Seit einigen Jahrzehnten findet in Deutschland eine heftige Debatte in Bezug auf die deutsche Sozialstruktur- und Ungleichheitsforschung statt. Es wird dabei der Frage nachgegangen, ob man heutzutage, im Zuge der Modernisierung der Gesellschaft, noch von einer Klassengesellschaft sprechen kann, die von einer vertikalen Schichtung der Gesellschaft bestimmt wird. Verschiedene soziologische Ansätze liefern dazu interessante Sichtweisen für eine Auseinandersetzung mit dieser Frage. Ein bedeutender Vertreter zu diesem Thema ist Ulrich Beck. Aufgrund der stark veränderten Lebensbedingungen nach dem zweiten Weltkrieg, sah er insgesamt für alle Menschen ein mehr an Bildung, Einkommen und Mobilität, was nach seiner Meinung dazu geführt hat, dass die Klassengesellschaft insgesamt eine Stufe höher rutschte. Durch neue Individualisierungstendenzen der Gesellschaft sah er die festen vertikalen Strukturen der Ungleichheit in der Gesellschaft in Auflösung begriffen (vgl. Beck, 1986, S. 122). Jedoch gab es an dieser Auffassung rege Kritik aus den eigenen Reihen, wie beispielsweise von dem Soziologen Rainer Geißler. Er stimmt dem zu, dass sich die Struktur der modernen Gesellschaft individualisiert und sich eine neue Vielfalt an Soziallagen entwickelt hat. Aber er warnte vor dieser neuen und einseitigen Sichtweise der Sozialstrukturanalyse, weil diese Gefahr laufe, wichtige fortbestehende Ungleichheitsstrukturen zu übersehen, die lebensprägend für die Menschen sind. Er stellt in Frage, ob die zunehmende Vielfalt an Lebensformen wirklich die vertikalen Strukturen auflöst und auch verschwinden lässt (vgl. Geißler, 1996, S. 321). Vielmehr haben sich nach seiner Meinung neue Faktoren herauskristallisiert, die heutzutage stark Schicht bildend sind und sehr von Armut und Reichtum in unserer Gesellschaft bestimmt werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
2. Begriffliches
3. Jenseits von Klasse und Schicht?
4. Armut und Reichtum - Lebenschancen und -risiken
4.1. Schichtspezifische Bildung
4.2. Einkommens- und Vermögensverteilung
4.3. Soziale Ausgrenzung, Arbeitslosigkeit, Risikogruppen
5. Schlussbetrachtung
Quellen
Internetquellen
1. Einführung
Seit einigen Jahrzehnten findet in Deutschland eine heftige Debatte in Bezug auf die deutsche Sozialstruktur- und Ungleichheitsforschung statt. Es wird dabei der Frage nachgegangen, ob man heutzutage, im Zuge der Modernisierung der Gesellschaft, noch von einer Klassengesellschaft sprechen kann, die von einer vertikalen Schichtung der Gesellschaft bestimmt wird. Verschiedene soziologische Ansätze liefern dazu interessante Sichtweisen für eine Auseinandersetzung mit dieser Frage. Ein bedeutender Vertreter zu diesem Thema ist Ulrich Beck. Aufgrund der stark veränderten Lebensbedingungen nach dem zweiten Weltkrieg, sah er insgesamt für alle Menschen ein mehr an Bildung, Einkommen und Mobilität, was nach seiner Meinung dazu geführt hat, dass die Klassengesellschaft insgesamt eine Stufe höher rutschte. Durch neue Individualisierungstendenzen der Gesellschaft sah er die festen vertikalen Strukturen der Ungleichheit in der Gesellschaft in Auflösung begriffen (vgl. Beck, 1986, S. 122). Jedoch gab es an dieser Auffassung rege Kritik aus den eigenen Reihen, wie beispielsweise von dem Soziologen Rainer Geißler. Er stimmt dem zu, dass sich die Struktur der modernen Gesellschaft individualisiert und sich eine neue Vielfalt an Soziallagen entwickelt hat. Aber er warnte vor dieser neuen und einseitigen Sichtweise der Sozialstrukturanalyse, weil diese Gefahr laufe, wichtige fortbestehende Ungleichheitsstrukturen zu übersehen, die lebensprägend für die Menschen sind. Er stellt in Frage, ob die zunehmende Vielfalt an Lebensformen wirklich die vertikalen Strukturen auflöst und auch verschwinden lässt (vgl. Geißler, 1996, S. 321). Vielmehr haben sich nach seiner Meinung neue Faktoren herauskristallisiert, die heutzutage stark Schicht bildend sind und sehr von Armut und Reichtum in unserer Gesellschaft bestimmt werden.
