Die Moderatorin der Tagesthemen ist eine Frau - aber der mit Prestige verbundene Kommentar wird meistens von einem Mann gesprochen.* Eine Frau moderiert eine politische Talkshow - und bekommt 1999 die "Saure Gurke" für die frauenfeindlichste Sendung des Jahres im öffentlich-rechtlichen Fernsehen verliehen, weil in 38 Ausgaben von "Sabine Christiansen" nur 43 Frauen zu Gast waren, aber 201 Männer.1 Diese beiden Beispiele aus der ARD sind exemplarisch für die zwei Probleme, die ich in dieser Arbeit behandeln und erklären will: Frauen sind in den angesehensten Bereichen des Journalismus unterrepräsentiert, und ihre Sichtweise wird marginalisiert - auch von den meisten Journalistinnen, in Anpassung an die herrschende Medienkultur.
Nicht alle Journalistinnen würden diese Arbeit für notwenig halten. Monika Zimmermann beispielsweise, Chefredakteurin des Westfälischen Anzeigers in Hamm, habe für das Thema "Frauen und Medien" nur ein müdes Lächeln übrig, steht im Journalist: "Frauenquote, Frauenpower, Frauenbewegung - wenn ich das Wort ′Frau′ schon höre, schalte ich für gewöhnlich ab2." Elke Schneiderbanger, Geschäftsführerin und Programmdirektorin von Radio NRW, glaubt nicht, dass Frauen wegen ihres Geschlechts benachteiligt werden und nicht die gleichen Chancen haben wie Männer: "Wenn Frauen in diesem Beruf etwas erreichen wollen und hart genug dafür arbeiten, dann schaffen sie das."3
Von Engagement in der Frauenbewegung hält sie nichts: "Man kann entweder für die Sache der Frauen kämpfen oder Karriere machen."4 (Indirekt gibt sie also doch zu, dass ein Kampf nötig ist.) Auf der anderen Seite stehen zum Beispiel die etwa 500 Frauen, die sich im Journalistinnenbund organisiert haben, offensichtlich weil sie das Gefühl haben, nicht die gleichen Chancen zu besitzen. Laut Keil arbeiten Frauen heute selbstverständlich in den Ressorts Wirtschaft und Politik, und nur der Sport bildet als letzte Männerbastion die Ausnahme.5 Dagegen sagt eine Wirtschaftsjournalistin: "In den harten Ressorts tauchen Frauen höchstens als Sekretärinnen auf." .
[...]
* Auf der KommentatorInnenliste der ARD stehen 52 männliche und nur 9 weibliche Namen (Hesse, 2002). Aber selbst diese geringe Zahl von Frauen scheint mir hoch verglichen mit der tatsächlichen Erscheinungsweise auf dem Bildschirm.
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1 Hesse, 2002
2 Kaiser, 1999, S.17
3 Sitter, 1998, S. 497
4 Ebd., S.498
5 Keil, 2002, S.6
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Der Mediensektor und seine Produkte
1.1 Von Mannern dominiert
1.2 Entwicklung des Arbeitsmarktes
1.3 Androzentrismus als Konsequenz fur die Medienprodukte und die Gesellschaft
2. Darstellung der Situation von Journalistinnen in Zahlen
2.1 Frauenanteil im Journalismus
2.2 Horizontale Segregation - Journalistinnen im Medien- und Ressortvergleich
2.3 Vertikale Segregation - Journalistinnen in Fuhrungspositionen
2.4 Familiare Situation
3. Grunde fur die ungleiche Machtverteilung
3.1 Diskriminierung durch mannlich dominierte Arbeitswelt
3.1.1 Zur Wahrnehmung von Diskriminierung
3.1.2 Diskriminierung auf der Strukturebene
3.1.2.1 Der Konflikt zwischen Karriere und Familie
3.1.2.2 Teilzeit ist selten moglich
3.1.2.3 Mannliche Unternehmenskultur
3.1.3 Diskriminierung auf der Verhaltensebene
3.1.3.1 Keine Beforderung
3.1.3.2 Weniger Lohn
3.1.3.3 GroBere Anforderungen an die Arbeit
3.1.3.4 Ungleiche Verteilung von Terminen
3.1.3.5 Sexuelle Belastigung
3.2. Selbstverhinderung und Karriereverzicht als Folge der Geschlechterkonstruk- tion
3.2.1 Keine Kraft?
3.2.2 Kein Interesse?
3.2.3 Keinen Plan?
4. Bestehende und mogliche Strategien zum Abbau der kulturellen Hindemisse...
4.1 Der feministische Blick
4.1.1 Feministische Denkrichtungen und ihre Anwendung im Medienbereich
4.1.2 Feminismus im journalistischen Alltag
4.2 Offizielle Forderung
4.3 Eigeninitiativen
4.3.1 Frauennetzwerke und Frauengruppen
4.3.2 Mentoring
4.4 Vorschlage zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie
4.5 Veranderung der Unternehmenskultur
Fazit
Literatur
Einleitung
Die Moderatorin der Tagesthemen ist eine Frau - aber der mit Prestige verbundene Kommentar wird meistens von einem Mann gesprochen.* Eine Frau moderiert eine politische Talkshow - und be- kommt 1999 die „Saure Gurke” fur die frauenfeindlichste Sendung des Jahres im offentlich- rechtlichen Fernsehen verliehen, weil in 38 Ausgaben von „Sabine Christiansen” nur 43 Frauen zu Gast waren, aber 201 Manner.[1] Diese beiden Beispiele aus der ARD sind exemplarisch fur die zwei Probleme, die ich in dieser Arbeit behandeln und erklaren will: Frauen sind in den angesehensten Bereichen des Journalismus unterreprasentiert, und ihre Sichtweise wird marginalisiert - auch von den meisten Journalistinnen, in Anpassung an die herrschende Medienkultur.
Nicht alle Journalistinnen wurden diese Arbeit fur notwenig halten. Monika Zimmermann beispiels- weise, Chefredakteurin des Westfalischen Anzeigers in Hamm, habe fur das Thema „Frauen und Medien” nur ein mudes Lacheln ubrig, steht im Journalist: „Frauenquote, Frauenpower, Frauenbe- wegung - wenn ich das Wort ‘Frau’ schon hore, schalte ich fur gewohnlich ab.” [2] Elke Schneiderban- ger, Geschaftsfuhrerin und Programmdirektorin von Radio NRW, glaubt nicht, dass Frauen wegen ihres Geschlechts benachteiligt werden und nicht die gleichen Chancen haben wie Manner: „Wenn Frauen in diesem Beruf etwas erreichen wollen und hart genug dafur arbeiten, dann schaffen sie das.” [3] Von Engagement in der Frauenbewegung halt sie nichts: „Man kann entweder fur die Sache der Frauen kampfen oder Karriere machen.”[4] (Indirekt gibt sie also doch zu, dass ein Kampf notig ist.) Auf der anderen Seite stehen zum Beispiel die etwa 500 Frauen, die sich im Journalistinnenbund organisiert haben, offensichtlich weil sie das Gefuhl haben, nicht die gleichen Chancen zu besitzen. Laut Keil arbeiten Frauen heute selbstverstandlich in den Ressorts Wirtschaft und Politik, und nur der Sport bildet als letzte Mannerbastion die Ausnahme.[5] Dagegen sagt eine Wirtschaftsjournalistin: „In den harten Ressorts tauchen Frauen hochstens als Sekretarinnen auf.” Bei Pressekonferenzen sei sie oft eine der wenigen Journalistinnen.[6] Solche Widerspruche werden in dieser Arbeit noch haufiger auftauchen.
