Zusammenfassung
Neben der wichtigen Funktion des Sehens ist den Augen des Menschen eine überragende ästhetische und über die Interaktion des Blickkontaktes auch soziale Bedeutung beizumessen. Somit kann die Wichtigkeit einer korrekten Wiederherstellung von Funktion und Ästhetik der Orbita nach Trauma gar nicht überschätzt werden. Zu klären war in der vorliegenden Arbeit, inwiefern der Einsatz eines Navigationssystems im Rahmen der operativen Versorgung von posttraumatischen Orbitawanddefekten hilfreich sein kann.
An acht Schwarzkopfschafen wurden ophthalmologisch relevante zweiwandige Orbitawanddefekte gesetzt, die mit Unterstützung durch ein Navigationssystem rekonstruiert wurden. Die Rekonstruktionen erfolgten eine bzw. vier Wochen nach Defektsetzung mittels Calvariumtransplantat, Kalziumphosphatzement (BiozementD®) oder kombiniert. Navigatorische Zielvorgabe bei der Rekonstruktion war das Erreichen einer von der gesunden Orbita achsensymmetrisch auf die defekte Seite gespiegelten virtuellen Rekonstruktion.
Die Handhabbarkeit des Navigationssystems war prä- und intraoperativ unproblematisch und seine Zuverlässigkeit gut. Der organisatorische und zeitliche Mehraufwand war gering. Zum Vorschein kamen typische Anlaufschwierigkeiten.
Es konnte in der verwendeten Anordnung eine navigatorische Ungenauigkeit von weniger als 1mm erzielt werden. In fünf der untersuchten acht Fälle ergab sich ein Präzisionsgewinn von bis zu 2mm. Im Falle der Rekonstruktion mit BiozementD® konnte dieser Genauigkeitsgewinn operativ umgesetzt werden, was mit Calvariumtransplantat nicht möglich war. Erwartungsgemäß zeigten sich die Stärken der Navigation gegenüber der subjektiven Einschätzung durch den Operateur vor allem in den schlecht einsehbaren Bereichen des Operationssitus tief im orbitalen Trichter.
Die notwendigen Voraussetzungen für den Einsatz eines Navigationssystems unter den beschriebenen Bedingungen wie
• Genauigkeit des Navigationssystems
• Symmetrie der Orbita
• Genauigkeit der Spiegelung
• Praktikabilität und Handhabbarkeit der Navigationseinheit konnten belegt werden.
Die navigationsgestützte Rekonstruktion von Orbitawanddefekten ist unter folgenden Prämissen sinnvoll:
• einseitige Fraktur
• Rekonstruktion mittels eines präzise zu konturierenden Materials (z.B. Kalziumphosphatzement)
• Defektlokalisation mindestens teilweise in der Tiefe des orbitalen Trichters oder Korrektureingriff
