Das deutsche Umsatzsteuergesetz enthält verschiedene Optionen. Diese können Wettbewerbsnachteile ausgleichen, die Steuerlast senken oder administrative Erleichterung bringen. Die Ausübung einer solchen Option sollte jedoch sorgfältig geplant werden. Der Wechsel zwischen Wahlmöglichkeiten kann Schwierigkeiten mit sich bringen und eine Änderung der Umstände kann sich im Nachhinein nachteilig auswirken.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
I. Einleitung
II. Optionen im Umsatzsteuerrecht
II.1. Die Option zur Steuerpflicht nach § 9 UStG
II.1.A. Der Grundfall des § 9 Abs. 1 UStG
II.1.B. Einschränkung der Option nach § 9 Abs. 2 UStG
II.1.C. Möglichkeit einer Teiloption
II.1.D. Die Norm des § 9 UStG im EU-Recht
II.2. Die Option zur Ist-Besteuerung
II.2.A. Soll- und Ist-Besteuerung
II.2.B. Der berechtigte Personenkreis
II.2.B.1. Gesamtumsatz bis 250.000 EUR bzw. 500.000 EUR
II.2.B.2. Von der Buchführungspflicht befreite Unternehmer
II.2.B.3. Angehörige eines freien Berufes
II.2.C. Die Option zur Ist-Besteuerung im EU-Recht
II.3. Die Option zur Regelbesteuerung bei Kleinunternehmern
II.3.A. Die Kleinunternehmerregelung
II.3.B. Die Option zur Regelbesteuerung bei Kleinunternehmern
II.3.B.1. Ermöglichung des Vorsteuerabzugs nach § 15 UStG
II.3.B.2. Ermöglichung der Verzichtsoption nach § 9 UStG
II.3.C. Vor Ausübung der Option zu beachten
II.3.D. Die Kleinunternehmerregelung im EU-Recht
II.4. Option für die Erwerbsbesteuerung nach § 1a Abs. 4 UStG
II.4.A. Die Erwerbsschwellenregelung nach § 1a Abs. 3 UStG
II.4.B. Option für die Erwerbsbesteuerung nach § 1a Abs. 4 UStG
II.4.C. Die Erwerbsschwellenregelung im EU-Recht
II.5. Option für die Besteuerung im Bestimmungsland im Rahmen der Versandhandelsregelung nach § 3c UStG
II.5.A. Die Versandhandelsregelung nach § 3c UStG
II.5.B. Option für die Besteuerung im Bestimmungsland
II.5.C. Gründe für die Ausübung der Option
II.5.D. Durchführung der Versteuerung im Bestimmungsland
II.5.E. Die Versandhandelsregelung im EU-Recht
III. Rückblick und Beurteilung
Anhang 1
ANHANG 2
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
I. Einleitung
Das deutsche Umsatzsteuergesetz enthält verschiedene Optionen. Diese können Wettbewerbsnachteile ausgleichen, die Steuerlast senken oder administrative Erleichterung bringen. Die Ausübung einer solchen Option sollte jedoch sorgfältig geplant werden. Der Wechsel zwischen Wahlmöglichkeiten kann Schwierigkeiten mit sich bringen und eine Änderung der Umstände kann sich im Nachhinein nachteilig auswirken. Die verschiedenen Optionen sind durch Europa-Recht abgesichert. Maßgebend ist die 6. EG-Richtlinie zur Harmonisierung der Umsatzsteuern[1] bzw. die Mehrwertsteuersystemrichtlinie[2]. An entscheidenden Stellen wird auf die europarechtliche Regelung hingewiesen.
II. Optionen im Umsatzsteuerrecht
II.1. Die Option zur Steuerpflicht nach § 9 UStG
II.1.A. Der Grundfall des § 9 Abs. 1 UStG
§ 9 UStG erlaubt für bestimmte, nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbare[3] und nach § 4 UStG steuerbefreite Umsätze die Option zur Steuerpflicht.[4] Es handelt sich dabei um Umsätze mit sogenannter „unechter Steuerbefreiung“, für die ein Vorsteuerabzug nach § 15 UStG also nicht möglich ist.[5] Durch die Wahl zur Steuerpflicht kommt der Unternehmer in den Genuß des Vorsteuerabzuges.
Voraussetzung für die Geltendmachung der Option des § 9 UStG ist, dass die Umsätze an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt werden (§ 9 Abs. 1 UStG).[6] Tätigt der andere Unternehmer ausschließlich Umsätze, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, wird er nichts dagegen haben, dass er mit Umsatzsteuer auf seine Vorleistungen belastet wird, da er diese voll und ganz erstatten lassen kann. Der leistende Unternehmer kann also sicher sein, dass er die erhobene Umsatzsteuer voll und ganz überwälzen kann.[7] Den zusätzlichen, mit der Steuerpflicht in Zusammenhang stehenden Verwaltungsaufwand[8] außer Acht gelassen, hat der Unternehmer durch Ausübung der Option einen Nutzengewinn in Höhe der gesamten Vorsteuer, die er auf seine erhaltenen, mit den genannten Umsätzen in Zusammenhang stehenden Vorleistungen entrichtet hat.[9]
II.1.B. Einschränkung der Option nach § 9 Abs. 2 UStG
Für bestimmte Umsätze im Zusammenhang mit Grundstücken[10] ist nach § 9 Abs. 2 UStG die Ausübung der Option nur unter der zusätzlichen Bedingung möglich, dass der Leistungsempfänger das Grundstück ausschließlich für Umsätze verwendet (oder zu verwenden beabsichtigt), die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen (vorsteuerunschädliche Umsätze).[11] Um die Regelung besser handhabbar zu machen wurde allerdings eine Bagatellgrenze für vorsteuerschädliche Umsätze (Ausschlussumsätze) in Höhe von 5 % vom Umsatz eingeführt.[12]
II.1.C. Möglichkeit einer Teiloption
Die Ausübung der Option kann auch auf Teilleistungen und Teile von Umsätzen erfolgen. Dies empfiehlt sich z.B. wenn der Umsatz nur zum Teil für das Unternehmen des Leistungsempfängers ausgeführt wird (z. B. bei gemischtgenutzten Gegenständen) oder wenn der Leistungsempfänger aus anderen Gründen nur zum Teil zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.[13] Nebenleistungen sind hinsichtlich des teilweisen Verzichts wie die Hauptleistung zu behandeln (Schwarz, § 9, Rz. 32).
II.1.D. Die Norm des § 9 UStG im EU-Recht
Die gemeinschaftsrechtliche Grundlage der Norm befindet sich in Art. 13 Teil C der 6. EG-Richtlinie (siehe auch Lippross, S. 510; Schwarz, § 9, Rz. 1).
II.2. Die Option zur Ist-Besteuerung
II.2.A. Soll- und Ist-Besteuerung
Mit Einführung des Mehrwertsteuersystems zum 1.1.1968 wurde die Besteuerung nach vereinbarten Entgelten (Soll-Besteuerung) zum Regelfall (§ 16 Abs. 1 UStG).[14] Die Steuer für Lieferungen und Leistungen muss somit nach § 13 Abs. 1 Nr. 1a UStG i.V.m. § 18 Abs. 1 Satz 3 UStG mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums entrichtet werden, in dem die Leistungen ausgeführt wurden (vgl. Völkel/Karg, S. 5). Einem bestimmten Personenkreis (siehe unten) ist es jedoch nach § 20 Abs. 1 UStG erlaubt, zur Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten zu optieren (sogenannte Ist-Besteuerung).
Bei der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten ist die Steuer für Lieferungen und Leistungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 1b UStG i.V.m. § 18 Abs. 1 Satz 3 UStG erst mit Ablauf des Voranmeldungszeitraumes zu entrichten, in dem das Entgelt vereinnahmt worden ist.[15] Alle anderen Berechtigungen und Verpflichtungen des Umsatzsteuergesetzes bleiben für diese Personengruppe jedoch bestehen (vgl. Lippross, S. 800). Dies gilt auch für den Vorsteuerabzug, der, wie bei den Soll-Besteuerten auch, nach wie vor nach dem Soll-Prinzip, also nach Rechnungseingang vorgenommen wird.[16]
Die Ausübung der Option bringt einen Finanzierungsvorteil mit sich. Erstens verschiebt sich der Zeitpunkt der Steuerentstehung möglicherweise in spätere Voranmeldungszeiträume (Zinseffekt), zweitens kann die Steuer direkt aus dem vereinnahmten Entgelt beglichen werden (Deckungseffekt), während sie bei Soll-Besteuerten möglicherweise schon vor Vereinnahmung fällig wird (vgl. Bülow, § 20, Rz. 4). Die beiden Besteuerungsarten unterscheiden sich jedoch nicht hinsichtlich der Höhe der Steuerschuld. Lediglich der Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld ist verschieden (§ 13 UStG).[17]
[...]
[1] Richtlinie 77/388/EWG. Vgl. Lippross, S. 35; Vogel/Schwarz: Einleitung in Band 1 auf Seite 1.
[2] Richtlinie 2006/112/EG. Vgl. Vogel/Schwarz: Einleitung in Band 1 auf Seite 1.
[3] Vgl. Schwarz, § 9, Rz. 12.
[4] § 9 UStG gilt für bestimmte Bank- und Finanzumsätze (§ 4 Nr. 8a bis g UStG), Grundstücksumsätze (§ 4 Nr. 9a UStG), Umsätze im Zusammenhang mit Grundstücken (§ 4 Nr. 12 UStG), bestimmte Leistungen von Wohnungseigentümergemeinschaften (§ 4 Nr. 13 UStG) und Umsätze von blinden Unternehmern und Blindenwerkstätten (§ 4 Nr. 19 UStG) (Vgl. Lippross, S. 511). Allgemeines in: Jakob, S. 252 ff.; Lippross, S. 509 ff.; Reiß, S. 165 ff.; Weimann, S. 59 f.
[5] Der Vorsteuerabzug wird gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ausgeschlossen. Vgl. Rose, S. 143 f.; Jakob, S. 21 und S. 253; Reiß, S. 161 ff.; Völkel/Karg, S. 360 f.
[6] Siehe auch Schwarz, § 9, Rz. 37 ff.
[7] Vgl. Rose, S. 15 ff.; Völkel/Karg, S. 321.
[8] Abgabe von Voranmeldungen und Jahreserklärungen nach § 18 UStG und Erfüllung von Aufzeichnungspflichten (siehe z.B. Klingler, Aufzeichnungspflichten, Gruppe 4, A 20, Seite 1).
[9] Nachteilig kann der Verzicht sein, wenn der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer nicht oder nur teilweise als Vorsteuer abziehen kann (Lippross, S. 510 mit Verweis auf Forster/Schorer). Evtl. empfiehlt sich dann eine Teiloption (siehe unter II.1.C). Zur Form der Verzichtserklärung und zu Rücknahmemöglichkeiten siehe Lippross, S. 514 ff. und Schwarz, § 9, Rz. 204 ff.
[10] Bestellung und Übertragung von Erbbaurechten (§ 4 Nr. 9a UStG), Vermietung oder Verpachtung von Grundstücken (§ 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG) und die in § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. b und c UStG bezeichneten Umsätze.
[11] Vgl. Lippross, S. 524; Völkel/Karg, S. 324. Bei Vermietungsumsätzen gilt die Regelung nur für Neubauten. Siehe Jakob, S. 257; Völkel/Karg, S. 215; Schwarz, § 9, Rz. 143.
[12] Vgl. A. 148a Abs. 3 UStR; Lippross, S. 527; Völkel/Karg, S. 215 f. Die Norm ist jedoch für die Praxis immer noch problematisch, da der optierende Unternehmer über die Umsätze des anderen Unternehmers genau bescheid wissen müßte. Siehe Schmidt(1995); Lippross, S. 524 mit Verweis auf Klenk; Schwarz, § 9, Rz. 10, 143ff. und 150 f.
[13] Lippross, S. 515 ff.; Schwarz, § 9, Rz. 18 ff., Rz. 44 ff.
[14] Bülow, § 20, Rz. 8.
[15] Völkel/Karg, S. 481; Bülow, § 20, Rz. 3. Eine Vereinnahmung liegt vor, wenn dem Unternehmer das Entgelt derart zugeflossen ist, dass er wirtschaftlich darüber verfügen kann (Bülow, § 20, Rz. 40).
[16] Allgemeines zur Norm der Ist-Besteuerung: Reiß, S. 275 ff.; Lippross, S. 795 ff.
[17] Völkel/Karg, S. 482; Bülow, § 20, Rz. 3. Zur Form der Optionserklärung, Rücknahme- und Widerrufsmöglichkeiten und den Problemen beim Wechsel der Besteuerungsart siehe Lippross, S. 801 f. und Bülow, § 20, Rz. 34 ff. und Rz. 51 ff.
- Quote paper
- Arno Wellner (Author), 2007, Optionen im Umsatzsteuerrecht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/79508
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