Der Beruf Journalismus wurde in der Vergangenheit zu Recht als Mannerberuf bezeichnet. Im ersten Teil dieser Arbeit werde ich diskutieren, inwieweit er das immer noch ist und was den Beruf charak- terisiert. AuBerdem werfe ich einen Blick auf die Entwicklung des Mediensektors und deren Auswir- kungen auf Journalistinnen und beschaftige mich mit den Medienprodukten. Denn entgegen dem Objektivitatsanspruch im Journalismus sind die Medien von ihren Produzentinnen gepragt. Die Welt- sicht der Journalistinnen wird uber das Medienprodukt transportiert und tragt so zur Konstruktion einer Realitat bei. Insofern haben die Medien auch durch ihre Representation von Frauen und Man- nern einen wesentlichen Einfluss auf das Geschlechterbild in der Gesellschaft.
In Kapitel 2 geht es um die statistisch messbaren Unterschiede zwischen Journalisten und Journalistinnen. Ich stelle in Zahlen - soweit vorhanden oder recherchierbar - die Arbeits- und Lebenssituati- onen von Journalistinnen dar. Teil 3 beantwortet die Frage, was Frauen in den Medien auf ihrem Weg behindert bzw. im Vergleich mit ihren Kollegen benachteiligt und warum es so wenig Frauen in Fuhrungspositionen gibt. Die meisten der Erklarungen gelten auch fur Frauen in anderen Branchen, da es sich um gesamtgesellschaftliche Probleme handelt, wie zum Beispiel die Vereinbarkeit von Fa- milie und Beruf. Die Erklarungsmodelle habe ich in zwei Gruppen eingeteilt: „Das Patriarchat ist schuld” und „Die Frauen sind selbst schuld”
In Kapitel 4 geht es um Gegenstrategien, bereits verwirklichte und von mir oder anderen angedachte, sowie um deren Vor- und Nachteile. Ich stelle verschiedene feministische Konzepte vor, die unter- schiedliche Sichtweisen auf die Geschlechterfrage im Journalismus ermoglichen, und diskutiere die Anwendung eines feministischen Blickwinkels im Journalismus. AuBerdem diskutiere ich Initiativen zur beruflichen Gleichstellung, gehe erneut auf das in Teil 3 besprochene Problem der benachteiligen- den Strukturen ein und prasentiere meine und anderer Autoren Gedanken uber mogliche Verbesse- rungen.
Wie Simone de Beauvoir gehe ich davon aus: „Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es.”[7] Die Unterschiede zwischen Mann und Frau sind kulturell bestimmt. Die Ethnologie hat anhand der Kulturen anderer Volker gezeigt, dass Manner und Frauen auch ganz anders defniert werden kon- nen Die Geschlechter sind also gesellschaftlich konstruiert. Die englische Unterscheidung zwischen biologischem Geschlecht (sex - male/female) und sozialem Geschlecht (gender - man/woman) hat sich inzwischen insofern als trugerisch erwiesen, als von der Forschung gezeigt wurde, dass auch das biologische Geschlecht mit kulturellen Erwartungen besetzt ist. In unserer Kultur muss man entweder mannlich oder weiblich sein, und wenn jemand anatomisch nicht der Norm entspricht, wird solange operiert bis er es tut. „Sex is constructed by ideology.”[8]
Lunenborg verwendet den Begriff des Gendering, der „den ProzeB den Entstehens und der kontinu- ierlichen Ausgestaltung der sozialen Geschlechterverhaltnisse einer Gesellschaft oder eines Teilsys- tems der Gesellschaft” bezeichnet. Sie hebt hervor, dass Geschlechterstrukturen nicht statisch sind, sondern in einer Wechselwirkung aus Fremdzuschreibung und eigener Gestaltung entstehen. Geschlecht ist auch etwas, dass man tut oder ausubt.[9] Deshalb ordne ich die Autorin als Vertreterin des poststrukturalistischen Feminismus ein, der davon ausgeht, dass Geschlecht nicht fixierbar ist, son- dern einen Prozess darstellt. Da ich mich selbst auch zum groBten Teil in dieser Denkrichtung sehe und sie deshalb den Ausgangspunkt und Hintergrund meiner Arbeit bildet, will ich an dieser Stelle kurz darauf eingehen. Der Poststrukturalismus betont die Rolle der Sprache als Hervorbringerin von Bedeutungen (meanings). Mit Hilfe der Sprache ordnen wir die Welt um uns herum und machen Sinn aus unseren Erfahrungen - Sprache ist ein „meaning making system”, aber auch ein „meaning making process“.[10] Das macht die Massenmedien zu zentralen Aushandlungsorten von Bedeutungen.[11] Mit Sprache werden auch Geschlechterdifferenzen hervorgebracht bzw. festgeschrieben. Damit wird Sprache zum wesentlichen Instrument der Machterhaltung im Patriarchat. Der Poststrukturalismus betont die Machtkomponente im Geschlechterverhaltnis, insbesondere in Verbindung mit Wissen. Die Frage nach der Representation von Frauen im Journalismus ist die Frage danach, wer im Me- diensystem die Macht hat, wer kraft seiner Position den offentlichen Diskurs gestaltet, das agendasetting bestimmt und die Wirklichkeitskonstruktion bzw. den Bedeutungszuweisungsprozess pragt. Ich gehe davon aus, dass gleiche Machtverhaltnisse nur durch Paritat auf allen Ebenen sowie eine veranderte Kultur der Organisation und des Zusammenlebens zu erreichen sind. Deshalb werde ich in Kapitel 4 dieser Arbeit Vorschlage fur Schritte in diese Richtung machen. Mein Ausgangspunkt ist die ethnologische Erkenntnis, dass bis auf einige Universalien die Merkmale einer Gesellschaft kultu- rell konstruiert und damit prinzipiell veranderbar sind. Kultur ist nicht statisch, sondern dynamisch.[12] Warum soll dieser Prozess nicht auch mit einem bewusstem Ziel gesteuert werden konnen? Da das
Ziel der Gleichstellung von Mann und Frau per definitionem im Patriarchat nicht verwirklicht werden kann*, muss ein neues System her.
