Peking - Die U-Bahngänge sind eingehüllt in Plakate mit der roten AIDS-Schleife, der Präsident der Volksrepublik schüttelt im staatlichen Fernsehen die Hand eines HIV-Infizierten und es werden TV-Spots zur Kondomwerbung ausgetragen.
Henan - eine Provinz in Zentralchina. Über 80 Prozent der Bevölkerung sind Bauern und leben auf dem Land. Hier ist die Welle der Modernisierung und des wirtschaftlichen Aufschwungs noch nicht angekommen - HIV/AIDS jedoch schon. Bis zu einer Million Menschen sind HIV-positiv , es regieren Ausgrenzung und Vorurteile gegenüber den Infizierten, Unwissenheit und Angst gegenüber der Krankheit. Hier weiß niemand genau, was AIDS überhaupt ist.
Geheimhaltung und Ignoranz waren lange Zeit die policy der chinesischen Regierung, wenn es um das Thema HIV/AIDS ging. In dem Land, in dem Zehntausende oder mehr mit HIV infiziert wurden, weil Provinzverwalter sich durch den Handel mit hoch profitablem Blutplasma der armen Landbevölkerung Gewinn verschafften, sind die Schriftzeichen für Aufklärung oder Verhütung noch ziemlich neu. Weil sie nach staatlicher Hilfe und Behandlung gebeten haben, sind AIDS-Opfer belästigt und verhaftet worden. Stigmatisierung und Missbrauch verstärken die HIV-Gefahr für viele weitere Millionen Chinesen.
Nachdem SARS die Volkrepublik im Jahr 2003 wachgerüttelt hat, zeigt sich Peking entschlossener, Menschen mit HIV/AIDS zu helfen, und hat erkannt, dass das tödliche Virus verheerende Folgen für die Wirtschaft und die soziale Stabilität des Landes in den nächsten Jahren haben könnte. Tatsächlich hat die Parteiführung in den letzten Jahren einige positive Grundsatzprogramme zum Kampf gegen AIDS verabschiedet. Was fehlt ist jedoch die rechtliche Umsetzung. Das chinesische Gesundheitsministerium hat jetzt erstmals in Kooperation mit UNAIDS und der Weltgesundheitsorganisation ein 2005 Update on the HIV/AIDS Epidemic and Response in China herausgebracht.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung - Der Himmel ist hoch und Peking ist weit
2. Entwicklung von HIV/AIDS in China
3. Marodes Gesundheitssystem
4. NGOs im Kampf gegen die Epidemie – im Kampf mit der Regierung
5. Aufschwung und Fall von HIV/AIDS Aktivismus
6. Schlussbemerkungen
7. Literaturverzeichnis
1.Einleitung - Der Himmel ist hoch und Peking ist weit
Peking - Die U-Bahngänge sind eingehüllt in Plakate mit der roten AIDS-Schleife, der Präsident der Volksrepublik schüttelt im staatlichen Fernsehen die Hand eines HIV-Infizierten und es werden TV-Spots zur Kondomwerbung ausgetragen.
Henan - eine Provinz in Zentralchina. Über 80 Prozent der Bevölkerung sind Bauern und leben auf dem Land. Hier ist die Welle der Modernisierung und des wirtschaftlichen Aufschwungs noch nicht angekommen - HIV/AIDS jedoch schon. Bis zu einer Million Menschen sind HIV-positiv[1], es regieren Ausgrenzung und Vorurteile gegenüber den Infizierten, Unwissenheit und Angst gegenüber der Krankheit. Hier weiß niemand genau, was AIDS überhaupt ist.
Geheimhaltung und Ignoranz waren lange Zeit die policy der chinesischen Regierung, wenn es um das Thema HIV/AIDS ging. In dem Land, in dem Zehntausende oder mehr mit HIV infiziert wurden, weil Provinzverwalter sich durch den Handel mit hoch profitablem Blutplasma der armen Landbevölkerung Gewinn verschafften, sind die Schriftzeichen für Aufklärung oder Verhütung noch ziemlich neu. Weil sie nach staatlicher Hilfe und Behandlung gebeten haben, sind AIDS-Opfer belästigt und verhaftet worden. Stigmatisierung und Missbrauch verstärken die HIV-Gefahr für viele weitere Millionen Chinesen.
