"Wo waren ähnliche Ideen wie die der „Positive Peer Culture“ schon einmal vorhanden?" - Vor allem mit Blick auf die USA stößt man auf zahlreiche Einrichtungen, bei denen gegenseitige Fürsorge und Selbstverantwortlichkeit an oberster Stelle stehen:
Das Thema meiner Arbeit stellt die Darstellung der US-amerikanischen Einrichtung „Boys Town“ dar, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch Edward Joseph Flanagan ins Leben gerufen wurde. Es sei erwähnt, dass hierbei die historischen Hintergründe wie etwa der soziale Wandel, die Industrialisierung und Urbanisierung, die große Zahl an Einwanderern in die USA sowie die Progressive Erziehungsbewegung, die zu dieser Zeit stattfand, nicht näher beschrieben werden. Nachdem ich anfangs auf Flanagans Biographie eingehe, gebe ich anschließend einen Überblick über die Entstehung und Entwicklung von Boys Town. Daraufhin befasse ich mich mit Flanagans Menschenbild. Den größten Teil dieser Arbeit bildet die Vorstellung des Erziehungskonzepts, welches Flanagan in Boys Town anwandte. Schließlich gehe ich auf den Zusammenhang zwischen dieser Erziehungskonzeption und dem Ansatz der Positive Peer Culture ein. Die Arbeit wird durch eine kurze Zusammenfassung des Gesamtthemas abgerundet.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Edward J. Flanagans Biographie
3 Boys Town
3.1 Die Anfangszeit
3.2 Soziale Stellung und Strukturierung des Heims
3.3 Heutige Situation und Zusammensetzung
4 Flanagans Menschenbild
5 Erziehungskonzepte und Methoden in Boys Town
5.1 Das soziale Umfeld
5.2 Das Selbstverwaltungsprinzip
5.3 Die soziale Bindung
5.4 Beratung und Führung
6 Zusammenhang zwischen Flanagans Erziehungskonzept und Positive Peer Culture
7 Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Angesichts des im Seminar behandelten Ansatzes der „Positive Peer Culture“ ergibt sich die Frage, wo ähnliche Ideen wie diese schon einmal vorhanden waren. Vor allem mit Blick auf die USA stößt man auf zahlreiche Einrichtungen, bei denen gegenseitige Fürsorge und Selbstverantwortlichkeit an oberster Stelle stehen:
Das Thema meiner Hausarbeit stellt die Darstellung der US-amerikanischen Einrichtung „Boys Town“ dar, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch Edward Joseph Flanagan ins Leben gerufen wurde. Es sei erwähnt, dass hierbei die historischen Hintergründe wie etwa der soziale Wandel, die Industrialisierung und Urbanisierung, die große Zahl an Einwanderern in die USA sowie die Progressive Erziehungsbewegung, die zu dieser Zeit stattfand, nicht näher beschrieben werden. Nachdem ich anfangs auf Flanagans Biographie eingehe, gebe ich anschließend einen Überblick über die Entstehung und Entwicklung von Boys Town. Daraufhin befasse ich mich mit Flanagans Menschenbild. Den größten Teil dieser Arbeit bildet die Vorstellung des Erziehungskonzepts, welches Flanagan in Boys Town anwandte. Schließlich gehe ich auf den Zusammenhang zwischen dieser Erziehungskonzeption und dem Ansatz der Positive Peer Culture ein. Die Arbeit wird durch eine kurze Zusammenfassung des Gesamtthemas abgerundet. (Anmerkung: Aufgrund eines besseren Leseflusses sind nur Quellenangaben, die sich auf Bücher beziehen, im Text abgedruckt, während ich für die Folien und Hand-outs, die im Seminarordner zur Verfügung gestellt wurden bzw. während des Seminars ausgegeben wurden, die Abkürzung „FH“ verwende; die hinzugezogenen Internetseiten sind im Literaturverzeichnis durchnummeriert, sodass lediglich die jeweilige Nummer im Text zu finden ist.)
