1. Einleitung
1.1. Problemstellung
Der Markt für Nahrungs- und Genußmittel ist geprägt von austauschbaren Produkten und starkem Verdrängungswettbewerb. Es handelt sich somit um einen Käufermarkt im Polypol. Die Hersteller stehen unter starkem Innovationsdruck und sehen sich immer kürzeren Produktentwicklungszeiten und –lebenszyklen gegenüber. Die Floprate ist in dieser Branche eine der höchsten und ein Großteil neuer Produkte ist nach einem Jahr nicht mehr im Einzelhandel gelistet.1 Aus diesen Gründen ist es von essentieller Notwendigkeit, seine Zielgruppen korrekt und effizient anzusprechen.
Die Entwicklungsabteilungen und die Marketing- und Verkaufsabteilungen müssen Hand in Hand arbeiten, um Mißverständnisse und Fehler bei einer Produktkonzeptentwicklung zu minimieren. Um hohe Streuverluste bei der Werbung zu vermeiden und um das Produkt nicht am Kunden vorbei zu entwickeln, muß die gewählte Zielgruppe ausreichend untersucht worden sein.
Kindermarktforschung gewinnt vor diesem Hintergrund zunehmend an Bedeutung, da Kinder mehr als von den Meisten vermutet die Kaufentscheidungen ihrer Familie beeinflussen. Zusätzlich verfügen auch die Kinder selbst über immer größere finanzielle Möglichkeiten. Bis vor einigen Jahren wurden Kinder, ihre Besonderheiten, ihr Verhalten und ihre Bedeutung als Marktteilnehmer dennoch kaum untersucht. Auch heute noch existieren auf diesem Gebiet große Wissensdefizite.2 Hinzu kommt, das sich Kinder nicht unbedingt als unkomplizierte Untersuchungssubjekte darstellen und sich die Ergebnisse einiger Studien widersprechen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen zu diesem Thema. Diese Arbeit befaßt sich daher mit der Zielgruppe der Kinder.
[...]
