‚Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit’ lauteten die drei weitläufig bekannten Schlagworte der Französischen Revolution - Zeichen der Rebellion des Volkes gegen die tyrannische Unterdrückung durch Adel und Monarchen. Jedoch fällt auf, dass sich der Aufruf zur ‚Brüderlichkeit’ in erster Linie auf eine Solidarität zwischen Brüdern, also Männern, bezieht. Doch wie stand es um die Schwestern der Revolution, um die Frauen?
Die deutsche Schriftstellerin Therese Heyne-Forster-Huber (1764-1829) war zwar keine aktive Revolutionsschwester, jedoch für eine Frau ihrer Zeit überaus stark an zeitgenössischen politischen Themen interessiert. Mit der Französischen Revolution kam die Göttinger Professorentochter vor allem im französisch besetzten Mainz in Berührung, wo sie während der ersten Revolutionsjahre mit ihrem ersten Ehemann, dem Jakobiner Georg Forster, lebte. Und auch noch nach ihrer Flucht vor den deutschen Truppen ins schweizer Exil, verfolgte Therese Huber die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen im Nachbarland Frankreich aufmerksam. Entgegen allen gängigen zeitgenössischen Vorstellungen von der Beschränkung der Frau auf die häusliche und private Handlungssphäre, verarbeitete Huber in ihrem literarischen Werk immer wieder die politischen Ereignisse der jüngsten Vergangenheit - allen voran die Französische Revolution. Die intensivste Auseinandersetzung mit den Revolutionsereignissen findet in dem 1795/96 entstandenen Roman Die Familie Seldorf statt. In diesem politischen Familienroman wird die Geschichte einer jungen Frau erzählt, die aufgrund verschiedener Umstände zuerst zur politisch aktiven Revolutionärin in Paris und später sogar zur kämpfenden Soldatin der Revolutionsarmee auf den Schlachtfeldern der Vendée wird. Der Roman richtet seinen Fokus also nicht auf die Revolution im Allgemeinen, sondern speziell auf die politisch aktive Frau zur Revolutionszeit. Interessanterweise werden weder die Revolution an sich noch die weibliche Partizipation durchgängig positiv dargestellt, vielmehr scheint die Autorin beidem recht ambivalent gegenüberzustehen.
Im Folgenden soll gerade diese Ambivalenz in der Darstellung der Revolution und vor allem der Frau in der Revolution im Roman Die Familie Seldorf genauer untersucht werden. Die ersten beiden inhaltlichen Kapitel - Frauen in der Französischen Revolution und Therese Huber und die Französische Revolution – sollen zum Hauptthema der Arbeit hinführen, einen geschichtlichen und biographischen Hintergrund liefern und obendrein vor allem als Bezugspunkt während der anschließenden Analyse der Darstellung der zeitgeschichtlichen Ereignisse und der Interpretation der politischen Aussagen im Roman dienen.
Kapitel vier setzt sich schließlich konkret mit der Französischen Revolution in Die Familie Seldorf auseinander. In der ersten Hälfte dieses Kapitels werden Art und Weise der Darstellung der realen Ereignisse und Zustände während der Revolutionszeit, mit denen die Autorin ihre Fiktion immer wieder durchwebt, analysiert und mit der Realität (oder dem was man heute allgemein als historische Tatsachen akzeptiert) verglichen. Anhand dieser Untersuchungen und mit Verweis auf Kapitel drei (Therese Huber und die Französische Revolution) wird versucht die Frage nach der politischen Verortung und der von der Autorin intendierten politischen Aussage zu beantworten. Die zweite Hälfte dieses vierten Kapitels widmet sich nun dem Kern der groben Fragestellung dieser Arbeit: die Darstellung der politisch aktiven Frau in Die Familie Seldorf. Bevor jedoch auf die Konstruktion der einzelnen Revolutionärinnen im Roman eingegangen werden kann, wird mit einem Unterkapitel über die Darstellung von Revolutionsfrauen in der zeitgenössischen deutschen Presse und Literatur die Grundlage für die folgende Analyse gelegt. Die Schilderung des zeitgenössischen öffentlichen Diskurses zum Thema Frauen und Politik bietet einen Vergleichspunkt zu den Darstellungen in Hubers Roman und die Möglichkeit diesen innerhalb der öffentlichen Diskussion einzuordnen. Anschließend werden sowohl die namenlosen Revolutionärinnen im Hintergrund des Romangeschehens, als auch die handlungstragenden weiblichen Figuren betrachtet, wobei jedoch der Schwerpunkt auf die politische Entwicklung der Hauptfigur Sara Seldorf, auf ihre revolutionären Aktivitäten und auf die Motive für ihr Handeln gelegt werden soll. Mittels verschiedener Forschungsmeinungen und eigener Überlegungen wird nun der Frage nachgegangen, wie die Autorin zum umstrittenen Thema der weiblichen politischen Beteiligung in der Revolution steht. In der Schlussbetrachtung sollen schließlich die wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst werden.