2 Edward J. Flanagans Biographie
Edward Joseph Flanagan ist einer der bekanntesten Vertreter der Heim-Selbstverwaltung/Selbstregierung (vgl. Kamp 1995: 545). Flanagan wurde am 13. Juli 1886 in der irischen Grafschaft Roscommon geboren. Dem Beispiel seines Bruders folgend, wanderte er 1904 nach seinem Schulabschluss in die Vereinigten Staaten von Amerika aus, wo er 1919 eingebürgert wurde. Flanagan entschloss sich, Priester zu werden und begann sein Studium im Priesterseminar in New York, musste es aber aufgrund einer schweren Lungenentzündung abbrechen. Er ließ jedoch nicht von seiner ursprünglichen Berufsentscheidung ab und setzte sein Theologiestudium 1907 am Gregorianum in Rom fort und beendete es nach einer weiteren krankheitsbedingten Unterbrechung in Innsbruck, wo er 1912 die katholische Priesterweihe empfing. Nach seiner Rückkehr in die USA, begann er sogleich mit dem Seelsorgedienst (vgl. März 2003: 734; 1).
Die Jahre von 1913 bis 1921 waren diejenigen Jahre, in denen er sich – nachdem er 1913 aufgrund der allgemein schlechten wirtschaftlichen Lage ein „Workingmen’s Hotel“ eröffnete – mehr und mehr mit dissozialen Jugendlichen beschäftige und intensiv auf sein späteres Lebenswerk „Boys Town“ hinarbeitete, welches 1921 die Grundzüge seiner heutigen Form annahm – und auf welches ich, weiterhin mit Blick auf Flanagans Leben, unter Punkt 3 näher eingehen werde.
Flanagan erhielt viele, auch internationale, Ehrungen für seine Arbeit mit jugendhilfebedürftigen Jungen. Zugleich war er in mehreren Wohlfahrtsverbänden tätig und verfasste überdies zahlreiche Presseartikel. 1947 schickten ihn die amerikanischen Besatzungsbehörden – er betonte im Zweiten Weltkrieg sehr seinen amerikanischen Patriotismus und unterstütze demonstrativ alles Militärische – als sozialpädagogischen Berater im Zuge des „Re-education-program“ nach Japan und Korea, um dortige Probleme der Jugendhilfe zu studieren. Eine ähnliche Reise unternahm er 1948 nach Österreich und Deutschland, wo er jedoch am 15. Mai im Alter von 61 Jahren – mitten in seinen Besprechungen in Berlin, die er über die Möglichkeiten der Hilfe für kriegsgeschädigte deutsche Kinder führte – einem Herzinfarkt erlag. Sein Grab befindet sich in der Dowd Chapel in Girls and Boys Town. Da Flanagan von den Besatzungsbehörden deutlich gefördert wurde, gewann Boys Town in Europa als eine Art Mythos Einfluss auf andere Heime (vgl. Kamp 1995: 547/548; März 2003: 734).
Flanagan war zwar kein radikaler, aber ein durchaus bedeutender gemäßigter, konservativer Reformer des Strafsystems. Als Anhänger der Jugendgerichtsbewegung forderte er die Schaffung gesonderter Jugendgerichte und Jugendgefängnisse. Er wünschte keine Gesellschaftsreform, sondern lediglich die Herausnahme der noch erziehungsfähigen Kinder und Jugendlichen aus einem Strafsystem, das sich an Vergeltung orientierte, mit dem er allerdings prinzipiell, mit Blick auf Erwachsene, übereinstimmte (vgl. Kamp 1995: 546, 548/549), „Father Flanagan hat Pionierarbeit geleistet in einer Zeit, da man in den USA noch zwölfjährige Jungen nicht nur zum Tode verurteilte, sondern auch das Urteil an ihnen vollstreckte.“ (Ebd.: 546)
Sein bekanntestes, posthum herausgegebenes Werk ist „Understanding your boy?“ bzw. „Verstehe ich meinen Jungen und erziehe ich ihn richtig?“.
