Der Begriff „verlorene Illusionen“ wurde in der Romantik geprägt und beschreibt den Abgrund zwischen Idee und Wirklichkeit. Die Idee kann in dieser Arbeit mit der Poesie und die Wirklichkeit mit dem Begriff Presse gleichgestellt werden. Das Dichterideal ist genährt von Vorstellungen, die der Wirklichkeit, dem Leben innerhalb des Journalismus nicht standhalten. Balzac schafft 1843 mit seinem Werk „Illusions perdues“ einen neuen Typus des Romans, der für die gesamte Entwicklung des 19. Jahrhunderts von ausschlaggebender Bedeutung sein soll. Der Desillusions-Roman lässt die entstandenen Vorstellungen der Menschen über die Welt an der brutalen Macht des kapitalistischen Lebens zerschellen. Die Entwicklung der Menschen, gemessen an der Ökonomie erweist sich als bloße Illusion. Balzac sieht, dass „das Ende der heroischen Periode der bürgerlichen Entwicklung Frankreichs zugleich den Beginn des großen Aufschwungs des französischen Kapitalismus bedeutet“. Die Ausgebeuteten sind dabei die Journalisten und Schriftsteller, weil ihre Fähigkeiten zur Ware verkümmern, zum Spekulationsobjekt des Literatur-Kapitalismus. Aber unter dem Druck des Kapitalismus prostituieren sie sich selbst und wollen von den Ausgebeuteten zu Ausbeutern werden. Das Zur-Ware-Werden von Lucien steht im Mittelpunkt des Werkes. Die Kulturzerstörung durch den Kapitalismus kommt zum Ausdruck und der Vormarsch und schließlich der Sieg des Kapitalismus bilden die Handlung. Vor diesem Hintergrund soll in dieser Arbeit das Verhältnis der Poesie zur Presse gezeigt werden. In einem chronologischen Abriss werden die wichtigsten Stationen der Desillusionierung durch die Welt des Journalismus aufgezeigt. Anschließend soll das Verhältnis Balzacs zur Presse und zur Poesie und die Darstellung der beiden konkurrierenden Arten des Schreibens näher beleuchtet werden. Zum Schluss werden die Funktionen der Verseinschübe innerhalb des Textes erläutert.
Gliederung
1 Einleitung
2 Chronologischer Abriss im Hinblick auf die Bedeutung und Darstellung der Dichtung und des Journalismus
2.1 Dichterideal
2.2 Darstellung der Welt des Journalismus
3 Balzac und die Presse
3.1 Kritik an dem Wesen der Presse
3.2 Die Rolle des Journalisten
3.3 Thematik der Zeitungen
3.4 Autobiographische Züge
4 Balzac und die Lyrik
4.1 Verseinschübe in den „Illusions perdues“
4.2 Provinzdichter versus Modedichter
4.3 Gründe für Verseinschübe
4.4 Die Darstellung ästhetischer Darstellung
5 Schlussbemerkung
6 Literaturhinweise
1 Einleitung
Der Begriff „verlorene Illusionen“ wurde in der Romantik geprägt und beschreibt den Abgrund zwischen Idee und Wirklichkeit. Die Idee kann in dieser Arbeit mit der Poesie und die Wirklichkeit mit dem Begriff Presse gleichgestellt werden. Das Dichterideal ist genährt von Vorstellungen, die der Wirklichkeit, dem Leben innerhalb des Journalismus nicht standhalten. Balzac schafft 1843 mit seinem Werk „Illusions perdues“ einen neuen Typus des Romans, der für die gesamte Entwicklung des 19. Jahrhunderts von ausschlaggebender Bedeutung sein soll. Der Desillusions-Roman lässt die entstandenen Vorstellungen der Menschen über die Welt an der brutalen Macht des kapitalistischen Lebens zerschellen. Die Entwicklung der Menschen, gemessen an der Ökonomie erweist sich als bloße Illusion. Balzac sieht, dass „das Ende der heroischen Periode der bürgerlichen Entwicklung Frankreichs zugleich den Beginn des großen Aufschwungs des französischen Kapitalismus bedeutet“.