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Der finnische Kliniker Henschen beschrieb 1899 im Zuge einer sportmedizinischen Studie mit Skilangläufern erstmals die physiologische Hypertrophie des Herzmuskels als "heart of the athlete" (Sportherz). Er konnte bei Athleten mit hohen Ausdauerbelastungen generell größere Herzen feststellen, sogar interdisziplinäre Unterschiede erkennen. 95km-Läufern attestierte Henschen ein größeres Herz als ihren "Kurzstreckenkollegen". Er befand dieses kardiologische Phänomen physiologisch und funktionell effizient da es sich perfekt an die Belastungsintensitäten und -Umfänge adaptierte. "..., Henschen introduced the now generally understood distinction between the functionally efficient large heart of successful endurende athletes, as against the pathologically enlarged heart of patients with cardiac myopathy in whom it is indicative of severe progressive disease." (Jokl & Jokl in Schulte 1991, 5) Nach der erfolgreichen Einführung der Röntgentechnologie, konnten die teilnehmenden Athleten der Olympischen Spiele 1928 in Amsterdam durch eine umfassend stattfindende röntgenologische Bildgebung untersucht werden. Die Resultate verifizierten Henschens Ergebnisse.
Auf die genaue Arbeitsweise, Funktionalität und Anpassungsreaktionen des Sportherzens und auf die Gefahren eines unphysiologisch hypertrophierten Herzens wird in den Punkten 3 und 4 dieser Arbeit ausführlicher eingegangen werden. Vorher jedoch sollen die grundlegenden Prozesse und Parameter der Herzarbeit im nächsten Kapitel im Mittelpunkt stehen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Funktionelle Grundlagen der Herzarbeit in Ruhe und unter Belastung
2.1 Grundlegende Parameter der Herzarbeit
2.2 Die Auswirkungen körperlicher Belastung auf die Herzfunktion
3 Funktionelle Trainingsadaptionen des Herz-Kreislaufsystems und dimensionales Remodeling des Herzens: Das Sportherz
3.1 Funktionelle Trainingsveränderungen des Herz-Kreislaufsystems
3.2 Dimensionale Trainingsanpassungen des Herzens
4 Herzhypertrophie: physiologisch oder pathologisch?
5 Resümee
Quellenverzeichnis
1 Einleitung
Das Herz ist seit Jahrhunderten eines der am aktivsten beforschten Organe. Bereits die Bezeichnung an sich; als Herz (latein. cor), also als Kernstück des lebenden Körpes; impliziert die immense Bedeutung, die es seit jeher erfahren hat und immer noch erfährt. Neben der Erforschung von Aufbau, Funktion und medizinischen Interventionsvarianten sind zunehmend diverse Einflußfaktoren und Beeinträchtigungsgrößen in den Interessenfokus gerückt. Zwangsläufig sind in diesem Verlauf auch die Effekte von Sport und körperlicher Belastung auf das menschliche Herz zwiespältig diskutiert worden.
"Prior to the second half of the 19th century, it was generally believed that exercise was a potential cause of cardiac damage." (Jokl & Jokl in Schulte 1991, 3) Professor J.E. Morgan untersuchte das gesundheitliche Befinden von Teilnehmern des jährlich stattfindenden, historisch-prestigeträchtigen Ruderwettkampfes zwischen den Universitäten Cambridge und Oxford in den Jahren 1829 bis 1869. In seiner Abhandlung gab er an, dass 17 junge Männer (N=294) nach dem Wettrennen über schlechtes Befinden klagten. Gründe für jenes Mißbefinden konnte Morgan zu seiner Zeit jedoch nicht genau benennen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde speziell die Tauglichkeit des Turn- und Sportunterrichts in Frage gestellt. In Edinburgh berichtete C.W. Cathcart 1883 in einer Vorlesungsreihe von den Gefahren für das Herz bei Sportspielen in der Schule. 1898 wies Sir Lauder Brunton die York Medical Society auf die gesundheitliche Anfälligkeit des Herzens junger Athleten hin. (Jokl & Jokl in Schulte 1991)