Gliederung
1. Einleitung
1.1. Problemstellung
1.2. Zielformulierung
1.3. Vorgehensweise
2. Kinder als Zielgruppe
2.1. Warum sind Kinder als Zielgruppe interessant?
2.2. Restriktionen
2.3. Sozio-Demographische Daten
2.4. Segmentierungen der Zielgruppe nach Alter und Verhalten
2.4.1. Vorüberlegungen
2.4.2. Der Baby Markt: Kinder von 0 bis 2 Jahren
2.4.3. Der Grenzbereich der 2-jährigen Kinder
2.4.4. Der Vorschulkindermarkt der 3 bis 4-Jährigen
2.4.5. Besonderheiten der 4 bis 5-Jährigen
2.4.6. Der Markt der 6 bis 10-jährigen Schulkinder
2.4.7. Fast schon Jugendliche: Kinder von 11-13 Jahren
2.5. Relevante Besonderheiten von Kindern und Jugendlichen
3. Sensorische Produktforschung mit Kindern
3.1. Sensorik allgemein
3.1.1. Der Geschmackssinn
3.1.2. Der Geruchssinn
3.1.3. Der Gesichtssinn
3.1.4. Der Gehörsinn
3.1.5. Haptische Wahrnehmung
3.1.5.1. Der Tastsinn
3.1.5.2. Schmerz- und Temperaturempfinden
3.1.6. Umwelteinflüsse
3.2. Testverfahren
3.2.1. Testverfahren zur Identifizierung und Quantifizierung sensorischer Produktunterschiede
3.2.2. Affektive Testverfahren
3.3. Zu berücksichtigende Besonderheiten bei Kindern
3.3.1. Gruppenverhalten
3.3.2. Die Geschmackswahrnehmung
3.3.3. Die Geruchswahrnehmung
3.4. Kindgerechte Testbedingungen
3.5. Validität von Untersuchungsergebnissen mit Kindern
4. Durchführung und Auswertung eines Konsumentenpanel-Tests
4.1. Testzweck und –beschreibung
4.2. Vorbereitungen und Testablauf
4.3. Design und Layout des verwendeten Fragebogens
4.4. Ergebnisse und Auswertung des Konsumententests
4.5. Schlußfolgerungen auf Grundlage der gewonnenen Daten
5. Konzepte und Instrumente im Kontext von Kindermarktforschung
5.1. Einflußfaktoren
5.1.1. Trends
5.1.2. Markenimage
5.1.3. Sponsorship
5.1.4. Pop-, Serien-, Filmstars und Cartoons
5.2. Mögliche Gefahren im Kindermarketing
5.3. Functional Food – auch für Kinder interessant?
5.4. Nahrungsmittel inklusive Spielzeug „Interactive Food“ auf dem Vormarsch
6. Schlußbetrachtung
Literaturverzeichnis
Anhang
Tabellenverzeichnis
Tabelle 4-1: Rangfolge nach Akzeptanzwerten
Tabelle 4-2: Rangfolge nach Präferenzwerten
Abbildungsverzeichnis
Abb. 2-1: Altersaufbau der Bevölkerung am 31.12.1998 Quelle: Statistisches Bundesamt
Abb. 4-1: Verwendete Probenverpackungen
Abb. 4-2: Verwendete P&K-Skala
Abb. 4-3: 9-Punkte-Hedonik-Skala
Abb. 4-4: Altersverteilung nach Geschlechtern
Abb. 4-5: Akzeptanz Probe 584: Erdbeere
Abb. 4-6: Akzeptanz Probe 627: Himbeere
Abb. 4-7: Akzeptanz Probe 396: Orange
Abb. 4-8: Konzeptbeurteilung nach Attributen
Abb. 4-9: Akzeptanzwerte im Vergleich
1. Einleitung
1.1. Problemstellung
Der Markt für Nahrungs- und Genußmittel ist geprägt von austauschbaren Produkten und starkem Verdrängungswettbewerb. Es handelt sich somit um einen Käufermarkt im Polypol. Die Hersteller stehen unter starkem Innovationsdruck und sehen sich immer kürzeren Produktentwicklungszeiten und –lebenszyklen gegenüber. Die Floprate ist in dieser Branche eine der höchsten und ein Großteil neuer Produkte ist nach einem Jahr nicht mehr im Einzelhandel gelistet.[1] Aus diesen Gründen ist es von essentieller Notwendigkeit, seine Zielgruppen korrekt und effizient anzusprechen.
Die Entwicklungsabteilungen und die Marketing- und Verkaufsabteilungen müssen Hand in Hand arbeiten, um Mißverständnisse und Fehler bei einer Produktkonzeptentwicklung zu minimieren. Um hohe Streuverluste bei der Werbung zu vermeiden und um das Produkt nicht am Kunden vorbei zu entwickeln, muß die gewählte Zielgruppe ausreichend untersucht worden sein.
Kindermarktforschung gewinnt vor diesem Hintergrund zunehmend an Bedeutung, da Kinder mehr als von den Meisten vermutet die Kaufentscheidungen ihrer Familie beeinflussen. Zusätzlich verfügen auch die Kinder selbst über immer größere finanzielle Möglichkeiten. Bis vor einigen Jahren wurden Kinder, ihre Besonderheiten, ihr Verhalten und ihre Bedeutung als Marktteilnehmer dennoch kaum untersucht. Auch heute noch existieren auf diesem Gebiet große Wissensdefizite.[2] Hinzu kommt, das sich Kinder nicht unbedingt als unkomplizierte Untersuchungssubjekte darstellen und sich die Ergebnisse einiger Studien widersprechen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen zu diesem Thema. Diese Arbeit befaßt sich daher mit der Zielgruppe der Kinder.
