Die Pflege ist die Nahtstelle zwischen Patient und Arzt, zwischen Versorgung und Heilung und auch zwischen humanitären und wirtschaftlichen Interessen.
Der Ausgleich von dabei teilweise entgegen gerichteten Zielen, insbesondere im Umgang mit sterbenden Patienten, ist realer Bestandteil der Pflege. Nicht selten werden Ärzte und das Pflegepersonal vor Gewissenskonflikte gestellt, die sie an persönliche Grenzen bringen.
Neue medizinische Behandlungsmöglichkeiten, die oft nicht nur das Leben, sondern auch das Leiden und Sterben ins schier Endlose verlängern können, haben die Pflege schwerkranker Menschen stark verändert.
Auswirkungen entstehen damit auch in ethischer Hinsicht. Sterben und der Tod sind so weit wie möglich aus dem gesellschaftlichen Leben verbannt und ein Tabuthema. Institutionen wie Krankenhäuser, Pflegeheime oder Hospize sind mit dieser schwierigen Aufgabe immer häufiger betraut, weil Angehörige fehlen oder nicht bereit sind, sich der Verantwortung zu stellen. Daher ist es wichtig, die ethischen Bedingungen und Vorgehensweisen bei der professionellen Pflegedienstleistung immer wieder neu zu überdenken.
Die Festlegung und Fortschreibung von Regeln, was das Sterben an sich ist, über den Weg bis dorthin, über den Umgang mit dem Sterbenden und die erlaubten Handlungsweisen der Beteiligten, sind Aufgaben der Pflegeethik.
Inhaltsverzeichnis
1. Pflegeethik
1.1 Die Inhalte der Pflegeethik
1.2 Situationen in der Pflegeethik
2. Gesellschaftlicher Umgang mit dem Lebensende
3. Sterben und Tod in der Pflege
3.1 Zum Verständnis von Leben und Tod - Konsequenz für den Sterbenden
3.2 Umgang mit dem Sterben - aus der Sicht des Arztes
3.3 Die Situation des Pflegepersonals im Umgang mit Sterbenden
3.4 Die ethische Handlungsweise des Pflegepersonals
3.5 Pflichtethik versus Werteethik
3.5.1 Deontologische Kategorie
3.5.2 Teleologische Kategorie
3.6 Zur Situation Sterbender im Krankenhaus
4. Die ethische Bedeutung einer medizinischen Erfindung am Beispiel des PEG
5. Wirtschaftliche Interessen in der Pflege rund um den Tod
5.1 Interessen von Angehörigen
5.2 Kranken- und Pflegeversicherung
5.3 Interessen der Ärzte und der Organisationen der Pflegeindustrie
5.4 Schlussbetrachtung
6. Hospizarbeit
6.1 Stationäre Hospize
6.2 Ambulante Hospize
6.3 Tageshospize
6.4 Inhalte und Ziele der Hospizarbeit
7. Sterbehilfe
7.1 Passive Sterbehilfe
7.2 Aktive Sterbehilfe
7.3 Indirekte Sterbehilfe
7.4 Ethische Aspekte der Sterbehilfe
8. Fazit
Literaturverzeichnis / Quellenverzeichnis
Anlage I:
Einleitung
Die Pflege ist die Nahtstelle zwischen Patient und Arzt, zwischen Versorgung und Heilung und auch zwischen humanitären und wirtschaftlichen Interessen. Der Ausgleich von dabei teilweise entgegen gerichteten Zielen, insbesondere im Umgang mit sterbenden Patienten, ist realer Bestandteil der Pflege. Nicht selten werden Ärzte und das Pflegepersonal vor Gewissenskonflikte gestellt, die sie an persönliche Grenzen bringen. Neue medizinische Behandlungs-möglichkeiten, die oft nicht nur das Leben, sondern auch das Leiden und Sterben ins schier Endlose verlängern können, haben die Pflege schwerkranker Menschen stark verändert.
Auswirkungen entstehen damit auch in ethischer Hinsicht. Sterben und der Tod sind so weit wie möglich aus dem gesellschaftlichen Leben verbannt und ein Tabuthema. Institutionen wie Krankenhäuser, Pflegeheime oder Hospize sind mit dieser schwierigen Aufgabe immer häufiger betraut, weil Angehörige fehlen oder nicht bereit sind, sich der Verantwortung zu stellen. Daher ist es wichtig, die ethischen Bedingungen und Vorgehensweisen bei der professionellen Pflegedienstleistung immer wieder neu zu überdenken. Die Festlegung und Fortschreibung von Regeln, was das Sterben an sich ist, über den Weg bis dorthin, über den Umgang mit dem Sterbenden und die erlaubten Handlungsweisen der Beteiligten, sind Aufgaben der Pflegeethik.