1935 konnte erstmals wissenschaftlich belegt werden, dass Sport nicht zu einer Überbelastung des Herzens führt. Eine Analyse der medizinischen Akten von 16.000 Schuljungen der vorangegangenen 30 Jahre durch F.W. Lempriere konnte auf eindrucksvolle Weise belegen, dass speziell der Schulsport zu keiner Überbeanspruchung des Herzens führt und er somit keinen negativen Effekt auf die Gesundheit hat. Als Ursache von insgesamt sechs Todesfällen konnte in keinem Fall zwingend eine kardiale Überlastung nachgewiesen werden. Nach Sichtung nahezu aller medizinischen Informationen die bis 1935 über den Zusammenhang von Sport und Herz verfügbar waren, konnte im gleichen Jahr auch Friend aufzeigen, dass körperliches Training keine Herzschäden verursacht. (Jokl & Jokl in Schulte 1991)
Ein weiter Grund für die gängige Annahme des 19. Jahrhunderts, dass Sport ungesunde Auswirkungen auf den Menschen und speziell das Herz hat, ist die Entdeckung und erstmalige Beschreibung des hypertrophierten Herzens durch den Wiener Prof. Carl von Rokitansky 1849. Er benannte dieses aufgrund seiner Größe und seins enormen Gewichts "... large heart of patients with arterial hypertension as "ox-heart" or "cor bovinum." (Jokl & Jokl in Schulte 1991, 4)[1] Bei Autopsien stellte er bei letzteren ein Gewicht von bis zu 1.000g fest, was mehr als dem dreifachen des menschlichen Durchschnittsgewichts des Herzens entspricht. Durch den arteriellen Bluthochdruck seiner Patienten fand Rokitansky zwei stark vergrößerte Herzkammern vor. Die daraus folgende Unterversorgung des Myokards führte in diesem Fall zu einem frühen Tod. In den folgenden 50 Jahren manifestierte sich die Überzeugung, dass Training die Entwicklung des cor bovinum vorantreibt, ergo: Sport ist ungesund. Halbwahrheiten, wie etwa die Erzählung des Läufers von Marathon[2], verbreiteten diese Annahme auf populärkompatible Weise besonders in den nichtakademischen Gesellschaftsschichten jener Zeit. (Jokl & Jokl in Schulte 1991)
Der finnische Kliniker Henschen beschrieb 1899 im Zuge einer sportmedizinischen Studie mit Skilangläufern erstmals die physiologische Hypertrophie des Herzmuskels als "heart of the athlete" (Sportherz). Er konnte bei Athleten mit hohen Ausdauerbelastungen generell größere Herzen feststellen, sogar interdisziplinäre Unterschiede erkennen. 95km-Läufern attestierte Henschen ein größeres Herz als ihren "Kurzstreckenkollegen". Er befand dieses kardiologische Phänomen physiologisch und funktionell effizient da es sich perfekt an die Belastungsintensitäten und -Umfänge adaptierte. "..., Henschen introduced the now generally understood distinction between the functionally efficient large heart of successful endurende athletes, as against the pathologically enlarged heart of patients with cardiac myopathy in whom it is indicative of severe progressive disease." (Jokl & Jokl in Schulte 1991, 5) Nach der erfolgreichen Einführung der Röntgentechnologie, konnten die teilnehmenden Athleten der Olympischen Spiele 1928 in Amsterdam durch eine umfassend stattfindende röntgenologische Bildgebung untersucht werden. Die Resultate verifizierten Henschens Ergebnisse.
Auf die genaue Arbeitsweise, Funktionalität und Anpassungsreaktionen des Sportherzens und auf die Gefahren eines unphysiologisch hypertrophierten Herzens wird in den Punkten 3 und 4 dieser Arbeit ausführlicher eingegangen werden. Vorher jedoch sollen die grundlegenden Prozesse und Parameter der Herzarbeit im nächsten Kapitel im Mittelpunkt stehen.
2 Funktionelle Grundlagen der Herzarbeit in Ruhe und unter Belastung
2.1 Grundlegende Parameter der Herzarbeit
Das Herz ist ein aus Muskelgewebe bestehendes Hohlorgan welches sich im Gegensatz zur ebenfalls quergestreiften Skelettmuskulatur nicht willkürlich ansteuern läßt und somit eine eigene Art von Muskulatur darstellt. Das erste Zentrum der Erregungsbildung ist der Sinusknoten. Dieser ist im rechten Vorhof gelegen und fungiert als körpereigener, synchronisierender Schrittmacher. Von dieser Struktur breitet sich die elektrische Erregung über die verzweigt angeordneten Muskelfasern aus. Es handelt sich bei der Herzmuskelkontraktion zwar auch um eine Alles-oder-Nichts-Reaktion, jedoch kontrahieren nahezu alle Fasern simultan und nicht separat. Ein weiterer Gegensatz zur Skelettmuskulatur ist die absolute Refraktärphase. Der verzögerte Repolarisationsvorgang verhindert zu kurze Kontraktionsintervalle und Dauerkontraktionen und sichert auf diese Weise die permanente Pumpfunktion des Myokards.
