Im Zusammenhang mit Goya hat mich in Bezug auf seine Zeichnungen interessiert, inwieweit man die Zeichnung als Träger von Gefühlen und Emotionen verwenden kann. Goya hat der Zeichnung ihre moralische Aufgabe gewiesen, für ihn war sie zum Instrument des Aufdeckens, Sichtbarmachens und der schonungslosen Wahrhaftigkeit geworden. Diese Aufgabe hat die Zeichnung seither nicht mehr verloren.
Welche Bedeutung hat die Zeichnung? Besteht ihr Reichtum und ihre Vielfalt aus der Intimität und der Persönlichkeit des Künstlers?
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung : Die Zeichnung als Ausdrucks- und Gefühlsträger
2. Feder- und Pinselzeichnung bei Goya
3. Kurzer biographischer Überblick
3.1. Die Zeichnung bei Goya
4. Das Beispiel zur Federzeichnung
4.1.Technische Daten
4.2. Inhaltliche Beschreibung
4.3. Die zeichnerische Umsetzung
4.3.1. Formale Beschreibung
4.3.2. Goyas Zeichenstil
4.3.4. Wirkung des Bildes
4.4. Die Radierung
5. Die Caprichos
6. Das Beispiel zur Pinselzeichnung
6.1. Technische Daten
6.2. Inhaltliche Beschreibung
6.3. Die zeichnerische Umsetzung
6.3.1. Formale Beschreibung
6.3.2 Goyas Zeichenstil
6.3.4. Wirkung des Bildes
6.4. Die Radierung
7. Das Beispiel zur Verbindung von Feder- und Pinselzeichnung
7.1. Technische Daten
7.2. Inhaltliche Beschreibung
7.3. Die zeichnerische Umsetzung
7.3.1.Formale Beschreibung
7.3.2. Goyas Zeichenstil
7.4. Wirkung des Bildes
7.5. Die Radierung
8. Schlussbemerkung
Ausstellungskataloge
Monographien
1. Einleitung : Die Zeichnung als Ausdrucks- und Gefühlsträger
Der Titel der Kunstzeitung von Lindner und Schmidt vom Oktober 2004 lautet: „Comeback der Zeichnung –Ein Ausstellungsreigen überzieht die Republik“. Im Gegensatz dazu gibt es z.B. an der Ludwigs- Maximilians-Universität München so gut wie keine Lehrveranstaltungen über die Zeichnung. Das wirft die Frage auf ob für einige die Zeichnung immer noch „nur“ eine Vorzeichnung ist? Was rechtfertigt also diese Schlagzeile? Vielleicht wird allmählich wieder klar, was Joseph Meder schon vor ca. 90 Jahren in seinem Buch über die Handzeichnung postuliert hat: Die Bedeutung der Zeichnung, ihr Reichtum und ihre Vielfalt. Meder bezeichnet die Skizzen und Handzeichnungen weiter als die lebendigen Zeugen der innersten Natur des Künstlers, „…voll Intimität und Persönlichkeit, von der momentanen Schaffenslust geboren…“ und nur für den Künstler bestimmt. So „enthüllen sie seine Seele voll und ganz…“.[1] Im Zusammenhang mit Goya hat mich in Bezug auf seine Zeichnungen interessiert, inwieweit man die Zeichnung als Träger von Gefühlen und Emotionen verwenden kann. Goya hat der Zeichnung „…ihre moralische Aufgabe gewiesen, für ihn war sie zum Instrument des Aufdeckens, Sichtbarmachens und der schonungslosen Wahrhaftigkeit geworden.“ Diese Aufgabe hat die Zeichnung seither nicht mehr verloren.[2]
2. Feder- und Pinselzeichnung bei Goya
Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten Zeichnung zu erklären. Man kann die Entwicklung der Zeichnung skizzieren, indem man z.B. Rembrandt und Kandinsky vergleicht. Oder man erklärt die Zeichnung anhand eines Künstlers. Ich habe mich für Goya entschieden, weil er mich beeindruckt und ein sehr breites Spektrum zeichnerischen Könnens bietet und seine Zeichnungen sowohl die Karikatur und die Illustration als auch das Bildnis und die autonome Zeichnung einschließen. Die Funktionen seiner Zeichnungen reichen von der Skizze über den Entwurf bis hin zur unmittelbaren Vorzeichnung und zur Studie. Die zwei Beispiele, mit denen ich mich beschäftigen will, stammen aus Goyas Reihe der Caprichos und ein weiteres ist ein Einzelblatt und dokumentiert Goyas Weg zum freien Graphiker[3].
