Die Experten sind sich einig, dass die Problematik der Dekubitustherapie aufgrund von Wissenslücken bei Pflegenden und Ärzten zur Wundbeurteilung, Prophylaxe und Therapie bei Dekubitalgeschwüren herrührt.
Es stellt sich die Frage, ob es wirklich ein Wissensdefizit bei Pflegekräften bezüglich der Therapie von Dekubitalgeschwüren gibt, oder die Praxis mit theoretischen Grundlagen überfordert werden. Im Gesundheitsbericht des Ennepe-Ruhr-Kreises wurde festgestellt, dass die Anzahl des Fachpersonals keinen Einfluss auf die Entstehung von Dekubiti hat. Das heißt die fachliche Qualifikation spielt hier, zumindest bei den Pflegekräften, keine Rolle.
Sind es also vielmehr die Defizite der behandelnden Ärzte, deren Kompetenz im Bereich der Wundbehandlung überfordert wird?
Ein Mangel an Leitlinien für die Versorgung von Dekubiti kann eigentlich ausgeschlossen werden, da eine Zuordnung von Präparaten bzw. Therapiemöglichkeiten entsprechend des Wundzustandes existieren.
Bekanntlich erfordert Information eine Hol- und keine Bringschuld.
Demzufolge wäre eine permanente Fortbildungs- und Weiterbildungspflicht für Pflegekräfte erforderlich, doch ist dies in der Praxis auch umsetzbar?
Die rapide Überarbeitung von Erkenntnissen in dem Bereich der Dekubitustherapie zeigten die Vergleiche von Texten von nur einem Autor.
Anhand dieser Arbeit ist zu erkennen, dass eine Menge an Publikationen aber auch Richtlinien bezüglich der Dekubitustherapie existieren. Eine Überflutung an Informationen kann zur Irreführung, aber auch zu Desinteresse und letztlich zur Resignation führen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Methodisches Vorgehen
2.1 Literaturrecherche und -auswahl
3. Der Begriff Dekubitus
3.1 Entstehungsfaktoren des Dekubitus
3.2 Risikofaktoren zur Entstehung eines Dekubitus
3.2.1 Intrinsische Faktoren
3.2.2 Extrinsische Faktoren
3.3 Entstehungsorte
4. Stadieneinteilung des Dekubitus
5. Vorstellung des Gesundheitsberichts
6. Behandlungsablauf der Therapie des Dekubitus
6.1 Kausaltherapie
6.2 Lokaltherapie
7. Therapieprinzipen beim Dekubitus
8. Therapien der verschiedenen Stadien
9. Unterschiede der Wundauflagen
9.1 Hydroaktive Wundauflagen
9.2 Polyurethanschaum-Wundauflagen
9.3 Aktivkohle-Silber-Wundauflagen
9.4 Biologische Verbände mit Kollagen
10. Die konservativen Wundbehandlung
10.1 Die Wahl der richtigen Wundauflage
10.2 Vergleich der Wundauflagen im Ennepe-Ruhr-Kreis
11. Vergleich der Ergebnisse
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Das Phänomen Dekubitus rückt immer wieder in den Mittelpunkt der deutschen Medienlandschaft und lässt den Eindruck entstehen, dass die Entstehung eines Dekubitus grundsätzlich auf Pflegefehler zurückzuführen ist.
Krause ((2004) führte hierzu eine Befragung bei Ärzten und Pflegekräften durch und stellte heraus, dass beide Berufsgruppen die Ursache der Entstehung eines Dekubitus in dem bestehenden Personalmangel sehen.
Doch ist es wirklich nur der Mangel an Pflegekräften, der einen Dekubitus entstehen lässt? Sind es nicht vielmehr die prophylaktischen und therapeutischen Maßnahmen, die zur Vermeidung eines Dekubitus ergriffen werden müssen?
Nach Schätzungen der Gesundheitsberichterstattung des Bundes entwickeln in Deutschland jährlich ca. 400.000 Menschen ein behandlungsbedürftiges Druckgeschwür. (vgl. Leffmann, C., et. al., 1998, S. 5)
Diese Zahlen lassen erkennen, dass Pflege sich der Verantwortung um das Phänomen Dekubitus bewusst werden muss und neueste wissenschaftliche Erkenntnisse in der Praxis umsetzen muss.