Nachdem SARS die Volkrepublik im Jahr 2003 wachgerüttelt hat, zeigt sich Peking entschlossener, Menschen mit HIV/AIDS zu helfen, und hat erkannt, dass das tödliche Virus verheerende Folgen für die Wirtschaft und die soziale Stabilität des Landes in den nächsten Jahren haben könnte.[2] Tatsächlich hat die Parteiführung in den letzten Jahren einige positive Grundsatzprogramme zum Kampf gegen AIDS verabschiedet.[3] Was fehlt ist jedoch die rechtliche Umsetzung. Das chinesische Gesundheitsministerium hat jetzt erstmals in Kooperation mit UNAIDS[4] und der Weltgesundheitsorganisation ein 2005 Update on the HIV/AIDS Epidemic and Response in China herausgebracht. Welche Gefahren birgt die HIV/AIDS- Epidemie in einem Land mit 1,3 Milliarden Menschen und wie reagiert das kommunistische System auf die Herausforderungen, die sich ihm durch HIV/AIDS stellen? Hat sich in China der öffentliche Umgang mit der Krankheit geändert und gibt es ein Bewusstsein in der Bevölkerung den Kampf gegen AIDS aufzunehmen?
2. Entwicklung von HIV/AIDS in China
Joel Rehnstrom, Leiter des UNAIDS Büros in Peking, nennt drei Phasen der chinesischen Auseinandersetzung mit Aids.[5] Nachdem 1985 ein mit HIV infizierter Tourist den ersten AIDS-Fall Chinas darstellte, galt das Virus lange Zeit als ausländische Krankheit und Ausdruck des dekadenten Lebensstils im westlichen Kapitalismus. Erst in der zweiten Phase, von 1998 bis 2003, bekämpft der Staat AIDS, allerdings nur indem er mit Polizeikräften gegen Drogenhandel und Prostitution vorgeht. Es gibt vereinzelte Vorbeugungsmaßnahmen, aber das Thema bleibt in der Gesellschaft völlig tabu. Dann kommt das Jahr 2003 und mit ihm kommt SARS nach China. Die Regierung ist gezwungen, ihre Politik zu ändern. Nur Transparenz und Offenheit können das Land vor der Epidemie schützen. SARS hat gezeigt, dass die nationale Führung und ein funktionsfähiges Gesundheitssystem entscheidend für die Bekämpfung einer Epidemie sind. Peking muss ab jetzt die gleiche Entschlossenheit zeigen, um Menschen mit HIV/AIDS zu helfen. Mit dem Welt-Aids-Tag 2003 beginnt die dritte Phase des Kampfes gegen AIDS: Premierminister Wen Jiabao besucht Aids-Patienten im Krankenhaus und reicht ihnen - medienwirksam im staatlichen Fernsehen - die Hand.[6] Seither ist Aufklärung in China erwünscht und möglich. Es scheint als habe die Regierung erkannt, dass es notwendig ist, die ganze Gesellschaft zu mobilisieren, nicht zuletzt, um der Internationalen Gemeinschaft zu beweisen, dass die Volksrepublik aus der SARS-Katastrophe gelernt hat.
China befindet sich noch im Anfangsstadium der Epidemie. Bisher ging man von Schätzungen zwischen 840.000 und 1,5 Millionen HIV-Trägern aus[7] und davon, dass verseuchte Spritzen im Blut- und Drogengeschäft die Hauptursache der Epidemie sein. Doch Rehnstrom weißt auch auf Gefahren hin: „Die Sexindustrie in China explodiert gerade. Es gibt bereits sechs Millionen Sexarbeiterinnen, die sehr selten Kondome benutzen.“[8]
[...]
[1] Dem Annual Aids Report 2005 zufolge sind in Henan insgesamt 30820 Menschen HIV-positiv und 22087 and Aids erkrankt. Nicht offizielle Quellen gehen von bis zu 1,5 bis 2 Millionen HIV-Infizierten in Henan aus, vgl. Hanski 2005, S.197.
[2] Vgl. Gill, Bates und Thompson Andrew 2003, „The Impact of HIV/AIDS on Business in China“, in: The China Business Review, www.chinabusinessreview.com/public/0307/thompson.html, Aufruf: 15.03.2006.
[3] z.B. den „Mittel- und langfristige Plan zur Prävention und Kontrolle von HIV/AIDS in China 1998-2010“, sowie den „China HIV/AIDS Containment, Prevention and Control Action Plan 2001-2005“, vgl. www.unchina.org/unaids/ekey.html.
[4] UNAIDS ist ein Programm von UINCEF, UNDP, UNFPA, UNESCO, WHO, World Bank und ILO, unterstützt und berät seit 1996 die chinesische Regierung in der Bekämpfung von AIDS, vgl. www.uniads.org.
[5] Vgl. Blume, Georg und Qiang Zhaohui, „Die ausländische Krankheit“, www.zeit.de/2004/49/aids-china, Aufruf am 14.03.2006.
[6] Kaisernetwork Daily HIV/AIDS Report, 02.12.2003, www.kaisernetwork.org/daily_reports/ rep_index.cfm?hint=1&DR_ID=21115, Aufruf am 19.03.2006.
[7] Zahlen nach: 2004 Report on the Global AIDS epidemic.
[8] Zit. nach: Blume 2004.
- Citation du texte
- Kerstin Bruemmer (Auteur), 2005, HIV / AIDS in China - eine Epidimie infiziert ein System, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/80405
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