Konnte Berlin um 1500 eine Pflegestätte eines innerlich freien Geist- und Kunstlebens sein, das von mittelalterlichen Bindungen gelöst war, wenn schon Luther sich ablehnend über die Bezirke östlich seines Wittenberg geäußert hat? Diese Frage soll in diesem Büchlein anhand des höheren Schulwesens in Berlin beantwortet werden. Dabei soll auch der Blick für die Entwicklung der Stadt Berlin, die durch ihren Residenzstadtstatus immerhin eine übergeordnete Bedeutung innehatte, nicht verloren werden. Einerseits wird die Lage Berlins um 1500 bezüglich der Stadt und des Schulwesens thematisiert, andererseits die Gründungsakte der höheren Schulen, sowie die dahinter stehenden Absichten. Vor diesem Hintergrund soll aufgezeigt werden, wie sich das geistige Leben im Schulwesen entwickeln konnte. In einem zweiten Bereich werden pädagogische Lehrinhalte erklärt, Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Strukturen des Unterrichtes an den höheren Schulen Berlins, vornehmlich im als Bildungsjahrhundert bezeichneten 18. Jahrhundert, dargestellt. Besondere Aufmerksamkeit wird dabei der Person Friedrich Gedike zuteil.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
I. Berlin um 1500
1. Die Berliner Stadt um 1500
2. Das Berliner Schulwesen um 1500
II. Gründungsakte und -intentionen von Berliner Gymnasien nach 1500
1. Das Gymnasium zum Grauen Kloster
2. Das Joachimsthalsche Gymnasium
3. Das Friedrichs-Werdersche Gymnasium
4. Das Französische Gymnasium
III. Entwicklung des höheren Schulwesens Berlins
1. Schulstruktur
2. Schulunterricht und Lehrinhalt
3. Friedrich Gedike als Schulpädagoge und Bildungspolitiker
Fazit
Einleitung
Schon Hoppe fragte sich, ob Berlin um 1500 eine „Pflegestätte eines innerlich freien Geist- und Kunstlebens, das von mittelalterlichen Bindungen gelöst war“, sein konnte, auch wenn schon Luther sich „ablehnend [...] über die Bezirke östlich seines Wittenberg“ geäußert hat[1]. Diese Frage gilt es, im Folgenden anhand des höheren Schulwesen in Berlin zu beantworten und darzustellen, dabei jedoch nicht den Blick für die Entwicklung der Stadt Berlin[2], die durch ihren Residenzstadtstatus immerhin eine übergeordnete Bedeutung inne hatte, zu verlieren.
Aufgrund des geringen ausschöpfbaren Rahmens der Hausarbeit, der bei weitem für dieses Thema, wie von mir festgestellt wurde, nicht ausreicht, beschränke ich mich dabei auf zweierlei. Zum einen befasse ich mich mit der „Ausgangslage“ in Berlin um 1500 bezüglich der Stadt und des Schulwesens und gehe weiterhin auf die Gründungsakte der höheren Schulen, sowie die dahinterstehenden Absichten ein, um aufzeigen zu können, von wo aus sich das geistige Leben im Schulwesen entwickeln konnte.
Im zweiten Abschnitt wage ich den Spagat von einer einzelschulorientierten Darstellung hin zum zusammenhängenden schulischen Erklärungskomplex über pädagogische Lehrinhalte, über Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Strukturen des Unterrichtes an den höheren Schulen Berlins, vornehmlich im als Bildungsjahrhundert bezeichneten 18. Jahrhundert. Dabei soll besondere Aufmerksamkeit auch der – aus Verfassersicht ganz bedeutenden – Person des Friedrich Gedike gewidmet werden.
Unzweifelhaft kann aus dem Fundus der gesichteten Fachliteratur zum Bildungswesen in Brandenburg-Preußen, zum geistigen und wissenschaftlichen Leben in Berlin, zu den geschichtlichen Aufzeichnungen der einzelnen höheren Schulen, sowie aus den Biographien bedeutender Pädagogen und Bildungsreformer viel mehr gezogen werden, als hier dargestellt werden kann.
So kann beispielsweise nicht auf sehr interessante Aspekte der Finanzierung der höheren Berliner Schulen oder beispielsweise auf das Problem einer möglicherweise bestehenden Rivalität unter den Gymnasien eingegangen werden, da es ansonsten nur auf einen Anriss der Themen hinauslaufen würde.
I. Berlin um 1500
Um sinnvoller Weise Entwicklungstendenzen aufzeigen zu können, muss nach der Ausgangslage gefragt werden. Diese wird vom Verfasser in eine stadtgeschichtliche und eine schulgeschichtliche unterteilt.
1. Die Berliner Stadt um 1500
Schon seit etwa 1470 war Cölln Residenz der hohenzollernschen Landesherren und Sitz der obersten Behörden des Kurfürstentums, da die Schlossburg zwischen Cölln und Berlin ständiger Aufenthaltsort wurde. Auch durch das 1513 beginnende Abhalten der allgemeinen Landesstände in Berlin, erfährt die junge Residenz- und Behördenstadt eine Bereicherung[3]. Als Folge der Ballung der Macht in Berlin, erlangte der kurfürstliche Hof eine beherrschende Stellung gegenüber Rat und Stadtverwaltung, so beschnitt man beispielsweise die städtischen Freiheiten, trennte beide Städte, Cölln und Berlin, und verfügte 1514 den Abriss des gemeinsamen Rathauses[4].
Arendt und Karrasch verweisen nun darauf, dass trotz des Zustromes neuer Bevölkerungselemente, wie Hoppe sie aufzeichnet und des daraus begründeten Charakters Berlins, der um 1500 nicht mehr nur Züge eines bürgerlichen Gemeinwesen trug[5], das geistige Leben lediglich allein für die kirchlichen Dinge vorhanden war. So seien vor allem die Lehren Luthers Grundlagen des religiösen Lebens der Berliner Bürgerschaft geworden[6]. Dabei sei zu beachten, dass im Unterschied zu den größeren benachbarten Territorien keine sogenannte Fürstenreformation in der Mark Brandenburg stattgefunden hat, sondern dass man, wie Ribbe es ausdrückt „von einer Volksreformation sprechen kann“, die nicht zuletzt auch stark von der Einwohnerschaft von Berlin und Cölln angetrieben wurde[7], da die Bürger der beiden Städte zum Osterfest 1539 zur Reformation übertraten, ebenso wie wenig später der Bischof und der Kurfürst von Brandenburg[8].
2. Das Berliner Schulwesen um 1500
In den Visitationsprotokollen und –abschieden von 1540/41 ist die Berliner Schullandschaft klar abgegrenzt und zeigt den Stand des Schulwesen genau auf, wie Ribbe ausdrücklich bemerkt. Danach existierte in Berlin gerade mal noch die Schule an der Nikolaikirche, nicht mehr die noch 1476 genannte Schule bei der Marienkirche. Das Personal an der Schule der Nikolaikirche wurde jedoch um einen vierten „gelehrten Gesellen“ erweitert[9], um anscheinend, wie der Verfasser feststellen muss, die wohl durchaus vorhandene Nachfrage nach einer schulischen Förderung in Berlin und Cölln befriedigen zu können. Diese Feststellung wird auch durch die Tatsache gestützt, dass ebenso an der Lateinschule an der Cöllner Petrikirche mit einer recht hohen Anzahl von drei Lehrkräften gelehrt wurde und dass die beiden genannten Schulen im Vergleich mit um Berlin und Cölln liegenden Schulen eine durchaus übergeorderte und damit bedeutende Größenordnung inne hatten. Dies zeigen im Vergleich die lokalen Gegebenheiten in Spandau, wo die Schule vom Stadtschreiber mitversorgt wurde oder in Köpenick sogar die Position des Stadtschreibers, Küsters und Lehrers in den Händen einer Person lag[10].
[...]
[1] Willy Hoppe: Reformation und Renaissance in Berlin; in: Berlin. Zehn Kapitel seiner Geschichte,
hrsg. von Richard Dietrich, Berlin, New York 1981, S. 81.
[2] Damit sind auch alle fünf einzelnen Städte Berlin, Cölln, Friedrichswerder, Dorotheenstadt und
Friedrichsstadt gemeint, die sich 1709 zu (Groß-) Berlin vereinigten.
[3] Hoppe: Reformation und Renaissance in Berlin; in: Berlin, hrsg. von Richard Dietrich, S. 91.
[4] Hansjoachim Hoffman: Berlin. Eine politische Landeskunde, Berlin 1998, S. 23.
[5] Hoppe: Reformation und Renaissance in Berlin; in: Berlin, hrsg. von Richard Dietrich, S. 81f.
[6] Max Arendt, Alfred Karrasch: Chronik der Reichshauptstadt, Berlin 1940, S. 28.
[7] Wolfgang Ribbe (Hrsg.): Geschichte Berlins. Erster Band. Von der Frühgeschichte bis zur
Industrialisierung, München, Berlin 1988², S. 296.
[8] Julius Rieger: Berliner Reformation, Berlin 1967, S. 49f.
[9] Ribbe: Geschichte Berlins, S. 297.
[10] Wilhelm Richter: Berliner Schulgeschichte. Von den mittelalterlichen Anfängen bis zum Ende der
Weimarer Republik. Historische und Pädagogische Studien, Band 13, Berlin 1981, S. 8f.
- Quote paper
- Marc Castillon (Author), 2001, Das höhere Schulwesen Berlins 1500 bis 1800, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/7929
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