1.2. Zielformulierung
Diese Arbeit hat zum Ziel, auch dem nicht fachkundigen Leser einen kompakten Überblick über die Zielgruppe der Kinder und ihren Besonderheiten zu geben. Neben allgemeingültigen Ausführungen über die Zielgruppe konzentriert sich der Verfasser auf die Berücksichtigung von Kindern bei der Entwicklung und Vermarktung von Nahrungs- und Genußmitteln. Hierbei kann sich diese Arbeit nur an der Oberfläche dieses umfassenden und bücherfüllenden Themas bewegen. Aus diesem Grund greift der Verfasser von ihm als wichtig erachtete Aspekte aus dem weiten Gebiet der möglichen Themen zur Bearbeitung heraus.
Die Altersgrenze zwischen Kind und Jugendlichem wird bei 13 Jahren gezogen, während Kinder unter 3 Jahren nicht als direktes Ziel von Marketingbemühungen ansprechbar sind. Folglich ergibt sich für diese Arbeit eine Altersspanne von 3 bis 13 Jahren[3].
1.3. Vorgehensweise
Um den Leser mit der Zielgruppe und ihrer Bedeutung vertraut zu machen, werden unter Punkt 2. die Kinder gemäß ihres Alters und ihrer Verhaltensmuster segmentiert. Weiterhin werden Besonderheiten und zu beachtende Merkmale von Kindern dargelegt und erläutert.
Die sensorische Wahrnehmung von Produkteigenschaften spielt bei der Beurteilung von Nahrungs- und Genußmitteln durch den Konsumenten eine kritische Rolle. Unter Punkt 3. Werden daher sensorische Grundlagen beschrieben und auf die Zielgruppe bezogen.
Im Anschluß wird unter Punkt 4. anknüpfend an die vorangehenden Grundlagen ein sensorischer Konsumententest mit Kindern erläutert und seine Durchführung einschließlich der Ergebnisse dokumentiert.
Unter Punkt 5. wird auf Einflußfaktoren und relevante Entwicklungen im Kindermarkt eingegangen, die auch die Welt der Jugendlichen und Erwachsenen betreffen können.
2. Kinder als Zielgruppe
2.1. Warum sind Kinder als Zielgruppe interessant?
Kinder wurden in der Vergangenheit und auch heute noch als Zielgruppe oft unterschätzt[4]. Vielen Unternehmen war und ist der Aufwand zu groß, das für einen Erwachsenen oftmals unverständliche und komplizierte Verhalten von Kindern genauer zu untersuchen. Daher war es schwer, verläßliche und aussagekräftige Informationen über die Zielgruppe Kinder zu bekommen. Marketingentscheidungen diesbezüglich wurden aus den genannten Gründen eher intuitiv getroffen. Für viele Unternehmen stellen Kinder daher immer noch einen meist unbekannten oder unverstandenen Kunden dar. Viele Marketer begehen den oft fatalen Fehler, von Erfahrungen ihrer eigenen Kindheit oder dem Verhalten ihnen bekannter Kinder auf die Zielgruppe zu schließen. Diese Strategie ist nicht zu empfehlen, möchte man Kinder erfolgreich ansprechen[5].
Innerhalb der letzten Jahre wurde sich dann deutlich intensiver mit dieser Zielgruppe auseinandergesetzt, wenn auch Vorschulkinder hierbei immer noch vernachlässigt wurden[6]. Da die Märkte allgemein gesättigt sind und die Konsumenten immer anspruchsvoller werden, wird es eine immer größer werdende Herausforderung für die Anbieter, ihre Produkte abzusetzen. Die Produkte, auch und besonders in der Nahrungs- und Genußmittelindustrie, die mit hohen Flopraten zu kämpfen hat[7], sind austauschbar. Das Grundbedürfnis nach Nahrung wird zumindest in den
Ländern der „ersten Welt“ problemlos befriedigt. Es verlangt dem Konsumenten nunmehr nach hedonistischen Geschmackserlebnissen[8]. Der Genuß steht im Vordergrund, wobei aktuell auch ein deutlicher Trend zu gesundheitsfördernder Ernährung auszumachen ist. Sogenanntes Functional Food, Nahrungsmittel, die einen über den ernährungsphysiologischen Nährwert hinausgehenden Zusatznutzen aufweisen (siehe Punkt 5.3.), sind ein wichtiger Bestandteil dieses Trends. Gerade bei derartigen Produkten ist es wichtig, sich von der Konkurrenz abzuheben.