[1] Die Ausgebeuteten sind dabei die Journalisten und Schriftsteller, weil ihre Fähigkeiten zur Ware verkümmern, zum Spekulationsobjekt des Literatur-Kapitalismus. Aber unter dem Druck des Kapitalismus prostituieren sie sich selbst und wollen von den Ausgebeuteten zu Ausbeutern werden. Das Zur-Ware-Werden von Lucien steht im Mittelpunkt des Werkes. Die Kulturzerstörung[2] durch den Kapitalismus kommt zum Ausdruck und der Vormarsch und schließlich der Sieg des Kapitalismus bilden die Handlung. Vor diesem Hintergrund soll in dieser Arbeit das Verhältnis der Poesie zur Presse gezeigt werden. In einem chronologischen Abriss werden die wichtigsten Stationen der Desillusionierung durch die Welt des Journalismus aufgezeigt. Anschließend soll das Verhältnis Balzacs zur Presse und zur Poesie und die Darstellung der beiden konkurrierenden Arten des Schreibens näher beleuchtet werden. Zum Schluss werden die Funktionen der Verseinschübe innerhalb des Textes erläutert.
2 Chronologischer Abriss im Hinblick auf die Bedeutung und Darstellung der Dichtung und des Journalismus
2.1 Dichterideal
Der Roman „Illusions perdues“ teilt sich inhaltlich in drei große Abschnitte, die sich inhaltlich und sinngemäß voneinander trennen lassen.
Der Protagonist Lucien Chardon wächst behütet in Angoulême, einer französischen Kleinstadt auf und hat das Talent zu dichten. Seine Familie unterstützt den schönen jungen Mann moralisch und finanziell wo sie nur kann, damit sich sein Talent völlig entfalten kann. Sein Vertrauter und Freund, David Séchard, mit dem ihn eine innige Freundschaft verbindet, ist Sohn eines reichen Buchdruckers und arbeitet hart für seinen Lebensunterhalt. Luciens Talent und seine Schönheit schaffen ihm Zutritt zu den Salons der adeligen Marquise de Bargeton, die, obwohl zwanzig Jahre älter als Lucien, diesen innig verehrt. Madame de Bargeton hat sich zur Aufgabe gemacht, den jungen Mann zu fördern, ihn in die adelige Gesellschaft einzuführen und ihm zu Ruhm zu verhelfen. Er ist ideenreich, dichtet aus Muse, aus Liebe zu Mme de Bargeton. Die Dichtung wird hier als Kunst verstanden und verhilft ihm zum Aufstieg in die aristokratische Gesellschaft. Sie hebt ihn als „Geist“, als ein Genie hervor und verleiht ihm Ehre und Ruhmm. Nicht nur sonst verschlossene Türen öffnen sich für den jungen und noch unreifen Mann, sondern auch sein Selbstbewusstsein wird bis zum Hochmut gesteigert.
Aber als Luciens Dichtkunst in der kleinen Stadt nicht verstanden wird und ein Neider das Liebesverhältnis zwischen der Marquise und Lucien aufdeckt, fliehen die Liebenden zusammen nach Paris. Die Marquise verspricht Lucien dort große Erfolge als Dichter und stellt ihm ihre Liebe in Aussicht. Aber schon bald verstößt die Marquise Lucien, da sie sich durch seine rauen Umgangsformen lächerlich gemacht fühlt. Lucien haust daraufhin armselig aber würdig als Mansardendichter in einer kleinen und heruntergekommenen Wohnung in Paris und versucht sich als Dichter zu behaupten. Sein Geld, das er von seiner Mutter bekommen hat ist aufgebraucht und seine Versuche, die Dichtkunst zu verkaufen, schlagen fehl. Es gelingt ihm nicht, seinen künstlerischen Selbstwert in Marktwert umzumünzen in der korrupten Welt der Pariser Verleger.