3. Kurzer biographischer Überblick:
Am 30.März 1746 wird Francisco Josè de Goya y Lucientes in Fuendetodos (Saragossa) geboren. Von 1758-61 erlernt er bei Jose´ Luzan das Kunsthandwerk.[4]
In den Jahren 1763-66 folgen erfolglose Bewerbungen an der Akademie. Daraufhin geht Goya von 1770-71 nach Rom. 1778 veröffentlicht er erste Radierungen nach Velàzquez. 1786 wird er Maler des Königs. 1796 folgen erste Skizzen für „Die Caprichos“. 1799 veröffentlicht er die Caprichos. 1803, aus Furcht vor der Inquisition übergibt er die Druckplatten der Caprichos dem König. Am 15/16. April 1828 stirbt er in Bordeaux.
3.1. Die Zeichnung bei Goya
Goyas generelle zeichnerische Anfänge sind nicht außergewöhnlich, sondern traditionell. Er lernte bei seinem Lehrer Luzan in Saragossa das übliche Kopieren von Stichen nach z. B. Velàzquez. Die Zeichnung als eigenständiges Element entdeckte er zwischen dem Einzelblatt des „Heiligen Franziskus de Paula“ und dem „Garottierten“, der uns später ausführlich beschäftigen wird. Bevor sich Goya den Caprichos zuwendete, erprobte er „…die Zeichnung als selbstständiges Medium“ in seinem Madrider Skizzenbuch.[5] Die Zeichnung ist für Goya ein Mittel gegen Normen und gegen „akademische“ Schönheit anzugehen, „…kritisch in die Wirklichkeit einzugreifen und zugleich seine Erfahrungen über das Bekannte und Sichtbare hinaus zu erweitern.“[6] Erst im fortgeschrittenen Alter beschäftigte sich Goya mit der Zeichnung. Ein Grund dafür könnte sein, dass er die Zeichnung zuerst nur als Mittel zur handwerklichen Perfektion kennen lernte, aufgrund seiner fehlenden akademischen Ausbildung. Erst mit etwa 50 Jahren, also 1796/1797 wurde Goya zum Zeichner mit eigenem Stil. Er musste keine Auftragsarbeiten mehr annehmen, zog sich zurück und begann an seinen Caprichos zu arbeiten und seine berühmten Skizzenbücher. Daher sind der größte Teil des zeichnerischen Werkes von Goya Vorzeichnungen zu den Caprichos. Goya hat nie auf die präparierte Platte geritzt, sondern die Vorzeichnung durch Abklatsch mit einer Presse auf die Platte gedruckt, was Druckränder zur Folge hatte. Nur selten benutzte Goya für seine Zeichnungen die Feder. Normalerweise verwendete er den Rötelstift in verschiedenen Tönungen, von hellem Zinnober bis dunklem Purpur. Dann wurden die Zeichnungen in flüssigen Pinsellavierungen gebunden.[7]
4. Das Beispiel zur Federzeichnung:
Das Beispiel zur Federzeichnung trägt den Titel: „Der Erdrosselte/ Der Garottierte / El Agarrotado „. Es handelt es sich dabei um ein Einzelblatt. Dieses Blatt entstand außerhalb der großen Zyklen und bildet eine Ausnahme. Man erkennt hier Goyas Weg zum freien Graphiker. Hier findet man Malerei und Zeichnung gleichberechtigt nebeneinander als autonome Kunst. Sie ist nicht länger „nur“ als Vorarbeit zu Gemälden oder als Vorzeichnung eingesetzt, sondern hat einen Eigenwert bekommen.