Der im Jahre 2000 erarbeitete Expertenstandard zur Dekubitusprophylaxe liefert der Pflege bereits Hilfestellung zur Dekubitusprophylaxe.
Die vorgelegten Inzidenzzahlen der Gesundheitsberichterstattung weisen jedoch darauf hin, dass die Umsetzung der prophylaktischen Maßnahmen des Expertenstandards in die Praxis noch Probleme bereitet.
Mit dieser Thematik setzt sich auch der Gesundheitsbericht chronische Wunden im Kreis Ennepe-Ruhr auseinander. Die Erhebung im Ennepe-Ruhr-Kreis wurde mit dem Ziel erstellt, eine Grundlage zu bilden um Lösungsansätze für ein Verbesserung bei der Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden erarbeiten zu können. Hierzu wurde die Prävalenz von chronischen Wunden im Ennepe-Ruhr-Kreis festgestellt.
Der Gesundheitsbericht war Grundlage bei der Erstellung der hier vorgestellten Arbeit. Das Ziel dieser Arbeit ist es, die Therapie des Dekubitus entsprechend der jeweiligen Stadien zu hinterleuchten und die theoretischen Grundlagen zur Therapie eines Dekubitus mit der Therapie in der Praxis zu vergleichen.
Zunächst soll der Begriff Dekubitus definiert und die anatomischen, physiologischen und physikalischen Aspekte der Dekubitusentstehung näher beleuchtet werden.
Zur Übersicht wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit der Gesundheitsbericht chronische Wunden im Kreis Ennepe-Ruhr vorgestellt, da dieser die Grundlage dieser Arbeit darstellt. Im weiteren Verlauf werden die in der Literatur vorgefundenen Ergebnisse zur Therapie des Dekubitus vorgestellt und mit den in der Praxis durchgeführten Therapien verglichen.
2. Methodisches Vorgehen
Die zentrale Fragestellung deser Arbeit lautet:
- Erfolgt in Deutschland eine einheitliche Dekubitustherapie in der Praxis?
Um diese Fragestellung bearbeiten zu können verfolgt diese Arbeit das Ziel, die deutschsprachige Literatur zur Dekubitustherapie zu analysieren und zu vergleichen. Die unterschiedlichen theoretischen Ansätze zur Dekubitustherapie werden im Anschluss mit der Dekubitustherapie in der Praxis verglichen.
Die Ist-Situation in der Praxis bei der Therapie eines Dekubitus wurde dem Gesundheitsbericht chronische Wunden im Ennepe – Ruhr – Kreis zunächst entnommen.
Weiterhin wurde eine ausführliche Literaturanalyse durchgeführt.
Die Ergebnisse der verwendeten Artikel wurden mit der aktuellen Situation im Ennepe – Ruhr – Kreis verglichen.
2.1 Literaturrecherche und -auswahl
Auf Anfrage bei Herrn Dr. Boschek, Amtsarzt des Ennepe-Ruhr-Keises und Auftraggeber des Gesundheitsberichtes chronischer Wunden im Ennepe-Ruhr-Kreis, wurde der Gesundheitsbericht zur Verfügung gestellt.
Die Literatursuche erfolgte zum einen durch ein Schneeballsystem auf der Grundlage des Gesundheitsberichtes und wurde dann anhand eines Kriterienkataloges weitergeführt.
Die Literaturrecherche wurde außerdem über das Internet ausgeweitet und nach weiterführender Literatur gesucht.
Zur Literaturrecherche wurde folgende Kriterien festgelegt, die der Zielsetzung dieser Arbeit entsprechen:
Annahmekriterien:
- deutschsprachige Veröffentlichungen
- Schwerpunkt stationäre Pflege
- Literaturschwerpunkt: Dekubitustherapie
Ausschlusskriterien:
- nicht deutschsprachige Veröffentlichungen
- Erhebungen im ambulanten Bereich
- sonstige Ulcera außer Dekubitus
Die Suche der Literatur wurde über die Datenbanken DIMDI ©, MEDPILOT© und BIBLIOMED© durchgeführt.
