Die Form der repräsentativen Demokratie „liegt als verfassungspolitische Maxime den meisten politischen Systemen der westlichen Demokratie zugrunde.“
Gerade in Deutschland nimmt die Politikverdrossenheit der Bevölkerung immer weiter zu. Eine Möglichkeit, dem entgegen zu wirken, scheint die Einführung direktdemokratischer Instrumente auf Bundesebene zu sein. „Da direktdemokratische Verfahren die Entscheidungsbefugnis in die Stimmbürgerarena verlagern“ , werden die wahlberechtigten Bürger motiviert, sich aktiv am politischen Entscheidungsprozess zu beteiligen und so die Blockadetendenzen des Parteiensystems aufzulockern. Dieses tendiert erfahrungsgemäß dazu, sich wenige Machtbeschränkungen aufzuerlegen.
In Deutschland existiert eine grundsätzliche Kontroverse über den Wert von direkter Demokratie, „über ihre demokratietheoretische Begründung, ihre Wünschbarkeit, Möglichkeit und ihre institutionelle Leistungsfähigkeit.“
In der wissenschaftlichen Diskussion beziehen die Befürworter der direkten Demokratie den Standpunkt, dass die Qualität des parlamentarischen Systems durch Volksentscheide erheblich verbessert werden könnte. Ihre Gegner argumentieren hauptsächlich dagegen, dass das deutsche Mehrebenensystem dafür zu komplex sei.
Obwohl plebiszitäre Elemente in die Verfassungen der Bundesländer Einzug fanden, wird auf Bundesebene das Grundgesetz als wichtiger Hinderungsgrund von den Gegnern der direkten Demokratie angeführt. Sie stützen sich dabei auf verschiedene Artikel des deutschen Grundgesetzes.
Daher wollen wir im nächsten Teil dieser Arbeit der Frage nachgehen, ob Plebiszite auf Bundesebene eindeutig am Grundgesetz scheitern oder nicht.
Als maßgebliche politische Akteure spielen die deutschen Parteien eine entscheidende Rolle. Anhand ihrer Parteiprogramme soll hier vorgestellt werden, wie sie Plebisziten auf Bundesebene gegenüberstehen.
Exemplarisch für diese Diskussion innerhalb Deutschlands und das Verhalten der Parteien wird in Teil III der letzte Reformversuch der rot-grünen Koalition (1998 - 2002) auf diesem Gebiet dargestellt. Dem vorangestellt ist eine kurze Übersicht über die möglichen direktdemokratischen Instrumente.
Anschließend werden wir die wichtigsten Argumente für und gegen die Einführung direktdemokratischer Elemente auf Bundesebene aufführen (Teile IV und V).
Dem folgt eine abschließende Zusammenfassung, in der wir auch unsere Erkenntnisse, die wir während unserer Auseinandersetzung mit diesem Thema gewonnen haben, beschreiben werden.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Grundgesetz und Parteien
1. Das Grundgesetz - Interpretation und Diskussion
2. Die deutschen Parteien und die direkte Demokratie
III. Einführung der Volksgesetzgebung auf Bundesebene
1. Die Instrumente der direkten Demokratie
2. Ablauf des Reformversuchs 1998 - 2002
IV. Argumente gegen den Volksentscheid auf Bundesebene
V. Argumente für den Volksentscheid auf Bundesebene
VI. Fazit
VII. Literaturverzeichnis
I. Einleitung
Die Form der repräsentativen Demokratie „liegt als verfassungspolitische Maxime den meisten politischen Systemen der westlichen Demokratie zugrunde.“[1]
Gerade in Deutschland nimmt die Politikverdrossenheit der Bevölkerung immer weiter zu. Eine Möglichkeit, dem entgegen zu wirken, scheint die Einführung direktdemokratischer Instrumente auf Bundesebene zu sein. „Da direktdemokratische Verfahren die Entscheidungsbefugnis in die Stimmbürgerarena verlagern“[2], werden die wahlberechtigten Bürger motiviert, sich aktiv am politischen Entscheidungsprozess zu beteiligen und so die Blockadetendenzen des Parteiensystems aufzulockern. Dieses tendiert erfahrungsgemäß dazu, sich wenige Machtbeschränkungen aufzuerlegen.[3]
In Deutschland existiert eine grundsätzliche Kontroverse über den Wert von direkter Demokratie, „über ihre demokratietheoretische Begründung, ihre Wünschbarkeit, Möglichkeit und ihre institutionelle Leistungsfähigkeit.“[4]
In der wissenschaftlichen Diskussion beziehen die Befürworter der direkten Demokratie den Standpunkt, dass die Qualität des parlamentarischen Systems durch Volksentscheide erheblich verbessert werden könnte. Ihre Gegner argumentieren hauptsächlich dagegen, dass das deutsche Mehrebenensystem dafür zu komplex sei.[5]
Obwohl plebiszitäre Elemente in die Verfassungen der Bundesländer Einzug fanden, wird auf Bundesebene das Grundgesetz als wichtiger Hinderungsgrund von den Gegnern der direkten Demokratie angeführt. Sie stützen sich dabei auf verschiedene Artikel des deutschen Grundgesetzes. Daher wollen wir im nächsten Teil dieser Arbeit der Frage nachgehen, ob Plebiszite auf Bundesebene eindeutig am Grundgesetz scheitern oder nicht.