Inhalt
1. Einleitung: Die Revolution im Roman
2. „Da werden Weiber zu Hyänen []“
- Frauen in der Französischen Revolution
3. „Die Revolution, die in Frankreich den Staat, hat in Deutschland die Literatur erschüttert“ - Therese Huber und die Französische Revolution
4. „Ich erzählte was ich in der Wirklichkeit wahrnahm“ – Die Französische Revolution in Therese Hubers Roman Die Familie Seldorf
4.1 Die Familie Seldorf (1794)
4.2 Verarbeitung von Zeitgeschichte: Die Darstellung der Französischen Revolution im Roman Die Familie Seldorf
4.2.1 Auseinandersetzung mit der sozialen Lage und der Revolution im 1. Band
4.2.2 Die Darstellung tatsächlicher Ereignisse der Revolution im 2. Band
4.3 „[] die Namen Freiheit, Vaterland, schallten dumpf und bedeutungslos,
wie aus Gräbern, aus ihrer verödeten Brust zurük.“ – Die Darstellung
politisch aktiver Frauen im Roman Die Familie Seldorf
4.3.1 Furien und Heilige: Revolutionsfrauen in der deutschen Presse
und Literatur
4.3.2 „Diese entarteten Geschöpfe []“– Die namenlosen Revolutionärinnen
4.3.3 „Rache und Recht kennt und braucht auch das Weib!“
- Die politische Entwicklung der Sara Seldorf
5. Schlussbetrachtung: Ein revolutionärer Roman?
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung: Die Revolution im Roman
‚Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit’ lauteten die drei weitläufig bekannten Schlagworte der Französischen Revolution - Zeichen der Rebellion des Volkes gegen die tyrannische Unterdrückung durch Adel und Monarchen. Jedoch fällt auf, dass sich der Aufruf zur ‚Brüderlichkeit’ in erster Linie auf eine Solidarität zwischen Brüdern, also Männern, bezieht. Doch wie stand es um die Schwestern der Revolution, um die Frauen?
Die deutsche Schriftstellerin Therese Heyne-Forster-Huber (1764-1829) war zwar keine aktive Revolutionsschwester, jedoch für eine Frau ihrer Zeit überaus stark an zeitgenössischen politischen Themen interessiert. Mit der Französischen Revolution kam die Göttinger Professorentochter vor allem im französisch besetzten Mainz in Berührung, wo sie während der ersten Revolutionsjahre mit ihrem ersten Ehemann, dem Jakobiner Georg Forster, lebte. Und auch noch nach ihrer Flucht vor den deutschen Truppen ins schweizer Exil, verfolgte Therese Huber die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen im Nachbarland Frankreich aufmerksam.[1] Entgegen allen gängigen zeitgenössischen Vorstellungen von der Beschränkung der Frau auf die häusliche und private Handlungssphäre, verarbeitete Huber in ihrem literarischen Werk immer wieder die politischen Ereignisse der jüngsten Vergangenheit - allen voran die Französische Revolution. Die intensivste Auseinandersetzung mit den Revolutionsereignissen findet in dem 1795/96 entstandenen Roman Die Familie Seldorf statt. In diesem politischen Familienroman wird die Geschichte einer jungen Frau erzählt, die aufgrund verschiedener Umstände zuerst zur politisch aktiven Revolutionärin in Paris und später sogar zur kämpfenden Soldatin der Revolutionsarmee auf den Schlachtfeldern der Vendée wird. Der Roman richtet seinen Fokus also nicht auf die Revolution im Allgemeinen, sondern speziell auf die politisch aktive Frau zur Revolutionszeit. Interessanterweise werden weder die Revolution an sich noch die weibliche Partizipation durchgängig positiv dargestellt, vielmehr scheint die Autorin beidem recht ambivalent gegenüberzustehen.