Klaus teilt die Perspektiven der kommunikationswissenschaftliche Geschlechterforschung in Gleich- heitsansatz, Differenzansatz und Dekonstruktivismus auf. Der Gleichheitsansatz basiert auf dem lib e- ralen Feminismus (siehe 4.1.1) und konzentriert sich auf Diskriminierung und geschlechtsspezifische Sozialisation, der Differenzansatz knupft an die kritische Theorie und den Marxismus an und betrach- tet die Differenzen zwischen den Geschlechtern, wahrend der Dekonstruktivismus auf dem oben (und in 4.1.1) besprochenen Poststrukturalismus beruht und die Genderingprozesse in den Medien unter- sucht.[13] Ich gehe in dieser Arbeit auf alle drei Ansatze ein, sie ist aber vor allem vom Gleichheitsan- satz und Dekonstruktivismus gepragt.
Insbesondere vom ersteren ausgehend kann leicht die Mittaterschaft von Frauen in der standigen (Re)Konstruktion des herrschenden Systems vergessen werden. Doch diese ist unvermeidlich, denn die Kultur und die herrschende Ideologie uber Manner- und Frauenrollen sind ein Teil von uns. Viele Feministinnen neigen meinem Eindruck nach dazu, sich selbst etwas davon auszunehmen. In ihren Buchern wird impliziert, alle anderen Frauen seien Sklavinnen ihrer Sozialisation, wohingegen die Autorin die „Wahrheit” erkannt hat und ihr Auge von den kulturell gefarbten Brillenglasern befreit hat. Dabei sieht sie nicht, dass der Blick selbst von Kultur gepragt ist. Damit etablieren solche Autorinnen aber auch eine Art von Hierarchie, in dem sie sich, die feministisch aufgeklarte Frau, uber die (noch) traditionell orientierte Frau stellen. Wobei das in Klammern gesetzte „noch” immer mitschwingt, schlieBlich hofft jede Feministin auf einen gewissen Fortschritt.
Auch durch die soziologische Untersuchung von Frauen kann eine Art von Machtverhaltnis entste- hen, denn der/die Analysierende „ermachtigt” sich derer, die er/sie analysiert und interpreter!, eben durch diesen Vorgang. Sie werden soziologisch durchleuchtet, bis zur scheinbaren Durchsichtigkeit erklart und in Schemata gepackt. Dann sagt der/die Wissenschaftlerln ihnen (und dem Rest der Welt) in einem Buch, was sie warum gesagt oder nicht gesagt haben und was sie eigentlich hatten sagen mussen, wenn sie, wie der/die Wissenschaftlerln, den Durchblick gehabt hatten. Da ich mich fur diese Arbeit teilweise auf solche Literatur stutzen muss, will ich mich bei obiger Kritik auch gar nicht ausnehmen, sondern nur das Bewusstsein dafur wecken.
1. Der Mediensektor und seine Produkte
1.1 Von Mannern dominiert
Vor fast 20 Jahren haben Neverla und Kanzleiter den Journalismus als einen Mannerberuf bezeichnet und diesen Begriff definiert als einen Beruf, in dem Manner die uberwiegende Mehrheit der Berufs- angehorigen stellen und die wichtigsten Positionen innehaben, welche mit hoherem Einkommen, ho- herem Prestige und groBeren Machtkompetenzen einhergehen.[14] Damals war der Frauenanteil im Journalismus wesentlich geringer als heute und Frauen waren in hohen Positionen rarer (siehe Kapitel 2). Heute liegt der Manneranteil schatzungsweise zwischen 60 und 64 Prozent, was nicht als „uber- wiegenden Mehrheit der Berufsangehorigen” bezeichnet werden kann. Eine deutliche Mehrheit stellen die Manner aber immer noch, sodass immer noch gilt: Die deutsche Durchschnitts-JournalistIn ist mannlich.[15] Auf den wichtigsten Positionen sind Frauen auch heute eine Minderheit: Beim Rundfunk sind sie mit 13 bis 18 Prozent auf Posten mit Entscheidungskompetenz vertreten, bei den Tageszei- tungen stagniert der Anteil an Chefredakteurinnen seit Jahren bei 0,5 Prozent (siehe auch 2.3).[16] Mit obiger Definition als Grundlage trifft also die Bezeichnung „Mannerberuf’ fur den Journalismus heute nicht mehr uneingeschrankt zu. Vielleicht ist es heute treffender (wie es auch oft in der Literatur vorkommt), den Beruf vorsichtiger als „mannlich dominiert” zu charakterisieren. Verglichen mit typi- schen Mannerberufen ist der Frauenanteil im Journalismus allerdings noch relativ hoch: Im Maschi- nen- und Fahrzeugbau, im Baugewerbe sowie im Bergbau liegt er bei unter 20 Prozent.[17] Der Journalismus ist damit kein typischer Dienstleistungsberuf, denn 83 Prozent aller erwerbstatigen Frauen arbeiten im Dienstleistungssektor, gegenuber 48 Prozent der Manner. Das liegt daran, dass so genannte Frauenberufe in der Regel dort angesiedelt sind.[18] Beck-Gernsheim zeigt, dass Frauen- berufe Merkmale besitzen, die traditionell mit Weiblichkeit assoziiert werden. Dazu gehoren alle Be- rufe, die auf dem Prinzip des Assistierens beruhen, so wie Arzthelferin, Sekretarin oder technische Zeichnerin. In diesen Berufen ist intellektuelle Eigenstandigkeit eher unerwunscht, denn es geht um das gewissenhafte Ausfuhren von Befehlen von oben. Typische Frauenberufe sind auch Stewardess, Verkauferin und Friseurin. Zusammen mit einer Reihe weiterer Berufe geht es hier darum, Weiblich- keitsattribute zu vermarkten, „Hubschsein zu demonstrieren und Glamour zu verbreiten”[19] Viele die- ser Berufe beruhen auf dem Prinzip des Bedienens. Auch Pflegeberufe haben einen hohen Frauenan- teil. Die Tatigkeiten der Kindergartnerin, Krankenschwester, Altenpflegerin usw. beruhen auf Aufga- ben, die traditionell auch privat von Frauen ausgeubt werden. In diesen Berufen geht es aber nicht nur um Hege und Pflege, sondern auch inneres Engagement und Sensibilitat sind wichtig. Besonders letzteres wird eher Frauen als Mannern zugeschrieben.
Typische Frauenberufe basieren also auf einer bestimmten Sozialisation von Frauen, die heute nicht mehr so aktuell ist wie noch in den ‘60ern und ‘70ern, aber immer noch nachwirkt. Dazu gehoren die Uberbetonung von physischen Merkmalen gegenuber intellektuellen Fahigkeiten, das Sorgen fur an- dere sowie die Arbeit im Hintergrund und als Befehlsempfangerin.
Vorurteile gegen Frauen, die Anfang des 20. Jahrhunderts mit der Psycho-Analyse aufkamen, geis- tern ebenfalls noch heute durch die Kopfe: Frauen seien eher intuitiv und gefuhlsgesteuert, Mannern dagegen wurde die Fahigkeit zum selbstandigen, abstrakten und logischen Denken zugeordnet.[20] Weiblichkeit wird mit groBerer Sensibilitat und Fingerspitzengefuhl, einem kooperativeren Arbeits- klima sowie einem gefuhlvolleren Herangehen an die Arbeit assoziiert.[21] Die angeblich groBere „emo- tionale Intelligenz” - um mit einem Modebegriff zu sprechen - von Frauen wird teilweise bewusst eingesetzt, zum Beispiel um ein besseres Arbeitsklima zu erreichen (siehe auch Abschnitt 4.5).