Ein entscheidendes Instrument zur Produktdifferenzierung ist der Geschmack[9]. Trotz aller Zusatznutzen bleibt der Geschmack immer noch das zentrale Attribut von Lebensmitteln und gehört zu den sogenannten intrinsischen Produkteigenschaften. Ein Produktkonzept kann noch so ausgereift und perfekt vermarktet sein, wenn der Geschmack aber nicht zu dem Produkt paßt oder einfach nur schlecht ist, ist ein Flop sehr wahrscheinlich. Aufgrund der Verpackung, der Vermarktung und dem Image des Produktes, den sogenannten extrinsischen Produktattributen, hat der Käufer bestimmte Nutzenerwartungen, die auch den Geschmack beinhalten. Wird der Käufer enttäuscht, ist das Resultat meist eine unbefriedigende Wiederkaufrate.[10]
Allgemein ist eine „Schwemme“ von neuen Produkten, die oft nach kurzer Zeit wieder aus den Regalen verschwinden, und eine zunehmende Differenzierung der Zielgruppen zu beobachten[11]. Mehr und mehr werden auch kleinere Zielgruppen (vom Marktvolumen her) interessant. Kinder und Jugendliche, die man sicher nicht als Randgruppe unter den Marktteilnehmern bezeichnen kann, verfügen über erstaunliche finanzielle Möglichkeiten, mit dem Willen, diese auch zu nutzen. Niemals zuvor verfügten Kinder frei über soviel Geld wie heute: Letztes Jahr besaßen die zehn Millionen Kinder und Jugendlichen im Alter von 6 bis 17 Jahren 19,18 Milliarden DM (umfaßt Taschengeld, Geldgeschenke und Sparguthaben)[12]. 1999 waren es noch 7 Prozent weniger. Durchschnittlich verfügt diese Altersgruppe frei über 52 DM im Monat, wovon sie über 41% für Süßigkeiten und Schokolade ausgeben[13].
Der Grund dafür, das die Eltern 70 Prozent ihrer Kinder gestatten, über diesen Betrag frei zu verfügen, ist wohl, das der Umgang mit Geld gelernt werden soll. Jedoch wird diese Freiheit bei Beträgen über 100 DM empfindlich eingeschränkt: Ungefähr die Hälfte der 14-17-Jährigen darf zwar selbst über Ausgaben in dieser Höhe entscheiden, wer aber unter 14 Jahren alt ist, darf ohne Zustimmung der Eltern kaum Anschaffungen über 100 DM tätigen[14]. Hieraus folgt, das Eltern bei Werbemaßnahmen und auch bei der Entwicklung des Produktes selbst als „erlaubnisgewährender“ Faktor für den Verkaufserfolg zu berücksichtigen sind. Kinder und Jugendliche beeinflussen andererseits in zunehmendem Maße die Kaufentscheidungen der gesamten Familie. Nach Ergebnissen der Kids Verbraucher Analyse 2000, üben 6-17-Jährige auf knapp 30% der Lebensmitteleinkäufe[15] ihres Haushalts entscheidenden Einfluß aus. Diese Zahlen wurden durch Befragung der Eltern ermittelt, so daß anzunehmen ist, das die tatsächliche, inklusive der indirekten und unterbewußten Beeinflussung, noch stärker ausgeprägt ist.
