Pluralismus der Interessen, der jedoch nicht nur über politische Tauschgeschäfte, sondern im besseren Fall über die gemeinsame Förderung des Gemeinwohls voranschreitet. Dies führt zur stärkeren Akzeptanz und Stabilität des gesamten Mehrbenensystems, ohne blockadeanfällige Verflechtungsstrukturen sehr zu verfestigen oder auszuweiten. Darin offenbart sich die regional orientierte Strukturpolitik als wichtige Stütze für den langsamen Prozess einer positiven Integration.
Für die Institutionen der Europäischen Union wird es in Zukunft noch wichtiger werden, jene Politikfelder zu stärken, in denen sich die Akteure innerhalb der Union effizient einbringen können, und ihre „Kompetenz für ein kompliziertes Governance-System auf vielen Ebenen, vor allem auf der europäischen“ (Gunter Hofmann in: Die Zeit Nr.29/2006, S.6) auszubauen.
Inhalt:
1 Einleitung
2 Theoretische Grundlagen
3 Entwicklungsschritte der europäischen Regionalpolitik
3.1 Aufbau der Regionalfonds
3.2 Der Weg zum EG-Vertrag von Maastricht
3.3 Erweiterung und Vertiefung der Union
4 Politische Verflechtung im Mehrebenensystem
4.1 Regionalpolitik der europäischen Akteure
4.2 Europäisierung durch politische und strukturelle Verflechtung
4.3 Differenzierung als Ausweg aus der Politik-Verflechtungsfalle
5 Ausblick für die Regionalpolitik
Literatur
1 Einleitung
Die Verfasstheit der Europäischen Union beschäftigt die Politikwissenschaft bereits seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts, als die organisierte Entwicklung der europäischen Integration 1951 in der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl ihren Anfang nahm. Heute, nach den abgelehnten Verfassungsreferenden in Frankreich und den Niederlanden, ist die Frage nach der zukünftigen Gestalt der Union wieder aktuell und muss, wie es die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel für die deutsche Ratspräsidentschaft im Jahr 2007 ankündigt, tätig mit Blick auf die bisherige Erfolgsgeschichte des europäischen Zusammenwachsen weiter entwickelt werden. Anfang der 1970er Jahre begann die europäische Regional- und Strukturpolitik Teil dieser Debatte zu werden und hat seither ihre Relevanz über drei wesentliche Reformschritte hinweg eindrucksvoll ausgebaut.
Auch das Bundesland Bayern hat über die Jahre diesen Prozess mitgestaltet und dabei sowohl versucht, eigene politische Einflussmöglichkeiten zu gewinnen, als auch die Relevanz der europäischen Regionen in den verschiedenen Brüsseler Institutionen zu verstärken. Gerade die Betonung der Eigenständigkeit des Freistaates hat die Bayerische Staatskanzlei in vielen Fragen auch zum bundesdeutschen Vorreiter bei Initiativen gemacht, die die eigenverantwortliche Kompetenz in den Regionen stärkt. Und so formuliert auch Emilia Müller, die amtierende Staatministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten in der Staatskanzlei, anlässlich der bayerischen Europawoche 2006 in ihrem Grußwort: „Europäische Einigung heißt (…)nicht Gleichmacherei.“, und fordert dazu „Raum für die Vielfalt in der Einheit“ und eine „konsequente Anwendung des Subsidiaritätsprinzips“.[1] Damit befürwortet die Ministerin die Empfehlungen der meisten wissenschaftlichen Arbeiten beim Thema der europäischen Integration und greift den Trend zur Dezentralisierung auf, der auch die vergangenen Brüsseler Reformen entscheidend geprägt hat.
Diese sollen hier im Rahmen der historischen Entwicklung europäischer Regionalpolitik untersucht werden, inwieweit sie beteiligt waren, den status quo entscheidend zu prägen. Anhand der aktuellen Lage werden anschließend mit Hilfe unterschiedlicher Theorien das Regieren auf mehreren Ebenen und der politische Verflechtungsgrad in Europa analysiert, was schließlich Folgerungen für die Zukunft der Regionalförderung und des Europäisierungsprozesses zulassen wird.
2 Theoretische Grundlagen
Da eine Politikfeldanalyse der europäischen Regionalpolitik meines Erachtens zwar notwendig, aber nicht hinreichend ist, die gestellten Fragen sorgfältig zu behandeln, werde ich zunächst einige bekannte Modelle zur Analyse von Europäisierung vorstellen.
Der Begriff der Europäisierung kann definiert werden als die „vertraglich verankerte, institutionalisierte Festlegung auf Vergemeinschaftung“ [Knodt/Kohler-Koch (2000), S.12]. Damit beschreibt er den Prozess der Anpassung und Neuausrichtung des politischen Entscheidungsprozesses und der beteiligten Institutionen mit Auswirkung auf die Balance zwischen nationaler und regionaler Einflussnahme. Das gesellschaftliche Selbstverständnis sowie politische Willensbildung und deren kulturelle Ausformung werden dabei neu gestaltet.
Auf der Basis von ressourcenabhängigen Kooperationsmechanismen wird dieses Thema von der Netzwerkanalyse behandelt. Die Akteure, wie zum Beispiel die europäischen Regionen, sind hier mit Ressourcen verschiedener Art ausgestattet, um für den Prozess, vor allem durch Stabilisierung und Ausweitung der politischen Netzwerke, positive Effekte, also Stabilität und neue Ressourcen zu gewinnen. Informelle und formelle Netze werden gleichermaßen einbezogen und formen innerhalb der Union ein flexibles Mehrebenensystem des Regierens.