Im Folgenden soll gerade diese Ambivalenz in der Darstellung der Revolution und vor allem der Frau in der Revolution im Roman Die Familie Seldorf genauer untersucht werden. Die ersten beiden inhaltlichen Kapitel - Frauen in der Französischen Revolution und Therese Huber und die Französische Revolution – sollen zum Hauptthema der Arbeit hinführen, einen geschichtlichen und biographischen Hintergrund liefern und obendrein vor allem als Bezugspunkt während der anschließenden Analyse der Darstellung der zeitgeschichtlichen Ereignisse und der Interpretation der politischen Aussagen im Roman dienen.
Kapitel vier setzt sich schließlich konkret mit der Französischen Revolution in Die Familie Seldorf auseinander. In der ersten Hälfte dieses Kapitels werden Art und Weise der Darstellung der realen Ereignisse und Zustände während der Revolutionszeit, mit denen die Autorin ihre Fiktion immer wieder durchwebt, analysiert und mit der Realität (oder dem was man heute allgemein als historische Tatsachen akzeptiert) verglichen. Anhand dieser Untersuchungen und mit Verweis auf Kapitel drei (Therese Huber und die Französische Revolution) wird versucht die Frage nach der politischen Verortung und der von der Autorin intendierten politischen Aussage zu beantworten. Die zweite Hälfte dieses vierten Kapitels widmet sich nun dem Kern der groben Fragestellung dieser Arbeit: die Darstellung der politisch aktiven Frau in Die Familie Seldorf. Bevor jedoch auf die Konstruktion der einzelnen Revolutionärinnen im Roman eingegangen werden kann, wird mit einem Unterkapitel über die Darstellung von Revolutionsfrauen in der zeitgenössischen deutschen Presse und Literatur die Grundlage für die folgende Analyse gelegt. Die Schilderung des zeitgenössischen öffentlichen Diskurses zum Thema Frauen und Politik bietet einen Vergleichspunkt zu den Darstellungen in Hubers Roman und die Möglichkeit diesen innerhalb der öffentlichen Diskussion einzuordnen. Anschließend werden sowohl die namenlosen Revolutionärinnen im Hintergrund des Romangeschehens, als auch die handlungstragenden weiblichen Figuren betrachtet, wobei jedoch der Schwerpunkt auf die politische Entwicklung der Hauptfigur Sara Seldorf, auf ihre revolutionären Aktivitäten und auf die Motive für ihr Handeln gelegt werden soll. Mittels verschiedener Forschungsmeinungen und eigener Überlegungen wird nun der Frage nachgegangen, wie die Autorin zum umstrittenen Thema der weiblichen politischen Beteiligung in der Revolution steht. In der Schlussbetrachtung sollen schließlich die wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst werden.
2. „Da werden Weiber zu Hyänen […]“ - Frauen in der Französischen Revolution
„Die Frau hat das Recht, das Schafott zu besteigen, gleichermaßen muß ihr das Recht zugestanden werden, eine Rednerbühne zu besteigen“.[2][3] Diese berühmte Forderung der französischen Schauspielerin, Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Olympe de Gouges von 1791 umschreibt recht treffend die schwierige Situation politisch interessierter Frauen zur Zeit der Französischen Revolution. Zwar forderten die Revolutionäre einerseits Freiheit und Gleichheit, andererseits spielte die Frau immer noch eine dem Mann untergeordnete Rolle und wurde weitestgehend aus der öffentlich-politischen Sphäre verdrängt.