Es wurden folgende Schlagwörter genutzt:
- Dekubitus
- Dekubitustherapie
- Dekubitalulcera
- Ulcera
- Durchliegegeschwür
- Wunde
- Wundmanagement
- Wundtherapie
Dabei ergaben sich in den Datenbanken folgende Literaturergebnisse, die den Schlagwörtern entsprachen und anhand der Annahmekriterien ausgewählt wurden.
Ein Teil der Ergebnisse der Literaturrecherche wurden gesichtet, ausgewertet und anhand der Fragestellung in dieser Arbeit verwandt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 1: Ergebnisse der Literaturrecherche
Zusätzlich wurde die Literatur, die aufgrund der Literaturhinweise des Gesundheitsberichts gesucht wurde und den Annahmekriterien entsprach, verwendet.
3. Der Begriff Dekubitus
Das Robert-Koch-Institut definiert in der Gesundheitsberichterstattung des Bundes den Dekubitus folgendermaßen: „Druckgeschwüre – in der Fachsprache auch Dekubitus1 genannt – sind mit dem bloßen Auge erkennbare Veränderungen der menschlichen Haut und oft der darrunterliegenden Gewebeschichten, die durch anhaltende, äußere Druckeinwirkung entstehen.“
1 abgeleitet vom lateinischen decumbere/decubitum: sich niederlegen. Weiterhin gebräuchliche Begriffe: Dekubitalgeschwüre, Dekubitalulcera, Dekubitalläsionen.
(Leffmann, C., et.al., 1998, Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Heft 12, Dekubitus, S. 5)
In der Grundsatzstellungnahme Dekubitus des MDK wird erläutert, dass Dekubitalulzera zunächst „Gangraena“ und später „gangraena per decubitum“ genannt wurden. Das Wort „decubitum“ wiederum leitet sich wie bereits beschrieben aus dem lateinischen ab.
(vgl. MDK, 2001, S. 9)
3.1 Entstehungsfaktoren des Dekubitus
Wünschenswert für die Pflege wäre eine Reduzierung von auftretenden Dekubitalgeschwüren auf ein Minimum, bestenfalls sollte ein Dekubitus gar nicht erst entstehen. Ein solch hoch gestecktes Ziel wird in der Pflege voraussichtlich leider nie erreicht werden können.
Damit „Pflege“ sich aber diesem Ziel nähern kann, ist es umso wichtiger, dass sie sich mit dem Phänomen Dekubitus und dessen Hintergrund beschäftigt.
Die Hauptursache für die Entstehung eines Dekubitus ist die Immobilität eines Menschen. Der Dekubitus entsteht, wenn Druck lange genug auf die Haut einwirkt. Dieser Druck bewirkt die Komprimierung der versorgenden Blutgefäße im betroffenen Gewebe. Aufgrund dieser Mangeldurchblutung kann das nährstoff- und sauerstoffreiche Blut nicht mehr zu den Zellen transportiert werden. Neben der arteriellen wird auch die venöse Durchblutung unterbrochen, was einen Abtransport der anfallenden Stoffwechselprodukte verhindert. Durch die hieraus resultierende Übersäuerung im Gewebe reagiert der Körper mit einer Weitstellung der Gefäße. Diese s.g. Gefäßdilatation bewirkt den Flüssigkeits- und Eiweißaustritt in das Gewebe und fördert die Entstehung von Ödemen und Blasen.
Die Regeln, nach denen die Haut den Druck verteilt, haben Einfluss auf die Stadieneinteilung des Dekubitus. Hierbei ist zu beachten, dass das zeitliche Ausmaß des Drucks eine wesentliche Rolle spielt.