Seine einzige Stütze ist sein neuer Freundeskreis, der „Cenacle“, idealistisch gesinnte junge Leute,[3] die ihm aber nicht helfen können, schnell viel Geld zu bekommen. Dann lernt Lucien den Journalisten Lousteau kennen, der ihn in die Kreise des Journalismus einführt. Lousteau stellt den Prototypen des Journalisten dar. Er ist bekannt, geliebt und zugleich gefürchtet und verkauft sich und seine Meinung für schnelles Geld. Überleben kann er durch ein großes Geflecht sozialer Bindungen, das durch Bestechung und Erpressung entstanden ist. Damit endet der erste Teil des Romans, der sich mit einem Dichterideal beschäftigt, das nicht von materiellem und finanziellem Erfolg gekrönt ist.
2.2 Darstellung der Welt des Journalismus
Der folgende zweite Teil des Romans beschreibt Luciens Leben als Journalist in Paris. Nachdem Lucien eine brillante Theaterkritik geschrieben hat, fallen ihm Geld, Ruhm und die Liebe in den Schoß. Er wird bei einer liberalen Zeitung eingestellt, wo er viel Geld für seine Kritiken erhält. In Form der Theaterschauspielerin Coralie erliegt er der Erotik. Er verfällt den Lockungen des leichten Lebens und lässt seine Feder missbrauchen. Lucien taucht in die korrupte Welt des Journalismus ein und findet daran großen Gefallen. Die korrupte Welt des Journalismus zeigt sich in Form von bezahlten Theater- und Buchkritikern, korrupten Verlegern und falschen Freunden wie etwa Luosteau, der insgeheim hofft, aus Luciens hervorragenden Gedichten Profit zu schlagen. Durch Lousteau lernt er Journalisten, Kritiker und Verleger kennen, wobei dieser eine heimliche Lust hat, Lucien aus Neid auf sein Talent ins Verderben zu führen.
Er passt sich an die Pariser Gesellschaft an, wird korrupt und verrät schließlich einen seiner Freunde aus dem Cénacle, indem er seinen Roman öffentlich schlecht macht, obwohl er ihn als einen der besten Roman überhaupt einstuft. Sein Motto lautet: Wer die Gesellschaft nicht besiegt, der stirbt daran.[4] Um in diesen Kreisen zu überleben, muss der Mensch sich an die Gesellschaft anpassen, bis die eigene Substanz verfälscht ist. Nicht seine Ideale werden bezahlt, sondern seine Kritiken, die sich an der Meinung der Verleger orientiert. Der Erfolg der Dichter wird an deren Nähe zur tonangebenden Gesellschaft ermessen. Für den Preis des schnellen Geldes verliert er seine Würde und wird käuflich. Er verkauft sein Genie für den Meistbietenden. Die ehrhafte Welt der Dichtung gibt er zugunsten der korrupten Welt des Journalismus auf, als er die Wahl hat. Sein Fazit lautet: „L’argent! Était le mot de tout énigme.“[5] Im Theater zieht er das Fazit: „Je vois la poesie dans un bourbier“.[6] Hier ist sich Lucien bewusst, dass er am Scheideweg zwischen Dichtung und Journalismus steht. Obwohl er über die Welt der Korruption im Journalismus aufgeklärt wurde, will er nicht in glanzloses Mansardendasein zurück.
[...]
[1] Lukács, S. 48
[2] Vgl. Lukács, S. 50
[3] Vgl. Köhler, S. 58
[4] Vgl. Köhler, S. 58
[5] Vgl. Köhler, S. 59
[6] Vgl. Köhler, S. 59
- Citation du texte
- Friederike Wittmaack (Auteur), 2005, Die Presse und die Poesie in Balzacs "Illusions perdues", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/80007
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