Nichtsdestotrotz machten Frauen damals wie heute über die Hälfte der Bevölkerung aus, folglich wäre es anmaßend anzunehmen, ihre Rolle - ob vor oder hinter den Kulissen - in einem der größten historischen politischen Ereignisse der europäischen Neuzeit sei unbedeutend, auch wenn die Geschichtsschreibung ihren Beitrag zu Revolution und Konterrevolution für lange Zeit in ihren Ausführungen vernachlässigte. Erst im Zuge der Frauenbewegung der 1960er Jahre in Europa und mit dem Aufkommen der ‚gender-studies’ wurden die Lebensumstände französischer Frauen auf dem Land und in den Städten zur Revolutionszeit und ihre Bedeutung im Revolutionsgeschehen genauer erforscht und beschrieben.[4] Selbstverständlich können keine einheitlichen Aussagen über die Frau in der Französischen Revolution gemacht werden; beeinflussten geographische Herkunft und Standeszugehörigkeit der einzelnen Frauen ihre Lebensumstände und die daraus resultierenden sozio-politischen Einstellungen doch ungemein. Dennoch ist eine generell ansteigende politische Partizipation von Frauen aus den verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen innerhalb der ersten Revolutionsjahre, also von 1789 bis 1794, deutlich zu erkennen.[5] Petersen unterscheidet zwei ungleich motivierte Arten des politischen Eingreifens von Frauen in das Revolutionsgeschehen: 1. weibliches Handeln aus ökonomischen Interessen und 2. weiblicher Einfluss durch wachsende Politisierung und Organisierung.[6]
Die Anfangsphase der Revolution spiegelt eine gewisse Hoffnung der Frauen auf Gleichberechtigung wider: viele Bürgerinnen sahen in den von den Revolutionären vertretenen Werten die Chance mehr Rechte zu erlangen. Beispielhaft für dieses Streben ist die bereits erwähnte Olympe de Gouges, sie verfasste die Déclaration des Droits de la Femme et de la Citoyenne (dt.: Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin), die im September 1791 die Nationalversammlung erreichten. In diesem Schreiben, welches eine Antwort auf die 1789 verfasste Déclaration des Droits de l’Homme et du Citoyen ist, zeigt Olympe die Unvereinbarkeit von naturrechtlicher Gleichheit und Patriarchat und fordert die soziale, juristische und politische Gleichstellung der Frau.[7] Auch wenn heute wenig bekannt ist über Verbreitung und Wirkung der Déclaration, weiß man doch zumindest, dass auch andere Frauen de Gouges Einstellung teilten und sich gegen Diskriminierung und für politische Rechte einsetzten, wobei auch gewisse Erfolge gerade auf zivilrechtlicher Ebene, wie zum Beispiel in Bereichen der Mädchenbildung, des Scheidungsrechts und der Geschäftsfähigkeit von Frauen, verbucht werden konnten. Allerdings wurde ein Großteil dieser Errungenschaften im späteren Verlauf der Revolution und der nachfolgenden Herrschaft Napoleons wieder außer Kraft gesetzt.[8]
Doch die Frauen setzten sich nicht nur verbal für mehr Rechte ein, sondern übten diese reklamierten Rechte auch tatkräftig aus, das heißt sie beteiligten sich aktiv am politischen Zeitgeschehen. Auch wenn ihnen während der gesamten Revolutionszeit das Wahlrecht und das Recht gewählt zu werden vorenthalten blieb, nahmen Frauen ab 1789 an revolutionären Aufständen und bewaffneten Aktionen teil: der als „Brot-“ oder „Oktobermarsch“ in die Geschichtsbücher eingegangene Marsch von ca. 7.000 Pariser Frauen nach Versailles ist ein bekanntes Beispiel hierfür;[9] er war eine Reaktion auf die ständige Erhöhung der Lebensmittelpreise und die zunehmende Armut in Paris. Relativ spontan fanden sich die wütenden Frauen am 5. Oktober 1789 zusammen, um gemeinsam die Residenz des Königs und der Nationalversammlung aufzusuchen und ihre Proteste, die sie durch Sprechchöre und physische Angriffe verlauten ließen, waren erfolgreich: die Frauen bewirkten gesicherte Preisnachlässe und den Umzug des Königs und der Nationalversammlung nach Paris, wo sie unter Beobachtung des Volkes standen.