Ich glaube , dass jede Kritik an Mexiko mit einer Prüfung dessen beginnen muss, was man die aztekische Weltanschauung nennen kann. Die Pyramide ist einer der möglichen Blickpunkte. Es ist die Perspektive, wie sie die alten Götter Mexikos und ihre Priester kannten, aber auch deren Erben, die Vizekönige und Präsidenten, und es ist der Blickpunkt der Massen, die auf ihrem "Plattform-Heiligtum" geopfert wurden. Jede Kritik Mexikos muss mit einer Kritik der Pyramide beginnen.
Was Mexikos bedeutendster Intellektueller Octavio Paz 1969 in einer Überarbeitung seines schon 1950 erschienen Essays Das Labyrinth der Einsamkeit zum Selbstverständis Mexikos schrieb, ist auch ebenso gültig als ein maßgebender Ansatz der Erforschung der politischen Kultur Mexikos.
Den Grundstein nicht nur dessen , sondern der Forschung im Bereich der politischen Kultur überhaupt, lieferten Gabriel Almond und Sidney Verba in ihrer 1963 erschienen Studie "The Civic Culture, Political Attitudes and Democracy in five Nations" .
Die vorliegende Arbeit untersucht die politische Kultur in Mexiko und deren Auswirkungen auf die Demokratie, aufbauend auf der Idee von Almond und Verba und neueren Erkenntnissen und Ergebnissen der Forschung.
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Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Politische Kultur nach Almond & Verba
2.1. Die drei Typen politischer Kultur
2.2. Das Konzept der „Civic Culture“ und demokratische Stabilität
3. Politische Kultur in Mexiko
3.1. Die Ergebnisse der „Civic Culture“-Studie
3.2. Neuere Erkenntnisse und Kritik an „Civic Culture“
4. Demokratie in Mexiko
5. Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang
1. Einleitung
Ich glaube , dass jede Kritik an Mexiko mit einer Prüfung dessen beginnen muss, was man die aztekische Weltanschauung nennen kann. Die Pyramide ist einer der möglichen Blickpunkte. Es ist die Perspektive, wie sie die alten Götter Mexikos und ihre Priester kannten, aber auch deren Erben, die Vizekönige und Präsidenten, und es ist der Blickpunkt der Massen, die auf ihrem „Plattform-Heiligtum“ geopfert wurden. Jede Kritik Mexikos muss mit einer Kritik der Pyramide beginnen.[1]
Was Mexikos bedeutendster Intellektueller Octavio Paz 1969 in einer Überarbeitung seines schon 1950 erschienen Essays Das Labyrinth der Einsamkeit zum Selbstverständis Mexikos schrieb, ist auch ebenso gültig als ein maßgebender Ansatz der Erforschung der politischen Kultur Mexikos.
Den Grundstein nicht nur dessen[2], sondern der Forschung im Bereich der politischen Kultur überhaupt, lieferten Gabriel Almond und Sidney Verba in ihrer 1963 erschienen Studie „The Civic Culture, Political Attitudes and Democracy in five Nations“[3].
Die vorliegende Arbeit untersucht die politische Kultur in Mexiko und deren Auswirkungen auf die Demokratie, aufbauend auf der Idee von Almond und Verba und neueren Erkenntnissen und Ergebnissen der Forschung.
Der Begriff der politischen Kultur ist vielfältig behaftet und bringt immer wieder andere Vorstellungen mit sich[4], ersichtlich daran, dass kaum eine der hier behandelten Arbeiten und Ansätze ohne eine Definition politischer Kultur auskommt.[5] Deshalb gilt hier als Leitfaden das Konzept Almond und Verbas, woran sich die einzelnen Kapitel dieser Arbeit orientieren werden.
Im ersten Hauptteil wird hierzu in groben Zügen die Konzeption der politischen Kultur nach Almond und Verba dargelegt und deren Auswirkungen und Zusammenhänge mit der Demokratie. Im zweiten Hauptteil wird dann das Beispiel Mexiko näher betrachtet, um dann den Vergleich zu ziehen mit den Ergebnissen der „Civic Culture“-Studie und denen nachfolgender und neuerer Forschungen und Kritiken an ihr. Dabei würde es den Rahmen sprengen auf alle Aspekte und Ergebnisse der „Civic Culture“-Studie im Einzelnen einzugehen; einige maßgebende werden exemplarisch herausgegriffen und näher beschrieben, bzw. werden einige Ergebnisse der Studie, die wichtig erschienen, im Anhang anhand von Schaubildern dargestellt. Ein Problem das sich aufwirft, ist die Vergleichbarkeit der verschiedenen relevanten Studien die konkret auf quantitativer Feldforschung aufbauen. Nationale Studien, wie „The Civic Culture“ sind selten, der große Teil der vorhandenen Arbeiten zu Mexiko ist regional oder sachlich eingeschränkt.[6] Jede dieser Studien baut auf unterschiedlicher Methodik auf, jedoch wird versucht werden nur bestimmte ähnliche Aspekte zu vergleichen, um Fehler gering zu halten, Im letzten Kapitel soll dann erörtert werden, inwiefern die spezifische politische Kultur Mexikos sich auf den dortigen Stand der Demokratie auswirkt, bzw. auf deren Entwicklung und Veränderungen.
Im abschließenden Schlussteil soll versucht werden ein Fazit zu ziehen und unter dem Gesichtspunkt neuerer Entwicklungen in Mexiko einen Ausblick zu wagen.
Durch die fast ausschließlich auf Englisch und auf Spanisch vorhandene Sekundärliteratur, ergibt sich das Problem der Übersetzung; die englischsprachigen Zitate und Begrifflichkeiten werden im Original angegeben, wobei solche auf Spanisch in den Fußnoten vom Autor selbst übersetzt werden.
2. Politische Kultur nach Almond und Verba
2.1. Die drei Typen politischer Kultur
Der Begriff der politischen Kultur kann auf Almond und Verba zurückgeführt werden, die diesen Begriff durch ihre oben erwähnte Studie prägten und konzipierten.[7] Der Auslöser dafür war die Erkenntnis, dass die Demokratie als solche nicht alleine auf den Strukturen eines politischen Systems beruht;
„what must be learned about democracy is a matter for attitude and feeling, and this is harder to learn“[8]. Die Summe der Einstellungen und Gefühle der Bürger einer Nation bildet die politische Kultur: „The political culture of a nation is the particular distribution of patterns of orientation toward political objects among the members of the nation”[9]. Die „orientation“ lässt sich in drei Ebenen unterteilen; die „cognitive orientation“ bildet die wissensmäßige, die „affective orientation“ die emotionale und die „evaluative orientation“[10] die bewertende Komponente. Diese „orientations“ richten sich jeweils gegen ein bestimmtes Objekt. Almond und Verba unterscheiden hierbei zwischen Einstellungen gegenüber dem politischen System als ganzes, hinsichtlich sich selbst als politisch Handelnden und in Bezug auf Input bzw. Output eines politischen Systems.[11]
Anhand der drei Arten von Einstellungen bzw. „orientations“, bzw. wie und ob sie sich gegen eines oder mehrere der vier Objekte richten, lässt sich die politische Kultur einer Nation erfassen und bewerten.
Die verschiedenen Kombinationen die dadurch auftreten können, lassen sich in drei reine Typen politischer Kultur gliedern: Wenn keinerlei Einstellungen hinsichtlich entweder dem System als ganzem, der Input bzw. Output-Ebene des Systems noch sich selbst als politischem Akteur vorhanden sind, so sprechen Almond und Verba von „parochial political culture“ [12], deren Mitglieder nicht zwischen religiösen, sozialen und politischen „orientations“ unterscheiden, noch Erwartungen oder Forderungen an sich selbst als politisch Handelnden oder an das politische System stellen, da sie sich dessen gar nicht, oder nur unbestimmt bewusst sind.
Der zweite reine Typus einer politischen Kultur ist die „subject political culture“ [13] ; die Untertanenkultur. In ihr liegt eine relativ hohe „orientation“ hin zum System als ganzes und der Output-Komponente des Systems vor; das Individuum in ihr ist sich also durchaus der Autorität des Systems bewusst, orientiert sich dabei jedoch nur am administrativen Prozess desselben , und sieht sich selbst nicht in der Lage am politischen Prozess auf der Input-Seite des Systems teilzunehmen bzw. selbst aktiv zu werden. Almond und Verba sprechen von einem „passive relationship“[14]. Dies ist gleichzeitig auch der Unterschied zur „participant political culture“ [15] ; in ihr sind „orientations“ vorhanden hin zu jedem der vier Objekte; das Individuum dieser politischen Kultur sieht sich selbst als aktiven Bestandteil des Systems und orientiert sich an beiden Seiten des Systems, sowie an diesem in seiner Gesamtheit.
Diese drei reinen Typen politischer Kultur treten in dieser Form in der Realität nur selten auf, Mischformen sind die Regel; so erscheinen die drei Formen innerhalb einem Gesellschaftsverband oder Nation oft parallel. Keine der drei Formen ersetzt zwingend die andere[16], vielmehr wirken sie aufeinander ein und beeinflussen sich gegenseitig; so können politische Kulturen durchaus lange als Mischformen bestehen bleiben, was jedoch u.U. zu struktureller Schwäche führen kann.[17] Dementsprechend wird eine politische Kultur nicht durch die Zugehörigkeit zu einer der drei Typen definiert, sondern dadurch inwiefern die politische Kultur eines Staates diese drei Typen in sich vereint, bzw. welche Anteile überwiegend sind.[18]
Die politische Kultur muss sich nicht kongruent zum politischen System oder zu Teilen des Systems verhalten; so wäre z.B. das Verhältnis zwischen einer Untertanenkultur und einem autoritärem zentralistischem System weitgehend entsprechend und man spräche von „allegiance“, wenn nämlich die „cognitive, affective and evaluative orientation“ [19] gleichsam hoch ist. Häufiger ist jedoch, zumindest anteilsweise, ein Bewusstsein der „apathy“ und „alienation “[20] hinsichtlich des Systems; so wenn die „cognitive orientation“ erkennbar ist, jedoch die affektiven und evaluativen Faktoren entweder nur schwach, bzw. gar nicht vorhanden sind.
2.2. Das Konzept der „civic culture“ und demokratische Stabilität
Eine Form gemischter politischer Kultur die weitgehend kongruent ist, ist nach Almond und Verba, die der „civic culture“ [21], in der sich alle drei reinen Typen politischer Kultur, auch im Individuum selbst, wiederfinden: „The citizen is a particular mix of particpant, subject and parochial orientations, and the civic culture is a particular mix of citizens, subjects and parochials“[22]. Diese “civic culture” sehen Almond und Verba als die am besten geeignetste politische Kultur für demokratische Stabilität an:
The civic culture, which sometimes contains apparently contradictory political attitudes, seems to be particularly appropriate for democratic political systems, for they, too, are mixtures of contradictions.[23]
Die Mischung der drei Typen politischer Kultur werden als maßgeblich für die Stabilität und Kontinuität des jeweiligen politischen Systems betrachtet; die „civic culture“ erhält ihr Gleichgewicht, indem traditionelle und partizipatorische Elemente erhalten werden. Die „civic culture“ ist gleichsam die Verbindung zwischen Bürger und Staat; „[...] the connecting link between micro- and macropolitics is political culture“[24]. Anhand des Grades der Kongruenz zwischen diesen beiden Ebenen lässt sich so die Stabilität eines Systems erforschen.[25]
So sei des weiteren die „civic culture“ auch ein geeignetes Modell um die „delicate balance between power and responsiveness“[26] zu gewähren, was wiederum als essentiell für eine funktionierende Demokratie betrachtet wird. Die Mischung der verschiedenen Typen der politischen Kulturen ermöglicht ein angemessenes Verhältnis der Partizipation, da sich die einzelnen Komponenten relativieren. „We must be active, yet passive; involved, yet not too involved; influential, yet defluential”[27] um einerseits Interessenartikulation und Einflußnahme des Bürgers zu gewähren, und andererseits der Regierung die Möglichkeit zu geben, Macht auszuüben und Entscheidungen zu treffen. Die daraus entstehende „inconsistency“ [28] zwischen einer passiven und aktiven Rolle des Bürgers, bzw. zwischen dessen Glauben aktiv am politischen Prozess teilhaben zu können und dem tatsächlichen Handeln, zeigt „how a democtratic political culture can act to maintain a balance between governmental elite power and governmental elite responsiveness“[29]
[...]
[1] Paz, Octavio: Das Labyrinth der Einsamkeit, übersetzt von C. Heupel, Frankfurt a. M.: 1998, S. 220.
[2] Craig, Ann L.; Wayne A. Cornelius: Political Culture in Mexico: Continuities and Revisionist Interpretations, in: Almond, Gabriel; Sidney Verba (Hrsg.): The Civic Culture revisited, Boston/Toronto: 1980, S.325 – 393, hier: S.325.
[3] Almond, Gabriel; Sidney Verba: The Civic Culture, Political Attitudes and Democracy in five Nations, Princeton: 1963.
[4] Vgl. Thesing, Josef: Politische Kultur in Lateinamerika – Einführung, in. Thesing, Josef (Hrsg.): Politische Kultur in Lateinamerika, Mainz, 1994, S. 11 –24, hier: S. 11.
[5] Vgl. dazu u.a. Craig & Cornelius, a.a.O., S. 340; Thesing, a.a.O., S. 13; Camp, Roderic Ai: Politics in Mexico, The decline of authoritarianism, New York/Oxford: 1999, S. 53; Durand Ponte, Victor M.: Cultura política de masas y el cambio del sistema político: el papel del la „ambigüedad cultural“, in: Revista Mexicana de Sociologia, Bd. 1, 1997, S.18 – 35.
[6] Vgl. Craig & Cornelius, a.a.O., S. 341; Die Menge empirischer sozialwissenschaftlicher Forschungen in Lateinamerika ist eher gering, jedoch wurde Mexiko vergleichsweise am häufigsten untersucht.
[7] Vgl. Thesing a.a.O., S. 11.
[8] Almond & Verba a.a.O., S. 5.
[9] Ebd. S. 14.
[10] Ebd. S. 15.
[11] Vgl. ebd.
[12] Ebd. S. 18.
[13] Ebd.
[14] Ebd.
[15] Ebd. S. 19.
[16] Vgl. ebd. S.161.
[17] Vgl. ebd. S. 22.
[18] Vgl. ebd. S. 18 –20.
[19] Ebd. S. 22, vgl. dazu auch Berg-Schlosser, Dirk und Theo Stammen: Einführung in die Politikwissenschaft, München: 1995, S. 182 ff..
[20] Almond & Verba, a.a.O., S. 22.
[21] Almond & Verba sehen das zeitgenössische Modell der USA als „approximate for the civic culture“ an; vgl. S. 474.
[22] Ebd. S. 20.
[23] Ebd. S. 475; Almond & Verba üben hierbei Kritik am sog. „rationality-activist model“ der Demokratie, dass sich nur an einer partizipatorischen politischen Kultur orientiert, nicht aber an der parochialen- oder der Untertanenkultur. Das Modell der „Civic Culture“ schließe dieses Modell mit ein, dass aber nur eine Teil davon ausmache. Vgl. ebd. S. 474. Des Weiteren: „The role of citizen represents in some senses the highest form of democratic participation”, aus: ebd. S. 214.
[24] Ebd. S. 33.
[25] Vgl. ebd. S. 31 – 34.
[26] Ebd. S. 478.
[27] Ebd. S. 479.
[28] Ebd.
[29] Ebd. S. 481; Allerdings dürfe die Differenz zwischen „subjective perception of competence [competence im Sinne des Glaubens politisch aktiv werden zu können]“ und „actual political behavior“ nicht zu groß werden, da sonst die Stabilität gefährdet sei. Den Glauben an die Möglichkeit aktiv werden zu können, wenn man wolle, wird auch als Mythos bezeichnet: „[...] and whether true or not, the myth is believed“. Vgl. ebd. S. 483 – 387.
- Citation du texte
- Daniel Brombacher (Auteur), 2002, Politische Kultur und Demokratie am Besipiel Mexiko - Die Civic Culture Studie und neuere Erkenntnisse, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/7967
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