Zunächst soll es darum gehen die Plastik in den Kontext von Schellings Kunstphilosophie stellen. Dabei beschäftigt die Frage weshalb Schelling eine solche überhaupt bearbeiten will und welche Aufgabe sie hat. Das bietet zunächst den großen Rahmen, von dem aus die Stellung der Plastik im System der Kunstphilosophie erläutert wird, um dann die Plastik an sich zu behandeln. Nachfolgend werden das Kunstwerk und das Kunstprodukt nach Schelling näher erläutert, um dann zu einer Interpretation der Kunst McCarthys durch Schelling überzugehen. Dabei soll Schellings „Philosophie der Kunst“ auf McCarthys „Selbstbildnis“ von 2005 als konkretes Beispiel angewendet werden. Interessant ist hierbei, ob Schellings „Kunstphilosophie“ von 1802 auch auf ein Kunstwerk von 2005 bezogen werden kann. Der Vergleich zwischen Schelling und Herder soll zeigen, wie verschiedenartig man mit der Betrachtung der Plastik umgehen kann, auch wenn man eine ähnliche Kunstauffassung vertritt. Zwei Beispiele von Paul McCarthy und Ron Mueck sollen in der Folge auf Herders Vorstellung der Plastik in Abgleich zu Schelling bezogen werden.
Inhalt
1. Einleitung
2. Schellings Beweggründe zur Bearbeitung der Wissenschaft der Kunst
3. Die Aufgabe der „Kunstphilosophie“
4. Die reale und ideale Seite der Kunst und Ihre Indifferenz
5.Die Plastik als Einheit von: Architektur, Basrelief und Plastik
5.1. Die Architektur
5.2. Das Basrelief
5.3. Die Plastik
5.4. Die Potenzen
6. Das Kunstwerk: Versuch einer Gattungsbeschreibung:
7. Das Kunstprodukt, das Genie und der Charakter des Kunstprodukts
8. Die Anwendung Schellings auf ein konkretes Beispiel aus der „realen Reihe“ der Kunst
8.1. Schelling in Anwendung auf Paul McCarthy
9. Schelling und Herder- Ein Vergleich
9.1. Herder in Anwendung auf Ron Mueck und McCarthy (siehe Abbildung 1-3)
10. Schlussbemerkung:
1. Einleitung:
Zunächst soll es darum gehen die Plastik in den Kontext von Schellings Kunstphilosophie stellen. Dabei beschäftigt die Frage weshalb Schelling eine solche überhaupt bearbeiten will und welche Aufgabe sie hat. Das bietet zunächst den großen Rahmen, von dem aus die Stellung der Plastik im System der Kunstphilosophie erläutert wird, um dann die Plastik an sich zu behandeln. Nachfolgend werden das Kunstwerk und das Kunstprodukt nach Schelling näher erläutert, um dann zu einer Interpretation der Kunst McCarthys durch Schelling überzugehen. Dabei soll Schellings „Philosophie der Kunst“ auf McCarthys „Selbstbildnis“ von 2005 als konkretes Beispiel angewendet werden. Interessant ist hierbei, ob Schellings „Kunstphilosophie“ von 1802 auch auf ein Kunstwerk von 2005 bezogen werden kann. Der Vergleich zwischen Schelling und Herder soll zeigen, wie verschiedenartig man mit der Betrachtung der Plastik umgehen kann, auch wenn man eine ähnliche Kunstauffassung vertritt. Zwei Beispiele von Paul McCarthy und Ron Mueck sollen in der Folge auf Herders Vorstellung der Plastik in Abgleich zu Schelling bezogen werden.
2. Schellings Beweggründe zur Bearbeitung der Wissenschaft der Kunst
Für Schelling bildet die Kunst „ (…) ein geschlossenes, organisches und ebenso in allen seinen Theilen nothwendiges Ganzes (…)“so wie die Natur selbst.[1] Für Schelling ist es wichtig, dass wir nicht nur die Kunst fühlen und erleben, sondern uns auch fragen, weshalb sie uns fasziniert und sie überlegt betrachten. Das bedeutet auch das ganze Kunstwerk zu verstehen und die Idee des Ganzen zu sehen und nicht nur Einzelnes. Im „(…) wahren Kunstwerk gibt es keine einzelne Schönheit, nur das Ganze ist schön.“[2]
Da es keine einheitlichen Beurteilungskriterien der Kunst gibt, braucht man die Wissenschaft und die Philosophie, die die Ideen ausspricht und den „(…) Kunstsinn im Concreten anschaut (…).“[3] Der Grund für Schelling eine „Philosophie der Kunst“ zu schreiben, ist, dass niemand bis dahin die absoluten Prinzipien aufgestellt hat. Dabei will er sich derselben Methode bedienen wie bei seiner Naturphilosophie.