[10] Diese politische Aktion, welche eindeutig Petersens erster Art weiblicher Partizipation zuzuordnen ist - Handeln, motiviert durch pragmatische, ökonomische Interessen - fand höchste Anerkennung auch von männlicher Seite[11] und ebnete den Frauen den Weg für weitere politische Agitation. So kamen von nun an öfter kleinere, spontane Protestmärsche von Frauen zustande, ausgelöst durch Mangel von Lebensmitteln oder überhöhte Preise.[12]
Darüber hinaus waren Frauen bei den Ständeversammlungen vertreten, nahmen an revolutionären Umzügen und Festen teil, kämpften - manchmal auch in Männerkleidung - in der Armee mit und legten Petitionen und Beschwerdebriefe vor,[13] die jedoch stets von Männern verlesen werden mussten, denn schließlich war es Frauen verboten in der Nationalversammlung zu sprechen.[14] Außerdem gründeten die weiblichen Revolutionäre Zeitungen und Zeitschriften, wie z.B. die Zeitschrift der Sansculottinnen, oder das Journal des femmes, (ab 1791) und machten sie zum Sprachrohr ihrer Interessen.[15]
Der Moniteur, ein zeitgenössisches, patriotisches Blatt, beschreibt die kämpferische Mitwirkung der Frauen an der Revolution folgendermaßen:
Sogleich stürzten sich tausende von Frauen in das Getümmel, die einen mit Säbel, die anderen mit Piken. Ich habe mehrere gesehen, wie sie mit eigener Hand Schweizer töteten; andere ermutigten ihre Männer, ihre Kinder, ihre Brüder. Mehrere dieser Frauen wurden getötet, ohne daß sich die anderen davon hätten einschüchtern lassen.[16]
Eine andere Möglichkeit zur politischen Artikulation stellte vor allem für Sansculottinnen in Paris die Organisation in politischen Frauenklubs (2. Art politischen Handelns: weiblicher Einfluss durch wachsende Politisierung und Organisierung) dar. Der erfolg- und einflussreichste dieser Klubs war der „Club des Citoyennes Républicaines Révolutionnaires“ (dt.: „Klub der Revolutionären Republikanerinnen“), dessen Zielgruppe „mutige, keine körperliche Auseinandersetzung scheuende Frauen“[17] waren und der sich vor allem auf den Kampf gegen die Konterrevolution konzentrierte. Die Tatsache, dass die Mitglieder dieses Klubs als Erkennungszeichen die Kokarde trugen – ein Zeichen, das von männlichen Revolutionären schon seit längerer Zeit benutzt wurde - führte zum ‚Kokardenstreit’, einer Auseinandersetzung über die Frage, ob es Frauen erlaubt sein sollte die Kokarde zu tragen, woraus eine Debatte über politische Frauenrechte im Allgemeinen erwuchs.
Die Konterrevolutionäre […] wollen nicht, daß wir uns um Politik kümmern. Sie schlagen uns vor, daß wir uns mehr um unsere Kinder und um unseren Haushalt kümmern sollten. Wir antworten ihnen, daß jedes Individuum dem Staat dienen muß. Wir tragen die Kokarde seit einem Monat. Wir haben die Tyrannen zum Zittern gebracht. Eine von uns hat zehn Aristokraten in die Flucht geschlagen. Wir würden eher zugrundegehen, als sie [die Kokarde] abzulegen.[18]
Auch wenn es zunächst so aussah, als könnten sich die „Revolutionären Republikanerinnen“ durchsetzen, endete der Streit doch ganz anders: Der „Club des Citoyennes Républicaines Révolutionnaires“ wurde im Oktober 1793 zusammen mit allen anderen politischen Frauenklubs aufgelöst.