4.1.Technische Daten
Gezeichnet wurde der „Erdrosselte“ um 1778/1780 mit Feder in Braun über Bleistift. Das Blatt misst 26,4cm auf 20cm und befindet sich heute im British Museum in London. Es ist eine der wenigen Vorzeichnungen zu Radierungen, die mit Feder ausgeführt ist. Bemerkenswert ist, dass sie nicht im Umdruckverfahren weiterverwendet wurde, sondern im Gegensinn angelegt ist und dann durch Griffelung auf die präparierte Radierplatte übertragen wurde, d.h. die Radierung ist spiegelverkehrt.[8]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1[9] Abbildung 2[10]
4.2. Inhaltliche Beschreibung
Die Zeichnung und die Radierung nehmen eine Schlüsselposition in Goyas Werk ein. Die Technik ist zwar noch an die Leichtigkeit des Rokoko angelehnt, aber der schockierende Inhalt zeigt Goya als Reporter seiner Zeit. Das Erlebnis des Garottierten verwandelt Goya im Blatt zum mahnenden Exempel. Es ist wohl das erste Mal, dass Goya sich nicht an die Ikonographie hält, die seine Auftraggeber gerne sehen, sondern er entdeckt sein Thema als Ankläger. Neu ist auch das schonungslose Aufzeigen der Wirklichkeit. Dies kündigt sich zwar schon bei den Kopien nach Velàzquez an, aber die Ambivalenz aus Kälte und Mitleid kommt bei Goyas eigener Zeichnung deutlicher zum Ausdruck. Es ist anzunehmen, dass Goya Augenzeuge einer öffentlichen Hinrichtung gewesen ist. Diese war eine Todesart, die den Adeligen „Hidalgos“ vorbehalten war. In Spanien galten die Privilegien des Adels in der Gesellschaft sogar gegenüber dem Tod.[11] Goya schildert hier eine „Garotte“, d.h. das Instrument und die Form des Erwürgens als Todesstrafe. Das Opfer wurde auf das Schafott gebracht und nach der Hinrichtung von vier Kerzenleuchtern umstellt. Während die Kerzen abbrannten wurde die Totenfeier abgehalten.[12] Der Erdrosselte gewinnt durch seine Einsamkeit, die Kargheit der Komposition und das feierliche Licht der Kerze etwas sehr Würdevolles und erinnert an einen Heiligen an der Martersäule. Die Verklärung jedoch gilt nicht dem Heiligen sondern dem Leid erfüllten Menschen.[13]
Zusammen mit der Radierung des „Hl. Isidor“ um 1775-1778 nimmt der Garottierte eine Schlüsselfunktion im religiösen Frühwerk Goyas ein. Während der „Hl. Isidor“ noch hoffen darf, ist dem Erdrosselten jeder Trost verwehrt. Somit sagen diese Werke sehr viel über Goyas Einstellung zum katholischen Glauben aus. „ Den einen nimmt die Kirche in ihre Mitte, den anderen grenzt sie aus.“[14] Auf seiner Brust trägt er das Wappen des Karmeliterordens, was mutmaßen lässt, dass es sich um die Darstellung eines Abtrünnigen handeln könnte. Er ist eine „…Ikone der menschlichen Demütigung.“ Was ihn auszeichnet, ist „… stoische Indifferenz, mit Verdumpfung gemischt.“ In seinem Leiden erinnert er uns an einen Märtyrer.[15]
[...]
[1] Meder, Joseph, Die Handzeichnung, Ihre Technik und Entwicklung, 2.Auflage, Wien 1923, S. 16
[2] Koschatzky, Walter, Die Kunst der Zeichnung, Technik, Geschichte, Meisterwerke, 10. Auflage, München 2003, S.266
[3] Ausst. Kat., Hamburger Kunsthalle, Goya, Das Zeitalter der Revolutionen 1789-1830, Hofmann, Werner (Hg) München 1980, S. 255
[4] Ausst. Kat., Künstlerhaus Wien, Goya Caprichos- Desastres- Tauromaquia-Disparates, Madrid 1989, S.12-26
[5] Held, Jutta, Francisco de Goya mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Hamburg 1980, S.60
[6] Ausst. Kat., Hamburger Kunsthalle, Goya, München 1980, S. 255
[7] sinngemäß nach: Ausst. Kat., Städtische Galerie im Städelschen Kunstinstitut Frankfurt am Main, Goya, Zeichnungen und Druckgraphik, Gallwitz, Klaus (Hg), Stuttgart- Bad Cannstatt 1981, S. 164
[8] Ausst. Kat., Hamburger Kunsthalle, München 1980, S.260
[9] ebenda, S.260
[10] Gàllego, Juliàn, Goya und seine Welt, Bayreuth 1981, S. 6
[11] ebenda
[12] Ausst.Kat., Städtische Galerie im Städelschen Kulturinstitut, Goya, Stuttgart- Bad Cannstatt 1981, S. 7
[13] Ausst. Kat., Hamburger Kunsthalle, München 1980, S.260
[14] Hofmann, Werner, Goya, Vom Himmel durch die Welt zur Hölle, München 2003, S.23
[15] ebenda, S.24-25
- Citar trabajo
- Magister Artium Johanna Hartmann (Autor), 2004, Francisco de Goya - Die Zeichnung als Ausdrucks- und Gefühlsträger, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/79274
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