Inhaltsverzeichnis
2 Einleitung
2.1 Geschichte der Navigation
2.2 Prinzip der Navigation
2.3 Navigation in der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie
2.4 Orbitawandfrakturen
3 Ziele der Arbeit
3.1.1 Vorbereitungs- und Planungsphase
3.1.2 Intraoperative Phase
3.1.3 Postoperative Phase
4 Material und Methoden
4.1 Tiermodell
4.2 Versuchsablauf
4.3 Navigationssystem
4.4 Operatives und anästhesiologisches Vorgehen
4.4.1 Narkose, postoperative Analgesie, Tierhaltung und Euthanasie
4.4.2 Setzen von Orbitawanddefekten
4.4.3 Setzen der Referenzschrauben
4.4.4 Computertomographie
4.4.5 Rekonstruktion der Orbitawanddefekte
4.4.6 Abschlussbefunde und Gewinnung der Histologie
4.5 Navigatorisches Vorgehen
4.5.1 Datenerhebung
4.5.2 Präoperative Vorbereitung und Planung mit dem Navigationssystem
4.5.3 Intraoperative Navigation
4.5.4 Postoperative Nachbereitung
5 Ergebnisse
5.1 Hertelwerte
5.2 Orbitavolumina
5.3 Korrelation von Orbitavolumen und Hertelwerten
5.4 Zuverlässigkeit, Handhabbarkeit und Genauigkeit des Systems
5.4.1 Präoperative Planungsphase
5.4.2 Intraoperative Navigation
5.5 Klinische versus navigierte Rekonstruktion
5.5.1 Tier 1 (Calvarium split graft eine Woche nach Defektsetzung)
5.5.2 Tier 2 (Calvarium split graft eine Woche nach Defektsetzung)
5.5.3 Tier 3 (Biozement D® eine Woche nach Defektsetzung)
5.5.4 Tier 4 (Biozement D® eine Woche nach Defektsetzung)
5.5.5 Tier 5 (Biozement D® vier Wochen nach Defektsetzung)
5.5.6 Tier 6 (Biozement D® vier Wochen nach Defektsetzung)
5.5.7 Tier 7 (Calvarium split graft & BiozementD® eine Woche nach Defektsetzung)
5.5.8 Tier 8 (Calvarium split graft & BiozementD® eine Woche nach Defektsetzung)
5.5.9 Zusammenfassung Tier 1-8
6 Diskussion
6.1 Tiermodell
6.2 Präzision der Navigation
6.3 Orbitavolumina
6.3.1 Statistische Auswertung
6.3.2 Präzision der Orbitavolumenmessungen
6.3.3 Klinische Relevanz der Orbitavoluminae
6.4 Prinzip der Spiegelung
6.5 Handhabbarkeit des Systems
6.6 Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen
6.7 Ist die Navigation in der Orbitachirurgie von Vorteil?
6.8 Ausblick zur Anwendung von Navigation und Virtual Reality
7 Zusammenfassung
8 Literaturverzeichnis
9 Tabellarischer Anhang
9.1 Orbitavolumina in cm3
9.2 Hertelwerte in mm
9.3 Messgenauigkeit Volumetrie (relative Abweichungen ohne Vorzeichen)
9.4 Veränderungen von Orbitavolumina und Hertelwerten
9.5 Intraoperative Präzision der Navigation in mm
10 Verzeichnis nichtgebräuchlicher Abkürzungen
2 Einleitung
2.1 Geschichte der Navigation
Unabdingbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Medizin sind Kenntnisse über die Vorgän- ge und Strukturen im menschlichen Körper im Allgemeinen sowie im jeweiligen Patienten im Besonderen. Vieles hiervon verschließt sich dem direkten Blick und muss vom Behandler auf andere Art und Weise als mit dem bloßen Auge in Erfahrung gebracht werden. Zahlreiche Methoden dienen diesem Zweck. Hierzu gehören Anamnese und klinische Untersuchung aber auch Ultraschall, Röntgen etc.
In der Chirurgie besitzt die Anatomie ohne Zweifel einen ganz besonderen Stellenwert. Ohne die genaue Kenntnis über den Aufbau des menschlichen Körpers ist ein chirurgischer Eingriff nicht denkbar.
Mit der Entdeckung der Röntgenstrahlen durch Wilhelm Conrad Röntgen (1845-1923) am 8. November 1895 und ihren in der Folge entwickelten Anwendungen hat ein entscheidender Wandel in der Medizin begonnen. Der Arzt gewann erstmals Einblick in die individuelle Ana- tomie des lebenden Patienten. Wo der Chirurg sich bisher auf seine allgemeinen Kenntnisse der Anatomie verlassen musste, bekam er nun Informationen über Varianten und pathologi- sche Veränderungen des speziellen Patienten. Dieser Einblick wurde mit der Entwicklung der verschiedenen Techniken, vom konventionellen Röntgenbild, über die konventionelle Tomo- graphie, die Computer-, Magnetresonanz- und Positronenemissionstomographie, sowie die Ultraschalluntersuchung in ein, zwei oder drei Dimensionen immer vielfältiger und präziser. Doch mit der Zunahme an Information wurde es schwieriger, die vielfältigen Informationen zu einem Gesamtbild zusammenzusetzen.
Der Chirurg hat heute die Schwierigkeit, alle ihm vorliegenden bildgebenden Informationen zu einem Gesamtbild zusammenzubringen. Verschiedenste Verfahren in unterschiedlichen Schnittebenen und teilweise auch dynamischer Art wie z.B. der Ultraschall erleichtern diese Aufgabe nicht eben. Kurz: Die Informationsmenge nimmt immer weiter zu, ihre optimale Nutzung wird immer schwieriger.
Ein Ansatz zur Veranschaulichung der Informationen ist die Erstellung von stereolithographi- schen Modellen. Dazu wird aus einem ct-Datensatz ein Kunststoffmodell des Patientenskelet- tes gegossen oder gefräst, an dem die geplante Operation (z.B. komplexe Rekonstruktionen nach Trauma oder Tumorresektion, kraniofaziale Fehlbildungen) simuliert wird. Eine optimale Vorstellung über die Anatomie des Patienten ist gegeben und es werden Leitstrukturen genutzt, die während der Operation selbst nicht zur Darstellung kommen. Die Osteosyntheseplatten können schon präoperativ vorgebogen werden (Lindner et al. 1995). Allerdings sind Kosten und Zeitaufwand zur Modellerstellung sowie die fehlende Dynamik des Verfahrens entscheidende Nachteile (Hassfeld et al. 1998).
Eine weitere Entwicklung zur besseren Ausnutzung der vorhandenen Informationen ist die Navigation. Sie kann die bildgebenden Daten auf den Patienten übertragen und ermöglicht damit eine intraoperative Orientierung.
Der erste Schritt in diese Richtung war die Entwicklung des stereotaktischen Rahmens in der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts zunächst am Tiermodell (Horsley u. Clarke 1908) und später auch im klinischen Einsatz (Spiegel et al. 1947). Er ermöglichte es erstmals, eine präzise Beziehung zwischen der Patientenanatomie und den Informationen der bildgebenden Diagnostik herzustellen. In der Anwendung ist diese Methodik allerdings aus offensichtlichen Gründen eher unflexibel und auch nicht immer praktikabel. Sie blieb deshalb im Wesentlichen auf die Neurochirurgie beschränkt.