Mehr mit einer informellen Kernthese arbeitet der ‚advocacy coalition’ – Ansatz, der eine gemeinsame Welt- und Problemsicht als Grundlage der Kooperation sieht. Regionale Transformation wird als förderlich für die Integration bewertet, wobei die politisch-kulturellen Handlungsmuster, aber auch Kosten-Nutzen-Überlegungen für die Akteure entscheidend sind. Diese Konzepte stehen einem Regierungshandeln gegenüber, das dem ‚principal-agent - Problem’ durch hierarchische Struktur und Verwaltung ‚top-down’ begegnen möchte. Hier treten die europäischen Organe, vor allem die Kommission als Prinzipal auf, während die Subeinheiten die politischen und rechtlichen Akte durch mimetische Nachahmung oder aufgrund von ‚coersive pressure’ implementieren sollen. Vor allem die Strategie des ‚policy-learning’ kritisiert diese Praxis wegen ihrer geringen institutionellen Effizienz und dem gesellschaftlichen Widerstand der untergeordneten Akteure. Sie stellt einen beidseitigen Lerneffekt dagegen, der sowohl die Mitgliedsstaaten und Regionen als auch den zentralen europäischen Überbau von der politischen Praxis der anderen Ebenen profitieren lässt. Für die heutige Gestalt einer Vielzahl an Politikfeldern spielt die Entscheidung der Akteure für eine regionenkompatible oder –averse Implementationsstrategie[2] eine wesentliche Rolle.
Auch durch den ‚multiple-streams’ – Ansatz lassen sich die Prozesse der Regional- und Strukturpolitik plausibel veranschaulichen, da hier „politische Unternehmer“ die im Rahmen des europäisierten Politikzyklus auftretenden Gelegenheitskonstellationen, so genannte ‚windows of opportunity’ wahrnehmen, um ihre spezifischen Interessen zu thematisieren und durchzusetzen.
Weniger geeignet scheinen mir Theorieansätze wie die ‚nested games’ oder die Politikstilanalyse, da sie für die vorliegende Arbeit eine zu spezifische Perspektive anwenden. Die kurz vorgestellten Theorien[3] sind sich jedoch einig in der Feststellung einer stark gesellschaftlich verankerten Dezentralisierungstendenz, die sich auch nach der mittel- und osteuropäischen Erweiterungsrunde ungebrochen fortschreibt. Natürlich sind die westeuropäischen Politiknetzwerke inzwischen wesentlich stabiler, von daher haben die neuen Mitgliedsstaaten Aufholpotential und können noch eher in ihrem eigenen politisch-kulturellen, historischen und sozioökonomischen Kontext betrachtet werden.
Auch vor diesem wird während des Integrationsprozesses der Trend zur Regionalisierung nicht halt machen, was bedeutet, dass der durch den Unionsbeitritt motivierte Aufbau europatauglicher Strukturen unter Einbeziehung der Gemeinden und Regionen unweigerlich zu einem neuen Verhältnis zwischen den zentralen und regionalen Akteuren führen wird. Auf der europäischen Ebene sind die institutionalisierten Akteure am einflussreichsten, sprich Europäische Kommission, Parlament und Rat sowie die beratenden Organe, der Wirtschafts- und Sozialausschuss und der Ausschuss der Regionen. In den europäischen Regionen findet man ausgewiesen heterogene Strukturen vor, die für Verwaltung und Gesetzgebung zuständig sind. An privaten Akteuren sind in erster Linie die Sozialverbände zu nennen, aber auch gemeinnützige Organisationen , einzelne Unternehmen , Vereine und Stiftungen betätigen sich in der Regionalpolitik und werden aktiv in den Prozess einbezogen.
Zum Abschluss dieser Einführung ist es mir noch wichtig, den Begriff der Region abzugrenzen. Nach Hrbek gibt es zwei Ansätze zur Definition[4]: Eine Region kann einen Raum bezeichnen, in dem bestimmte Merkmale wie ethnische, religiöse, sprachliche usf. eine Homogenität aufweisen, die sich auf einen geographischen Raum beziehen lässt. Aber auch wenn eine territoriale oder politische Einheit zu einer übergeordneten in Bezug gesetzt werden kann, was innerhalb der politischen Struktur der EU sowohl zwischen den Nationalstaaten und der supranationalen Union als auch zwischen nationalen und subnationalen Einheiten gängig ist, spricht man von Regionen.
Nun stellt sich die Frage, ob diese Einteilung nur in hierarchischen Ebenen gedacht werden kann und aktiv ist, oder ob eine komplexere Verflechtungsstruktur das Regieren in Europa bestimmen. Dazu ist zunächst ein Blick auf die politische Entwicklung der Regionalpolitik in den vergangenen Jahrzehnten zu werfen und im Zusammenhang die institutionelle Struktur, die sie geschaffen hat, zu analysieren.
[...]
[1] http://www.bayern.de/Europa/Europawoche/grusswort_mueller.html
[2] vgl. Sturm (2004) S.24
[3] Zum Überblick: Sturm (2004) S.30
[4] Hrbek, Rudolf in: Färber/Forsyth (1996) S.14
- Arbeit zitieren
- Markus Koch (Autor:in), 2006, Europäische Regionalpolitik: Europäisierung als Einbahnstraße?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/81013
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