Als maßgebliche politische Akteure spielen die deutschen Parteien eine entscheidende Rolle. Anhand ihrer Parteiprogramme soll hier vorgestellt werden, wie sie Plebisziten auf Bundesebene gegenüberstehen. Exemplarisch für diese Diskussion innerhalb Deutschlands und das Verhalten der Parteien wird in Teil III der letzte Reformversuch der rot-grünen Koalition (1998 - 2002) auf diesem Gebiet dargestellt. Dem vorangestellt ist eine kurze Übersicht über die möglichen direktdemokratischen Instrumente. Anschließend werden wir die wichtigsten Argumente für und gegen die Einführung direktdemokratischer Elemente auf Bundesebene aufführen (Teile IV und V).
Dem folgt eine abschließende Zusammenfassung, in der wir auch unsere Erkenntnisse, die wir während unserer Auseinandersetzung mit diesem Thema gewonnen haben, beschreiben werden.
II. Grundgesetz und Parteien
1. Das Grundgesetz - Interpretation und Diskussion
Die Frage nach der Einführung direktdemokratischer Elemente führt ausnahmslos über das Grundgesetz, welches 1949 vom Parlamentarischen Rat ausgearbeitet wurde. Dieses Thema beinhaltet reichlich Stoff für Diskussionen auf verschiedensten Ebenen und zwischen den unterschiedlichsten Meinungsträgern. Daher werden wir in diesem ersten Teil der Arbeit auf die wichtigsten Artikel des Grundgesetzes eingehen, bevor wir die aktuelle Meinung der deutschen Parteien zur Einführung direktdemokratischer Elemente auf Bundesebene genauer betrachten.
„Die bundesrepublikanische Verfassungskonzeption folgt weniger dem Konzept einer Volkssouveränität im Rousseau’schen Sinne, sondern einem „konstitutionellen Republikanismus“, wie er etwa in den Federalist Papers entworfen wird. Nach dieser Konzeption hat sich das Volk im Zuge der Verfassungsgebung selbst gebunden und darauf verzichtet, seine prinzipiell unbegrenzbaren Kompetenzen jenseits der durch die Verfassung von ihm selbst gezogenen Grenzen auszuüben.[6] Damit steht die Verfassung über allen politischen Entscheidungsprozessen und deren Ergebnissen. Alles, was nicht mit ihr übereinstimmt, ist somit illegitim.[7] Die Verfassung selbst wird so zu einem vom Volk selbst definierten Souverän. Die Interpretation des Grundgesetzes erweist sich jedoch als nicht ganz einfach, da die in den Artikeln festgelegten Regelungen „wenig präzise oder sogar widersprüchlich“[8] sind. Man spricht hier auch von „dilatorischen Formelkompromissen“.
Um dieser offensichtlich schwierigen Vorschriften Herr zu werden und sich nicht dauerhaft über ihre eigentliche Bedeutung zu streiten, entscheidet das Bundesverfassungsgericht über die Fragen, die das Grundgesetz und seine adäquate Auslegung betreffen.
Die nun folgenden Artikel sind ausgesprochen wichtig, da sie in der Diskussion um die Einführung direktdemokratischer Elemente auf Bundesebene immer wieder von Gegnern, aber auch Befürwortern zitiert werden. Das macht sie für uns besonders interessant. Auch wenn es in dieser Arbeit nicht Zweck und Ziel sein soll, einzelne juristische Argumente abzuwägen, erscheint es trotzdem sinnvoll, einen kurzen Blick darauf zu werfen, da die Debatte über direkte Demokratie in Deutschland von Juristen wie auch Politologen gleichermaßen verfolgt und getragen wird.
Art. 20 [Verfassungsgrundsätze; Widerstandsrecht]
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.[9]
„Wahrheit, höhere Einsicht oder gehobene Bildung entwickeln für sich allein keine Entscheidungsgewalt im demokratischen Gemeinwesen, wenn sie nicht mit dem „heiligen Öl der Volkssouveränität“ gesalbt wurden.“[10]
Soweit sind sich hier noch alle einig. Die Staatsgewalt wird also vom Volk in Wahlen und Abstimmungen ausgeübt. Dabei bleibt es offen, ob es sich um repräsentative oder direktdemokratische Wahlen und Abstimmungen handelt. „Das Prinzip der Volkssouveränität erfordert nicht ein unmittelbares Tätigwerden des Volkes als Souverän, sondern lediglich eine Rückführbarkeit aller staatlichen Gewalt auf das Volk durch eine zumindest mittelbare demokratische Legitimation der handelnden Organe.“[11]
Das ist uneingeschränkt zu bestätigen, da dieses Zitat den Charakter der repräsentativen Demokratie eingehend beschreibt.