Den typischerweise dem Journalismus zugeordneten Attributen wie Objektivitat und Distanz lauft diese Interpretation von Weiblichkeit entgegen. Klaus nennt des weiteren Selbstdarstellung, Selbst- verwirklichung, Individuality und unbegrenzten Arbeitseinsatz als typische Berufsmerkmale, die eher traditionellen Vorstellungen vom mannlichen, aber nicht vom weiblichen Arbeitsvermogen entspre- chen.[22] Uberdies bedeutet Journalismus Offentlichkeit, und die offentliche Sphare wurde in der Ver- gangenheit dem Mann zugeordnet; Frauen waren fur die Privatsphare zustandig. Heute sind die Ge- schlechter nicht mehr in diesem MaBe auf ihre jeweilige Sphare festgelegt, aber die Zweiteilung der Welt in diese beiden als entgegengesetzt gedachten Bereiche besteht auch heute noch.
Klaus fragt im Sinne des Differenzansatzes, ob es nicht ein Eigentor sei, vom Journalismus als “Man- nerberuf” zu reden, weil es jenen Blick verstarke, der die Journalistinnen ubersehe und ihre eigen-
standigen und selbstbewussten Leistungen trivialisiere.[23] Gleichzeitig stellt sie trotzdem nach erneuter und differenzierter Analyse der vorhanden Untersuchungsergebnisse fest, dass der Beruf sich weiter- hin als von Mannern gepragt zeigt und Journalistinnen aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt. Bei- spiele fur den Einfluss von Frauen in der Geschichte des Journalismus sind Carola Stern, die als erste das Wort ‘ich’ in einem politischen Kommentar benutzte, und Margret Boveri, die die ‘groBe Reportage’ begrundete, in der personliche Erlebnisse mit dem Abstrakten und Allgemeinen verbunden werden. Boveri und Stern zeigten, dass Gefuhl bzw. Subjektivitat und logische Argumentation sich nicht widersprechen mussen. „Frauen haben ihren Anteil an der Entwicklung journalistischer Inhalte und Formen - er ist bloB noch nicht anerkannt.”[24]
1.2 Entwicklung des Arbeitsmarktes
In den letzten Jahrzehnten ist die Zahl der Journalistinnen langsam aber stetig gestiegen. Diese Entwicklung fiel nicht zufallig mit der Expansion des Mediensektors zusammen. 1984 wurde das duale Rundfunksystem eingefuhrt, und damit der private Rundfunk zugelassen. Durch neue Ubertragungs- techniken gab es Fernsehen per Kabel und Satellit. Das Ergebnis: Allein zwischen 1985 und 1990 verdreifachte sich das Programmvolumen des Fernsehens nahezu.[25] Auch der Sektor der Printme- dien expandierte: Gab es 1975 knapp 4.000 Zeitschriften, so waren es 1994 schon uber 9.000. Auch die Zahl der Zeitungen stieg, aber nur geringfugig.[26] Mit der Expansion des Mediensektors entstanden auch viele Arbeitsplatze: Im Printbereich hatte sich die Zahl an RedakteurInnen 1994 gegenuber 1975 mehr als verdoppelt; im Rundfunk stieg sie von ca. 28.000 in 1982 auf 45.000 in 1992, fiel dann aber wieder ab, weil die offentlich-rechtlichen Anstalten anfingen, an MitarbeiterIn- nen zu sparen.[27]
Auch die Journalistinnen profitierten von der guten Arbeitsmarktlage. Durch die Einfuhrung des dua- len Rundfunksystems kamen viele im privaten Horfunk und Fernsehen unter, was sich in einem relativ hohen Frauenanteil in den Bereichen niedergeschlagen hat (siehe Tabelle 2 in Kapitel 2.2). Beson- ders stark waren und sind die Frauen beim Nachwuchs vertreten: Bei den VolontarInnen von ARD und ZDF sind sie seit 1986 in der Mehrheit. Schon 1993 lag ihr Anteil bei 64 Prozent und blieb in etwa auf diesem Niveau (65 Prozent in 2000). Unter den PraktikatInnen ist das Verhaltnis seit An- fang der ‘90er in etwa ausgeglichen (52 Prozent weiblich in 2000).[28] *
Schon Anfang der ‘90er waren Frauen die Mehrheit in fast allen Publizistik- und Kommunikations- wissenschafts-Studiengangen. Nur in den Journalistik-Diplomstudiengangen wurden insgesamt etwas mehr Manner als Frauen ausgebildet.[29] Im Journalistik-Studiengang in Eichstatt schwankte der Frau- enanteil Anfang bis Mitte der ‘90er stark. In den letzten Jahren soll das Verhaltnis „normalerweise”
60 (Frauen) zu 40 (Manner) betragen haben, so Michael Harnischmacher, wissenschaftlicher Mitar- beiter. 2001 legten 15 Frauen und 8 Manner die Diplomprufung ab, 2002 im Februar 9 Frauen und 6 Manner und fur die Sommerprufung sind 4 Frauen und 6 Manner angemeldet. Die Mannermehrheit hier ist laut Harnischmacher gegen den Trend. Er erklart den hohen Frauenanteil im Studiengang da- mit, dass die StudentInnen nach dem Numerus Clausus ausgewahlt werden, da Frauen allgemein einen besseren Abitur-Durchschnitt haben.[30] Tatsachlich lag der Frauenanteil bei den Erstsemestern im Leipziger Diplomstudiengang Journalistik in den vergangenen funf Jahren konstant etwas unter der Halfte: Die Studierenden werden dort nach einem Eignungstest ausgesucht. Seit dem Wintersemester 01/02 liegt der Prozentsatz knapp uber der Halfte.[31]
Fur Journalistenschulen konnte Frohlich keinen einheitlichen Trend ausmachen[32] Bei der Axel- Springer-Journalistenschule liegt der Frauenanteil seit 1986 uber dem Manneranteil,[33] und auch die Absolventenklasse von 2002 mit einem Frauenanteil von 55 Prozent bestatigt diesen Trend.[34] Bei der Henri-Nannen-Schule schwankt der Frauenanteil seit der Grundung 1979 zwischen 30 und 50 Prozent.[35] In 2002 lag er bei den Absolventen bei 39 Prozent und 2001 bei einem Drittel. Die Ab- solventengruppe von 2003 fallt insofern mit einem Frauenanteil von 72 Prozent etwas aus dem Rah- men.
