Die reformpädagogischen Bewegungen fanden ihren Ursprung mit der Bildung eines deutschen Nationalstaats 1871, die gefolgt war von einer rasanten Industrialisierung und Herausbildung eines kapitalistischen Wirtschaftsbürgertums. Dabei galt Bildung nur noch wenig. (vgl. Borst 1997, 291). Zudem durchlebte die Gesellschaft eine starke Säkularisierung. Im Ausgang des 19. Jahrhunderts zeichnete sich eine Jugend- und Lebensreformbewegung ab, die an den starren Konventionen des wilhelminischen Zeitalters Kritik übte. Diese betraf auch das staatliche wilhelminische Schulsystem, dass von Drill und Gehorsam geprägt war. Mit dem Werk von Ellen Key „Das Jahrhundert des Kindes“ von 1900 fanden diese Bestrebungen auch international Niederschlag.
Die Institution Schule sollte zu einem Ort werden, an dem sich die Kinder mit ihrer Umwelt auseinandersetzen und die nicht mehr nur von sturer Wissensvermittlung und Autorität geprägt ist. (vgl. Borst 1997, 294) Nicht nur gemeinsames Lernen stand im Vordergrund, sondern auch gemeinsame außerschulische Aktivitäten. Die Schulen sollten zumeist Internatseinrichtungen sein, um einen unfassenden Lebenszusammenhang herzustellen.
Die Reformpädagogik in der Zeit von 1890 bis 1933 war gekennzeichnet von dem Versuch im pädagogischen Handeln die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Kinder zu berücksichtigen. (vgl. Borst 1997, 293) Allerdings entwickelten sich in ihrer Interpretation verschiedene pädagogische Konzepte und Zielrichtungen.
Neben Hermann Lietz, waren Minna Sprecht, Paul Geheeb, Anna Siemsens und Peter Peterson wichtige Reformpädagogen dieser Zeit in Deutschland. In den 90’er Jahren des 19. Jahrhunderts wurden mehr und mehr reformpädagogische Alternativschulen gegründet. (vgl. Schwerdt 2002, 54)
Hermann Lietz gilt als Begründer der Landerziehungsheime (LEH) in Deutschland (in der Literatur für „Landerziehungsheim“ synonym verwandter Begriff „Landschulheim“ bzw. „freie Schulgemeinde“).
Auch in anderen Ländern, wie der Schweiz, Frankreich, Großbritannien und der USA wurden LEH’s gegründet.
Ziel dieser Hausarbeit ist es, das reformpädagogische Konzept von Lietz und seinen Nachfolgern, insbesondere Paul Geheebs, zu betrachten.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Landerziehungsheime – Modelle einer neuen Erziehung
2.1 Hermann Lietz
2.2 Idee und Entstehung der ersten Landerziehungsheime
2.3 Konzepte
2.4 Pädagogische und erzieherische Schwerpunkte
2.5 Lietz-LEH Haubinda/Bieberstein/Hohenwehrda – LEH ehemaliger
Lietz-Mitarbeiter und LEH außerhalb des Lietz-Kreises
3. Lietzes Schüler Paul Geheeb
3.1 Geheeb und seine Arbeit in Haubinda
3.2 Klassisch-humanistische Ideale und der Grundsatz der Koedukation
3.3 Gründung der Odenwaldschule
4. Die LEH’s heute
4.1 Bedeutung der LEH in der heutigen Schullandschaft
4.2 Heutige Schulpraxis in der Odenwaldschule
4.3 Was ist geblieben von den ehemaligen Konzepten von Lietz und Geheeb?
5. Resümee: Vor- und Nachteile der LEH aus meiner Sicht
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die reformpädagogischen Bewegungen fanden ihren Ursprung mit der Bildung eines deutschen Nationalstaats 1871, die gefolgt war von einer rasanten Industrialisierung und Herausbildung eines kapitalistischen Wirtschaftsbürgertums. Dabei galt Bildung nur noch wenig. (vgl. Borst 1997, 291). Zudem durchlebte die Gesellschaft eine starke Säkularisierung.
Im Ausgang des 19. Jahrhunderts zeichnete sich eine Jugend- und Lebensreformbewegung ab, die an den starren Konventionen des wilhelminischen Zeitalters Kritik übte. Diese betraf auch das staatliche wilhelminische Schulsystem, dass von Drill und Gehorsam geprägt war.
Mit dem Werk von Ellen Key „Das Jahrhundert des Kindes“ von 1900 fanden diese Bestrebungen auch international Niederschlag. Darin gab sie „Anstöße, Kinder ernst zu nehmen und ihnen die ihrem Alter und ihrer Entwicklung angemessene Förderung zuteil werden zu lassen.“ (Borst 1997, 292)
Die Institution Schule sollte zu einem Ort werden, an dem sich die Kinder mit ihrer Umwelt auseinandersetzen und die nicht mehr nur von sturer Wissensvermittlung und Autorität geprägt ist. (vgl. Borst 1997, 294) Nicht nur gemeinsames Lernen stand im Vordergrund, sondern auch gemeinsame außerschulische Aktivitäten. Die Schulen sollten zumeist Internatseinrichtungen sein, um einen unfassenden Lebenszusammenhang herzustellen.
