Globalisierung und Weltgesellschaft, diese Begriffe geistern nun schon seit geraumer Zeit durch die sozialwissenschaftlichen Debatten, doch bleiben sie oft vage und entziehen sich mit Beharrlichkeit einer konsensfähigen Definition. Insbesondere die Disziplin der Internationalen Beziehungen, die als konstitutiv Zuständig für "grenzüberschreitende und globale Prozesse" gilt, tut sich scheinbar schwer damit diese Begriffe theoretisch einzubetten. Doch inwieweit ist die traditionell staatszentrierte theoretische Brille des Fachs - ein Erbe des Realismus - dafür verantwortlich?
Die Habilitationsschrift von Mathias Albert soll nach eigenem Verständnis die "interdisziplinäre Globalisierungsforschung in einen übergreifenden und für ihre Ergebnisse anschlussfähigen Theoriekontext" stellen. Dabei dient die moderne Systemtheorie von Niklas Luhmann als gesellschaftstheoretischer Rahmen.
Albert stellt fest, "dass sich die [...] konkurrierenden (Groß-) Theorien des internationalen Systems als weitgehend untauglich erwiesen haben, mit der Qualität und Mächtigkeit von Prozessen umzugehen, die die strukturierende Wirkung nationalstaatlicher Grenzen in Frage stellen" . Die Untersuchung des Autors knüpft dabei insofern an sein Vorwerk "Fallen der (Welt-) Ordnung" an, als sie versucht die Grenzen der dominanten Großtheorien der Disziplin der Internationalen Beziehungen aufzuzeigen, und sie um neue Perspektiven zu bereichern. Dazu konzentriert er sich vor allem auf zwei Themen, welche gegenwärtige weltgesellschaftliche Prozesse aufzeigen, die sich jenseits des Primats der "territorialen Differenzierung" der Nationalstaaten abspielen, nämlich die Herausbildung transnationaler Migrationsgemeinschaften, und die Ausdifferenzierung des Rechtssystems auf internationaler Ebene am Beispiel der lex mercantoria. Doch Albert stellt im Rahmen seiner Arbeit nicht nur exemplarisch dar dass sich das traditionelle Konzept von Territorialität wandelt, sondern beschreibt auch (mithilfe systemtheoretischer Konzepte) wie sich diese Wandlung vollzieht, und auf welche Weise globale Steuerung trotz des schwindenden Einflusses der Nationalstaaten auf weltweite gesellschaftliche Prozesse möglich ist. Der Schlüssel dafür sind für ihn die verschiedenen Formen von internationalen Institutionen. Damit öffnet die Untersuchung von Mathias Albert auch neue Perspektiven auf die ins Stocken geratene Debatte um Global Governance.
[...]
Globalisierung und Weltgesellschaft, diese Begriffe geistern nun schon seit geraumer Zeit durch die sozialwissenschaftlichen Debatten, doch bleiben sie oft vage und entziehen sich mit Beharrlichkeit einer konsensfähigen Definition. Insbesondere die Disziplin der Internationalen Beziehungen, die als konstitutiv Zuständig für „grenzüberschreitende und globale Prozesse“[1] gilt, tut sich scheinbar schwer damit diese Begriffe theoretisch einzubetten. Doch inwieweit ist die traditionell staatszentrierte theoretische Brille des Fachs – ein Erbe des Realismus – dafür verantwortlich?
Die Habilitationsschrift von Mathias Albert soll nach eigenem Verständnis die „interdisziplinäre Globalisierungsforschung in einen übergreifenden und für ihre Ergebnisse anschlussfähigen Theoriekontext“[2] stellen. Dabei dient die moderne Systemtheorie von Niklas Luhmann als gesellschaftstheoretischer Rahmen.