Auch in den USA betragt der Anteil der Nachwuchs-Journalistinnen seit langem uber die Halfte, 61 Prozent der Mitglieder im PR-Berufsverband PRSA sind weiblich, und Frauen sind als prominente Moderatorinnen und Reporterinnen im Fernsehen prasent,[36] so wie es inzwischen auch in Deutschland begonnen hat mit Sabine Christiansen und Co. Schon wurde ein „Gender Switch”, also die Umwandlung eines Mannerberufs in einen Frauenberuf, im Journalismus prognostiziert. Diese These weckte in den USA die Befurchtung, dass es mit dem Journalismus bergab gehen wurde. Aus ande- ren Branchen sind typische Folgen der Feminisierung bekannt: Die Lohne sinken, die Berufsbedin- gungen werden schlechter und das Prestige des Berufs leidet ebenfalls. Beck-Gernsheim argumen- tiert, dass diese Verschlechterung des Sozialstatus eines Berufs eine Folge von mehr Frauen in die- sem Beruf sein kann, oder aber umgekehrt, weniger Prestige eine Vorbedingung dafur sein kann, dass Frauen uberhaupt Zugang zu dem Beruf bekommen.[37] Sie vermutet, dass tatsachlich ein Wech- selprozess stattfindet: Ein Beruf offnet sich fur Frauen, daraufhin sinkt der Sozialstatus, was wieder- um zu einer weiteren Feminisierung fuhrt.[38]
In den USA gab es tatsachlich deutliche Hinweise auf stagnierende Lohne im Journalismus[39], und im PR-Bereich waren die Folgen der Feminisierung eine allgemeine Abwertung und geringere Einkom- men, was dazu fuhrte, dass sich die Manner aus dem Beruf zuruckzogen.[40] Aber die Angst vor einem Gender Switch im Journalismus war erst einmal unbegrundet: Der Frauenanteil stagnierte bei durch- schnittlich 34 Prozent. Auch in Deutschland sind wir von einem Gender Switch weit entfernt. (Hinweise auf sinkende/stagnierende Lohne oder sinkendes Prestige gibt es nicht.)
Was der Branche heute Sorgen macht, ist eher die Lage auf dem Arbeitsmarkt. Der Umbruch- und Expansions-Prozess ist seit einigen Jahren abgeschlossen, und die Gegenwart ist von Fusionen und Pleiten gepragt; auch gerade weil in diesem MaBe expandiert wurde. Die GroBe des Marktes wurde uberschatzt, und die Vielfalt des Angebots hat zu einem verscharften Konkurrenzkampf um Ein- schaltquoten und Absatzzahlen gefuhrt. Drei New Economy-Magazine waren schon vom Markt verschwunden[41], da wurde Anfang 2002 erst die Einstellung des Wirtschaftsmagazins Bizz gemeldet und dann die der Woche. Die harten Verhandlungen von Verlagen und Gewerkschaften uber ein neues Urheberschutzrecht in 2001 sowie die MaBnahmen einiger Verlage, die dies mit auslosten (Forderungen nach Uberschreibung aller Nutzungsrechte) zeigen, dass es den Verlagen finanziell nicht mehr so gut geht. Die spektakularste Insolvenz war naturlich die von KirchMedia, die von Ver- lusten durch Pay-TV und den Kauf von FuBballrechten ausgelost wurde.
„Schwindel erregend abwarts” titelte der Spiegel im Mai 2002: Die uberregionalen Zeitungen seien durch einen Anzeigenruckgang um 20 (Die Welt) bis 42 Prozent (FAZ) in die Krise geraten.[42] Der Journalist macht eher Managementfehler und kostenintensive Projekte (u.a. Internetauftritte) fur die Finanz-Probleme verantwortlich, da das Anzeigenvolumen zwar gefallen sei, aber so stark nur im Vergleich zum Vorjahr, in dem die Anzeigeneinnahmen auBergewohnlich hoch gewesen waren.[43] Wie dem auch sei, die Folgen sind die gleichen, denn erstes Mittel zur Kosteneinsparung ist der Stel- lenabbau: Der Springer-Verlag hat durch eine Redaktionsfusion bereits 300 Arbeitsplatze abgebaut und angekundigt, bis Ende 2003 weitere zehn Prozent abzubauen, der FAZ-Verlag will ebenfalls zehn Prozent der Stellen abbauen, den Seitenumfang reduzieren und die Honorare der freien Mitar- beiter um 20 Prozent kurzen. Bei der Frankfurter Rundschau sollen sogar 20 Prozent der Arbeitsplatze wegfallen; die Sudwestpresse und die WAZ-Gruppe haben einen Einstellungsstopp ver- hangt.[44]
„Die Leidtragenden dieses Rationalisierungsprozesses werden erneut in ersten Linie die Frauen sein - ganz wie dies den Gesetzen des Arbeitsmarktes bei angespannter Wirtschaftlage entspricht”, pro- phezeit Sitter.[45] Eine Untersuchung der Arbeitslosenzahlen im Journalismus zeigt, dass der Frauenan- teil bei den Erwerbslosen generell um einiges hoher liegt als ihr Anteil am Berufsleben. Bei den als erwerbslos gemeldeten JournalistInnen mit Fachhochschul-/Universitatsausbildung schwankte der Frauenanteil zwischen 1990 und 2001 zwischen 45 und 49 Prozent.[46]
1.3 Androzentrismus als Konsequenz fur die Medienprodukte und die Gesell- schaft
Weil Frauen in den Medienbetrieben und insbesondere in den Positionen, in denen wichtige Pro- grammentscheidungen getroffen werden, weniger vorkommen als Manner, werden sie auch in den Medienprodukten diskriminiert.[47] Erstens in der Haufigkeit ihrer Prasenz und zweitens in der Art ihrer Presentation. Prenner spricht von einem allgemeinen „sexistischen Bias”, der in einer Diskrimi- nierung durch Nichtbeachtung resultiert.[48] Nachrichten werden demnach mit einem „mannlichen Blick” auf die Wirklichkeit ausgewahlt, was dazu fuhrt, dass der „weibliche Blick” vernachlassigt wird. Diesen Mechanismus nennt Prenner Androzentrismus (analog zum Ethnozentrimsus) und stellt ihn als Nachrichtenwertfaktor in eine Reihe mit den anderen Faktoren wie Dauer, Relevanz, Konflikt, raumliche Nahe, usw.[49]
Das Global Media Monitoring Project (GMMP) 2000 kam zu dem Ergebnis: Frauen haben in Deutschland nur einen Anteil von 12 Prozent an Nachrichten-Themen, Manner 88 Prozent. Damit war der Frauenanteil gegenuber 1995 um drei Prozent gesunken. International waren Frauen zu 19 Prozent an der Nachrichtengebung beteiligt.[50] Im Zentrum der Nachrichten standen sie noch seltener: International zu 9 Prozent, in Deutschland zu sechs Prozent. Dabei waren sie hier mit Abstand am haufigsten in den Themenbereichen Power (von den Autorinnen nicht naher definiert), Gewalt und Geburtenkontrolle zu finden.[51]
