Thomas Manns Erstlingsroman Buddenbrooks, der 1901 erschien, beschreibt einen kontinuierlichen sowie gleichsam unausweichlichen Degenerationsprozess. Über vier Jahrzehnte hinweg (1835 – 1877) wird das Leben der Lübecker Kaufmannsfamilie Buddenbrook beschrieben. Zweifellos stellt der Roman die Chronik einer untergehenden, ehemals angesehenen und erfolgreichen Familie dar. Nicht ohne Grund hat der Autor den ursprünglichen allgemein gehaltenen Titel Abwärts in Verfall einer Familie geändert. Diese Thematik war zur Jahrhundertwende keinesfalls ungewöhnlich. Beispielsweise kannte man Zolas zwanzigbändigen Zyklus Rougon Macquart, der anhand fünf Generationen ein Bild der Zeit entwirft und eine gewisse Determiniertheit des Menschen aufzeigt. Thomas Mann war dieses Werk nicht unbekannt, auch wenn er dies 1926 noch dezidiert behauptet hat (GW XI, 380). Jedenfalls explizit erwähnt er in den Gesammelten Werken Kiellannds Generationenroman Schiffer Worse (GW XI, 123).
Krankheit und Tod sind zentrale Themen, die den Roman von Anfang bis Ende durchziehen. Auch diese Aspekte stellen typische Charakteristika der Epoche dar. 1892 schreibt Max Nordau Entartung, ein Werk, das die allgemeine Verfallsstimmung, das Fehlen eines gesunden Realitätsbewusstseins und die Schwäche der Zeit darlegt. Hofmannsthal, Schnitzler, Hauptmann, Ibsen sind wohl die bekanntesten Vertreter, die Krankheit und Verfall Ende des 19. Jahrhunderts in ihren Werken thematisieren. Bourget und Nietzsche aber, von denen letzterer mit Der Fall Wagner den Begriff der Décadence in Deutschland zur Diskussion gestellt hat, haben als Theoretiker der Décadence-Bewegung entscheidenden Einfluss auf Thomas Mann gehabt.
Inhaltsverzeichnis
1 "Buddenbrooks" und die Décadence des Fin de Siècle
2 Die Dekadenz in Thomas Manns Roman "Buddenbrooks"
2.1 Symbole des Verfalls
2.2 Die männlichen Erbfolger.
3 Buddenbrooks - Verfall einer Familie
4 Bibliographie
1 Buddenbrooks und die Décadence des Fin de Siècle
Thomas Manns Erstlingsroman Buddenbrooks, der 1901 erschien, beschreibt einen kontinuierlichen sowie gleichsam unausweichlichen Degenerationsprozess. Über vier Jahrzehnte hinweg (1835 – 1877) wird das Leben der Lübecker Kaufmannsfamilie Buddenbrook beschrieben. Zweifellos stellt der Roman die Chronik einer untergehenden, ehemals angesehenen und erfolgreichen Familie dar. Nicht ohne Grund hat der Autor den ursprünglichen allgemein gehaltenen Titel Abwärts in Verfall einer Familie geändert. Diese Thematik war zur Jahrhundertwende keinesfalls ungewöhnlich. Beispielsweise kannte man Zolas zwanzigbändigen Zyklus Rougon Macquart, der anhand fünf Generationen ein Bild der Zeit entwirft und eine gewisse Determiniertheit des Menschen aufzeigt. Thomas Mann war dieses Werk nicht unbekannt, auch wenn er dies 1926 noch dezidiert behauptet hat (GW XI, 380). Jedenfalls explizit erwähnt er in den Gesammelten Werken Kiellannds Generationenroman Schiffer Worse (GW XI, 123).
Krankheit und Tod sind zentrale Themen, die den Roman von Anfang bis Ende durchziehen. Auch diese Aspekte stellen typische Charakteristika der Epoche dar. 1892 schreibt Max Nordau Entartung, ein Werk, das die allgemeine Verfallsstimmung, das Fehlen eines gesunden Realitätsbewusstseins und die Schwäche der Zeit darlegt. Hofmannsthal, Schnitzler, Hauptmann, Ibsen sind wohl die bekanntesten Vertreter, die Krankheit und Verfall Ende des 19. Jahrhunderts in ihren Werken thematisieren. Bourget und Nietzsche aber, von denen letzterer mit Der Fall Wagner den Begriff der Décadence in Deutschland zur Diskussion gestellt hat, haben als Theoretiker der Décadence-Bewegung entscheidenden Einfluss auf Thomas Mann gehabt. Das Brockhaus Konversationslexikon von 1896 definiert die Décadence als die zum Teil in Gegensatz zum Naturalismus entstandene Kunstrichtung der heutigen nervösen, zerrütteten, greisenhaften Gesellschaft, die allen gesunden und natürlichen Gefühlen abgestorben,... (vgl. Fischer, Jens Malte: Fin de siècle S.82)
Auch wenn Buddenbrooks naturalistische Merkmale trägt (Detailbeschreibungen, Dialekt), so ist der Roman letztendlich doch ein Kind der Décadence. Der Verfall ist nicht auf gesellschaftliche und wirtschaftliche Ursachen zurückzuführen, sondern er stellt sich selbstverständlich und ohne greifbaren Grund ein. Somit erhält er eine metaphysische Dimension, die dem Naturalismus fremd ist.
Im folgenden soll es darum gehen, den Verfall insbesondere anhand der Buddenbrook‘schen Familienmitglieder in seinen verschiedenen Dimensionen sowie seiner positiven Kehrseite, der Sensibilisierung der Sinne, darzulegen. Thomas Manns Charakterisierung des 19. Jahrhunderts kann direkt auf die Buddenbrooks und vor allem auf Hanno bezogen werden:
„...die Widersetzlichkeit, die sensitiv-sittliche Revolte gegen ‚das Leben wie es ist‘, gegen das Gegebene, die Wirklichkeit, die ‚Macht‘, - diese Widersetzlichkeit als Merkmal des Verfalls, der biologischen Unzulänglichkeit; der Geist selbst (und die Kunst!), verstanden und dargestellt als das Merkmal hiervon, als Entartungsprodukt: das ist neunzehntes Jahrhundert, das ist das Verhältnis, in welchem dieses Jahrhundert den Geist zum Leben sieht, - aber freilich wiederum in einer besonderen und extremen Nuance, welche erst nach der Kulmination jener melancholisch-ehrlichen Tendenz in Nietzsche möglich war.“[1]
[...]
[1] Mann, Thomas: Gesammelte Werke in 13 Bänden (XII, 25)
- Quote paper
- Ilona Gaul (Author), 2004, Die Dekadenz in Thomas Manns Roman "Buddenbrooks", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/79672
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.