Albert stellt fest, „dass sich die [...] konkurrierenden (Groß-) Theorien des internationalen Systems als weitgehend untauglich erwiesen haben, mit der Qualität und Mächtigkeit von Prozessen umzugehen, die die strukturierende Wirkung nationalstaatlicher Grenzen in Frage stellen“[3]. Die Untersuchung des Autors knüpft dabei insofern an sein Vorwerk „Fallen der (Welt-) Ordnung“ an, als sie versucht die Grenzen der dominanten Großtheorien der Disziplin der Internationalen Beziehungen aufzuzeigen, und sie um neue Perspektiven zu bereichern.[4] Dazu konzentriert er sich vor allem auf zwei Themen, welche gegenwärtige weltgesellschaftliche Prozesse aufzeigen, die sich jenseits des Primats der „territorialen Differenzierung“[5] der Nationalstaaten abspielen, nämlich die Herausbildung transnationaler Migrationsgemeinschaften, und die Ausdifferenzierung des Rechtssystems auf internationaler Ebene am Beispiel der lex mercantoria. Doch Albert stellt im Rahmen seiner Arbeit nicht nur exemplarisch dar dass sich das traditionelle Konzept von Territorialität wandelt, sondern beschreibt auch (mithilfe systemtheoretischer Konzepte) wie sich diese Wandlung vollzieht, und auf welche Weise globale Steuerung trotz des schwindenden Einflusses der Nationalstaaten auf weltweite gesellschaftliche Prozesse möglich ist. Der Schlüssel dafür sind für ihn die verschiedenen Formen von internationalen Institutionen. Damit öffnet die Untersuchung von Mathias Albert auch neue Perspektiven auf die ins Stocken geratene Debatte um Global Governance.
Bevor Albert sich der Analyse dieser Themen widmet, kritisiert er das eingeschränkte Bild von Staat und Gesellschaft in den Internationalen Beziehungen. Er zeigt auf, inwiefern „über das gesamte Spektrum der Disziplin“ die Denkfigur von Gesellschaft als „normativ integrierter Totalität“[6] – verankert in den Grenzen des Nationalstaats – zu finden ist. Diesem klassischen Gesellschaftsbild stellt er das systemtheoretische Konzept der Weltgesellschaft gegenüber, das zum einen ohne die Bedingung der normativen Integration auskommt, und zum anderen mit einem globalen Verständnis von Gesellschaft operiert.
Zur näheren Erläuterung dieses Konzepts liefert Albert im Anschluss einen Exkurs über die Grundideen der modernen Systemtheorie luhmannscher Prägung.
Luhmann stützt seine Gesellschaftstheorie vorrangig auf das Paradigma der Autopoiesis geschlossener Systeme, dass auf den Arbeiten des chilenischen Neurophysiologen Humberto Maturana aufbaut. Als autopoietisch werden dabei solche Systeme bezeichnet, die zur Produktion und Reproduktion ihrer eigenen Elemente imstande sind (z.B. Körperzellen). Luhmann überträgt dieses biologische Paradigma auf die Ebene des Sozialen.[7]
Bei sozialen Systeme, die im Rahmen der Systemtheorie von psychischen Systemen, also menschlichen Individuen, zu trennen sind, fungiert dabei sinnhafte Kommunikation als konstituierende Elementareinheit, d.h. soziale Systeme bestehen ausschließlich aus einem Netzwerk aufeinander bezogener Kommunikation.
Autopoiesis setzt dabei keinesfalls die vollständige Autonomie des Systems von seiner Umwelt voraus, so kann Kommunikation selbstverständlich nur stattfinden, wenn auch psychische Systeme existieren, und diese sind natürlich wiederum an die Existenz einer biologischen Umwelt gebunden. Das ändert aber nichts daran, dass Kommunikation ausschließlich auf Kommunikation bezogen ist. Diese operative Geschlossenheit ist für Luhmann der entscheidende Punkt bei seinem Konzept der Autopoiesis sozialer Systeme.[8]
Als umfassendes soziales System, welches alle anderen sozialen Systeme beinhaltet, bezeichnet Luhmann die Gesellschaft, die von ihm deswegen als Welt gesellschaft verstanden wird, da durch „die Vollentdeckung des Erdballs als einer abgeschlossenen Sphäre sinnhafter Kommunikation“[9] keine generellen Grenzen für Kommunikation mehr existieren.
[...]
[1] Albert, 2002, S.2
[2] ebd., S.3
[3] ebd., S.1
[4] Albert, 1996
[5] Albert, 2002, S.9
[6] ebd., S.12
[7] Morel, 1997
[8] Zur Kritik der Gleichsetzung von operativer Geschlossenheit und Autopoiesis, siehe Carsten; 1994
[9] Luhmann, Niklas; 1997; S.148
- Arbeit zitieren
- Sascha Dickel (Autor:in), 2002, Jenseits der territorialen Differenzierung - Perspektiven der systemtheoretischen Gesellschaftstheorie auf den Zustand des internationalen Systems, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/7904
-
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen.