1. Einleitung
Der Versuch eine Lehre aus dem Krieg zu ziehen, um dem Gegner voraus zu sein, um weiter zu denken, schneller zu schießen und exakter zu töten als er, war von jeher so unverzichtbar wie das Feindbild selbst.
Denn ursprünglich wurden schon in der Antike allgemeine Grundsätze der Kriegskunst formuliert, die sich später im 16./17. Jahrhundert, wesentlich beeinflusst durch Descartes Rationalismus, zu mechan- ischen Theorien verdichteten. Die moderne Theorie des Krieges jedoch entstand erst im Verlaufe der Französischen Revolution und das durch sie veränderte Kriegsbild wurde wesentlich geprägt von Napoleon und dessen „Analytikern“ Jomini und Clausewitz.
Vor allem mit Carl von Clausewitz begann eine „Kehre“ im kriegswissenschaftlichem Denken. Aus der Beschäftigung mit den alten Theorien der Kabinettskriegszeit erwuchs in ihm angesichts neuer Gegebenheiten der Drang den Krieg neu zu verstehen. Zunächst anhand der Kleinen und später der Großen Kriege analysierte er dieses Phänomen auf eine bis dahin einzigartig philosophische Weise in seinem 1831 erschienenen Buch „Vom Kriege“.
Im folgenden gilt es nun zu untersuchen, wie dieses Werk zu Clausewitz Lebzeiten und in der Folgezeit von den Militärs rezipiert worden ist. Um diese Frage zu beantworten, werden nach einer Einführung in Clausewitz Leben, Denken und Werk, zuerst der Analytiker der napoleonischen Strategieprinzipien, Henri - Antoine Jomini, und dann der selbst ernannte Clausewitzschüler und Begründer der „technizistischen Kriegslehre“, Helmuth von Moltke, hinsichtlich ihrer Beziehungen in ihrem Denken zu „Vom Kriege“ in Augenschein genommen. Davon ausgehend soll schließlich ein kurzer Ausblick auf die entscheidende Entwicklung der Kriegstheorie in Frankreich und in Preußen mit Blickrichtung auf die militärische Planung von 1914 an den Personen Foch und Schlieffen gegeben werden.
Inhaltsangabe
1. Einleitung
2. Carl von Clausewitz – General und Philosoph
3. Vorstellung und Wirklichkeit
4. Vom Kriege
4.1. Krieg und Politik
4.2. Strategie und Taktik
4.3. Verteidigung und Angriff
4.4. Der Volkskrieg
5. Zwei bedeutende Leser und Zeitgenossen
5.1. Der „Systemmacher“ Jomini (1779-1869)
5.2. Der „Technizist“ Moltke (1800-1891)
6. Epigonen
7. Schluß
8. Bibliographie
1. Einleitung
Der Versuch eine Lehre aus dem Krieg zu ziehen, um dem Gegner voraus zu sein, um weiter zu denken, schneller zu schießen und exakter zu töten als er, war von jeher so unverzichtbar wie das Feindbild selbst.
Denn ursprünglich wurden schon in der Antike allgemeine Grundsätze der Kriegskunst formuliert, die sich später im 16./17. Jahrhundert, wesentlich beeinflusst durch Descartes Rationalismus, zu mecha- nischen Theorien verdichteten. Die moderne Theorie des Krieges jedoch entstand erst im Verlaufe der Französischen Revolution und das durch sie veränderte Kriegsbild wurde wesentlich geprägt von Napoleon und dessen „Analytikern“ Jomini und Clausewitz.
Vor allem mit Carl von Clausewitz begann eine „Kehre“ im kriegs- wissenschaftlichen Denken. Aus der Beschäftigung mit den alten Theorien der Kabinettskriegszeit erwuchs in ihm angesichts neuer Gegebenheiten der Drang den Krieg neu zu verstehen. Zunächst anhand der Kleinen und später der Großen Kriege analysierte er dieses Phänomen auf eine bis dahin einzigartig philosophische Weise in seinem 1831 erschienenen Buch „Vom Kriege“.
Im Folgenden gilt es nun zu untersuchen, wie dieses Werk zu Clausewitz Lebzeiten und in der Folgezeit von den Militärs rezipiert worden ist. Um diese Frage zu beantworten, werden nach einer Einführung in Clausewitz Leben, Denken und Werk, zuerst der Analytiker der napoleonischen Strategieprinzipien, Henri - Antoine Jomini, und dann der selbst ernannte Clausewitzschüler und Begründer der „technizistischen Kriegslehre“, Helmuth von Moltke, hinsichtlich ihrer Beziehungen in ihrem Denken zu „Vom Kriege“ in Augenschein genommen. Davon ausgehend soll schließlich ein kurzer Ausblick auf die entscheidende Entwicklung der Kriegstheorie in Frankreich und in Preußen mit Blickrichtung auf die militärische Planung von 1914 an den Personen Foch und Schlieffen gegeben werden.
2. Carl von Clausewitz – General und Philosoph
Der Begründer der modernen Theorie des Krieges wurde 1780 in Burg bei Magdeburg geboren. Vom Vater zum Militärdienst angehalten, verspürte er erstmals 1793 im Alter von 13 Jahren die Wucht des Krieges, der sich nach der Französischen Revolution über das Rheinland und schließlich über ganz Europa ausbreiten sollte.[1]
Nach diesem prägenden Erlebnis zurück nach Preußen gelangt, widmete sich der junge Offiziersanwärter auf Anraten seines damaligen Regimentskommandeurs dem Studium der Literatur und der Geschichte und wahrscheinlich ist es nur einem glücklichen Zufall zu verdanken, dass es ihn schließlich an die angesehene Militärschule nach Berlin und damit zu Gerhard von Scharnhorst verschlug.[2]
Im Jahre 1804 graduierte Clausewitz dort als einer der Besten seiner Klasse und man ernannte ihn zum Adjutanten von Prinz August von Preußen. In dieser Zeit des Studiums und des Dienstes erweiterte sich sein geistiger, sozialer und professioneller Horizont enorm, so dass schließlich Scharnhorst seinen Schützling zum Redakteur einer der wichtigsten Militärzeitschriften in Deutschland ernannte.
Dies gab Clausewitz nicht zuletzt auch die Gelegenheit sich mit den strategischen Theorien Heinrich Dietrich von Bülows kritisch ausei- nander zu setzen.[3] Dem jungen Offizier kam es schon damals darauf an „die Erscheinung des Krieges auf ihr wesentliches und eigentümliches Prinzip zurückzuführen“[4]
Wie richtig Clausewitz in der Beurteilung der Bülowschen mechanisch-geometrischen Regeln lag, konnte er 1806 im Krieg gegen Napoleon am eigenen Leibe erfahren.
Dieser Krieg, der in Clausewitz bei aller Ungewissheit eines Sieges dennoch einen Befürworter fand, offenbarte mit der preußischen Niederlage nicht nur das marode Staats- und Militärwesen Preußens, sondern ließ Clausewitz zudem in der französischen Gefangenschaft seinen künftigen Gegner besser kennen lernen.[5]
Als persönlicher Assistent des Generals Scharnhorst 1808 in den Kreis der preußischen Reformer involviert und 1810 zum Major befördert, hatte Clausewitz die Möglichkeit, Erfahrung bezüglich der Probleme des Wiederaufbaus einer Armee zu sammeln.[6] Dabei war sein Aufenthalt 1812 in Russland von unschätzbarem Wert, da es ihm dort gelang, seine Kenntnisse über die französische Kultur und Gesellschaft zu vertiefen und zudem bot sich dabei die Gelegenheit Preußen perspektivisch zu betrachten, wodurch die Fehler der Vergangenheit nun um so deutlicher wurden.
Nach den Befreiungskriegen, deprimiert von den Rückschlägen der Reformen, trat der „gelehrte Offizier“ in den Schatten des öffentlichen Lebens und ging zum Studium der Militärgeschichte und der Theorie über.[7] Unbeachtet, beinahe unbekannt, unter dem Eindruck der napoleonischen Kriegführung und seiner früheren Beschäftigung als Redakteur und Dozent an der Kriegsakademie[8], hat er 1816 sein literarisches Werk „Vom Kriege“ begonnen.
Mannigfaltig waren die Fragen, die ihn dabei quälten: Wie kann man Krieg analysieren? Was ist Krieg? Ist er ein Instrument der Außenpolitik? Kann er begrenzt werden? Wie führt man ihn am effektivsten?
Die Veröffentlichung seines Werkes sollte der 1831 vom Verwaltungs- direktor der Berliner Kriegsschule zum Generalstabschef der Armee
Gneisenau ernannte Clausewitz nicht mehr erleben. Er starb noch im selben Jahr bei der Ausübung seines Dienstes an der Pestepidemie in Polen. Von dem was blieb, dem Clausewitzschen Gedanken- gebäude, soll nun berichtet werden.
3. Vorstellung und Wirklichkeit
Auf der Grundlage des Strukturwandels der französischen Gesell- schaft änderte sich ebenfalls das Verhältnis von Politik und Krieg. Ein Umstand der den Soldaten Clausewitz veranlasste den Krieg sehen zu wollen, wie er sich in Vorstellung und Wirklichkeit gestaltete.
Seine Motivation hierfür entnahm er dem Ausbruch des Krieges aus den Schranken der Kabinettspolitik des 18. Jahrhunderts. Die Franzosen, so meinte er, „hatten mit ihren revolutionären Mitteln das alte Instrument der Kriegführung wie mit dem Scheidewasser angegriffen; sie hatten das furchtbare Element des Krieges aus seinen alten diplomatischen und finanziellen Banden losgelassen...“[9] Anhand der Betrachtung, Untersuchung und Beobachtung wollte Clausewitz nun den Krieg begreifen, um ihn daraufhin in das neue politisch - soziale Gefüge einordnen zu können.[10] Dabei verzichtete er bewusst darauf, ein Regelwerk resp. eine „positive Lehre“ zu schaffen, wie Bülow dies getan hatte. Denn, wie Clausewitz wusste, eine Theorie muss verständlich und vor allem flexibel sein.[11] Sie sollte auf die Praxis anwendbar alle absoluten Aspekte ihres Gegenstandes umfassen und zudem den Unwägbarkeiten ebenso Rechnung tragen wie „moralischen Größen“. Kurzum, eine Theorie des neuen Krieges musste auch mit den neuen Gegebenheiten im Einklang stehen.
Die universalphilosophische Herangehensweise deren sich Clause- witz bei seiner Ausarbeitung bediente, ist zutiefst dem Zeitgeist der Epoche zuzuschreiben. Sie entspricht in etwa jener Art von Philo- sophie, die, wie Fichte es ausdrückte, sich dem Postulat "Denke dich, konstruiere den Begriff deiner selbst und bemerke, wie du das machst"[12] verschrieben hat. Doch ging sie gleichsam darüber hinaus und blieb nicht im Absoluten, sondern suchte den Ausgleich zwischen Theorie und Praxis.
Viele der im folgenden vorgestellten Ansichten sind beeinflusst durch den preußischen Reformergeist und dem philosophischen Gedanken- gut des Deutschen Idealismus, der, durch die Schriften des Kant- schülers Kiesewetter über Logik und Ethik und auch der anderer Denker, auf Clausewitz eigengesetzlich realistisches Schaffen zusätz- lich befördernd wirkte.[13] Dem aufmerksamen Beobachter wird bei Betrachtung des Clausewitzschen Werkes die dialektische Entwick- lung der Ideen durch These und Antithese und das immer wieder- kehrende Konzept der Polarität auffallen. Beides Gedankengut dieser Epoche. Um dies zu verdeutlichen, gebietet es sich in medias res zu gehen resp. einen allgemeinen Gesamtüberblick zu gewährleisten.
4. Vom Kriege
4.1. Krieg und Politik
Die Natur des Krieges bezeichnete Carl von Clausewitz als einen „Akt der Gewalt“[14], um „den Gegner zur Erfüllung unseres Willens zu zwingen“. Im Verlauf eines Kampfes zwischen zwei Gegnern, so meinte er, versucht „jeder dem anderen das Gesetz“ zu geben, in dessen Folge sich eine bis zum Äußersten führbare Wechselwirkung ergibt. Dies aber geschieht eigentlich nur auf dem Gebiet logischer „Träumerei“, denn die Unwägbarkeiten oder Friktionen wirken zu- gleich mäßigend auf das Absolute ein. Aber diese Unbekannten können nicht, wie vormals oft behauptet, berechnet, sondern müssen als konstante Größen einkalkuliert werden[15], weswegen für Clausewitz der Krieg selbst auch kein isoliertes Geschehen war. Er sah dort vielmehr ein „politisches Moment“ zutage treten und in eben diesem Punkt setzte seine These vom politischen Instrumental- charakter des Krieges an, wonach die Politik den Krieg dominiert, indem sie ihn auslöst, während seines Verlaufs beherrscht und letztlich auch beendet.[16] Dieses hat nun wiederum zur Folge, dass der Krieg je nach Politik Abstufungen enthält und sich durch seine doppelte Art, entweder Niederwerfung des Gegners oder Verfolgung eines begrenzteren Zieles, auszeichnet.[17]
[...]
[1] Paret, Clausewitz, in: Paret, Peter (Hrsg.), Makers of Modern Strategy. From Macchiavelli to the Nuclear Age, Oxford 1986, S.189.
[2] Gerhard von Scharnhorst, Direktor dieser Schule, erkannte Clausewitz Begabung und vermochte diese in gerichtete Bahnen zu lenken. Rothfels, Hans (Hrsg.), Carl von Clausewitz. Politische Schriften und Briefe, München 1922, S.IX
[3] Er hielt die Gedanken Bülows für interessant, gelangte aber zu der Einsicht, dass dessen Theorien unrealistisch seien. Statt das Wesen der Revolutionskriege zu erfassen, verlor sich Bülow bei seiner Suche nach festen Prinzipien in mathematischen Abstraktionen über den Krieg. Paret, S.190
[4] Rothenfels, S.XI ff.
[5] Clausewitz schrieb eine Charakterstudie „Die Deutschen und die Franzosen“ (1807), in: Rothfels, S.35- 51.
[6] Paret, S.193.
[7] Hier sei vor allem auf Clausewitz Vorlesungen über den Spanischen Guerilla- krieges hingewiesen.
[8] Sein Interesse an der wissenschaftlichen Analyse hat ihn seit seiner Redakteurs- zeit nicht losgelassen, auch weiterhin schrieb er Essays und befasste sich mit der Aufgabe der Theorie an sich.
[9] Hahlweg, Werner, Krieg – Kriegskunst – Kriegstheorie, in: Gersdorf, Ursula von, Geschichte und Militärgeschichte. Wege der Forschung, Frankfurt/Main, S.320.
[10] Seine Art der Betrachtung ergibt sich aus der Kombination von „historisch kritischer Methode und philosophischer Systematik“. Ebd., S.319-320.
[11] Paret, S.193.
[12] Denn ebendies war bekanntlich sein Kritikpunkt gegenüber der „positiven Lehre“ bzw. den „Systemmachern“, wie Bülow.
[13] Fichte, Johann Gottlieb, Versuch einer neuen Darstellung der Wissenschafts- lehre, Hamburg 1984, S.38.
[14] Clausewitz, Carl von, Vom Kriege, 3. Aufl., München 2000, S.27.
[15] Clausewitz nennt dies „Modifikationen durch die Wirklichkeit“. Hahlweg, Werner, Clausewitz. Soldat – Politiker – Denker, Göttingen 1969, S.86.
[16] Ebd., S.92.
[17] Als „wichtigste Gegenstände“ im Kriege sah Clausewitz die „moralischen Größen“, kriegerische Tugenden, wie Kühnheit im Sinne einer schöpferischen Kraft. Ebd. S.91 ff.
- Citation du texte
- Magister Artium Björn Rosenstiel (Auteur), 2004, Rezeption oder Ablehnung? Die philosophisch-militärische Theorie Carl von Clausewitz im Verlaufe des 19. Jahrhunderts unter besonderer Betrachtung der Personen Jomini und Moltke, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/79434
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