Ein weiterer, nicht zu vernachlässigender Faktor ist die langfristige Kundenbindung, in dem man bereits in jungen Jahren Kinder für eine Marke begeistert. Analog hierzu bilden sich schon im frühen Kindesalter Geschmackspräferenzen, die für viele Jahre, in manchen Fällen für die gesamte Lebensspanne, beibehalten werden[16]. Besonders im Hinblick auf den heutigen Verdrängungswettbewerb hat Kundenbindung an Bedeutung gewonnen. Bereits Kinder im Alter von 10 Jahren können ein ausgeprägtes Markenbewußstsein[17] entwickeln. Schon im Vorschulalter verfügen sie über ein enormes Markenwissen und bringen Markenpräferenzen zum Ausdruck. Kindern schon früh ein Markendenken „anzuerziehen“ ist moralisch nicht unbedenklich, jedoch sollen und können in dieser Arbeit Fragestellungen dieser Natur nicht diskutiert werden. Ob nun moralisch verwerflich oder nicht, derartige Strategien werden heutzutage bereits mit Erfolg entwickelt und umgesetzt[18].
Als Konsequenz des gestiegenen Marken- und Modebewußtseins ist der Gruppendruck in Schule und Freundeskreis ist enorm[19] und treibt Eltern oftmals zur Verzweiflung, da ihre Kinder mit Nachdruck die „angesagten“ Spielzeuge, Videospiele und Bekleidungsmarken fordern. Dabei wissen Sie auch immer ganz genau, was sie wollen. Versuchen die Eltern ihre Kinder mit einem ähnlichen Produkt zufrieden zu stellen, ist das Resultat Verärgerung und/oder Enttäuschung.
2.2. Restriktionen
So interessant und lukrativ die Zielgruppe Kinder auch sein mag, so komplex und restriktiv ist sie auch. Kinder können nicht wie Erwachsene behandelt werden. Dies bezieht sich nicht nur auf maßgeschneiderte Werbung und Produkte, sondern auch auf rechtliche Hintergründe. Die wichtigste juristische Voraussetzung, um Kinder als Kunden zu gewinnen, ist die Geschäftsfähigkeit. Kinder sind erst ab dem vollendeten 7. Lebensjahr beschränkt geschäftsfähig[20]. Wer nicht geschäftsfähig ist, kann keine Willenserklärung abgeben und daher keine Kaufverträge abschließen. Damit aber ein Kaufvertrag zustande kommt, sind zwei übereinstimmende Willenserklärungen notwendig[21]. Für den Nichtjuristen sei hier kurz erwähnt, das sogar der Kauf einer Süßigkeit für zehn Pfennig ein Rechtsgeschäft im Sinne des § 433 BGB darstellt und rein rechtlich für Kinder unter 7 Jahren nicht durchführbar ist. In der Praxis jedoch ist es Gang und Gebe, daß auch Kinder dieses Alters schon selbständig Geld ausgeben.
Ab Vollendung des 7. Lebensjahres bis zur Volljährigkeit sind Kinder, beziehungsweise Jugendliche, beschränkt geschäftsfähig[22]. Dies bedeutet, daß Minderjährige zum Abschluß eines Geschäftes ab einer bestimmtem Wertgrenze die vorhergehende Einwilligung oder die nachträgliche Genehmigung ihres gesetzlichen Vertreters (Eltern) benötigen. Die Höhe dieser Grenze setzt sich aus Mitteln zusammen, die mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters dem Minderjährigen zur freien Verfügung stehen (zum Beispiel Taschengeld)[23].
Auch Ratenzahlungsgeschäfte sind für beschränkt Geschäftsfähige nicht erlaubt, so daß sich der sogenannte „Taschengeldparagraph“[24] auf diese Weise nicht umgehen läßt. Daraus folgt, daß bei der Vermarktung von Produkten, die über 100 DM kosten, auch die Eltern mit angesprochen werden müssen, da sie die finalen Entscheidungsträger für den Kauf und somit eine zu überwindende „Hürde“ für das Kind darstellen.
2.3. Sozio-Demographische Daten
Die Kinderzahl ist in Deutschland seit dem „Babyboom“ der 60er Jahre stark gesunken. Eine Frau bekommt heute im Durchschnitt weniger als 1,4 Kinder. 1999 wurden in Deutschland gerade einmal 770.000 Kinder geboren. Damit sind in diesem Jahr etwa 76.000 Menschen mehr gestorben, als Kinder geboren wurden. Die nachkommenden Generationen können somit ihre Elterngenerationen zahlenmäßig nicht mehr ersetzen. Hinzu kommt eine etwa um 30 Jahre gestiegene Lebenserwartung im Vergleich zum Beginn des 19. Jahrhunderts. Die Folge ist eine Überalterung der Bevölkerung, die sich in den nächsten Jahrzehnten weiter verschärfen wird. Die folgende Alterspyramide, stellt mit marginalen Abweichungen die heutige Altersstruktur dar.[25]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2-1: Altersaufbau der Bevölkerung am 31.12.1998
Quelle: Statistisches Bundesamt
Nach einer Prognose des statistischen Bundesamtes wird sich diese Pyramide bis zum Jahr 2050 an ihrem Stumpf stark verjüngt haben und ihre stärksten Ausdehnungen im Altersbereich von 60 aufweisen. Die Anzahl der 85-Jährigen Frauen wird dann beispielsweise höher sein, als die der 10-Jährigen Mädchen. Die Gesamtzahl der für das Kindermarketing relevanten Zielpersonen wird also abnehmen. Dennoch ist die Bedeutung der Kinder als Marktteilnehmer in den letzten Jahren enorm gestiegen und wird weiter zunehmen, wie bereits unter Punkt 2.1. dargelegt wurde.
Die folgenden Angaben beschreiben die Demographie der 6 bis 13-Jährigen Kinder aus der Zielgruppe der 3 bis 13-Jährigen:
Kinder in dieser Altersgruppe gesamt: 6,55 Mio.
Davon im Alter von 6 bis 9 Jahren: 3,18 Mio.
Davon im Alter von 10 bis 13 Jahren: 3,37 Mio.
Im Durchschnitt ist bei jedem Lebensjahr eine Jahrgangsstärke von circa 800.000 Kindern anzunehmen. Hierbei ist ein geringfügiger Jungenüberschuß festzustellen.[26]
2.4. Segmentierungen der Zielgruppe nach Alter und Verhalten
2.4.1. Vorüberlegungen
Die Segmentierung nach Alter und kognitiven Fähigkeiten ist eine häufige und gebräuchliche Methode, die Zielgruppe der Kinder zu unterteilen[27].
Eine weitere Einteilungsmöglichkeit, die vornehmlich bei Jugendlichen angewendet wird, ist die Segmentierung nach Aktivitätenprofilen. Sie bezieht sich auf Freizeitaktivitäten, wie Basteln, Computerspielen, musizieren, fernsehen, im Freien spielen und Sport.[28] Es lassen sich hieraus bestimmte Typen von Kindern beschreiben, von denen aber nur bedingt auf das Konsumverhalten von Nahrungs- und Genußmitteln geschlossen werden kann, wenn eine größere Alterspanne betrachtet werden soll. Interessant sind diese Profile für Hersteller von Getränken, Snackartikeln und von Produkten mit Spielzeugbeigaben.
Da eine Betrachtung der gesamten Altersspanne der Zielgruppe erfolgen soll, wird an der Segmentierung nach dem Lebensalter festgehalten.
Dieses Vorgehen bietet sich an, da Kinder von Geburt an bis zum Ende ihrer Pubertät einer rasanten Entwicklung der geistigen und körperlichen Leistungsfähigkeit unterliegen. In den verschiedenen Stadien sind sich Kinder relativ ähnlich, weil sich auch ihr Umfeld und die Art und Weise, mit der sie behandelt werden, mit zunehmendem Alter ändern. Vor allem steigt der Grad der Selbständigkeit, der Entscheidungsfreiheit und des Verständnisses für die Umwelt. Somit ändert sich auch das Interesse an verschiedenen Produkten und die Kanäle, mit denen die Hersteller versuchen, Kinder für ihre Produkte zu gewinnen. In der Vergangenheit oft zusätzlich herangezogene Kriterien, wie die Segmentierung nach Geschlecht oder nach den sozialen Verhältnissen der Familien, verlieren mehr und mehr an Bedeutung. Vor der Pubertät zeigen Jungen und Mädchen ähnliche, grundsätzliche Verhaltensmuster auf, obwohl sie sich erziehungsbedingt auch für unterschiedliche Produkte interessieren. Des weiteren verfügen auch Kinder in sozial schwachen Familien über einen immer noch beachtlichen Teil von hochwertigen Konsumgütern.[29]
Auch nationale Unterschiede, vorausgesetzt man betrachtet Industrieländer, spielen vor dem Hintergrund der Internationalisierung eine eher untergeordnete Rolle. Besonders durch die Faktoren Musik, Film und Mode sind kaum noch nationale Unterschiede bei Kindern festzustellen[30]. Anders verhält es sich jedoch bei Lebensmitteln, deren Beurteilung durch oft stark unterschiedliche nationale Geschmackspräferenzen geprägt ist. Dieser Umstand bezieht sich aber auf das Geschmacksprofil des Produktes und nicht auf das grundlegende Verhalten der Zielgruppe. Er kann somit in der folgenden Segmentierung vernachlässigt werden.
Besonders aufgrund der erwähnten rasanten Entwicklung der Kinder sind in den verschiedenen Altersgruppen auch einige Kinder zu finden, deren kognitive Fähigkeiten deutlich vom Gruppendurchschnitt abweichen. Da aber dennoch der Großteil der Kinder seinem Alter entsprechende Fähigkeiten aufweist, wird folglich in dieser Arbeit eine Segmentierung der
Zielgruppe und damit des Marktes nach dem Alter und dem daraus resultierendem Verhalten erfolgen. In der Literatur sind verschiedene Einteilungen in Altersklassen zu finden, die auch zum Teil von den zu vermarktenden Produkten abhängig sind. Eine gebräuchliche Einteilung erfolgt in einem Dreijahresintervall:
1. „Vorschulkinder (3 bis 6 Jahre)“
2. „Schulanfänger (7 bis 9 Jahre)“
3. „Kids (10 bis 12 Jahre)“
4. „Die Pubertierenden (13 bis 15 Jahre)“
5. „Junge Erwachsene (16 bis 19 Jahre)“[31]
Selbst innerhalb dieser kurzgefaßten Intervalle verhalten sich Kinder und Jugendliche unterschiedlich. Aus diesem Grund wird in dieser Arbeit der Schwerpunkt auf eine etwas differenziertere und feiner unterteilte Klassifizierung gelegt, die sich stark an McNEAL[32] und auch an LE BIGOT[33] orientiert. Andere in den Fußnoten erwähnte Quellen wurden ergänzend hinzugezogen. Diese Segmentierung befaßt sich maßgeblich mit dem Konsumverhalten von Kindern im Lebensmitteleinzelhandel, der unzweifelhaft den wichtigsten Vertriebskanal der Nahrungs- und Genußmittelindustrie repräsentiert.
2.4.2. Der Baby Markt: Kinder von 0 bis 2 Jahren
Dieses Segment umfaßt Kinder im Alter von 0 bis 2 Jahren. Die Kinder selbst treten hier noch nicht als Konsumenten auf und können kaum eigene Wünsche artikulieren. Begleitet das Kind seine Eltern bei Einkäufen, bekommt es meist einen Platz „in der ersten Reihe“. Üblicherweise sitzt es im Kindersitz des Einkaufswagens und kann mit Begeisterung und Neugier das Einkaufsverhalten seiner Eltern und anderer Menschen beobachten. Sie geraten also schon sehr früh in Kontakt mit einer Supermarktatmosphäre, bunten Displays und auffälligen Verpackungen. Natürlich beobachten Kleinkinder auch ganz genau, was in den Einkaufswagen wandert und lernen schnell, das es in Supermärkten „Leckereien“ zum Naschen oder „tolle Sachen“ zum Spielen gibt. Insbesondere zählen hierzu Produkte, die Eltern ihren Kindern als Belohnung oder Liebesbezeugung kaufen. Eindeutig können hier aber noch nicht die Kinder Zielobjekte von Marketingbemühungen sein. In diesem Lebensabschnitt haben die Eltern, besonders die Mutter, noch die Entscheidungsmacht und bestimmen über Kauf oder Nichtkauf.