Die Reformpädagogik in der Zeit von 1890 bis 1933 war gekennzeichnet von dem Versuch im pädagogischen Handeln die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Kinder zu berücksichtigen. (vgl. Borst 1997, 293) Allerdings entwickelten sich in ihrer Interpretation verschiedene pädagogische Konzepte und Zielrichtungen.
Neben Hermann Lietz, waren Minna Sprecht, Paul Geheeb, Anna Siemsens und Peter Peterson wichtige Reformpädagogen dieser Zeit in Deutschland. In den 90’er Jahren des 19. Jahrhunderts wurden mehr und mehr reformpädagogische Alternativschulen gegründet. (vgl. Schwerdt 2002, 54)
Hermann Lietz gilt als Begründer der Landerziehungsheime (LEH) in Deutschland (in der Literatur für „Landerziehungsheim“ synonym verwandter Begriff „Landschulheim“ bzw. „freie Schulgemeinde“).
Auch in anderen Ländern, wie der Schweiz, Frankreich, Großbritannien und der USA wurden LEH’s gegründet.
Ziel dieser Hausarbeit ist es, das reformpädagogische Konzept von Lietz und seinen Nachfolgern, insbesondere Paul Geheebs, zu betrachten. Dazu habe ich Recherchen in der einschlägigen Literatur zur Reformpädagogik, in Quellentextender Reformpädagogen und im Internet angestellt.
Ziel der Arbeit soll es auch sein, die heutige Bedeutung der Landerziehungsheime im staatlichen Schulsystem Deutschlands darzustellen und eventuell Vor- und Nachteile herauszubilden.
2. Landerziehungsheime – Modelle einer neuen Erziehung
2.1 Hermann Lietz
Hermann Lietz wurde am 28.04.1868 auf Rügen geboren. Den Besuch des Gymnasiums nahm er als Bedrohung war. Mit dem Studium der Theologie und Philosophie in Halle und Jena erfährt er erstmals geistige Freiheit ohne Drill und Zwang.
Prägend war für ihn die Begegnung mit dem Kulturphilosophen Rudolf Eucken. Darüber hianus war er begeistert von den kulturkritischen Lehren Paul de Lagardes „[…] dass der deutschen Jugend der Idealismus fehle […]“ (zit. n. Näf 1998, 21). Unter Lagardes Einfluss wuchs aber auch ein antiliberales, antisemitisches und nationalistisches Menschenbild in ihm. (vgl. www.lietz-schulen.de/ident.html, 20.08.2004)
Obwohl H. Lietz vor dem Nationalsozialismus starb, waren Sozialdarwinismus, Antisemitismus und Patriotismus Lebensansichten, die sich auch bei der Gründung der Landerziehungsheime widerspiegelten. (vgl. Borst 1997, 296) 1912 sagte Lietz in seinem pädagogischen Testament „[…] Ein Deutsches L.E.H. wollen wir sein und bleiben, das bedingt, daß wir entwicklungsfähige Deutsche, auch über die Grenzen des Deutschen Reiches hinaus, aus dem Ausland, aufnehmen und somit dazu beitragen, dass diese Glieder dem Deutschtum nicht verloren gehen, sondern es später in der Fremde weiterpflegen können. Jenes Ziel schließt aus, daß das Nichtdeutsche, und das heißt auch unbedingt das Nichtindogermanische bei uns in einer Anzahl zugelassen wird, welche den deutschindogermanischen Charakter unbedingt gefährden muß. […] Wir wollen auch nicht zwecklose Arbeit tun und uns da vergebens abmühen, wo im Grunde doch kaum was zu ändern ist. […]“ (zit. n. Benner/Kemper 2001, 69)
Bis zum Tod von Hermann Lietz 1919 gründete er insgesamt 3 Landerziehungsheime für Jungen, 2 für Mädchen und ein Waisenhaus.
Entscheidender Antrieb zur Gründung der LEH’s war seine Gastlehrertätigkeit in der englischen „New School Abbotsholme“ (gegründet von Cecil Reddie) und die eigenen schlechten Erfahrungen seiner Schulzeit. (vgl. Schwerdt 2002, 71). Die Erfahrungen in Abbotsholme schrieb er in seinem Buch Emlosthobba 1897 nieder.
2.2 Idee und Entstehung der ersten Landerziehungsheime
Besonders die Ablehnung der klassischen Schulform, deren Methoden, Inhalte und vor allem ihrer Philosophie waren Gründe für Lietz einen ganz neuen Schultypus zu entwickeln.
Lietz kritisierte zivilisations- und gesellschaftskritische Einstellungen. Nach seiner Meinung fehle es den Jugendlichen zunehmend an Sorgsamkeit, körperlicher Tauglichkeit, Erbarmen, und sie verfallen zunehmend der Selbstsucht. (vgl. http://www.member.uni-oldenburg.de/wilhelm.topsch/reformerprojekt/ 2landschulheime_1.html, 20.08.2004) Auch der Erziehungswert der Familie wurde von Lietz und seinen Nachfolgern stark in Frage gestellt. Die Familie könne den Jugendlichen nicht den nötigen Freiraum geben, den sie bräuchten und die Erziehung durch die Familie wäre unzulänglich. In ihr würden die Jugendlichen zur Selbstzufriedenheit erzogen und bekämen einen zu individualistischen Charakter. (vgl. http://www.member.uni-oldenburg.de/wilhelm.topsch/reformerprojekt/ 2landschulheime_1.html, 20.08.2004)
Als besondere zivilisatorische Gefahrenquelle stellte Lietz das Leben in Großstädten dar, welches besonders das moderne industrialisierte Leben widerspiegelte. So gründete Lietz seine Landerziehungsheime meist weit abseits von Großstädten. Sie vereinigten Schule und Internat, sodass die Schüler vor schädigenden Einflüssen der Umwelt, Politik, Kirche und Gesellschaft geschützt werden konnten.
Das Landerziehungsheim entsprach einer Lebensgemeinschaft, in der die Schüler neben den schulischen Aufgaben auch ihr Zusammenleben organisieren mussten.
Der von Lietz stammende Begriff "Landerziehungsheim" gibt eine erste Deutung der Besonderheit dieser Schulen:
1. sie liegen außerhalb der Städte,
2. die Erziehungsaufgabe steht im Vordergrund,
3. sie waren Internate, die sich ausdrücklich als Heim-Schulen betrachteten.
Das erste Landerziehungsheim (LEH) wurde von ihm 1898 auf dem Landgut Pulvermühle in der Nähe von Ilsenburg im Harz eröffnet, 1901 ein weiteres in der Nähe von Hildburghausen in Thüringen und 1904 das LEH in Schloß Bieberstein an der Rhön. (vgl. http://www.member.uni-oldenburg.de/wilhelm.topsch/reformerprojekt/ 2landschulheime_1.html, 20.08.2004)
Für die Gründung der Landerziehungsheime war ebenenfalls die „Rückkehr zur Natur“ entscheidender Leitgedanke. In Verbundenheit zur Natur sollten die Schüler zu einer natürlich-enthaltsamen Lebensweise in ihren inneren Anlagen erzogen werden. (vgl. Borst 1997, 294)
Dazu waren gärtnerische, landwirtschaftliche Arbeit, sowie die körperliche und handwerkliche Arbeit im Allgemeinen, integrale Bestandteile einer pädagogischen Erziehung. Die körperliche Arbeit sollte einen Ausgleich zu der rein geistigen Arbeit bilden und „[…] ihr lag auch ein soziales Motiv zugrunde. Denn nur wer selbst die Erfahrung der körperlichen Arbeit gemacht hat, wäre nach Lietz dazu in der Lage, körperlich arbeitende Menschen zu achten und zu respektieren.[…]“ (http://www.member.uni-oldenburg.de/wilhelm.topsch/reformerprojekt/ 2landschulheime_1.html, 20.08.2004)
Bei der Gründung des ersten Landschulheimes ließ sich Lietz bewusst von den Lehren Platons, Goethes und Fichtes (den Aufruf Fichtes zur Koedukation, übersah Lietz einfach) leiten. (vgl. Schwerdt 2002, 55) Im Kaiserreich konnte sich neben den Lietz’schen LEH’s nur wenige andere LEH’s etablieren. Erst nach dem Ersten Weltkrieg erfuhr die Landerziehungsheimbewegung enormen Zuwachs. (vgl. Schwerdt 2002, 55)
Sowohl die Lietz’schen als auch später gegründete LEH’s waren hauptsächlich dem Bürgertum vorbehalten, da sie immer in privater Trägerschaft waren. Trotz der Einrichtung von Unterstützungsfonds, waren nur sehr wohlhabende Eltern in der Lage, die hohen Schul- und Pensionsgelder aufzubringen. (vgl. Schwerdt 2002, 56) Für das Bürgertum war das in den Landerziehungsheimen praktizierte Elitebewußtsein besonders attraktiv und anziehend. Auf Grund der hohen Kosten konnten jedoch nur vergleichsweise wenige Schüler LEH’s besuchen, was die Außenwirkung der LEH-Pädagogik beschränkte und heute noch beschränkt.
2.3 Konzepte
Die gesamte Erziehung zielte auf eine ganzheitliche Persönlichkeitsentwicklung und das Erwerben von Lebenskompetenz ab. Dies konnte nicht nur mit Wissensvermittlung geschehen, sondern vor allem durch ein gemeinschaftliches Leben und Lernen. (vgl. www.lietz-schulen.de/ident.html, 20.08.2004)
Das Prinzip der Gemeinschaftserziehung war oberstes Ziel in den Landerziehungsheimen. Das heißt, die Schüler sollten nicht von den Lehrern erzogen oder beeinflusst werden, sondern sollten sich gegenseitig fördern und fordern und so, zu frei denkenden und handelnden Menschen werden.
[...]
- Arbeit zitieren
- Nicole Mösch (Autor:in), 2004, Landerziehungsheime - Von der Entstehung zur heutigen Praxis, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/79079
-
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen.