Im Anschluß an das Proseminar "Emile Zola und der französische Naturalismus" möchte ich mich in meiner Hausarbeit noch einmal mit einem Teilaspekt befassen, der unter anderem auch in meinem Referat während des Semesters eine Rolle gespielt hat. Darin ging es um das Thema "Popularisierung der `question sociale` oder: Germinal, ein Sozialroman". Hier möchte ich mich jedoch besonders auf die zentralen Themen in Zolas "Germinal" konzentrieren, worunter sowohl der Vergleich der Lebenswelt der Bourgeoisie mit der der Arbeiter fällt (Punkt 4.), als auch die Unterschiede innerhalb dieser beiden Klassen herausarbeiten (Punkte 5.). Ferner schließt sich daran der Versuch einer Erklärung der Bedeutung der Metaphern an, die diese Unterschiede durch den ganzen Roman hindurch begleiten (Punkt 6). Als letzten Punkt möchte ich dann noch einen Blick in die Zukunft aus Sicht verschiedener Charaktere wagen (Punkt 7).
Zu Beginn scheint es mir aber sinnvoll, eine Inhaltsangabe dieses 13. Romans Zolas aus der Rougon- Macquart- Serie zu liefern, der eine bedrückend authentische Beschreibung der elenden Lebensumstände nordfranzösischer Bergarbeiter kurz vor Beginn der industriellen Revolution am Ende des 19. Jahrhunderts gibt.
[...]
Inhaltsverzeichnis
0. Einleitung
1. Inhaltsangabe
2. Allgemeines
2.1. Besonderheit des Romans
2.2. Historisch- politische Einordnung des Romans
3. Aufbau
4. Kontraste in dem Roman
4.1. Lebenswelt der Arbeiter und der Bourgeoisie- ein Vergleich
4.1.1. Familienzusammensetzung
4.1.2. Wohnsituation
4.1.3. Zeit des Aufstehens
4.1.4. Frühstück
4.1.5. Arbeitssituation
4.1.6. Aussehen/ Gesundheit
4.1.7. Fruchtbarkeit
4.1.8. Liebesleben und Moral im privaten Bereich
5. Differenzierungen innerhalb beider Klassen
5.1. Differenzierung im Bereich des Liebeslebens
5.1.1. die Arbeiter
5.1.2. die Bourgeoisie
5.2. Differenzierung im Arbeitsmilieu
5.2.1. die Arbeiter
5.2.2. die Bourgeoisie
6. Metaphern
7. Verheißung einer neuen Welt (politischer Diskurs)
8. Schlußbetrachtung
9. Literaturverzeichnis
0. Einleitung
Im Anschluß an das Proseminar „Emile Zola und der französische Naturalismus“ möchte ich mich in meiner Hausarbeit noch einmal mit einem Teilaspekt befassen, der unter anderem auch in meinem Referat während des Semesters eine Rolle gespielt hat. Darin ging es um das Thema „Popularisierung der 'question sociale' oder: Germinal, ein Sozialroman“. Hier möchte ich mich jedoch besonders auf die zentralen Themen in Zolas „Germinal“ konzentrieren, worunter sowohl der Vergleich der Lebenswelt der Bourgeoisie mit der der Arbeiter fällt (Punkt 4.), als auch die Unterschiede innerhalb dieser beiden Klassen herausarbeiten (Punkte 5.). Ferner schließt sich daran der Versuch einer Erklärung der Bedeutung der Metaphern an, die diese Unterschiede durch den ganzen Roman hindurch begleiten (Punkt 6). Als letzten Punkt möchte ich dann noch einen Blick in die Zukunft aus Sicht verschiedener Charaktere wagen (Punkt 7).
Zu Beginn scheint es mir aber sinnvoll, eine Inhaltsangabe dieses 13. Romans Zolas aus der Rougon- Macquart- Serie zu liefern, der eine bedrückend authentische Beschreibung der elenden Lebensumstände nordfranzösischer Bergarbeiter kurz vor Beginn der industriellen Revolution am Ende des 19. Jahrhunderts gibt.
1. Inhaltsangabe
Der Roman beginnt damit, dass Etienne Lantier, der Protagonist des Werks, ein junger Arbeiter, auf der Suche nach Arbeit nach Montsou in ein Bergarbeiterdorf kommt, dessen Bewohner von der Wirtschaftskrise stark betroffen sind. Der junge Arbeiter erhält sofort eine Beschäftigung als Minenarbeiter. Von dem Tage an arbeitet er selbst als einer unter vielen in den tiefen Schächten und hat die Ausbeuterei durch das Industriebürgertum zu ertragen. Auf diese Weise wird er sich schnell der Ungerechtigkeit bewußt, unter der das Industrieproletariat zu leiden hat. Sein Bild von der Situation der Arbeiter wird noch realistischer und genauer, als er bei der Familie Maheu einzieht, einer typischen Arbeiterfamilie, die im Laufe des Romans in die elende Hoffnungslosigkeit getrieben wird. Die Situation der Arbeiter verschlechtert sich zunehmend, als die Bergarbeitsgesellschaft in Folge der Wirtschaftskrise gezwungen ist, die Löhne der Arbeiter weiterhin zu kürzen und gleichzeitig die Arbeitszeit zu erhöhen. So wird ihr Leben mehr und mehr unerträglich, während die Bourgeoisie selbst auf keinen Luxus verzichten muß.
Das materielle und moralische Elend im Bergarbeiterdorf und mehrere politische Gespräche mit dem russischen Anarchisten Souvarine bringen Etienne schließlich dazu, aufständische Gedanken unter den Arbeitern zu verbreiten, die jedoch zuerst keinen großen Anklang finden, da die Arbeiter noch mehr auf Vergessen und Ablenkung aus sind als an eine Revolte, einen Streik zu denken.
Schließlich aber gelingt es Etienne, die Arbeiter zum Kampf für die Gerechtigkeit und für akzeptable Arbeitsbedingungen zu gewinnen. Kurze Zeit später ruft er den Streik aus. Zuerst sind die Arbeiter noch voller Hoffnung, daß der Streik Erfolg haben könnte. Diese Hoffnung wird aber schon nach wenigen Wochen jäh zerstört, denn während ihnen die Nahrung ausgeht, nimmt das Leben im Hause der Grubendirektion seinen gewohnten Lauf, und die Grubendirektion zeigt keinen Willen, die Situation der Arbeiter zu verbessern. Die Ignoranz der Grubendirektion bezüglich des Streiks und die Tatsache, daß sich einige Arbeiter noch nicht dem Streik angeschlossen haben, führt die Arbeiter dazu, daß sie in Meuten ganze Schächte zerstören und auf die Bourgeoisie und deren Anhänger losgehen.
Der Einsatz von Soldaten durch die Bourgeoisie endet mit einer eskalierenden Konfrontation derselben mit den Arbeitern, bei der mehrere Arbeiter zu Tode kommen. Kurze Zeit später wird die Arbeit von den Streikenden mißmutig und aus ihrer Verzweiflung heraus wieder aufgenommen.
Souvarine jedoch bevorzugt radikalere Methoden und denkt nicht ans Resignieren. Er überschwemmt die Grube, in der sich gerade viele Arbeiter befinden, um dem Übel ein Ende zu bereiten und einen kompletten Neuanfang zu versuchen. Etienne ist einer der wenigen, die lebend geborgen werden können. Nach seiner vollständigen Genesung verläßt er Montsou wieder mit der Gewissheit, zumindest die Samen der Revolution gesät zu haben und ein erstes, mit Sicherheit wiederkehrendes Aufkeimen der Auflehnung gegen die Ungerechtigkeit erreicht zu haben. Er begibt sich nach Paris, um dort den Kampf zu Gunsten der Arbeiter weiterzuführen.
2. Allgemeines
Zolas „Germinal“ erschien im Jahre 1885 als 13. Roman der Rougon- Macquart- Serie, die das Leben mehrerer Generationen zur Zeit der Industriellen Revolution in Frankreich wiedergibt. Der Untertitel des Romans lautet: » Histoire sociale et naturelle d'une famille sous le Seconde Empire ».
2.1. Besonderheit des Romans
Dieser Romanzyklus Zolas wird als erste Antwort auf die Herausforderung der Industriellen Revolution verstanden (Neuschäfer, 9), da hierin gnadenlos das Elend geschildert und die Wirklichkeit - also das soziale Elend der Arbeiter- präzise dargestellt werden, das aus dem Übergang der Agrar- zu einer Industriegesellschaft resultiert.
Darin unterscheidet sich Zola gewaltig von vielen seiner Vorgänger und auch Zeitgenossen, in deren Werke hauptsächlich religiöse und romantische Themen Eingang fanden. Anders als jene macht Zola mit dem Rougon- Macquart- Zyklus und besonders mit „Germinal[1] “ das Elend publik und stellt zum ersten Mal die Lage des Proletariats und die Gegensätze von Kapital und Arbeit so dar, daß sie einem breiten Publikum wirklich anschaulich und verständlich unterbreitet werden. Die Arbeiter konnten aufgrund der präzisen Wiedergabe der Situation ihre eigene Problematik in dem Roman erkennen (Neuschäfer, 9).