Die kardiale Pumpleistung hängt u.a. von der Anzahl der Kontraktionen pro Zeiteinheit ab. Die resultierende Herzfrequenz (HF) wird standardmäßig als Schlagzahl pro Minute angegeben und ist abhängig von der Dichte der impulsgebenden Intervalle[3]. Die HF in Ruhe beträgt beim Untrainierten im Normalfall 60-80 Schläge in der Minute.. Eine weitere Determinante der Herzarbeit ist die Menge des bei jeder Kontraktion ausgeworfenen Blutes, das sogenannte Schlagvolumen (SV). Es wird durch die Größe des Herzmuskels, welcher im Regelfall ein Gewicht von ca. 300g aufweist, bestimmt und beträgt beim untrainierten Menschen etwa 90ml. Am Ende der Austreibungsphase (Systole) bleibt immer ein Restvolumen in der Kammer. Der Prozentuale Anteil der effektiv ausgeworfenen Blutmenge, also das absolute Blutvolumen im Ventrikel abzüglich des endsystolischen Volumens (ESV), wird als Ejaktionsfraktion (EF) bezeichnet. Die normale EF beträgt"... 60-70%, d.h., 30-40% des Füllungsvolumens bleiben nach der Kontraktion in der Kammer zurück." (Appell et al. in Rost 2001, 378)
Ein essentieller Parameter der Herzarbeit ergibt sich aus der HF und dem Schlagvolumen in Relation zu einer Zeiteinheit, das sogenannte Herzzeitvolumen (HZV). Es wird in der Regel pro Minute angegeben, als Herzminutenvolumen (HMV).
Neben dem HMV ist der Blutdruck eine entscheidende Größe. Er beschreibt den Kraftaufwand den das Myokard aufwenden muß, um das Blut durch den Körper zu treiben. Man unterscheidet zwischen dem systolischen (während Austreibung) und diastolischen Blutdruck (während Erschlaffung). Der Druck ist an verschiedenen Stellen des Körpers unterschiedlich hoch. An der Lungenschlagader ist er wesentlich geringer als in den Schlagadern des Körperkreislaufs, an denen dieser standardmäßig gemessen wird und im Idealfall ca. 120/80 mmHg beträgt. Der durchschnittlich herrschende Druck während der beiden Phasen der Herzaktion (Systole / Diastole) wird als arterieller Mitteldruck bezeichnet (PM). Beeinflusst wird dieser Druck durch das HMV und den Widerstand in den peripheren Gefäßen (PW). (Appell et al. in Rost 2002)
Im Bezug auf sportliche Leistungsfähigkeit ist auch die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) von besonderer sportmedizinischer Bedeutung. Dieser Parameter ist auch als Bruttokriterium der kardiorespiratorischen beziehungsweise metabolischen Leistungsfähigkeit definiert und hängt vom jeweiligen Lebensalter, dem Geschlecht, der Körpergröße und dem individuellen Trainingszustand ab. Eine über den Ruheumsatz hinaus zu erbringende Leistung steigert die Sauerstoffaufnahme um 12 ml/min pro geleistetes Watt. Die VO2max wird in der Regel per Belastungstest auf dem Laufband oder Fahrradergometer ermittelt und ist ein leistungsphysiologisches "... Maß für die maximale Verbrennungskapazität und damit die maximale Energiebereitstellung des Organismus...". (Appell & Rost in Rost 2002, 337)
Zusammenfassend kann man sagen, dass eine dynamische Ausdauerbelastung zu einem erhöhten Sauerstoffbedarf des Organismus führt. Eine gesteigerte Sauerstofftransportfähigkeit des menschlichen Herz-Kreislauf-Systems kann in diesem Zusammenhang über die Zunahme der Herzfrequenz, des Schlagvolumens sowie der peripheren Ausschöpfung realisiert werden und wird im folgenden Kapitel näher beleuchtet.
2.2 Die Auswirkungen körperlicher Belastung auf die Herzfunktion
Die Belastungsreaktionen des menschlichen Herz-Kreislauf-Systems sind äußerst komplex, von Mensch zu Mensch verschieden und von einer Vielzahl von äußeren und inneren (psychischen und physischen) Faktoren abhängig. Des weiteren unterliegen sie dem individuellen Intentionsaugenmerk von Leistung und/oder Gesundheit. Generell wird angenommen, „...dass körperliche Aktivität zu einer Steigerung des Blutdrucks und des Herzminutenvolumens führt.“ (Graf & Rost 2001, 15).
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[1] engl. ox-heart = lat. cor bovinum = dt. Ochsenherz
[2] 490 v.C. brach der Läufer von Marathon in Athen tot zusammen, nachdem er die Nachricht des griech. Sieges
über die persische Flotte von der Hafenstadt Marathon; über 40km, laufend; in die Hauptstadt getragen hatte.
[3] körpereigener Impulsgeber ist im Regelfall der Sinusknoten, im Notfall gibt der Defibrillator extern einen
elektrischen Impuls oder aber z.B. ein implantierter, permanent impulsgebender, körperfremder Schrittmacher
- Citar trabajo
- Johannes Wiesner (Autor), 2007, Herz, Sport und Gesundheit, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/80562
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