Ein weiterentwickeltes Verfahren, dass die Daten dem Operateur interaktiv zur Verfügung stellt, basierte auf einem Gelenkarm, mit dessen Hilfe ein Instrument innerhalb des OP-Feldes frei geführt werden konnte (Reinhardt et al. 1986; Watanabe et al. 1987). Über die feste Ver- bindung von Instrument und Gelenkarm errechnete ein Computer die genaue Position des In- strumentes und konnte diese in die in ihm gespeicherten bildgebenden Daten, wie z.B. einen computertomographischen Datensatz, einblenden. Der Operateur bekam die jeweils benach- barten Schichten angezeigt. Nachteil war wiederum die umständliche Apparatur: Der aus Prä- zisionsgründen notwendigerweise massive Metallarm mit mehreren Gelenken, musste im OP- Saal installiert und zumindest teilweise steril verpackt werden (Horstmann u. Reinhardt 1994). Er störte die Bewegungsfreiheit des Operateurs und durfte intraoperativ keinesfalls verschoben werden, um Ungenauigkeiten zu verhindern (Ploder et al. 1995a).
Ähnliche Systeme wurden auch aus Deutschland (Mösges u. Schlöndorff 1988) und der Schweiz (Reinhardt u. Landolt 1989) vorgestellt, konnten sich jedoch im klinischen Alltag nicht durchsetzen. Lediglich von zwei Systemen (Kelly 1987; Mösges u. Schlöndorff 1988) ist in der Literatur ein ausführlicher Einsatz beschrieben. Beide kämpfen mit den systemim- manenten Problemen, wie sie oben beschrieben sind (Horstmann u. Reinhardt 1994).
1986 beschrieb zunächst Roberts (Roberts et al. 1986) ein System aus den USA, welches die Lokalisierung per Ultraschall vornimmt (Friets et al. 1989) und ohne störende Zusatzkon struktionen auskommt. Die Technik basiert auf einem Patent aus dem Jahre 1969 (Whetstone et al. 1969). Seither ist man aufgrund neuentwickelter Technologien und insbesondere der günstig und in kompakter Form verfügbaren Rechenkapazität moderner Arbeitsplatzrechner in der Lage, immer komfortablere Systeme zu konstruieren. Sie arbeiten völlig ohne eine feste Verbindung zwischen Patient oder System auf der einen und dem OP-Instrumentarium auf der anderen Seite und weisen dennoch eine sehr hohe Präzision auf.
Diese im Grunde rein technische Weiterentwicklung erlaubte erstmals eine Einfachheit und Bequemlichkeit, die die Navigationssysteme aus ihrer Nische in der Neurochirurgie heraus- holte und sie für viele Einsatzzwecke praktikabel erscheinen ließ. Die modernen Systeme las- sen sich leicht in jedem Operationssaal einsetzen (Roessler et al. 1997) und sind trotz ihres noch jungen Alters schon weit verbreitet (Haßfeld et al. 2000). Insbesondere der Verzicht auf Stereotaxierahmen senkt die Belastung für Patienten und Chirurgen erheblich und erweitert damit den Indikationsbereich.
2.2 Prinzip der Navigation
Die grundsätzliche Methodik der Navigation besteht darin, dass zwei 3D-Modelle in einem gemeinsamen geometrischen Kontext miteinander überlagert werden (Maurer u. Fitzpatrick 1993). Zum einen ein aus Untersuchungsdatensätzen der z.B. Computer- oder Magnetreso- nanztomographie errechnetes Modell des Patienten und zum anderen der Patient an sich. Bei- de werden über Referenzpunkte, die sich präzise lokalisieren lassen, in eine eindeutige Bezie- hung gesetzt. Benötigt werden hierbei mindestens drei nicht auf einer Linie liegende Refe- renzpunkte zur Transformation der Koordinatenräume (Wirtz et al. 1998). Nach dieser Refe- renzierung ist es möglich, jeden Punkt am Patienten im Bilddatensatz aufzusuchen und umge- kehrt. Die Bilddarstellung erfolgt auf einem Monitor direkt am Operationstisch oder alternativ auch als Einblendung z.B. von wichtigen Strukturen aus der Bildgebung in ein Operations- mikroskop oder eine semiimmersive Datenbrille (Enislidis et al. 1995; Ploder et al. 1995a; Ploder et al. 1995b).
Jedes Navigationssystem besteht aus mehreren Grundbestandteilen: Zunächst ein Instrument mit dem sich Punkte im Raum ansteuern lassen. In der Regel ist dies ein sogenannter Pointer, ein sondenähnliches Handinstrument, welches Licht- oder Ultraschallsignale aussendet und dessen genaue Position im Raum über entsprechende Detektoren wie Kameras oder Mikrofo- ne registriert wird. Die Lokalisation erfolgt über ein Triangulationsverfahren wie vom Global Positioning System (GPS) bekannt. Erforderlich sind mindestens zwei Detektoren, die zwei Punkte am Handinstrument erfassen. Alternativ kann der Fokuspunkt eines Operationsmikroskops als Pointer genutzt werden, wie es bei der Erstbeschreibung durch Roberts der Fall war (Roberts et al. 1986).
Dazu kommen Fiducial Marker genannte Referenzmarkierungen wie Klebemarker, Schrauben oder Tiefziehschienen, die vor Erfassung des Bilddatensatzes am Patienten angebracht wer- den. Sie müssen sowohl im Bilddatensatz wie auch am Patienten präzise erkennbar sein, denn mit ihrer Hilfe erfolgt die Überlagerung der Koordinatensysteme von Modell und Patient. Die Präzision mit der die Referenzpunkte erfasst werden bestimmt entscheidend die Gesamtpräzi- sion des Systems. Mit Abstrichen in der Genauigkeit können auch anatomische Strukturen oder Oberflächen als Natural Marker zur Referenzierung verwendet werden.
Wichtig für die einfache Anwendung des Systems ist ein sogenanntes „Tracking Tool“. Da die Kamera nur die Position des Pointers relativ zu ihrer eigenen bestimmen kann, entstehen schon bei kleinen Positionsänderungen von Patient oder Kamera Ungenauigkeiten. Ein erneu- tes Referenzieren wird notwendig. Das Tracking Tool ist fest mit dem Patienten verbunden und wird, wie auch der Pointer, ständig von der Kamera erfasst. Relativbewegungen des Pati- enten zur Kamera lassen sich so ermitteln und über den Computer rückrechnen. Ohne Einsatz des Tracking Tool ist es erforderlich, den Patienten absolut fixiert zu lagern, wie es z.B. in der Neurochirurgie routinemäßig mit Hilfe einer Mayfield-Kopfhalterung geschieht. Auch die Kamera darf dann nicht bewegt werden.
Zusätzliche navigierbare Instrumente wie z.B. Elektrokauter oder Endoskop werden ebenfalls von vielen Firmen angeboten. Sie arbeiten mit dem Navigationssystem zusammen, wie der Pointer auch, und unterscheiden sich von diesem lediglich in ihrer chirurgischen Funktion.
Integrierender Bestandteil aller Komponenten ist ein Computer. In ihm sind die Bilddaten des Patienten gespeichert, er ermittelt die Position des Pointers, führt alle erforderlichen Berechnungen durch und
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Schema der Funktionseinheiten eines handelsüblichen Naviga-
ten und den Bedie- nungskomfort des tionssystems Navigationssystems verantwortlich.
Ein Schema analog dem von uns verwendeten System ist in Abbildung 1 dargestellt. Links oben nimmt die Kamera die Signale der Leuchtdioden, des Pointers und des fest mit dem Pa- tienten (hier als Kubus veranschaulicht) verbundenen Tracking Tools auf. Die Daten werden zum Rechner übermittelt und dort als Schnittbilder bzw. 3D-Rekonstruktion zur Darstellung gebracht.
2.3 Navigation in der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie
In der Implantologie wird vor allem bei geringem Knochenangebot eine präoperative Com- putertomographie als wichtig angesehen (Andersson u. Svartz 1988; Jeffcoat et al. 1991; Sethi 1993; Weinberg 1993). Man kann die Hilfe eines Navigationssystems nutzen, um am 3D-Mo- dell Anzahl, Größe und Lage der Implantate zu planen, und diese mit Hilfe des Systems prä- zise und unter Schonung wichtiger Strukturen, wie des Nervus alveolaris inferior, zu positio- nieren (Ploder et al. 1995a).
Weitere Anwendungsgebiete im Bereich der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie werden bei Korrekturen von Gesichtsschädelfehlbildungen, Tumorresektionen sowie Rekonstruktionen nach ablativer Tumorchirurgie oder Trauma gesehen (Hassfeld et al. 1998).
Eine kombinierte Anwendung der Navigation mit der sogenannten Telemedizin ist ebenfalls beschrieben worden (Millesi et al. 1997). Die Navigationsdaten werden hierbei intraoperativ zu einem weit entfernt sitzenden Spezialisten übertragen, der sich so einen präzisen Eindruck vom Situs verschaffen und mit seiner Erfahrung Hilfestellung geben kann. Er bekommt über das Navigationssystem wesentlich mehr und detailliertere Informationen als dies über Video- bilder möglich wäre.
2.4 Orbitawandfrakturen
Orbitabodenfrakturen wurden 1889 erstmals beschrieben (Lang 1889) und entstehen häufig als sogenannte „blow-out“-Frakturen (Smith u. Regan 1957) durch von ventral auf den Bul- bus einwirkende Kräfte. Hierbei kommt es zu einer Druckerhöhung innerhalb der Orbita, und die auf alle Orbitawände wirkende Kraft führt am schwächsten Punkt der knöchernen Orbita, dem papierdünnen Orbitaboden zwischen Sinus maxillaris und Orbita, zur Fraktur (Smith u. Regan 1957).
Gemäss der Theorie der direkten Knochentransmission wird die isolierte Orbitabodenfraktur mit einer auf den Infraorbitalrand einwirkenden Kraft erklärt, die nicht ausreicht, diesen zu frakturieren, jedoch soviel Verformungsenergie auf den Orbitaboden weiterleitet, dass dieser bricht.
Häufiger als in der Vergangenheit (Pfeiffer 1943) werden bei diesen Frakturmechanismen auch begleitende Frakturen der medialen Orbitawand diagnostiziert (Prasad 1975; Hammerschlag et al. 1982a; Hammerschlag et al. 1982b), was auf die verbesserte radiologische Diagnostik zurückgeführt wird (Yab et al. 1997).
Insbesondere bei komplexen Mittelgesichtsfrakturen, wie sie in den letzten Jahren zunehmend häufiger auftreten, werden regelmäßig neben dem Orbitaboden, sowohl die mediale Wand als Grenzfläche zu den Siebbeinzellen, als auch die laterale Wand zur Fossa infratemporalis frak- turiert (Neumann 1996). Etwa aller Mittelgesichtsfrakturen weisen eine Beteiligung der Orbita auf, wobei rund ¼ dieser Beteiligungen wiederum operativ versorgungsbedürftig sind (Schuchardt et al. 1966).