Die Ausführungen in dieser Hausarbeit gehen der Frage nach dem Fortbestand von Klassen und Schichten nach, insbesondere im Hinblick auf neue Faktoren, die heutzutage stark Schicht bildend sind. Als erstes werden einige Begriffs- abgrenzungen zum besseren Verstehen vorgenommen. Im Anschluss daran werden einige Sichtweisen zur Auflösungstheorie von Klassen und Schichten dargestellt. Hier wird besonders auf die Armuts- und Reichtumsverhältnisse in Deutschland eingegangen und erarbeitet, welche Bereiche des Lebens dadurch bestimmt und beeinflusst werden und welche Lebenschancen und Lebens- risiken sich dadurch für den Einzelnen ergeben. Anhand der Auswirkungen, die sich aus den Armuts- und Reichtumsverhältnissen hervortun, wird dann die Frage nach dem weiteren Fortbestehen von Klassen und Schichten behandelt.
2. Begriffliches
Der Begriff Schicht wird in der Soziologie üblicherweise mit der Einteilung der Bevölkerung in Schichten oder auch Klassen verwandt. Zu einer Schicht gehören Menschen mit gleichen oder ähnlichen Lebensbedingungen. Die Gesellschaft ist also nach dem typischen Status und den Soziallagen ihrer Mitglieder eingeteilt. Dazu gehören Merkmale wie die berufliche Position, Einkommen, Besitz und Niveau der Qualifikation. Es ist eine Annahme, dass schichttypische Lebensbedingungen und Verhaltensweisen immer auch schichttypische Lebenschancen für die Menschen zur Folge haben. So ist beispielsweise die Bildung eine wichtige Vorraussetzung für die berufliche Qualifikation, die dann bestimmender Faktor für die zukünftige berufliche Position ist. (vgl. Geißler, 2004, Facetten der modernen Sozialstruktur/Soziale Schichten.)
Da die Begriffe Armut und Reichtum immer mit persönlichen Werturteilen verbunden sind, ist es sinnvoll zum besseren Verständnis des folgenden Inhalts, auch die Grenzen von Armut und Reichtum zu definieren. Bereits bei der Verwendung des Begriffes sind Unterschiede auszumachen. So kann man in Deutschland durch die vielen sozialen Sicherungssysteme nicht von absoluter Armut sprechen. Hier ist ein relativer Armutsbegriff sinnvoll. Für eine Definition darüber, ab wann man arm oder reich ist, wird dann die Höhe des Einkommens mit herangezogen. Ganz allgemein kann Armut am Verhältnis des eigenen Einkommens zum Durchschnittseinkommen im Heimatland einer Person festgemacht werden. Diese Grenze für relative Einkommensarmut, auch Median genannt, liegt bei einem Einkommen von monatlich 60% des durchschnittlichen Nettoeinkommens des Landes. Im Jahre 2003 betrug die Armutsrisikogrenze in Deutschland 938 € des durchschnittlichen Nettoeinkommens. Aus dieser Einkommensarmut heraus können auch andere Merkmale für Armut herangezogen werden, wie beispielsweise regelmäßige Mahlzeiten, ausreichende Kleidung und andere lebensnotwendige Dinge (vgl. Lebenslagen in Deutschland 2005, S. 15f)
3. Jenseits von Klasse und Schicht?
Zu den Anhängern der Auflösungsthese von Klassen und Schichten gehören u. a. Helmut Schelsky („Bedeutung des Schichtenbegriffes für die Analyse der gegenwärtigen deutschen Gesellschaft“) und Ulrich Beck („Jenseits von Klasse und Schicht“). So hebt Helmut Schelsky in seiner in den 50er Jahren aufgestellten These hervor, dass sich die aus dem alten ständischen Gefüge hervorgegangene schichtungsbestimmte Klassengesellschaft durch die Kräfte der sozialen Mobilität zu einer nivellierten Mittelstandsgesellschaft gewandelt hat. Die zunehmende soziale Mobilität, die durch die Veränderung des Berufes und der beruflichen Stellung charakterisiert ist, lockert die sozialen und räumlichen Bindungen und sorgt dafür, dass die Menschen aus den Unterschichten auf- und aus der Oberschicht abwärts mobil unterwegs sind. Dadurch vergrößert sich der Bevölkerungsanteil der Mittelschicht immer mehr, wodurch eine Abgrenzung nach oben bzw. unten unmöglich wird. Dieser verhältnismäßig einheitliche Lebensstil zeigt sich dann darin, dass alle an den materiellen Gütern teilhaben können und jedermann das Gefühl entwickeln kann, nicht mehr ganz unten zu sein. In der Massenproduktion von Konsumgütern sieht Schelsky die wirksamste Überwindung des Klassenzustandes begründet, da aufgrund der verbesserten Einkommensverhältnisse diese nun von allen konsumiert werden können. Die Steigerung der sozialen Mobilität versteht er nicht mehr als einen Auf- und Abstieg innerhalb sozialer Schichten, sondern viel mehr als einen Abbau der Bedeutung sozialer Schichten sowie ein Abbau der Klassengegensätze. Diese Erkenntnisse veröffentlichte Schelsky in den 50er Jahren, in der Zeit des Nachkriegswirtschaftswunders. Daher kam er auch zu der Überzeugung, dass die sozialen Spannungen, die das gesellschaftliche Leben noch in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts bestimmten, immer mehr verblassen (vgl. Schelsky 1954, S. 393).
Auch Ulrich Beck sieht im althergebrachten Konzept von Klasse und Schicht, bei weiterhin bestehenden Ungleichheiten, Zweifel. Die Besonderheit der sozialstrukturellen Entwicklung ist dabei der Fahrstuhleffekt. Dadurch wird die Klassengesellschaft, durch die Bildungsexpansion, die Einkommens- verbesserungen und Veränderungen in den Lebensbedingungen, insgesamt eine Stufe höher gefahren. Mehr finanzielle Spielräume und ein mehr an Freizeit treffen auf das Massenkonsumangebot und lassen auf diese Weise die Umrisse von einem klassenbestimmten Leben und Sozialmilieu verblassen. Dinge, welche ehemals nur wohlhabenden Bürgern vorbehalten waren, sind nun auch für die breite Masse zugänglich (vgl. Beck, 1986, S. 122).
In Verbindung mit den neuen Möglichkeiten geht Beck, im Hinblick auf die Auflösung der Klassen und Schichten, von einem Prozess der Individualisierung aus. Dieser Begriff bezeichnet den Übergang des Individuums von der Fremd- zur Selbstbestimmung. Die Menschen werden dabei aus ihren sozialen Bindungen und vorgezeichneten Lebenswegen herausgelöst, die ansonsten durch Klassen und Schichten bestimmt waren. Kennzeichen der modernen Schicht- und Klassengesellschaft sind also sich überlappende Schichten, die keine klaren Grenzen mehr erkennen lassen. Gesellschaftliche Auf- und Abstiege sind darin viel leichter möglich als früher. Die alte Struktur wird dabei von einer neuen Struktur überwunden. Die soziale Mobilität wirbelt die Lebenswege der Menschen durcheinander und verhindert auf diese Weise das Entstehen von schichttypischen Milieus. Alte Klassen- milieus erwuchsen aus der Arbeitswelt, woraus sich Beamte, Unternehmer und Angestellte mit unterschiedlichen Statusbewertungen ergaben. Doch durch die Ausdifferenzierung von Hobbys und Lebenswegen gewinnen die Menschen ein mehr an Individualität. Heute beispielsweise billigt man dem Fußballplatz oder der Oper keinen nennenswerten Vorteil mehr in Bezug auf eine bestimmte Schicht zu. Diese Orte sind Menschen aus allen Schichten zugänglich und werden von ihnen genutzt. So lässt sich nur noch differenzieren, dass es dem einen seine Welt ist und des anderen nicht.
Dennoch werden weiterhin die Lebenschancen sehr stark durch bestehende vertikale Ungleichheiten beeinflusst (vgl. Beck, 1986, S. 125).
Und auch die Gegner dieser Auflösungstheorien sehen einen Anstieg des Lebensstandards, zunehmende Mobilität und Individualisierungsschübe der Gesellschaft. Sie kritisieren aber eine zu starke Bewertung der Auswirkungen dieses Wandels in Bezug auf die Auflösung des Schichtsystems. Zu diesen Kritikern gehört beispielsweise der Soziologe Rainer Geißler („Kein Abschied von Klasse und Schicht“). Er spricht von einem Fortbestand der Existenz von Ungleichheitsstrukturen und sieht im Ergebnis des Modernisierungsprozesses nicht die Auflösung von Klassen und Schichten, sondern viel eher die Herausbildung einer dynamischen Schichtstruktur, die aufgrund ihrer Vielfalt auch unübersichtlicher geworden ist. Deshalb ist der Schichtbegriff auch nicht mehr richtig auf die heutige Sozialstruktur anwendbar. Es haben sich neue Faktoren herauskristallisiert, wie nämlich die Bildungs- und Aufstiegschancen, Chancen auf politische Teilnahme, Arbeitslosigkeit und Armut, die heutzutage weiterhin schichttypisch verteilt bleiben (vgl. Geißler, 2004, Facetten der modernen Sozialstruktur/Jenseits von Klassen und Schicht).
4. Armut und Reichtum - Lebenschancen und -risiken
4.1. Schichtspezifische Bildung
Im Zuge der Bildungsexpansion in den 70er Jahren sah beispielsweise Ulrich Beck eine starke allgemeine Anhebung des Bildungsniveaus und auch verbesserte Zugangschancen zur Bildung für Menschen aus allen Gesell- schaftsschichten. Mit Hilfe von empirischen Beweisen untermauerte er seine Auffassung und zeigte, dass seit der Bildungsexpansion deutliche Anstiege bei Studienanfängern zu verzeichnen waren, deren Väter aus der Arbeiterklasse stammten. Einen großen Vorteil durch die Verschiebung der Ungleichheits- relation sah er insbesondere für die Frauen. Sie konnten von nun an ihren Lebensweg aus eigenen individuellen Entscheidungen heraus selbst gestalten. Beim Zugang zum Studium hatten diese fast mit den Männern gleichgezogen.
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- Citation du texte
- Jens Fischbock (Auteur), 2007, Jenseits von Klasse und Schicht? - Über Armut und Reichtum in der Bundesrepublik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/79615
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