Ein weiterer Grund, dafür, daß der Roman so weit verbreitet ist, ist sein anfängliches Erscheinen im Feuilleton einer Tageszeitung, womit er einer breiten Masse und somit auch den einfachen Arbeitern zur Verfügung stand.
Daß der Roman sehr beliebt ist, läßt auch die Auflage der Buchausgabe vermuten, die bei 100 000 Stück lag, was zu dieser Zeit recht beachtlich war (Neuschäfer, 9).
2.2. Historisch- politische Einordnung des Romans
„Germinal“ spielt in der Zeit vom Monat März im Jahre 1866 bis zum Monat April des darauffolgenden Jahres. Die Geschehnisse des Romans sind in der Zeit der industriellen Revolution in Frankreich anzusiedeln, die viele Folgen mit sich brachte, von denen besonders die Arbeiterschicht betroffen war.
Ein wesentliches Resultat der Industrialisierung ist die Tatsache, daß der stürmische Aufschwung der Industrialisierung besonders soziale Probleme mit sich brachte. Hierzu zählt vor allem das enorme Bevölkerungswachstum und die daraus resultierende Abwanderung breiter Schichten der Bevölkerung vom Land in die Städte auf der Suche nach Arbeit.
Des weiteren wurden zu jener Zeit auch die Klassengegensätze gravierender: Das besitzende Bürgertum häufte immer mehr Kapital an, hatte es doch im Zuge der industriellen Revolution immer mehr Fabriken ihr eigen nennen dürfen. Neben diesem sich herauskristallisierenden Industriebürgertum entstand gleichzeitig jedoch auch ein Industrieproletariat, der Gegenpart zu dem profitierenden Teil der Bevölkerung. Dieses entstand aus den ursprünglich selbständigen Arbeitern. Nun wurden diese aber aufgrund des existierenden Überangebotes immer weiter ausgenutzt. Ihr Leben, das von sinkenden Löhnen, längeren Arbeitszeiten und schlechteren Arbeitsbedingungen bestimmt war, verschlechterte sich zusehends.
Hinzu trat als weitere erschwerende Bedingung die Wirtschaftskrise im Jahre 1866. Zuvor hatten die Industriellen eine große Anzahl von Arbeitern in den ständig neu aus dem Boden sprießenden Fabriken eingestellt, um die Kohle, die essentielle Energiequelle dieser Zeit, so schnell wie möglich abbauen und exportieren zu können. Im Jahre 1866 aber dann blieben die Aufträge aus den USA aus. Als Folge dessen verschlechterte sich die Situation der Industrie, was viele Entlassungen nach sich zog und somit das Elend besonders auf Seiten der Arbeiter zunehmend steigerte. Unruhen brachen aus, die schließlich in Streiks ausarteten.
Um die Schilderung des Elends des Industrieproletariats, die Beschreibung der immer größer werdenden Unzufriedenheit, die sich daraus ergebenden Unruhen und sogar Aufstände und die Entwicklung des Klassenbewußtseins[2] geht es in Zolas „Germinal“.
3. Aufbau
„Germinal“, selbst Teil eines 20- bändigen Zyklus, setzt sich nochmals aus sieben Büchern zusammen. Von diesen sieben Büchern übernehmen Buch I und Buch II die Funktion der Exposition. Hierin findet der Leser hauptsächlich die „dokumentierte Milieuschilderung“(Neuschäfer, 9), das heißt, die Darstellung der Lebenswelt der Arbeiter, die der der Bourgeoisie gegenübergestellt wird. Es wird also ein „Soziogramm der Industriegebietes von Montsou“ (Neuschäfer, 10), dem hauptsächlichen Ort des Geschehens, erstellt. Hierbei dienen immer wieder die verschiedenen Familien auf beiden Seiten zur „Exemplifizierung des Arbeiterschicksals“ (Neuschäfer, 12).
Buch III dient dann der Schilderung des „krisenhaften Übergangs“ (Neuschäfer, 14) zur eigentlichen Handlung, bereitet also den Hauptteil vor. Am Ende dieses Teils wird dem Leser klar, daß eine Konfrontation von Arbeitern und Bürgertum nicht mehr zu verhindern ist, „der Arbeiterkampf ist somit thematisch und vom Aufbau her in die Mitte des Romans gerückt“(Neuschäfer, 16).
Buch IV und V stellen die Situation und das Verhalten der Ausbeutenden einerseits und der Ausgebeuteten andererseits während des Arbeiterstreiks dar. Die beiden Parteien sind nun offen miteinander konfrontiert, und dramatische Ereignisse passieren.
Der gescheiterte Streik wird in Buch VI geschildert.