3 Boys Town
3.1 Die Anfangszeit
Als Flanagan 1913 Kaplan in Omaha, Nebraska wurde, wo seit 1906 seine restliche Familie lebte, herrschte dort aufgrund einer langanhaltenden Dürre große Arbeitslosigkeit sowie Hunger und Elend. Mit Hilfe von Spendengeldern gründete er eine Unterkunft für Arbeitslose und Landfahrer, die sich bald als äußerst erfolgreich herausstellte. Unter den Gästen befanden sich zudem Alkoholiker und Gauner, aber auch heimatlose Jungen. Bald folgten weitere obdachlose Jungen und Flanagan erkannte, da er sehr viel über die (v.a. Kindheits-) Schicksale dieser Männer erfuhr und sich daher zunehmend auf die Jungen konzentrierte, seine Lebensaufgabe: „wenn er seine ganze Kraft und Liebe diesen jungen Menschen zuwendet, könnte sich ihnen durchaus ein Tor in eine bessere Zukunft öffnen“ (März 2003: 734), denn die Jungen waren noch nicht zu alt, um verändert zu werden, sie waren noch beeindruckbar, bildbar und erziehbar und konnten noch vor weiterem Abgleiten in die Kriminalität und den Alkoholismus gerettet werden. Flanagan wurde ehrenamtlicher Bewährungshelfer und organisierte die elternlosen, vernachlässigten, obdachlos und straffällig gewordenen Jugendlichen, die zu ihm gekommen waren, in einer Art „Boys Club“. 1917 kaufte er ein Haus im Stadtzentrum von Omaha, welches er „Father Flanagan’s Home For Boys“ nannte, etwas später eine Farm außerhalb der Stadt – da die Jugendlichen hier vor schädlichen Einflüssen bewahrt wurden –, welche er 1921 zusammen mit seinen Jungen zu einer „Jungenstadt“ ausbaut, die nun etwa 200 Jungen beherbergte. Obwohl es keine Mauern und keine Türschlösser gab, war das Verlassen dieser „Stadt“ dennoch strafbar, jedoch durften die Jungen alle sechs Wochen die Stadt Omaha besuchen (vgl. Kamp 1995: 546/547; März 2003: 734; Martens: 1). Vor der Gründung seines Heims befasste sich Flanagan zudem mit anderen fortschrittlichen Einrichtungen wie z.B. den Boys Clubs, den George Junior Republics, der Jugendgerichtsbewegung oder dem Commonwealth for Boys (vgl. Kamp 1995: 549/550).
3.2 Soziale Stellung und Strukturierung des Heims
Sein Lebenswerk, das er selbst als Werk Gottes ansah, wächst schnell und Flanagans „Boys Home“ wird für tausende hilfsbedürftige Jungen aller Hautfarben, aller sozialen Schichten und verschiedener Konfessionen zur echten Heimat. Flanagan erfährt aufgrund seiner Toleranz zahlreiche Angriffe und Drohungen, v.a. seitens amerikanischer Rassisten, aber auch seitens der katholischen Kirche, um die er sich jedoch nicht kümmert, da in Omaha ein friedliches Zusammenleben unter Katholiken und Juden, Schwarzen und Weißen herrscht und er jeden aufnimmt, der seiner Hilfe bedarf (vgl. März 2003: 734). Er verstärkt seine Haltung durch die Anbringung eines Eingangsschildes, auf dem seine Grundsätze geschrieben standen: „Boys of Today – Men of Tomorrow. All Races, All Creeds, All Colours“ (Martens 1998: 15). Im Hintergrund stand hierbei sein christliches Menschenbild, worauf ich unter Punkt 4 näher eingehen werde.
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- Arbeit zitieren
- Anja Hofmann (Autor:in), 2007, Edward J. Flanagans "Boys Town", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/80175
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