2.4.3. Der Grenzbereich der 2-jährigen Kinder
Im oberen Teil des Altersabschnitts der unter 2.4.2. beschriebenen Gruppe, also 2 Jahren, kann es jedoch schon mal vorkommen, das Kinder bestimmte Produkte bevorzugen oder ablehnen. Dies gilt aber nur für eine sehr kleine Anzahl von Produkten und drückt sich meist durch Ablehnung seitens des Kindes aus, wie zum Beispiel durch „Nein“, „Bäh“, Grunzlaute, Gestikulieren, Schreien und Weinen oder Ähnlichem. Aber auch das Verlangen nach bestimmten Produkten wird ausgedrückt durch mit dem Finger auf etwas zeigen, „Brabbeln“, und ebenfalls Schreien und Weinen. Letzteres ist eine machtvolle Beeinflussungsmöglichkeit des Kindes auf das Kaufverhalten der Eltern. Das Bild von genervten Eltern an der Kasse im Supermarkt mit einem schreienden und unter Tränen strampelndem Kind, das irgend etwas für sich Reizvolles im Regal entdeckt hat ist wohl bekannt. Diese Situation kann für Eltern sehr peinlich sein, und dadurch bekommen Kinder in solch einer Situation auch oftmals ihren Willen, besonders da niemand in der Öffentlichkeit als Rabeneltern oder unbarmherzig angesehen werden will.
[...]
[1] Scharf, 2000, S. 1.
2 Vgl. Punkt 2.1.
[3] Vgl. hierzu Punkt 2.4.
[4] Bauer Media KG, 2001, S. 33.
[5] Vgl. McNeal, 1992, S. 18.
[6] Götze, 1998, 1Seite.
[7] Scharf, 2000, S. 1-2.
[8] Knoblich /Fries, 1996, S. 62.
[9] Ebenda,S. 67-68; 81.
(Als Geschmack wird im Folgenden bezeichnet, was der Konsument mit Geschmack als Gesamteindruck seiner Sinneswahrnehmung assoziiert und nicht die sensorische Definition der Gustatorik).
[10] Vgl. Scharf, 2000, S. 18-19; 342.
[11] Knoblich, 1996, S. 11.
[12] Egmont Ehapa Verlag, 2000, S. 22.
[13] Ebenda, S. 19, 24.
[14] Ebenda, S. 28.
[15] Untersucht wurden 50 ausgewählte Lebensmittel.
[16] Egmont Ehapa Verlag, 1994, S. 5; 10-13.
[17] Bauer Media KG, 1999, S. 28.
[18] Vgl. hierzu Punkt 5.2.1.
[19] Bauer Media KG, 1999, S. 71.
[20] BGB, 1998, § 104 1.
[21] BGB, 1998, § 433 und Medicus, 1985, Rn. 357.
[22] BGB, 1998, § 106.
23 Ebenda, §§ 107 bis 113.
24 Ebenda, 1998, § 110.
25 Alle Angaben aus: Statistisches Bundesamt, 2000.
[26] Egmont Ehapa Verlag, 2000, S. 10.
[27] Schüür-Langkau, 1998, S. 59.
[28] Vgl. SUPER RTL Kommunikation, 2000.
[29] Vgl. Le Bigot, 2000, S. 91.
[30] Ebenda, S. 92.
[31] Hansen, 1996, S. 20-21.
[32] McNeal, 1992, S. 8-13.
[33] Le Bigot, 2000, S. 94-95.
- Quote paper
- Matthias Witte (Author), 2001, Kindermarketing in der Nahrungs- und Genußmittelindustrie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/7926
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