Buch VII stellt dann die Kapitulation der Arbeiter und den unvermeidlichen apokalyptischen Untergang sowohl des Bergwerks als auch der Streikenden dar, endet jedoch mit einer hoffnungsvollen Zukunftsperspektive für die Arbeiter.
4. Kontraste in dem Roman
Zola bedient sich in „Germinal“ sehr häufig und gezielt der Technik des Kontrastierens. Ein zentrales Thema in seinem Roman sind der Vergleich und das Feststellen der Unterschiede der verschiedenen Lebensweisen der Arbeiter auf der einen Seite und der Bourgeoisie auf der anderen Seite. Zola ermöglicht dieses Vergleichen, ja er macht es geradezu unvermeidbar durch eben diese Technik. So heben sich die Unterschiede in der Lebensweise immer stärker voneinander ab und werden für den Leser unübersehbar.
All diese Kontraste dienen dazu, daß dem Leser die existierenden Lebensverhältnisse „als etwas Skandalöses“ (Neuschäfer, 14) ersichtlich werden müssen. Gerade auch dadurch, dass sich dieses Elend einerseits und dieses unbesorgte Leben andererseits räumlich nicht weit voneinander entfernt abspielen, muß selbst dem unaufmerksamen Beobachter diese Ungerechtigkeit auffallen, was auch Ziel Zolas ist.
In diesem Teil meiner Hausarbeit möchte ich nun anhand von konkreten Einzelbeispielen diese Kontraste heraus arbeiten, die dem Leser die Größe der Kluft zwischen dem Lebenskampf der Arbeiter und dem Lebensgenuß der Bourgeoisie bewußt machen sollen.
4.1. Lebenswelt der Bourgeoisie und der Arbeiter- ein Vergleich
Die Unterschiede zwischen den Arbeitern und der Bourgeoisie, dem Kapital, werden dem Leser schon in der Exposition, den ersten zwei Büchern, bewußt. Hierin wird nämlich ein und derselbe Morgen von zwei verschiedenen Perspektiven, einmal aus der Sicht der Arbeiter, repräsentiert durch die Familie Maheu (Buch I, Kapitel II, S. 17ff), und zum zweiten aus der Perspektive des Kapitals, vertreten durch die Familie Grégoire (Buch II, Kapitel I, S.73ff ), geschildert.
Folglich drängen sich dem Leser die Unterschiede in den verschiedenen Lebensbereichen dieser beiden Beispielsfamilien auf.
4.1.1. Familienzusammensetzung
Die Familie Maheu besteht aus neun Personen, dem Vater, der Mutter, sieben Kindern im Alter von 3 Monaten bis 18 Jahren und dem Großvater. Demgegenüber zählen zu der Familie Grégoire nur drei Personen, die Mutter, der Vater und Cécile, die einzige Tochter der beiden.
4.1.2. Wohnsituation
In dem kleinen Haus der Familie Maheu gibt es nur ein Zimmer, das sich die neun Personen teilen müssen. Auch sind nicht genügend sondern nur drei Betten für alle vorhanden, so daß sich immer mehrere Menschen eines teilen müssen. Zudem sind die Betten zu jeder Tages- und Nachtzeit besetzt, was auf die verschiedenen Zeiten der Schichtarbeit zurückzuführen ist. Diese Tatsache wird in der Familie jedoch nicht unbedingt als Nachteil empfunden, da auf diese Weise die Betten immer noch warm vom vorherigen Benutzer sind.
Des weiteren haben sich die Maheu schon mit der Situation abgefunden, daß es in dem Haus keine Privatsphäre gibt (siehe auch Liebesleben und Moral im privaten Bereich, 4.1.8.)
Demgegenüber wohnt die Familie Grégoire in einem eigenen Haus mit Grundstück („la propriété, une grande maison carrée“, S. 73), das circa dreißig Hektar umfaßt.
Zudem verfügen sie über eine große Küche („la cuisine était immense“,S. 73) und eine Heizung, die das gesamte Haus heizt („ le calorifère qui chauffait toute la maison“, S. 73) Ihre Tochter verfügt über ein eigenes luxuriöses Zimmer („La chambre était la seule luxueuse de la maison, tendue de soie bleue, garnie de meubles laqués, blancs à filets bleus“, S. 75) und die Familie Grégoire gönnt sich den Luxus, mehrere Angestellte zu haben, die sich um die verschiedenen Bereiche des Hauses kümmern ( le cocher, le jardinier, la jardinière, la servante).
[...]
[1] „Germinal“ als Höhepunkt des naturalistischen Sozialromans (H.-J. Neuschäfer, S. 19- 26).
[2] Frz.: la prise de conscience
- Quote paper
- Julia Hansens (Author), 2001, Zentrale Themen in Emile Zolas 'Germinal', Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/8035
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