In dieser Ausarbeitung wird versucht aufzuzeigen, wie in der Pflege ethisch mit dem Sterben und dem Tod umgegangen wird und welchen Beitrag die ethischen Aspekte leisten im Umgang mit dem Lebensende.
1. Pflegeethik
1.1 Die Inhalte der Pflegeethik
Das Pflegepersonal muss sich täglich immer wieder moralisch entscheiden. Die Einsicht, dass Pflege und Medizin Berufe sind, deren Handlungsweisen weitreichende Folgen für die betroffenen Patienten (und die Gesellschaft, in der wir leben) haben, zeigt, dass es notwendig ist, diese Berufe ethisch zu durchdringen, um der in der Berufsausübung enthaltenen Verantwortung gerechter zu werden. Pflegeethik stellt dabei keine außergewöhnliche Technik dar, die der Pflege oder der Medizin hinzugefügt wurde, sie ist vielmehr einer ihrer integralen Bestandteile. Da sie täglich zur Anwendung kommt, befindet sie sich auch in ständiger Reflexion. Allgemein beschreibend kann man sagen, dass Ethik sich in diesem Bereich damit befasst wie, die Behandlung des (sterbenden) Patienten nach theologischen, philosophischen, psychologischen, soziologischen Gesichtspunkten, und insbesondere dem Patientenwillen entsprechend, zu geschehen hat.
In jede Entscheidung, die in der Pflege getroffen wird, gehen Gründe ein, die gegenüber Anderen vertreten werden können und müssen. Wenn es diese Gründe nicht gibt, ist eine Handlung nicht gerechtfertigt und kann kritisiert werden. Jeder Handelnde hat beim Ausführen seiner Handlung implizit eine Theorie, also bestimmte Vorstellungen der Situation, der relevanten Muster des Handelns und dessen, was für ihn richtig und falsch ist.
Pflegeethik lässt sich daher beschreiben als die Theorie des implizit in pflegerischen Situationen angewandten ethischen Wissens und Meinens. Sie ist aber nicht rein deskriptiv, sondern verhält sich kritisch zu diesem impliziten Wissen, indem sie auf allgemeine Prinzipien und ethische Vorstellungen zurückgreift, die das Handeln legitimeren oder kritisieren können.1
1.2 Situationen in der Pflegeethik
Darüber, in welchen pflegerischen Situationen überhaupt moralische Probleme auftreten können, gibt es derzeit zu wenige empirische Untersuchungen, die eine angemessene Antwort darauf zulassen. Van der Arend2 weist zumindest auf einige Situationen hin, die möglicherweise als ethisch relevant betrachtet werden können:
- Mangelhafte Betreuung wegen finanzieller oder personeller Engpässe
- Fortsetzung der Behandlung bei Sterbenden
- Langes oder häufiges Isolieren oder Trennen von Patienten
- Aufsicht bei Selbsttötungsversuchen
- Euthanasie / Sterbehilfe
- Unehrlichkeit in Bezug auf die Prognose bei Sterbenden
- Aufrechterhaltung der Lebensfunktion von komatösen Patienten
- Verabreichen von Medikamenten unter Zwang
- Reanimierung / Nichtreanimierung ohne Kenntnis des Willens des Betroffenen
- Abbrechen einer Behandlung
Jedes dieser moralischen Probleme betrifft Ärzte, Angehörige und in erster Linie den Patienten selbst. Um diese Probleme zu lösen, bedarf es eines allgemein akzeptierten ethischen Rahmens, um den innerhalb dieses Rahmens Arbeitenden überhaupt ein Handeln zu ermöglichen. Dies entlastet die Verantwortlichen innerhalb des Rahmens keineswegs von eigenen Entscheidungen, im Gegenteil: sie treffen fortlaufend Entscheidungen, nämlich, (1) dass es überhaupt ethisch vertretbar ist, innerhalb dieses Rahmens zu handeln, und (2), dass ihr Handeln auch nach einer bestimmten Veränderung weiterhin vertretbar ist.
Sobald Pflegepersonal an den oben beschriebenen Situationen teilnimmt, ist es natürlich verpflichtet Rechenschaft darüber abzulegen, ob es dies verantworten kann oder nicht. Die Pflegeethik hat dabei keine spezifischen ethischen Vorstellungen oder Prinzipien, sondern wendet allgemeine Prinzipien in speziellen Kontexten an. Pflegeethik als Theorie des impliziten Wissens könnte also bedeuten, dass ethisches Wissen auf einen spezifischen Handlungs-bereich, die Pflege, angewandt wird. Es sind dieselben Prinzipien, die in einem neuen Kontext angewandt werden müssen. Allerdings zeigen die erwähnten Probleme wie Sterbehilfe, Euthanasie, Behandlungsabbruch, dass es sich zum Teil auch um neuartige Probleme handelt, für die noch gar keine allgemein akzeptierten ethischen Vorstellungen und Prinzipien vorliegen.