Ein Jahr spater, 2001, war der Frauenanteil in den deutschen Nachrichten auf 18 Prozent angestie- gen und hatte sich damit dem internationalen Wert angeglichen. Der Journalistinnenbund fuhrt den Anstieg darauf zuruck, dass zwei neue Ministerinnen in der Bundesregierung die offentliche Sichtbar- keit von Frauen gesteigert hatten.[52] Im Februar 2002 wurde ein Ruckgang der Prasenz von Frauen gemessen, trotz des Todes von Hildegard Knef am Stichtag, der die Online- und Rundfunkinhalte in punkto Frauenprasenz verbesserte und somit die Untersuchungsmenge „verfalschte”. (Es sollte das Angebot an einem durchschnittlichen Tag gemessen werden.) In den 12 untersuchten Zeitungen* war die Zahl der weiblichen Namen gegenuber 2001 zuruckgegangen (von 76 auf 69), die der mannli- chen hatte zugenommen (von 355 auf 377). Damit ist der Frauenanteil in den Nachrichten wieder auf 15 Prozent gesunken.[53]
Eine Studie zur Darstellung von Frauen im Fernsehen kam zu dem Ergebnis, dass 6,4 Prozent der Beitrage in den Nachrichtensendungen der offentlich-rechtlichen Sender „frauenspezifische” Themen behandeln, bei den kommerziellen Sendem sogar nur 4,4 Prozent.[54] Dafur ist die Sichtbarkeit der Frauen hoch: Etwa zwei Drittel aller Magazinsendungen werden von Frauen moderiert.[55] *
Auch als Expertinnen sind Frauen heute gefragt: 45 Prozent aller Interviews mit Frauen wird mit ih- nen als Expertinnen gefuhrt. Trotzdem liegt der Anteil der Manner mit diesem Status immer noch weit hoher, wahrend Frauen eher als “Betroffene” oder “Alltagsperson” zu Wort kommen. Ubrigens er- streckt sich das mannliche Expertentum auch auf “Frauenfragen”: Bei Themen mit emanzipatorischem Anspruch wurden fast so viele Manner wie Frauen in dieser Funktion interviewt, bei offentlich- rechtlichen Sendern sogar zu zwei Dritteln.[56]
Das Aussehen der Frauen spielt eine „wichtige, wenn nicht sogar zentrale” Rolle. Die Durchschnitts- Moderatorin ist 30 und 39 Jahre alt, blond und schlank. Sie wirkt attraktiv und hat eine erotische Ausstrahlung.[57] Bei den NachrichtensprecherInnen dominieren Frauen mit 84 Prozent (und 54 Prozent bei Sportsendungen).[58] Bis auf die erotische Ausstrahlung, die „nur” einem Drittel zugeordnet wurde, sind auch sie uberwiegend blond (zwei Drittel), schlank (83 Prozent), attraktiv (fast drei Viertel) und relativ jung (knapp 14 Prozent waren uber 40 Jahre alt, alle im offentlich-rechtlichen Fernsehen).[59] Das gesellschaftliche Idealbild schlagt sich also hier nieder. Frauen, die fullig sind oder graue Haare haben, sind als Moderatorinnen bisher nicht erwunscht.
Aber nicht nur quantitativ, auch qualitativ wurde Androzentrismus in den Medien nachgewiesen. Huhnke hat in einer Inhaltsanalyse der Berichterstattung vom Spiegel von 1980 bis 1995 nachgewiesen, dass das Magazin entweder gar nicht oder erst relativ spat uber frauenpolitische Ereignisse be- richtete. Die Autorin zeigt, wie uber die Sprache in den Artikeln frauenfeindliche Inhalte hergestellt werden. Als Deutschlands fuhrendes Nachrichtenmagazin gehort der Spiegel zu den Opinion- Leaders”[60] der Medienlandschafit und ist deshalb maBgeblich an der Konstruktion von Medienwirk- lichkeiten beteiligt.
„Diese sozialen Wirklichkeitskonstruktionen uber Frauen basieren auf konservativen Normen uber das gesellschaftliche Verhaltnis der Ge- schlechter, sowie auf repressiven Sexualkonzepten. Die durchgangige Kampf- und Kriegsmetaphorik, haufig auf eigentumliche Weise mit sexu- ellem Nebensinn verknupft, macht jede Form eines auf Verstandigung zielenden Diskurses unmoglich."[61]
Ein Beispiel: 1993 erschien ein Artikel uber Fernseh-Ansagerinnen mit dem bereits sexistischen Titel „Liebliche Rothaut". Im Text waren Wendungen wie „Damen fur’s Vorspiel" oder „Die Damen ka- men zuruck - in voller Schonheit: Auf einmal konnte Mann sehen, wovon er nur getraumt hatte: Bei- ne, mal artig ubereinandergeschlagen, mal wie bei der kecken ... vom ZDF in Hotpants."[62], was Huhnke schlicht als „deftigen Freierjargon” beschrieb.[63] Der Spiegel sei mit seiner Sexualisierung der Machtverhaltnisse auf dem Niveau des Boulevard-Journalismus angekommen und ersetze seriose Recherche durch Klischees und Stereotype.[64]
Mit dieser Meinung ist Huhnke nicht alleine: Linden zeigt anhand eines Spiegel-Artikels uber westli- che Prostituierte (Titel: „Demutige Blondinen") die Stil-Parallelen zur Bild-Zeitung. Der Autor wirft dem Spiegel vor, gefuhllose Klischees zu reproduzieren, Vorurteile zu bestatigen, mit den Figuren zu spielen wie mit Marionetten und den Mannern eine „Generalamnestie fur den rucksichtslosen Um- gang mit Ehefrauen und teure Spritztouren durch Bordelle" zu liefern, „formuliert, als sei es kein Ki- schee, sondern eine wissenschaftliche Erkenntnis."[65]
Auch in 2002 hat der Spiegel uber die Kolleginnen vom Fernsehen geschrieben, diesmal uber be- kannte Moderatorinnen. Der Text des mannlichen Autoren ist nicht so offenkundig sexistisch und sexualisiert wie der aus dem Jahr ‘93; der Sexismus kommt in der Gonnerhaftigkeit, die den Text durchzieht, sowie in der Uberbetonung des Aussehens der Frauen zum Ausdruck. Eine Faustregel fur die Identifizierung sexistischer Sprache lautet: Wenn eine Aussage uber Frauen auf Manner uber- tragen komisch, bizarr oder beleidigend wirken wurde, ist sie fur Frauen diskriminierend.[66] Man konnte sich also vorstellen, es ware in dem Artikel um Peter Kloeppel oder Ulrich Wickert gegan- gen.
Der Autor stellt die These auf, es gebe einen Trend zu einem neuen, weiblich inspirierten TV- Journalismus. Stichwort: „Neue Ladypower/Frauenpowef’ (dreimal im Text).
Einige Textbeispiele: „(...) und wieder einmal schlug sich TV-Moderatorin Illner (...) tapfer und reak- tionsschnell durch das rhetorische Dickicht der politischen Kombattanten.” „(...) zeigte einen Mut zur Transparent’,[67] „(..) als er sich im Angesicht der weiblich-norddeutschen (...) Fragetechnik immer mehr verhaspelte, den Faden verlor, und die schlanke Moderatorin schlieBlich mit „Frau Merkel anredete”[68], „Doch Anne Will ist weit davon entfernt, eine spatfemimstische Front zwischen bosen eitlen Mannern und selbstlos-grundguten Frauen aufzumachen” (ein Spiegel-typischer Seitenhieb auf den Feminismus), „Was ihr auch nach einer nicht ganz perfekten Uberleitung zu Hoch „Hildegard” bleibt, sind Anmut und Intelligenz, Humor und katholische Lebensfreude, Kolner Menschenfreund- lichkeit und ein gesundes Schlafbedurfhis”,[69] „(...) eine blonde Schonheit mit klaren blauen Augen, die vielen am Bildschirm streng, ja kuhl erscheint. Ist sie am Ende doch nur ein Nachrichten-Luder, eine eiskalte Teleprompter-Puppe? Von wegen. Eine wunderbare Frau.” (Die Rede ist von Marietta Slomka.) „Dabei ist ihre Mimik (...) auch mal spottisch, manchmal mit einem Anflug von Keckheit (...).”[70] Sandra Maischberger ladt ihre Gaste „in ihre etwa zehn Quadratmeter kleine Studio- Kemenate, um ihnen nicht nur korperlich, sondern auch investigativ zu Leibe zu rucken.”[71] (Hervor- hebungen von mir.)
Wundert es da, dass beim Spiegel alle leitenden Positionen (inklusive Stellvertreter) mannlich besetzt sind? Von den 180 RedakteurInnen sind 36 Frauen,[72] das ist ein Quote von 20 Prozent. Damit gab es in den letzten sieben Jahren keine Steigerung des Frauenanteils.[73]
Es ist Aufgabe der Massenmedien, auf gesellschaftliche Missstande aufmerksam zu machen. Aber sobald es um die eigenen Reihen geht, wird diese Funktion nicht mehr ausgeubt.
„Die Medien halten vielmehr an dem uberkommenen Geschlechterbild fest und reproduzieren es in ihren Inhalten taglich auf Neue. Das patriar- chale Gefuge erweist sich somit starker als beruflicher Auftrag und jour- nalistische Zielsetzung”[74]
Das ist nicht so erstaunlich, wenn man bedenkt, dass schlieBlich auch Journalistlnnen in dieser Kultur aufgewachsen sind. Die hiesigen Geschlechterkonstruktionen sind ein Teil von ihnen, den man nicht einfach mit dem Eintritt in den Beruf aus sich herausreiBen kann. Letzten Endes ist es eine Frage der Machtverteilung, wie der poststrukturalistische Feminismus heraushebt, und die Ideologie der Kultur wird zum Instrument, herrschende Machtstrukturen beizubehalten und zu festigen: „Direct social control becomes unnecessary since dominant ideology has been translated into ‘common sense’.”[75]
2. Darstellung der Situation von Journalistinnen in Zahlen
2.1 Frauenanteil im Journalismus
In den letzten Jahrzehnten hat sich eine Erhohung des Frauenanteils im Journalismus abgezeichnet, sowohl in West-, als auch in Ostdeutschland (Tabelle 1). Allerdings ist die Datenlage fur die Jahre 1970 bis Mitte der ‘80er schlecht, deshalb mussen Zahlen aus verschiedenen Bereichen zusammen- gesucht werden, wie zum Beispiel Tageszeitungen und Verbandsmitgliedszahlen. Die Angaben in der Tabelle sind also nicht direkt untereinander vergleichbar und geben deshalb nur Richtwerte an.
Tabelle 1: Anteil von Frauen im Journalismus (in Prozent) 1970-2000
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Hinzu kommt, dass Zahlen unterschiedlich definiert werden konnen - so erklaren sich die abwei- chenden Ergebnisse der Studien von Weischenberg und Schneider, die beide aus demselben Jahr stammen: In der Studie von Weischenberg wurden erstens Volontarinnen mitgezahlt, die uber die Halfte der Volontarinnen stellen, und zweitens auch Mediendienste, Anzeigenblatter und Stadtmaga- zine berucksichtigt, wo der Frauenanteil uber dem Durchschnitt liegt.[76] AuBerdem wurden auch freie Journalistlnnen mit einbezogen, bei denen der Frauenanteil hoher liegen durfte. Schon fur Anfang der ‘80er schatzen Neverla und Kanzleiter ihn auf 20 Prozent fur hauptberuflich Freie, gegenuber 13 Prozent Redakteurinnen bei Tageszeitungen, Agenturen und Rundfunk.[77] (Den relativ hohen Frauenanteil bei Zeitschriften fuhren die Autorinnen darauf zuruck, dass bei Frauenzeitschriften fast nur Redakteurinnen arbeiten.[78] )
Fur 2002 waren kaum Zahlen verfugbar. Selbst der Fachausschuss Gleichstellung des Deutschen Journalisten-Verbands kann nicht sagen, wie hoch der Frauenanteil im Verband ist. Nur die Landes- verbande scheinen dies aufschlusseln zu konnen. Im Landesverband Bremen beispielsweise liegt der Frauenanteil bei den DJV-Mitgliedern bei 35 Prozent,[79] in Berlin bei 38 Prozent.[80]
2.2 Horizontale Segregation - Journalistinnen im Medien- und Ressortvergleich
Der Begriff der horizontalen Segregation wurde zuerst von Neverla und Kanzleiter in Bezug auf den Journalismus verwendet. Darunter fassen sie die unterschiedliche Verteilung von Frauen und Man- nern auf die Medien und die Ressorts. Tabelle 2 zeigt, dass der Frauenanteil je nach Medium zwi- schen 25 und 44 Prozent schwankt. Demnach liegt er zum Beispiel bei Zeitungen unter und beim privaten Rundfunk uber dem Durchschnitt.
Tabelle 2: Anteil und Anzahl von festangestellten Joumalistinnen im Medienvergleich
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Weischenberg et al, 1993, S.27, eigene Berechnung
Die absoluten Beschaftigtenzahlen zeigen, dass dort, wo der Frauenanteil am hochsten ist, namlich bei den Mediendiensten, insgesamt am wenigsten Journalistlnnen arbeiten. Aber auch bei den Nach- richtenagenturen, die den niedrigsten Frauenanteil aufweisen, sind absolut gesehen wenig Journalis- tlnnen beschaftigt. Die Mehrzahl der Beschaftigten (Manner wie Frauen) ist bei Zeitungen angestellt, wo der Frauenanteil am zweitniedrigsten ist. Viele arbeiten auch fur den offentlich-rechtlichen Rundfunk, mit damals unterdurchschnittlichem Frauenanteil, sowie fur Zeitschriften mit einem relativ hohen Frauenanteil, was auf die groBe Zahl an Redakteurinnen bei Frauenzeitschriften (von denen wir in Deutschland immerhin 48 haben[81] ) zuruckgefuhrt werden kann.