Mögliche funktionelle Folgen einer Orbitawandfraktur sind Doppelbilder und Motilitätsstörungen sowie eine Schädigung des Nervus infraorbitalis, dessen Foramen der typische Frakturverlauf oftmals tangiert. Ebenfalls zu beachten ist der hohe ästhetische Wert einer korrekten Bulbusposition. Die Augen als soziales Kontaktorgan prägen ganz wesentlich den Gesichtsausdruck eines Menschen. Die vollständige Wiederherstellung von Position und Funktion des Auges ist daher von entscheidender Bedeutung.
Hierbei ist darauf zu achten, dass Position und Form der Orbitainnenfläche möglichst genau der Situation vor dem Trauma entsprechen. Ist die rekonstruierte knöcherne Orbita zu groß, so wurde die Fraktur unterkorrigiert. Im umgekehrten Fall einer Überkorrektur ist ein zu kleines Orbitavolumen entstanden. In beiden Fällen kann ein Bulbusfehlstand mit den oben genannten Komplikationen verbleiben.
Die große Schwierigkeit ist intraoperativ zu entscheiden, wann das richtige Ausmaß an Korrektur erreicht ist. Die oft vorhandene Weichteilschwellung zwingt den Operateur zur momentanen Überkorrektur genau in dem Maße, in dem postoperativ die Schwellung zurückgeht. Dies einzuschätzen erfordert viel Erfahrung und gelingt naturgemäß nicht immer. Objektive Maße für das Ausmaß der erforderlichen Korrektur können von ophthalmologischer Seite nicht angegeben werden (Aichmair u. Fries 1967).
Ein besonderes Problem in diesem Zusammenhang stellen Impressionen im Bereich der Ethmoidalzellen dar, die ohne erkennbaren knöchernen Defekt auftreten und somit zu einer schwer einzuschätzenden Vergrößerung des Volumens der knöchernen Orbita führen. Ihre klinische Versorgung lässt oftmals zu wünschen übrig (Manson et al. 1986b).
Moderne Navigationssysteme könnten bei den genannten Schwierigkeiten eine Lösung bieten. Durch sie werden auch Bereiche dargestellt, die intraoperativ nicht einsehbar sind. So z.B. dislozierte Orbitawände in der Tiefe des Orbitatrichters. Da aber in der Regel kein Datensatz des Patienten aus der Zeit vor dem Trauma verfügbar ist, dient die symmetrische Anatomie des Menschen als Orientierung: Der Computer spiegelt im Datensatz die Orbitawände der gesunden Gegenseite in den Defektbereich. Es entsteht ein Anhalt, wo sich die ehemalige knöcherne Begrenzung befunden haben mag und der Operateur kann intraoperativ prüfen, wo er sich in Relation zur virtuell rekonstruierten knöchernen Orbita befindet.
3 Ziele der Arbeit
In der vorliegenden Arbeit sollte am Tiermodell der Einsatz eines Navigationssystems bei der Rekonstruktion von Orbitawanddefekten evaluiert werden. Es wurde untersucht, ob der Einsatz eines Navigationssystems und insbesondere die Spiegelung der gesunden Orbita auf die defekte Seite bei der Orbitarekonstruktion praktisch machbar sind und Vorteile bieten, die die klinische Anwendung des Verfahrens nahe legen.
Hierbei stellten sich für die verschiedenen Phasen des Eingriffes unterschiedliche Fragen.
3.1.1 Vorbereitungs- und Planungsphase
- Ist die Spiegelung praktikabel im Vorgehen oder verhindern z.B. Asymmetrien der Anatomie ein gutes Ergebnis?
- Wie hoch ist der Aufwand für die zusätzliche präoperative Planung?
- Kommt es zu einer besseren oder einfacheren Einschätzung der Situation?
- Inwieweit wird dadurch die Planung der Rekonstruktion verbessert oder vereinfacht?
3.1.2 Intraoperative Phase
Intraoperativ stellten sich Fragen zum Navigationssystem selbst:
- Ist die Anwendung der Navigation mit einem wesentlich erhöhten intraoperativenZeit- oder Personalaufwand verbunden?
- Wie hoch ist die Präzision des Navigationssystems und genügt sie den Ansprüchen in der Orbitachirurgie
- Bringt der Einsatz des Systems einen Informationsgewinn für den Operateur?
- Kann das Navigationssystem somit zu einer höheren Präzision der Rekonstruktion beitragen?
3.1.3 Postoperative Phase
- Inwiefern korrelieren die Volumendifferenz zwischen rekonstruierter und gesunderOrbita auf der einen und der OP-Erfolg im Sinne eines En- oder Exophthalmus auf der anderen Seite?
4 Material und Methoden
4.1 Tiermodell
Als Versuchstiere dienten acht weibliche Schwarzkopfschafe im Alter von drei bis sechs Jahren. Das Körpergewicht der Tiere lag zwischen 75 und 105kg.
4.2 Versuchsablauf
Bei allen Tieren wurde in einer ersten Operation linksseitig ein Orbitawanddefekt gesetzt, der in einer zweiten Operation eine bzw. vier Wochen später mit verschiedenen Materialien rekonstruiert wurde. Jeweils 16 Wochen nach Rekonstruktion erfolgte die Tötung der Tiere zur Histologiegewinnung.
Es wurden nach beiden Operationen und nach der Euthanasie ct-Datensätze (ct1-3) des Kopfes erhoben. Somit lagen pro Tier drei Datensätze entsprechend einer posttraumatischen, einer direkt postoperativen sowie einer im Verlauf erstellten Aufnahme vor.
Die ophthalmologischen Messungen wurden während der Narkosen, vor und nach jeder Operation sowie zum Zeitpunkt der Tötung durchgeführt. Zur Bestim- mung der Bulbusposition wurde der Hertelwert ge- messen. Er entsprach dem Abstand vom lateralen Kanthus zu einer Tangente auf dem Scheitelpunkt der Cornealwölbung. Mit Hilfe eines Glasspatels wurden die monocularen Bulbusexkursionsstrecken in cranialer, caudaler, nasaler sowie auriculärer Richtung, aus gehend von der Neutralstellung, ermittelt (Abbildung 2).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: ophthalmologische Un- tersuchung: Messung
der Bulbusexkursions- strecke terteilt (Tabelle 1). Bei der ersten Gruppe wurde die Orbita eine Woche nach Defektsetzung durch autologen Knochen mittels Calvarium split graft rekonstruiert, bei der zweiten Gruppe kam hierfür ein Kalziumphosphatzement (BiozementD®, Merck, Darmstadt) zum Einsatz. Bei der dritten Gruppe wurde die Orbita ebenfalls mittels BiozementD® rekonstruiert, jedoch synonym einer Spätrekonstruktion erst vier Wochen nach Defektsetzung. In der vierten Gruppe schließlich erfolgte die Rekonstruktion nach einer Woche durch den kombinierten Einsatz von Calvarium split graft und BiozementD®.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Gruppeneinteilung der Versuchstiere.
4.3 Navigationssystem
Verwendet wurde ein „Surgical Tool Navigator“-System (STN®-System) der Firma Carl Zeiss (Oberkochen, Deutschland) wie in Abbildung 3 dargestellt.
Zusätzlich zur kommerziellen Version war ein Softwaremodul installiert, welches erlaubte, beliebige Teile des ct-Datensatzes an einer frei definierbaren Ebene zu spiegeln.
Die verwendete Software lief unter Unix, die Hardwareplattform entsprach einem handelsüblichen PC. Das gesamte Rechner- system war in einen fahrbaren Turm einge- baut, in dem auch alle erforderlichen Peri- pheriegeräte wie Maus, Tastatur, Monitor, DAT- und MOD-Laufwerk Platz fanden.
Hinzu kamen noch drei Kameras, integriert in ein spezielles Stativ, sowie ein Pointer und ein Tracking Tool. Die Kameras des STN®-Systems lokalisierten mit einer Infrarotoptik Pointer und Tracking Tool
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: STN®-System mit Kamerastativ
(siehe Kapitel 2.2). Der Pointer stellte im Prinzip eine gerade Sonde dar, in deren Griff zwei Infrarotdioden eingelassen waren. Andere Instrumente wurden nicht verwendet. Als Tracking Tool wurde ein sogenannter Dynamic Reference Frame (DRF) verwendet (Abbildung 4). Er hatte drei sternförmig ausein- anderlaufende Arme, deren Enden ca. 10cm voneinander entfernt lagen und zur Lokalisierung jeweils eine Infrarotdiode trugen.
Die Gesamtungenauigkeit des Systems wurde vom Hersteller mit kleiner als 1mm angegeben.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: DRF
4.4 Operatives und anästhesiologisches Vorgehen
Alle Operationen wurden vom selben Operateur durchgeführt, um Einflüsse durch unterschiedlichen Erfahrungsstand verschiedener Operateure auszuschließen. Der Operateur ist Mund-Kiefer-Gesichtschirurg und verfügt über Erfahrung im Bereich der Rekonstruktion nach Orbitawandfrakturen sowohl mittels Calvarium split graft als auch mittels Kalziumphosphatzementen. Operiert wurde immer die linke Orbita.
Die intra- und perioperative Betreuung der Tiere erfolgte durch eine Tierärztin. Die Tiere wurden artgerecht in Kleingruppen gehalten.
4.4.1 Narkose, postoperative Analgesie, Tierhaltung und Euthanasie
Nach einer präoperativen Futterkarenz von 24 Stunden wurden die Tiere im Vorbereitungs- raum in die „Australische Schäferhaltung“ verbracht. Nach Schur und Hautdesinfektion der linken Halsseite wurde ein Zentralvenenkatheter (Cavafix®, 1,1 x 1,7mm / 16G, Länge 45cm, Firma B. Braun Melsungen AG) in die Vena jugularis eingeführt. Für die Narkoseeinleitung wurde Propofol (Propofol Abbott 1%®) in einer Dosierung von 4-6mg/kgKG bis zum Errei- chen der Intubationsfähigkeit intravenös injiziert. Die orotracheale Intubation erfolgte mit ei- nem blockbaren Endotrachealtubus (Einmaltubus Mallinckrodt® I.D. 8,5 bis 9,0). Nach der Intubation wurde eine Magensonde peroral in den Pansen vorgeschoben, um eine intraopera- tive Pansentympanie zu vermeiden. Anschließend wurden die Tiere stabil in Bauchlage auf dem Operationstisch gelagert. Die gesamte Kopfwolle wurde kurz geschoren.
Das Aufrechterhalten der Allgemeinanästhesie erfolgte mit Isofluran (Forene®, Abbott GmbH, Wiesbaden), das unter Verwendung eines halbgeschlossenen Narkosekreissystems, eines anästhetikumspezifischen Präzisionsverdampfers (Vapor 19.3, Drägerwerk AG, Lü- beck) und mit einem Sauerstofffrischgasfluss von 2l/min über eine kontrollierte Beatmung appliziert wurde. Für die Aufrechterhaltung des chirurgischen Toleranzstadiums war eine en- dexpiratorische Isoflurankonzentration von 2,1 bis 2,4 Vol.% erforderlich. Während der gesamten Operationsdauer erhielten die Schafe über den Zentralvenenkatheter eine Infusion mit 5 ml/kgKG/h Ringer-Laktat-Lösung (Firma B. Braun Melsungen AG). Die Narkoseüberwachung erfolgte kontinuierlich mittels EKG, Kapnographie, Pulsqualität und -frequenz, Pupillenweite sowie Lidschlussreflex.
Zur präventiven Analgesie erhielten die Tiere unmittelbar postoperativ Buprenorphin (Temgesic®) in einer Dosierung von 0,01mg/kgKG i.m. und Carprofen (Rimadyl®) in einer Dosierung von 4mg/kgKG i.v. Für die postoperative Analgesie wurde am ersten und zweiten postoperativen Tag morgens und abends Buprenorphin (Temgesic®) in einer Dosierung von 0,01mg/kgKG s.c. appliziert.
Zur Euthanasie wurden die Tiere im Vorbereitungsraum erneut in die „Australische Schäfer- haltung“ verbracht. Nach Schur einer Halsseite wurde ein Zentralvenenkatheter in die Vena jugularis eingeführt über den Pentobarbital-Natrium in sicher letaler Dosierung appliziert wurde. Dies führte zügig zu einer tiefen Narkose mit folgendem Herz-Kreislaufstillstand.
4.4.2 Setzen der Orbitawanddefekte
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Darstellung des Orbitabodens
Nach Desinfektion und steriler Abdeckung erfolgte eine bogenförmige Inzision über den Kanten von medialem Orbitarahmen sowie Supra- und Infraorbitalrand. Sie wurde durch die Lidmuskulatur bis auf den knöchernen Orbitarahmen präpariert. Die Knochen- schuppe, an der das mediale Lidbändchen inseriert, wurde osteotomiert und das ligamenttragende Segment abgesetzt. Die
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: angelegte Osteotomielinien
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7: nach Luxation des Orbitabodens
Periorbita wurde stumpf von der knöchernen Orbita abgeschoben, der Tränennasengang hierbei geschont. Der Orbitaboden und die mediale Wand wurden tief in den Orbitatrichter hinein dargestellt (Abbildung 5)
.Es wurden mittels rotierender Lindemann-
fräse bei 5, 8 und 10 Uhr Osteotomielinien
angelegt, die vom Orbitarahmen bis 2,5cm in
die Tiefe reichten (Abbildung 6 und Abbildung 8: Am Schafschädel veranschaulichte>Abbildung 8). Der Orbitarahmen blieb in- Defektausdehnung
takt, er wurde durch eine weitere Osteotomielinie vom Defektbereich separiert. Der Defekt wurde erzeugt, indem die Fragmente derartig vorbereitet mittels eines stumpfen Instrumentes in die benachbarten Nebenhöhlen luxiert wurden, so dass ein durchgehender zweiwandiger Defekt entstand (Abbildung 7). Es wurde kein Knochenmaterial entfernt. Das abgesetzte ligamenttragende Knochensegment wurde nach Anlegen von Bohrlöchern mittels kräftiger resorbierbarer Naht refixiert. Der Wundverschluss erfolgte zweischichtig.
4.4.3 Setzen der Referenzschrauben
Zum Ende des Eingriffs zur Defektsetzung wurden die für die Navigation erforderlichen Referenzschrauben (siehe Kapitel 2.2) über kleine Stichinzisionen in den Schädel einge- bracht (Abbildung 9). In der Medianen wur- de jeweils eine Schraube auf dem Nasenrü- cken sowie in der Sutura sagittalis platziert. Des Weiteren wurden auf beiden Seiten jeeine Schraube am Supraorbitalrand sowie im Bereich der Fossa canina befestigt. Die Sti- chinzisionen bedurften in der Regel keiner weiteren Versorgung.
4.4.4 Computertomographie
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 9: eingebrachte Referenzschrauben supraorbital und auf dem NasenrückenNach der Operation und vor Ausleitung der Anästhesie wurde eine Computertomographie (ct1) des Kopfes durchgeführt. Hierzu wurden die Tiere mittels eines speziell konstruierten Transportwagens mit mobilem Narkosegerät in die neuroradiologische Abteilung
transportiert. Nach Umlagerung auf den ct- Tisch und sorgfältiger Fixierung wurde die Untersuchung unter ständigem Monitoring durchgeführt (Abbildung 10). Erfasst wurde der gesamte Schädel von der vorderen Referenzschraube auf dem Nasenrücken bis zur hinteren im Os occipitale in koronaren Schichten von 1mm mit einer Auflösung von 512x512 Pixel.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 10: Schaf sicher fixiert im ct-Scanner
4.4.5 Rekonstruktion der Orbitawanddefekte
Entsprechend der Gruppeneinteilung (Tabelle 1, Seite 10) wurden die in der ersten Operation gesetzten Defekte in einer zweiten Operation wieder verschlossen. Bei allen Tieren wurde zur Darstellung des Defektes die beschriebene periorbitale Schnittführung wieder eröffnet, das mediale kanthale Ligament erneut abgesetzt und zwischenzeitlich entstandenes Narben- und Bindegewebe entfernt.
4.4.5.1 Rekonstruktion mit Calvarium split grafts
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 11:Darstellung der Schädelkalotte Abbildung 12: angelegte Osteotomielinien Falls nicht ausschließlich mittels BiozementD® rekonstruiert werden sollte, wurde aus der re- gio parietalis ein Calvarium split graft gehoben. Nach 15cm langer medianer Inzision der Ga- lea erfolgte die subperiostale Darstellung der Schädelkalotte (Abbildung 11). 1,5cm lateral der Sutura sagittalis wurde mit der Lindemannfräse ein 2,5 x 5cm großes Transplantat bis in die Diploeschicht markiert (Abbildung 12). Nach Abflachung des Knochens zu allen Seiten des Transplantats wurde dieses durch flaches Eingehen mit dem Meißel von der inneren Kortikalis gelöst und gehoben (Abbildung 13). In keinem Fall wurde die Tabula interna verletzt oder die Referenzschraube im vorde- ren Bereich der Sutura sagittalis gelockert. Nach einschichtigem Wundverschluss wurde der DRF mit einer Schraube in der Okkzipi talregion fixiert. Es wurde auf festen Sitz geachtet, sowie darauf, durch ihn nicht den Zugang zu relevanten Strukturen, insbeson- dere der Referenzschraube im Bereich der Sutura sagittalis, zu versperren (Abbildung 27).
Das Transplantat wurde zweigeteilt und die Teile zurechtgefräst, bis eine gute Passung in den medialen bzw. inferioren Defektbereich erreicht war (Abbildung 14). Zum Erreichen einer möglichst genauen anatomischen Re- konstruktion dienten der Orbitarahmen und die seitlichen Defektränder als Orientierung. Die Transplantate wurden unter Ausnutzung der gegebenen Konvexität mit der spongiösen Seite nach intraorbital eingesetzt. Sie bedurften keiner weiteren Fixation (Abbildung 15).
Nach dieser zunächst rein konventionellen Rekonstruktion wurde die Navigation durch- geführt (siehe Kapitel 4.5.3). Wenn sich hierbei ein Korrekturbedarf zeigte, so wurde je nach operativen Möglichkeiten korrigiert
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Abbildung 13: Hebung des calvarium split grafts nach Trennen von Tabula interna
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Abbildung 14: Einbringen des mit der Fräse modellierten Transplantats
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Abbildung 15: fertige Rekonstruktion von media- ler Wand und Orbitaboden mit-
tels Calvarium split grafts und in der Folge erneut navigiert. Bei zufriedenstellendem Ergebnis, bzw. wenn mit dem ge- wählten Material keine weitere Verbesserung zu erreichen war, wurde die Operation beendet und die Wunde wiederum zweischichtig verschlossen. Es folgte die Entfernung des DRF. Sämtliche Referenzschrauben wurden zur Orientierung in folgenden ct-Scans belassen.
Nach der Operation und vor Ausleitung der Anästhesie wurde eine Computertomographie (ct2) des Kopfes durchgeführt (vgl. Kapitel 4.4.4).
4.4.5.2 Rekonstruktion mit BiozementD®
Operativer Zugang, Defektdarstellung, Fixie- rung des DRF, Navigation, Wundverschluss und Computertomographie erfolgten analog dem Vorgehen beim Calvarium split graft. Nach Anmischen mit 4%iger Natrium- hydrogenphosphatlösung wurde der Zement in sahniger nicht mehr fließender Konsistenz im Überschuss eingebracht. Nach etwa zwei Minuten konnte die Oberfläche schabend
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Abbildung 16: mit BiozementD® rekonstruierter
konturiert und geglättet werden. Nach der Abbindezeit von rund sieben Minuten er-Orbitaboden nach Konturierung
folgte die Navigation. Bei Korrekturbedarf wurde mit der Fräse abgetragen bzw. zum Nachlegen neues Material angemischt.
4.4.5.3 Rekonstruktion mit Calvarium split grafts & BiozementD®
Beim kombinierten Einsatz beider Materialien sollte zum einen das Transplantat durch den Zement fixiert und zum anderen eine höhere Präzision erreicht werden. Nach oben beschrie- benen Vorbereitungen wurde zunächst das Knochentransplantat als Unterlage für den Zement bewusst etwas unterkonturiert eingebracht. Danach erfolgte eine Navigation zur Orientierung. Anschließend wurde die definitive Kontur der rekonstruierten Orbitawände durch Bioze- mentD® festgelegt. Es folgte wiederum Navigation und gegebenenfalls Korrekturen. Zum Ab- schluss erfolgten Wundverschluss und Computertomographie wie oben angegeben.
4.4.6 Abschlussbefunde und Gewinnung der Histologie
Nach Euthanasie der Tiere wurden zunächst letztmalig die ophthalmologischen Befunde erhoben. Anschließend wurden der Kopf abgesetzt und das dritte Computertomogramm (ct3) in gleicher Orientierung wie die beiden vorhergehenden durchgeführt.
Danach erfolgte die Entnahme beider Orbitae mit Teilen der angrenzenden Nebenhöhlen.
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