Von nun an wurden das politische Aufbegehren der Frauen und ihre Forderungen nach gleichwertiger Beteiligung in Politik und Öffentlichkeit immer mehr verdrängt, zugunsten einer ideologischen Diskussion über naturrechtliche Geschlechterrollen, in der restaurative Tendenzen in den Meinungen der Bevölkerung eine zunehmend größere Rolle einnahmen: aufgrund ihrer geschlechtstypischen Eigenschaften sollte die Frau im rousseauschen Sinne aus dem öffentlichen, politischen Leben vertrieben und zurück in ihre geschlechtsspezifischen Handlungssphären, das Haus, das Private, verbannt werden. Die Aufgaben einer idealen Republikanerin sollten von nun an wieder vor allem darin bestehen, die Familie zu betreuen, die Männer und Söhne zu umsorgen und im Kampf zu unterstützen und ihre Kinder zu guten Republikanern zu erziehen.[19] Im Oktober 1793 erhielt diese Ideologie endgültig Einzug in den politischen Bereich und der Auflösung der Frauenklubs folgte eine vom Konvent festgelegte Handlungsbeschränkung der Frau auf den privaten Raum. So äußerte sich der Abgeordnete Amar folgendermaßen vor dem Konvent:
[...]
[1] Vgl. Becker-Cantarino, Barbara: Schriftstellerinnen der Romantik. Epoche – Werke - Wirkung. München: Beck 2000. S.89.
[2] Schiller, Friedrich: Das Lied von der Glocke. In: Gedichte. Auswahl und Anmerkungen von Norbert Oellers. Stuttgart: Reclam 2001. S. 39.
[3] Gouges, Olympe de: Schriften. Hrsg. von Monika Diller, Vera Mostowlanski, Regula Wyss. 2. Aufl. Basel: Stroemfeld/Roter Stern 1989. S. 42.
[4] Vgl. Mies, Maria: Die Französische Revolution kann für Frauen nicht nachgeholt werden. In: „Der Menschheit Hälfte blieb noch ohne Recht“. Frauen und die Französische Revolution. Hrsg. von Helga Brandes. Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag 1991. S. 185-199. S. 185.
[5] Vgl. Petersen, Susanne: Frauen in der Französischen Revolution. In: „Der Menschheit Hälfte blieb noch ohne Recht“. Frauen und die Französische Revolution. Hrsg. von Helga Brandes. Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag 1991. S. 9-27. S. 16f.
[6] Vgl. Ebd. S. 17.
[7] Vgl. Ebd. S. 12.
[8] Vgl. Petersen: Frauen in der Französischen Revolution, S. 12f.
[9] Vgl. Krug, Michaela: Auf der Suche nach dem eigenen Raum. Topographien des Weiblichen im Roman von Autorinnen um 1800. Würzburg: Königshausen und Neumann 2004. S. 249.
[10] Vgl. Petersen: Frauen in der Französischen Revolution, S. 17ff.
[11] Vgl. Krug: Eigener Raum, S. 249.
[12] Vgl. Petersen: Frauen in der Französischen Revolution, S. 19.
[13] Vgl. Vahsen, Mechthilde: Die Politisierung des weiblichen Subjekts : deutsche Romanautorinnen und die Französische Revolution (1790 - 1820). Berlin : E. Schmidt 2000. S. 12.
[14] Vgl. Petersen: Frauen in der Französischen Revolution, S. 18.
[15] Vgl. Vahsen: Politisierung, S. 12.
[16] Seconde lettre au duc Brunswick. In: Moniteur vom 28.8.1792. Zit. nach Krug: Eigener Raum, S. 249.
[17] Petersen: Frauen in der Französischen Revolution, S. 23.
[18] „Revolutionäre Republikanerinnen“ im Genralrat der Pariser Kommune am 13. Juni 1793 darüber, dass sie von Frauen beschimpft worden seien, weil sie die Kokarde getragen hätten. Zit. nach Petersen: Frauen in der Französischen Revolution, S. 24. (Ergänzung von mir, J.S.)
[19] Vgl. Vahsen: Politisierung, S. 13.
- Citar trabajo
- Julia Sproll (Autor), 2007, Frauen und die Französische Revolution in Therese Hubers Roman Die Familie Seldorf , Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/81011
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