Auch Schneider et al haben den Frauenanteil nach Mediengattungen aufgeschlusselt, wenn auch nicht so detailliert. Ihre Zahlen liegen aufgrund der anders definierten Grundgesamtheit niedriger, geben aber in etwa die gleichen Verhaltnisse wider: Fur Zeitungen ermittelten sie einen Frauenanteil von 23 Prozent, fur Zeitschriften 35 Prozent, Agenturen 19 Prozent, Horfunk 22 Prozent und Fernsehen 26 Prozent.[82]
Beim offentlich-rechtlichen Rundfunk liegt der Frauenanteil heute hoher, und zwar je nach Sender zwischen 34 (NDR) und 40 (MDR) Prozent, Spitzenreiter ist der ORB mit 51 Prozent.[83] Die hohen Frauenquoten bei ORB und MDR sind vor allem auf den hohen Journalistinnenanteil in der ehemali- gen DDR zuruckzufuhren, von denen viele ubernommen wurden, und darauf, dass Frauen in jungen Organisationen ohne starre Hierarchien bessere Einstellungs- und Aufstiegschancen haben.[84] Fur 2000 meldete der Journalistinnenbund ein nahezu ausgewogenes Geschlechterverhaltnis in den Hor- funk-Nachrichten von acht offentlich-rechtlichen Sendern.[85]
Zur Prasenz der Journalistinnen in den Printmedien zeigt das GMMP Schwankungen: In ausgewahl- ten Zeitungen waren am Stichtag in 2000 13 Prozent der Beitrage von Autorinnen, in 2001 hatte sich ihr Anteil an der Berichterstattung auf 26 Prozent erhoht, und in 2002 auf zehn Prozent gesenkt. 2 von 18 Kommentaren kamen von Autorinnen (in 2000 waren es 3 von 18). In den Online-Auftritten der Zeitungen waren 20 bis 30 Prozent der Beitrage von Frauen.[86]
Klaus weist darauf hin, dass die Medien mit den wenigsten Frauen den traditionellen Kernbereich den Journalismus bilden. Deshalb fuhrt sie die Erhohung des Frauenanteils auf die in Kapitel 1.2 be- schriebenen Umstrukturierungsprozesse zuruck und erwartet eine Stagnation auf dem Niveau der ‘90er, da diese Prozesse abgeschlossen seien.[87] Tatsachlich weisen das Ergebnis des GMMP 2000 und die aktuellen Zahlen des offentlich-rechtlichen Rundfunks auf eine weitere Steigerung des Frauenanteils hin. Die GMMP-Zahlen zur Prasenz von Frauen in Printmedien lassen allerdings Zweifel aufkommen, ob dies auch fur diesen Bereich gilt. Eventuell hat die erhohte Prasenz (siehe die hohe Zahl an Moderatorinnen in Tabelle 1) vor allem im Horfunk und vielleicht im Fernsehen stattgefun- den.
Anhand der Studien der Fachgruppe Journalismus (bundesweite Reprasentativerhebung) und Schulz/Amend (Westberliner Vollerhebung) von Anfang der ‘90er ergibt sich das Bild, dass die Themenfelder Frauen, Familie und Soziales (‘weiche’ Ressorts) von Frauen dominiert werden und Sport, Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Lokales (‘harte’ Ressorts) von Mannern (Tabelle 3).
[...]
[1] Hesse, 2002
[2] Kaiser, 1999, S.17
[3] Sitter, 1998, S. 497
[4] Ebd., S.498
[5] Keil, 2002, S.6
[6] Schmollack, 2002, S.8
[7] Beauvoir, 2000, S.334
[8] Besnier, Vorlesung, 2001; Vgl. Butler, 1990, S.6f
[9] Lunenborg, 1997, S.29, Vgl. auch Klaus, 1998, S.49
[10] Pandya, Vorlesung, 2001
[11] Keil, 2001, S.145
[12] Besnier, Vorlesung, 2001a
[13] Klaus, 2001, S.23f
[14] Neverla/Kanzleiter, 1984, S.46
[15] Weischenberg, 1995 S.423
[16] Hesse, 2002
[17] Klammer u.a., 2000, S.85
[18] Ebd., S.86
[19] Beck-Gernsheim, 1976, S.136
[20] Glaser, 1996, S.305
[21] Klaus, 1998, S.185
[22] Klaus, 1998, S.185
[23] Klaus, 1998, S.189
[24] Klaus, 1993, S.57
[25] Sitter, 1998, S.324
[26] Ebd., S.325
[27] Ebd., S.326
[28] Frohlich, 1995, S.99f; Hesse, 2002
[29] Frohlich, 1992, S.71
[30] Harnischmacher, 2002, Telefongesprach
[31] Universitat Leipzig, schriftliche Auskunft, 2002
[32] Frohlich, 1995, S.104
[33] Sitter, 1998, S.335
[34] Axel-Springer-Journalistenschule Berlin, 2002, Telefonauskunft
[35] Frohlich, 1995, S.102
[36] Kaiser, 1999, S.11
[37] Beck-Gernsheim, 1976, S.161
[38] Ebd., S.162
[39] Frohlich, 1992, 71
[40] Sitter, 1998, S.346
[41] Seemann, 2002, S.14
[42] Hornig/Schulz, 2002, S.80
[43] Seemann, 2002, S.13
[44] Ebd., S.14; Hornig/Schulz, 2002, S.81f
[45] Sitter, 1998, S.514
[46] Bundesanstalt fur Arbeit, 2002; Vgl. Wirths, 1994, S.110ff
[47] Wirths, 1994, S.9
[48] Prenner, 1994, S.152
[49] Ebd., S.156
[50] Journalistinnenbund, 2002c
[51] Journalistinnebund, 2002a
[52] Journalistinnenbund, 2002c
[53] Hesse/Poppke, 2002
[54] Becker/Becker, 1999, S.34
[55] Ebd., S.11f
[56] Ebd., S.18f
[57] Ebd., S.12f
[58] Ebd., S.28
[59] Ebd., S.30
[60] Huhnke, 1996, S.17
[61] Huhnke, 1996, S.249
[62] Huhnke, 1996, S.207
[63] Ebd., S.203
[64] Ebd., S.250
[65] Linden, 2001, S.70f
[66] Lalouschek/Wodak, 1994, S.218
[67] Mohr, 2002, S.72
[68] Ebd., S.72f
[69] Ebd., S.73
[70] Ebd, S.74
[71] Ebd., S.75
[72] Impressum, Mai 2002
[73] Huhnke, 1996, S.109
[74] Sitter, 1998, S.514f
[75] Zoonen, 1991, S.41f in Keil, 2000, S.20
[76] Klaus 1998, S.154
[77] Neverla/Kanzleiter, 1984, S.144
[78] Ebd., S.46
[79] DJV-Landesverband Bremen, E-Mail, April 2002
[80] DJV-Landesverband Berlin, Telefonische Auskunft, 27.6.02
[81] RWE Plus AG/Fried, 2002, S. 188-196 (inkl. Emma, ohne andere so genannte autonome Frauenpresse)
[82] Schneider et al, 1993a, S.10
[83] Hesse, 2002
[84] Sitter, 1998, S.347
[85] Journalistinnenbund, 2002b
[86] Hesse/Poppke, 2002
[87] Klaus, 1998, S.157
- Quote paper
- Julia Koch (Author), 2002, Frauen im Journalismus - Ursache und Wirkung der geschlechtsbedingten ungleichen Machtverteilung in den Medien, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/8061
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