2. Gesellschaftlicher Umgang mit dem Lebensende
In der Auseinandersetzung mit Sterben und Tod spiegelt sich eine tief greifende Widersprüchlichkeit des in unserer Gesellschaft zu beobachtenden Verhältnisses zum Lebensende wider. Da ist auf der einen Seite die allgemein verbreitete Vorstellung, dass alles machbar sei, die auf die Erwartung an die Medizin ausgedehnt wird. Die Fortschritte der Medizin stehen mit dieser Erwartungshaltung in einer verhängnisvollen Wechselwirkung, und nicht unerwähnt bleiben darf natürlich, dass diese Erwartungshaltung eine ganz wesentliche Voraussetzung dafür ist, dass in dem Wirtschaftszweig "Gesundheitswesen" viel Geld verdient werden kann.
Für viele noch offene Fragen gibt es Lösungen, die in greifbarer Nähe liegen. Der Tod allerdings zeigt uns Grenzen des Machbaren auf, die nicht überschritten werden können. Das will die Gesellschaft nicht wahrhaben.3 In einigen Gegebenheiten wird dies in besonderer Weise sichtbar, wie zum Beispiel im Transplantationswesen und in der Herzchirurgie, aber auch in dem Umstand, dass sterbende Menschen sowohl von zu Hause als auch aus Heimeinrichtungen kurz vor dem Eintritt des Todes in Krankenhäuser gebracht werden - selbstverständlich mit der Erwartung, dass sich das dort Abzeichnende verhindern lässt.
Auf der anderen Seite gibt es Möglichkeiten in medizinischer Hinsicht, welche über das gewünschte und vertretbare Maß hinausgehen können. Es wird versucht, den natürlichen Vorgang mit allen dafür zur Verfügung stehenden medizinischen Mitteln zu verlängern, obwohl das nicht immer derart gewollt oder ethisch vertretbar ist.4 Die neuen medizinischen Erfindungen eröffnen Optionen, die einen Mittelweg schaffen zwischen dem was wir heute als Leben, Sterben und Tod definieren. An einer Maschine angeschlossen zu sein die künstlich ernährt, beatmet und den Herzschlag reguliert wird oft als unwürdig empfunden. Insbesondere dann wenn es keine Hoffnung mehr auf Besserung gibt. Verbunden damit sind die Empfindungen und Ängste, dass sich hierdurch ebenfalls das Leiden verlängert. Da es jeden Menschen selber einmal treffen kann, ist somit auch die gesamte Gesellschaft von diesem Thema betroffen.
Sterben und Tod werden weitestgehend tabuisiert, ausgegrenzt und verdrängt. Sterbende sind aufgrund der heutigen Familienstrukturen oft einsam und erhalten daher nicht die nötige Zuwendung und Beachtung. Dies geschieht häufig auch schon zu Lebzeiten der Patienten, was deren sozialen Tod bedeutet.5 Gemeint ist damit, dass das Leben in der modernen Gesellschaft von Leitvorstellungen wie Jugendlichkeit, Leistungsfähigkeit und Funktions-tüchtigkeit geprägt ist. Dies hat zur Folge, dass diejenigen, die diesem Leitbild nicht mehr entsprechen, an den Rand gedrängt und ausgegrenzt werden. Alte Menschen sind davon in besonderem Maße betroffen. Sie vereinsamen und sterben, lange bevor sie physisch tot sind. Nicht selten wird ein Rentner erst nach längerer Zeit verstorben in seiner Wohnung aufgefunden, weil ihn niemand vermisst hat.
3. Sterben und Tod in der Pflege
3.1 Zum Verständnis von Leben und Tod - Konsequenz für den Sterbenden
Derzeit besteht keine ethisch übereinstimmende Meinung, was genau einen „sterbenden Menschen“ oder einen „toten Menschen“ konstituiert. Ist der letzte Herzschlag, das nicht vorhandene Bewusstsein oder der Hirntod ein Indikator? Ist der molekulare Tod der Körperzellen oder der somatische Tod das Ende der Persönlichkeit? Wenn nach Meinung und Erkenntnis des Arztes feststeht, dass für einen Patient keine Chance zur „Wiederherstellung“ besteht, weil er beispielsweise nicht mehr aus dem Koma erwacht oder irreparable Hirnschäden erlitten hat, wird der Arzt die Empfehlung dazu aussprechen die Geräte abzuschalten.6 Für ihn ist der Patient bereits gestorben da es sich hier medizinisch nicht weiter lohnt, Maßnahmen fortzuführen. Der Körper und seine Bestandteile an sich funktionieren überwiegend noch, nur wird ihm keine Chance auf vollständige Funktionstüchtigkeit eingeräumt. Hier wird der Ermessensspielraum über die Frage, ob der Patient noch lebt oder ob nur noch sein Körper passiv am leben erhalten wird sichtbar, da „das Leben“ eine Definitionssache wird. Hinzu kommt, dass Angehörige die Entscheidung der Ärzte nicht auf ihre Stichhaltigkeit überprüfen können. Hier liegt es an der Pflegeethik und deren Umsetzung mit dem Ziel den bestmöglichsten und würdigsten Weg für den Patienten zu beschreiten.
3.2 Umgang mit dem Sterben - aus der Sicht des Arztes
Im Sterben eines Patienten verbindet sich für den Arzt in höchstem Maße der Anspruch an seine fachliche und seine menschliche Kompetenz. Der Arzt ist nicht nur Handelnder, sondern auch Betroffener. Der richtige und gute Umgang mit dem Sterben umfasst den Umgang mit dem Sterbenden selbst, den Umgang mit seinen Angehörigen, aber auch den Umgang mit sich selbst.
Der Respekt vor der Autonomie des Patienten zwingt den Arzt zur rechtzeitigen Information über die Diagnose einer unheilbaren Erkrankung. Es ist nicht nur unabdingbar, dass er auf direkte oder indirekte Fragen des Patienten wahrheitsgemäß antwortet, sondern dass er auch einen Raum schafft, in dem diese existentiellen Fragen gestellt werden können. Neben der ethischen Norm gibt es ein unausgesprochenes juristisches Argument für das rechtzeitige Gespräch über Sterben. Der Patient hat ein Recht, Angelegenheiten für sich und seine Angehörigen zu regeln. Ein Ergebnis der vorhergehenden Arzt-Patient-Kommunikation muss es sein, dass der Arzt die Vorstellungen des Patienten über sein Sterben kennt.7 Die Umsetzung der Vorstellungen des Sterbenden und seine Betreuung ist nicht allein Aufgabe des Arztes. Er ist Teil eines unterschiedlich umfangreichen Netzwerks von Angehörigen, Freunden und weiteren Helfern. Im Idealfall sind die Interessen des Sterbenden, die Interessen seiner Angehörigen ihm gegenüber und die Interessen der Helfer untereinander deckungsgleich. Dies ist keineswegs selbstverständlich. Gerade die nächsten Angehörigen sind zusätzlich belastet durch ihre doppelte Rolle als Handelnde und als Betroffene. Die ganzheitlich verstandene Verantwortung des Arztes gegenüber dem Patienten kann auch eine Verantwortung gegenüber Angehörigen des Patienten implizieren. Im Konfliktfall müssen ärztliche Entscheidungen in Kenntnis der Prioritäten des Sterbenden, auf einer Kenntnis seiner Ängste und seiner Wünsche, in Absprache und im Konsens mit seinem Umfeld getroffen werden.
In keiner Phase einer Erkrankung ist die Erwartung an den Arzt so hoch wie in der Situation des Sterbens. Entweder wird erwartet, dass er den Tod verhindert (z. B. durch Reanimation, durch eine Notoperation) oder dass er den Tod zulässt (z. B. bei einem Tumorleiden oder bei einer anderen chronischen Erkrankung). Wenn er den Tod des Patienten trotz eigener und externer Erwartungen nicht verhindern kann, erlebt er ihn als Niederlage. Dann ist der Tod des Patienten auch ein persönlicher Verlust mit der Notwendigkeit einer eigenen Trauerarbeit. Umgang mit Sterben wird nicht gelehrt. Gelehrt werden Krankheitsentstehung, Diagnostik und Therapie.
[...]
1 vgl.: http://www.ethik-info.net/inhaltsverzeichnis/Pflegeethik.html (03.02.2005)
2 siehe: van der Arend, Arie J. G., (1998): Pflegeethik, Seite 15
3 vgl.: Schmied, Gerhard (1985): Sterben u. Trauern in der modernen Gesellschaft, Seite 34
4 vgl.: Hirsch Ballin, Ernst M. H., (1997): Sterben und Tod - Medizinischer Fortschritt, ethische Fragen und rechtliche Aspekte der Sterbebegleitung, Seite 7
5 vgl.: Feldmann, Klaus, (1990): Tod und Gesellschaft, Seite 132
6 vgl.: Schmied, Gerhard (1985): Sterben u. Trauern in der modernen Gesellschaft, S.110
7 vgl.: Richter, J. / Norberg, A. / Fricke, U. (2002): Ethische Aspekte pflegerischen Handelns, Seite 32
- Citar trabajo
- Sven Towara (Autor), 2005, Pflegeethik und der Umgang mit dem Tod in der Pflege , Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/80604
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