Es lässt sich festhalten, dass „Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG mit den dort erwähnten Abstimmungen entweder eine Befugnis des Bundesvolkes ohne konkrete Umsetzungsmöglichkeit (enthält) oder das Fehlen einer die „Abstimmungen“ konkretisierenden Verfassungsnorm berechtigt zu der Schlussfolgerung, Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG stelle eine zu Volksabstimmungen auf Bundesebene ermächtigende Blankettvorschrift dar.“[12] Eine eindeutige Interpretation erscheint nicht möglich.
Art. 79 [Änderung des Grundgesetzes]
(3) Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.[13]
Dieser Artikel wird auch als „Ewigkeitsgebot“ bezeichnet. Er markiert die inhaltliche Grenze einer jeden Grundgesetzänderung.[14] Hufschlag kommt hier zu dem Ergebnis, dass das Ewigkeitsgebot einer punktuellen Einführung bundesweiter Volksabstimmungen nicht entgegensteht.[15]
Das Ewigkeitsgebot schützt also die „grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung“ und macht keine eindeutige Aussage darüber, wie diese Mitwirkung erfolgen soll. „Positiv gewendet heißt das, dass die Mitwirkung auch durch die „Landesvölker“ selbst erfolgen kann.“[16]
Auch dieser Artikel ist wenig eindeutig. Es wird explizit erklärt, was auf gar keinen Fall verändert werden darf. Doch hinsichtlich der Mitwirkung der Länder wird nicht festgelegt, in welcher Form diese unter Berücksichtigung der repräsentativ-demokratischen Grundlagen zu erfolgen hat.
Art. 28 [Bundesgarantie der Landesverfassungen]
(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muss den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen.[17]
Dieses so genannte „Homogenitätsgebot“ stützt die These, dass direktdemokratische Elemente auch auf Bundesebene durchaus nicht dem Grundgesetz widersprechen. Es kann hier auch von einer „bundesstaatlichen Spaltung des Demokratiebegriffs“[18] gesprochen werden, wenn man dem Grundgesetz an sich ein eher repräsentativ demokratisches Verständnis zuschreibt, denn die bereits in den Länderverfassungen existierenden plebiszitären Elemente sind mit den Bestimmungen dieses Artikels vereinbar.
[...]
[1] Oberreuter, Heinrich: Direkte Demokratie und die repräsentative Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, in: ZfP, 49.Jg, (3/2002), S. 291, im Folgenden zitiert als: „Oberreuter, Repräsentative Verfassung“
[2] Schiller, Theo: Direkte Demokratie – Eine Einführung. Frankfurt/Main 2002, S. 162, im Folgenden zitiert als „Schiller, Direkte Demokratie“
[3] Schiller, Direkte Demokratie, S. 162
[4] Schiller, Direkte Demokratie, S. 33
[5] Nusser, Karl-Heinz: Bürgerbeteiligung und repräsentative Demokratie, in: ZfP 49. Jg. (3/2002), S. 247, im Folgenden zitiert als: „Nusser, Bürgerbeteiligung“
[6] Kranenpohl, Uwe: Bewältigung des Reformstaus durch direkte Demokratie?, Aus Politik und Zeitgeschichte, 10/2006, S. 35, im Folgenden zitiert als „Kranenpohl, Reformstau“
[7] Kranenpohl, Reformstau, S. 35
[8] Kranenpohl, Reformstau, S. 35
[9] Grundgesetz, 40. Auflage, 2005
[10] Kranenpohl, Reformstau, S. 36
[11] Hufschlag, Hans-Peter: Einfügung plebiszitärer Komponenten in das Grundgesetz?, Verfassungsrechtliche Möglichkeiten und verfassungspolitische Konsequenzen direkter Demokratie im vereinten Deutschland. Baden- Baden 1999, S. 55, im Folgenden zitiert als: „Hufschlag, Einfügung plebiszitärer Komponenten“
[12] Hufschlag, Einfügung plebiszitärer Komponenten, S. 70
[13] Grundgesetz, 40. Auflage, 2005
[14] Hufschlag, Einfügung plebiszitärer Elemente, S. 113
[15] Hufschlag, Einführung plebiszitärer Elemente, S. 137
[16] Decker, Frank: Direkte Demokratie im deutschen „Parteienbundesstaat“, Aus Politik und Zeitgeschichte, 10/2006, S. 8, im Folgenden zitiert als: „Decker, Parteienbundesstaat“
[17] Grundgesetz, 40. Auflage, 2005.
[18] Hufschlag, Einführung plebiszitärer Elemente, S. 71.
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- Anke Seifert (Author), Claudia Breisa (Author), 2006, Die Kontroverse um die Einführung direktdemokratischer Elemente auf Bundesebene, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/79107
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