In dieser Arbeit wird auf sechs Seiten eine Interpretation von Franz Werfels Gedicht „Fremde sind wir auf der Erde alle“ vorgenommen.
Franz Werfel
Fremde sind wir auf der Erde alle
Tötet euch mit Dämpfen und mit Messern,
Schleudert Schrecken, hohe Heimatworte,
Werft dahin um Erde euer Leben!
Die Geliebte ist euch nicht gegeben.
5 Alle Lande werden zu Gewässern,
Unterm Fuß zerrinnen euch die Orte.
Mögen Städte aufwärts sich gestalten,
Niniveh, ein Gottestrotz von Steinen!
Ach, es ist ein Fluch in unserm Wallen…
10 Flüchtig muß vor uns das Feste fallen,
Was wir halten, ist nicht mehr zu halten,
Und am Ende bleibt uns nichts als Weinen.
Berge sind, und Flächen sind geduldig…
Staunen, wie wir auf und nieder weichen.
15 Fluß wird alles, wo wir eingezogen.
Wer zu Sein noch Mein sagt, ist betrogen.
Schuldvoll sind wir, und uns selber schuldig,
Unser Teil ist: Schuld, sie zu begleichen!
Mütter leben, daß sie uns entschwinden.
20 Und das Haus ist, daß es uns zerfalle.
Selige Blicke, daß sie uns entfliehen.
Selbst der Schlag des Herzens ist geliehen!
Fremde sind wir auf der Erde Alle,
Und es stirbt, womit wir uns verbinden.
Der erste Gedanke, der einem kommt, wenn man den vorliegenden Text liest, ist wohl die Assoziation mit alttestamentlicher prophetischer Literatur. Ähnlich wie dort wird die Vernichtung von Städten und Menschen vorhergesagt. Dabei wird diese nicht in irgendeiner Weise erzählt, sondern mit Drohworten und Imperativen angekündigt.
Es entsteht sogleich der Eindruck der Unvermeidbarkeit der unmittelbar bevorstehenden Ereignisse, es gibt im Text keinerlei Aufforderungen zur Umkehr oder dergleichen, um der Vernichtung zu entgehen, wie dies in biblischen Schriften öfters der Fall ist. Der Untergang ist hier vorherbestimmt, schicksalhaft, ein „Fluch“ (Vers 9), niemand, nicht einmal das lyrische Ich selbst, kann ihm entkommen. Lediglich die Natur ist unbeeindruckt (Vers 13f). Alles Menschliche und Menschengeschaffene wird vernichtet werden.
Der Autor Franz Werfel (10.9.1890-26.8.1945) wuchs im „deutsch-jüdischen Kulturraum“[1] Prags auf. Obwohl er von Hause aus nicht besonders religiös geprägt war, ist sein Gesamtwerk gekennzeichnet von einer „stark ausgeprägten religiösen Thematik.“[2] Davon ausgehend überrascht es nicht, im vorliegenden Text biblische Bezüge wiederzufinden.
Der Bezug zur biblischen Literatur entsteht schon daraus, dass der Text in einem eher substantivischen Stil geschrieben ist, so kommen in den 24 Versen 33 Substantive vor, dazu noch Personalpronomen, die ebenfalls substantivischen Charakter haben. Dies ist auch Merkmal biblisch-apokalyptischer Literatur, wo die Verheerungen oft ebenfalls substantivisch dargestellt werden. So auch hier, wenn es heißt: „Alle Lande werden zu Gewässern“ (Vers 5) und nicht z.B. ‚werden untergehen‘ oder Ähnliches. Bei den Substantiven handelt es sich fast ausnahmslos um Konkreta, wodurch eine größere Klarheit und Sachlichkeit der Darstellung entsteht, es geht um konkret Fassbares überwiegend aus dem Bereich Landschaft und Natur, es gibt aber auch Typenbezeichnungen für Menschen wie „Geliebte“ oder „Mütter“. Die Substantive stehen allerdings fast ausnahmslos ohne Artikel, dadurch gewinnen sie eine allgemeingültige/allumfassende Bedeutung, im Unterschied zu z.B. ‚die Städte‘ oder ‚viele Städte‘.
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[1] Grimm, Gunter: Werfel, Franz. In: Lutz, Bernd (Hg.): Metzler-Autoren-Lexikon. Deutschsprachige Dichter und Schriftsteller vom Mittelalter bis zur Gegenwart, 2. Aufl., Stuttgart, Weimar 1994 S. 848
[2] Ebd.
- Arbeit zitieren
- Ulf Thomassen (Autor:in), 2007, Interpretation von Franz Werfel "Fremde sind wir auf der Erde alle", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/80189
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