Vergleicht man die Literatur, stellt man sehr schnell fest, dass die Entstehungsfaktoren eines Dekubitus von Autor zu Autor unterschiedlich sein können.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3.1.1: Entstehungsfaktoren des Dekubitus
(vgl. Institut für Innovationen im Gesundheitswesen und angewandte Pflegeforschung, 2006)
Die in der Literatur einheitlich festgestellten Entstehungsfaktoren für einen Dekubitus sind Druck und Zeit, wie es auch die Initiative Chronische Wunden e.V. in ihrer Leitlinie Dekubitus (2003) beschreibt. Das Zusammenspiel weiterer Faktoren, die für die Entstehung eines Dekubitus ausschlaggebend sind werden in Abbildung 3.1.2 dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3.1.3 Entstehungsfaktoren des Dekubitus nach Leffmann
(vgl. Leffmann, C., et.al., 1998)
Der Faktor des Mangels ist in Wechselwirkung mit der Entstehung eines Dekubitus zu sehen, wobei der Mangel in mehrfacher Hinsicht Bedeutung bekommt. Die genaue Titulierung des Mangels, ob es sich z.B. um Ernährungsmangel, Mangel an Motivation, Bewegungsmangel o.ä. handelt, ist nicht klar bezeichnet.
3.2 Risikofaktoren zur Entstehung eines Dekubitus
Neben den Entstehungsfaktoren als Ursache von Hautschäden müssen Risikofaktoren bedacht werden, die die Entstehung und Entwicklung eines Dekubitus fördern. Hier unterscheidet man in intrinsische und extrinsische Risikofaktoren.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3.2.1: Risikofaktoren (vgl. Institut für Innovationen im Gesundheitswesen und angewandte Pflegeforschung, 2006)
3.2.1 Intrinsische Faktoren
- Alter
Das Alter spielt bei der Dekubitusentstehung eine große Rolle, da bei vielen älteren Menschen eine Vielzahl von Risikofaktoren zusammenkommt:
- Die Haut älterer Menschen weist Veränderungen ihrer Struktur auf: daraus resultiert eine größere Verletzlichkeit.
- Ältere Menschen leiden meistens unter Grunderkrankungen, die sich negativ auf das Dekubitusrisiko auswirken können.
- Insgesamt besteht oft ein reduzierter Allgemeinzustand.
- Oft ist die Mobilität durch das Alter eingeschränkt.
- Diese Personengruppe trinkt in der Regel zu wenig und ist dadurch häufig ausgetrocknet.
- Austrocknung - Exsikose
Verschiedene Faktoren tragen dazu bei, dass besonders ältere Menschen, aber auch Menschen mit reduziertem Allgemeinzustand unter Flüssigkeitsmangel leiden. Hinzukommt, dass das Durstempfinden im Alter nachlässt.
- Reduzierte Mobilität
Die reduzierte Mobilität stellt den wichtigsten Risikofaktor für die Entstehung des Dekubitus dar. Hierdurch ist es dem Betroffenen nicht oder nur eingeschränkt möglich seine Lage im Sitzen oder Liegen zu verändern.
Zu diesen Auswirkungen der Immobilität kommen noch eine schlechte Lungenbelüftung, eine verlangsamte Verdauung, das Steifwerden der Gelenke, die Abnahme der Skelettmuskulatur etc. hinzu. Aber auch die Psyche eines Patienten ist durch Immobilität stark beeinträchtigt. Solche Patienten neigen oft zu depressiven Verstimmungen, die die Immobilität wiederum fördern und verstärken.
- Gewicht
Einen weiteren intrinsischen Risikofaktor stellt das Gewicht dar, da sowohl adipöse als auch kachektische Menschen stärker zur Entwicklung eines Dekubitus neigen.
- Stoffwechsel- und neurologische Erkrankungen
Durch bestehende Grunderkrankungen und deren Komplikationen wie z.B. Diabetes mellitus oder Apoplex kann die Entstehung eines Dekubitus begünstigt werden.
Die Spätkomplikationen des Diabetes mellitus sind Neuropathien, Gefäßkrankheiten, Nephropathien und Veränderungen des Augenhintergrundes.
Die Neuropathien führen häufig zu einem reduzierten Schmerzempfinden, d.h., dass Schmerz, der durch Druck entsteht, vom Patienten nicht wahrgenommen wird. Es erfolgen keine Bewegungen, die zu einer Druckentlastung führen.
Diabetische Gefäßkrankheiten bewirken eine reduzierte Blutzirkulation. Werden Blutgefäße bei bereits vorherrschender Minderdurchblutung zusätzlich von außen komprimiert, ist das Absterben der entsprechenden Zellen unausweichlich. Aber auch die Wundheilung schon bestehender Druckgeschwüre ist durch die schlechte Blutversorgung äußerst langwierig und kompliziert.
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