Was die allgemeine Philosophie der Kunst betrifft, strebt Schelling an, die „(…) Anschauung der ewigen Schönheit und der Urbilder alles Schönen“[4] zu behandeln.
3. Die Aufgabe der „Kunstphilosophie“
Die Kunst ist das Reale und Objektive, während die Philosophie das Ideale und Subjektive ist. Damit ist die Aufgabe der Philosophie der Kunst: „(…) das Reale, welches in der Kunst ist, im Idealen darzustellen.“[5]
Das „Ganze“ der Philosophie ist ungeteilt und kann durch Potenzen ausgedrückt werden. Der Begriff der Potenzen bezieht sich auf die „(…) allgemeine Lehre der Philosophie von der wesentlichen und inneren Identität aller Dinge (…).[6].Für Schelling gibt es nur ein Wesen, ein absolut reales und unteilbares. Die Verschiedenheit der Dinge ist nur möglich, weil sie in verschiedene Bestimmungen gesetzt wird, die er Potenzen nennt. Weil sie nichts am Wesen verändern, sind sie ideelle Bestimmungen. Was wir in der Geschichte, Kunst und Natur erkennen, ist wesentlich dasselbe, denn allen drei Bereichen ist die Absolutheit eingeboren, die in verschiedenen Potenzen steht. Die Philosophie in ihrer vollkommenen Erscheinung kommt in der Totalität aller Potenzen vor. Sie soll ein getrenntes Bild vom Universum geben, ein Bild des: „ (…) Absoluten, dargestellt in der Totalität aller ideellen Bestimmungen.“[7]
Das Prinzip der Philosophie ist die absolute Idee, in dieser sind Totalität und Identität eins. Dieses Prinzip, das keiner besonderen Potenz gleicht und alle in sich begreift, ist der „absolute Identitätspunkt“ der Philosophie. Diesen unteilbaren Indifferenzpunkt gibt es in jeder besonderen Einheit bzw. Potenz, und in jeder dieser Einheiten bzw. Potenzen kehren alle Potenzen wieder. Damit gibt es in der Philosophie nur Absolutes in besonderen Formen. Innerhalb der allgemeinen Philosophie ist jede Potenz absolut und trotzdem Glied eines Ganzen und dessen vollkommener Reflex. Das ist die Verbindung des Besonderen und des Allgemeinen, z.B. in jedem poetischen Werk ist jede Gestalt ein Glied des Ganzen und doch in der Ausbildung des Werkes absolut. Man kann zwar einzelne Potenzen aus dem Ganzen herausheben und behandeln, aber nur wenn man das Absolute, also die Philosophie in ihr darstellt.[8]
Schelling konstruiert in der Philosophie der Kunst „(…) die Kunst als Kunst, nicht als dieses Besondere, sondern ich construire das Universum in der Gestalt der Kunst, und Philosophie der Kunst ist Wissenschaft des All in der Form oder Potenz der Kunst.“ Damit erhebt Schelling die Kunst zu einer absoluten Wissenschaft der Kunst.[9] Damit die Kunst ein Objekt der Philosophie ist, muss sie das Unendliche in sich als Besonderes im Wirklichen darstellen können. Die Kunst steht als Darstellung des Unendlichen auf dem gleichen Rang wie die Philosophie: „(…) - wie diese das Absolute im Urbild, so jene das Absolute im Gegenbild darstellend.“[10] Da die Kunst der Philosophie entspricht und ihr objektiver Reflex ist, muss sie auch alle Potenzen durchlaufen, die die Philosophie im Idealen durchläuft. Sowohl die Philosophie als auch die Kunst stellen die Urbilder dar, von denen die wirklichen Dinge nur Abdrücke sind. Diese Abdrücke werden als Urbilder in ihrer Vollkommenheit objektiv und stellen in der reflektierten Welt die Intellektualwelt dar.[11] Die Probleme, die Schelling nun lösen will, sind dieselben wie in der Philosophie. Man muss das Unendliche als unbedingtes Prinzip der Kunst dartun. Während für die Philosophie das Absolute das Urbild der Wahrheit ist, ist es für die Kunst die Schönheit. Daher möchte Schelling beweisen, dass Wahrheit und Schönheit nur zwei verschiedene Betrachtungsweisen des Einen, Absoluten sind.[12] Diese Aussage wird im späteren Verlauf wichtig für die Anwendung Schellings auf Paul McCarthy sein.
Die Ideen sind der Stoff und die allgemeine und absolute Materie der Kunst aus der alle „(…) besonderen Kunstwerke und Gewächse erst hervorgehen.“[13] Die Auflösung der Aufgabe besteht in der Konstruktion der Mythologie. Die Götter sind dasselbe wie die Ideen der Philosophie, nur objektiv und real betrachtet.
4. Die reale und ideale Seite der Kunst und Ihre Indifferenz
Generell ist Schellings Argumentation durch das so genannte „Triadenschema“ gegliedert, „(…) dessen Komplexität darin liegt, daß in jeder der drei Potenzen in der idealen (redende Kunst) und in der realen Reihe (bildende Kunst) ein Indifferenzpunkt von Idealem und Realem als besondere Einheit existiert.“[14]
Das System der Kunst wird nach dem Muster von These, Antithese und Synthese. Zunächst unterscheidet Schelling die bildende und redende Kunst, die jeweils die reale und ideale Reihe der Philosophie darstellen. Der bildenden Kunst steht die Einheit vor, in der das Unendliche ins Endliche aufgenommen wird und das ist die Naturphilosophie. Der redenden Kunst steht die Einheit vor, in der das Endliche im Unendlichen gebildet wird. Die Konstruktion dieser Reihe entspricht dem Idealismus. Die erste Einheit ist real, die zweite ideal und die Indifferenz begreift beide Einheiten in sich. In jeder dieser absoluten Einheiten für sich kehren dieselben Einheiten wieder. Also in der realen, die reale, die ideale und die, in der beide eins sind und umgekehrt. In der „realen Reihe“ wird das Reale durch die Musik, das Ideale durch die Malerei und die Indifferenz durch die Plastik ausgedrückt. Bei der „Idealen Einheit“ wird das Reale durch Lyrik, die die Einbildung des Unendlichen ins Endliche, also das Besondere ist, das Ideale durch das Epos, das die Darstellung des Endlichen im Unendlichen ist, also das Allgemeine und das Drama, als Synthese des Allgemeinen und Besonderen ausgedrückt.[15] Nach diesen Grundformen wird die reale und ideale Erscheinung der Kunst konstruiert. Damit verfolgt Schelling die Kunst in jeder ihrer besonderen Formen bis zum Konkreten hin.
Was für meine Betrachtung auch von Bedeutung ist, ist Bestimmung der Kunst durch die Bedingung der Zeit.[16] Der allgemeine und formelle Gegensatz der Kunst ist der der modernen und antiken Kunst. Nach Schellings Ansicht ist die Kunst ein „(…) Ausfluß des Absoluten“. Schelling zufolge zeigt die Geschichte der Kunst, dass die absolute Identität in der Kunst vorherbestimmt ist. Damit offenbart sich die innere Einheit aller Kunstwerke, d.h. sie stammen aus demselben Genius, der sich in den Gegensätzen von antik und modern nur in verschiedenen Gestalten zeigt.[17] Wenn wirklich jegliche Kunst aus demselben Genius stammte, so dürfte es im späteren Verlauf keine Schwierigkeiten bereiten, Schelling auf die zeitgenössische Kunst anzuwenden.
Zusammenfassend kann man sagen, dass der Ausgangspunkt der Kunstphilosophie: „(…) Gott als absolute Ein- und Allheit“ ist. Die Aufgabe der Kunstphilosophie ist es, „(…) die getrennten Prinzipien von Realem (Objektivität, Kunst) und Idealem (Subjektivität, Philosophie) in einer (…) philosophischen Konstruktion wieder zu vereinen.“[18] Dem Indifferenzpunkt werden die Potenzen der Reflexion (Differenz: Musik, Lyrik), Subsumtion (Identität: Malerei, Epos) und der Vernunft (Synthese: Plastik, Drama) zugeschrieben. Die höchste aller bildenden Künste ist die Poesie, weil sie nicht konkret ein Abbild des Absoluten ist, sondern „(…) der stillste und unmittelbarste Ausdruck der Vernunft“.[19]
Im Folgenden werde ich die genauen Argumentationsschritte von Schelling skizzieren, die er bei der „Plastik“ aus der realen Reihe anwendet.
5.Die Plastik als Einheit von: Architektur, Basrelief und Plastik
Die Plastik hat die anderen Kunstformen in sich, in abgewandelter Form ist sie Musik, Malerei und Plastik. Die Plastik entspricht in der Philosophie (Reflexion, Subsumtion, Vernunft) der Vernunft und in der Kunst (Schema, Allegorie und Symbol) dem Symbol. Damit vollendet die Plastik nicht nur die reale Reihe der Kunst und ist die Indifferenz von Musik und Malerei, „(…) sondern verkörpert auch in sich die Einheit von Philosophie und Kunst, weil sie als Ausdruck der Vernunft in ihrem Wesen symbolisch ist.“[20] Während die Malerei nach dem „Symbolischen„ als Höchstes strebt, ist die Plastik selbst das Symbolische. Das System der Kunstphilosophie geht auf und die Plastik erfüllt ihre Bestimmung als Indifferenz von Musik und Malerei.
5.1. Die Architektur
Die anorganische Form oder Musik in der Plastik ist die Architektur.
Architektur ist Musik, weil beide unorganisch sind. Architektur ist schön, wenn sie von sich selbst abhängig ist, also als Potenz und eine freie Nachahmung von sich selbst ist. Um schöne Kunst zu sein, muss sie außerdem zweckmäßig sein. Das erscheint zunächst als Widerspruch, da „Unabhängigkeit“ und „Zweckmäßigkeit“ nicht vereinbar scheinen. Nur wenn es der Architektur möglich ist, zum Ausdruck der Ideen, dem Bild des Universums bzw. des Absoluten zu werden, ist sie freie Kunst. Durch die Unterscheidung von „Kunst des Bedürfnisses“ und „freier Kunst“ hebt Schelling den Widerspruch letztendlich auf.[21] Als Beispiel hierfür nimmt Schelling die Säulenordnung: Man unterscheidet dorisch einfach, ionisch mit Schnecken und Windungen und korinthisch mit konzentrischen Blättern. Die Architektur hat als Musik der Plastik einen rhythmischen, harmonischen und melodischen Teil. Die drei Säulenordnungen haben untereinander ein Verhältnis von Rhythmus, Harmonie und Melodie. Die dorische ist rhythmisch, naturnotwendig, streng, real, männlich und ohne Breite. Bei der ionischen ist die Harmonie herrschend, sie ist Schönheit der Proportion, Die korinthische Säule ist melodisch. Die Proportion ist weiblich und „jungfräulich“. Sie vereinigt die harmonische Weichheit der ionischen Säule mit den rhythmischen Formen der dorischen Schlankheit.[22] An diesem Beispiel sieht man, wie Schelling etwas „krampfhaft“ versucht die Säulenordnung als Musik in der Plastik in sein System zu pressen, was in diesem Fall für heutige Begriffe seltsam wirkt. Ebenso wie die Musik im Kontext der bildenden Kunst eigenartig anmutet.
Das Beispiel des „Straßburger Münsters“ demonstriert, dass Natur- und Kunstphilosophie zwei Seiten des ungeteilten Ganzen sind. Hier wird das „Münster“ mit einem Baum mit Baumkrone und weiten Ästen verglichen.[23]
[...]
[1] Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph, Ausgewählte Schriften 1801-1803, Bd.2, 1. Auflage 1985, Frankfurt am Main 1995, S.185, I/5,357
[2] ebenda, S.187, I/5 359
[3] ebenda, S. 189, I/5, 361
[4] ebenda, S. 192, I/5, 364
[5] ebenda
[6] ebenda, S. 194, I/5, 366
[7] ebenda, S. 194., I/5, 366
[8] ebenda, S. 195, I/5, 367
[9] ebenda, S. 196, I/5, 368
[10] ebenda, S.197, I/5, 369
[11] ebenda
[12] ebenda, S.198, I/ 5, 370
[13] ebenda
[14] Knatz, Lothar, Die Philosophie der Kunst, In: F.W.J. Schelling, (Hg) Sandkühler, Hans, Jörg, Stuttgart 1998, S. 118
[15] vgl.,Szondi, Peter, Poetik und Geschichtsphilosophie II, Von der normativen zur spekulativen Gattungspoetik, Schellings Gattungspoetik, Frankfurt am Main 2001, S.235
[16] vgl. Schelling, Ausgewählte Schriften, S. 199, I/5, 371
[17] vgl. ebenda, S.200, I/5, 372
[18] ebenda
[19] Knatz, Lothar, Die Philosophie der Kunst, 1998, S. 118f.
[20] Wanning, Berbeli, Konstruktion und Geschichte. Das Identitätssystem als Grundlage der Kunstphilosophie bei F.W.J. Schelling, Frankfurt am Main 1988, S.137
[21] vgl., ebenda, S.142f.
[22] Schelling, Ausgewählte Schriften, S.400 ff., I/5, 572
[23] vgl. Wanning, Berbeli, Konstruktion und Geschichte,1988, S.144
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- Magister Artium Johanna Hartmann (Autor), 2006, „Die Plastik“ aus der „Realen Reihe“ von Schellings „Kunstphilosophie“ in Anwendung auf konkrete Beispiele der zeitgenössischen Kunst, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/79270
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