Zuvorderst werde ich mich an einem Sekundärtext orientieren, der auf einzigartige Weise das Denken Foucaults rezerpiert – Deleuze’ Foucault-Schrift. Deshalb sollen in erster Näherung die wichtigsten Passagen aus dem Primärtext Foucaults, die Archäologie des Wissens von 1969, angeführt werden bezüglich den diskursiven Einheiten und die sich durch sie bildenden Formationen.
In der Gefahr für die Philosophie bzw. die Ideen- und Wissenschaftsgeschichte, die gerade von ihren mannigfaltigen Rändern zu anderen Diskursen, vor allem zur Literatur, ausgeht, sieht Foucault in Von der Subversion des Wissens gerade ihr Rettendes, durch das sie ihr Sprechen wieder in den Griff bekommen kann. Macht erlangt der philosophische Diskurs danach nur zurück, wenn er sich selbst im subversiven Niemandsland der epistemologischen Löcher ansiedelt: „Und in diesem Verschwinden des philosophischen Subjekts bewegt sich die philosophische Sprache wie in einem Labyrinth.“ (Foucault 1987, 45.)
Die Aussagen einer diskursiven Formation werden geformt durch die auf derselben Ebene angesiedelten Regeln des Übergangs, d. h. der Variation zwischen verschieden Diskursen. Eine solche Formung erfolgt vor allem intuitiv oder assoziativ und ist gleichsam Ursache der diskursiven Streuung und Heterogenität einer Aussagenfamilie. Die Intuition und Assoziation faltet demnach Aussagen regelhaft im Raum der Verknappung und macht sie interdiskursiv, das heißt, jenseits von Sätzen und Propositionen eines Diskurses ausdrücklich wiederholbar. Eine interdiskursive Aussage ist mannigfaltig.
Nunmehr hast du getan, was du nicht getan hast, ist geschrieben, was du nicht geschrieben hast: du bist verurteilt, unauslöschlich zu sein.
Blanchot, Von Kafka zu Kafka.
Zuvorderst werde ich mich an einem Sekundärtext orientieren, der auf einzigartige Weise das Denken Foucaults rezerpiert – Deleuze’ Foucault-Schrift. Deshalb sollen in erster Näherung die wichtigsten Passagen aus dem Primärtext Foucaults, die Archäologie des Wissens von 1969, angeführt werden bezüglich den diskursiven Einheiten und die sich durch sie bildenden Formationen:
Die Einheiten [Einheitlichkeiten] des Diskurses. Das Benutzen der Begriffe von Diskontinuität, Bruch, Schwelle, Grenze, Serie, Transformation stellt jeder historischen Analyse nicht nur Fragen des Vorgehens, sondern theoretische Probleme. […] Kann man ohne weiteres die Unterscheidung der großen Diskurstypen oder jene der Formen oder der Gattungen zugeben, die Wissenschaft, Literatur, Philosophie, Religion, Geschichte, Fiktion usw. in Opposition zueinander stellen […]? Aber vor allem sind die Einheiten, die man unentschieden lassen muß […] jene des Buches und des Werks. [… Sie sind in das] System der Verweise auf andere Bücher, andere Texte, andere Sätze verfangen: ein Knoten in einem Netz. [… Es gibt die] Gesamtheit aller Effektiven Aussagen (ob sie gesprochen oder geschrieben worden sind) […], eine Fülle von Ereignissen im Raum des Diskurses im allgemeinen. [… Es gibt] Beziehungen der Aussagen Untereinander (selbst wenn diese Beziehungen dem Bewußtsein des Autors entgehen; selbst wenn es sich um Aussagen handelt, die nicht den gleichen Autor haben; selbst wenn diese Autoren einander nicht kennen); Beziehungen zwischen so aufgestellten Gruppen von Aussagen (selbst wenn diese Gruppen nicht die gleichen Gebiete oder benachbarte Gebiete treffen; selbst wenn sie nicht das gleiche Formale Niveau); […] Den [Ereignis-]Raum in seiner Reinheit erscheinen zu lassen, in dem sich die diskursiven Ereignisse entfalten, heißt […] in ihm, und außerhalb seiner, Spiele von Beziehungen zu beschreiben.
Die diskursiven Formationen. [… Es gibt] die Hartnäckigkeit der Themen [z. B. Die Pathologie des Wahnsinns oder die Evolution]. […] Die Idee der Evolution ist vielleicht in ihrer allgemeinsten Formulierung dieselbe bei Benoît de Maillet, Bordeu oder Diderot und bei Darwin; […]. Könnte man nicht eher die Verstreuung der zur Wahl stehenden Punkte [des Ereignis-Raums von Aussagen] auffinden und […] von jeder thematischen Bevorzugung ein Feld [denk-] strategischer Möglichkeiten definieren [vgl. Foucaults Diagramm auf der letzten Seite], […] um Aussagemengen zu individualisieren? […] In dem Fall, wo man in einer bestimmten Zahl von Aussagen ein ähnliches System der Streuung beschreiben könnte, in dem Fall, in dem man bei den [zu bedenkenden] Objekten, den Typen der Äußerungen [wie Logik, Analogie, Metaphorik, Polemik, Poesie usw.], den Begriffen, den thematischen Entscheidungen [des Herbeizitierens anderer Diskurse] eine Regelmäßigkeit definieren könnte, wird man übereinstimmend sagen, daß man es mit einer diskursiven Formation zu tun hat, [… und nicht] Wissenschaft, Ideologie, Theorie oder Objektivitätsbereich.[1]
In der Gefahr für die Philosophie bzw. die Ideen- und Wissenschaftsgeschichte, die gerade von ihren mannigfaltigen Rändern zu anderen Diskursen, vor allem zur Literatur, ausgeht, sieht Foucault in Von der Subversion des Wissens gerade ihr Rettendes, durch das sie ihr Sprechen wieder in den Griff bekommen kann. Macht erlangt der philosophische Diskurs danach nur zurück, wenn er sich selbst im subversiven Niemandsland der epistemologischen Löcher ansiedelt: „Und in diesem Verschwinden des philosophischen Subjekts bewegt sich die philosophische Sprache wie in einem Labyrinth.“[2] Somit sichert sich Foucault gegenüber dem Leser Nietzscheanisch ab, als ein der Ordnung des Diskurses und der Archäologie dieser Wissen produzierenden Ordnung unterworfenes Subjekt (subiectus): „Nein, nein, ich bin nicht da, wo ihr mich vermutet, sondern ich stehe hier, von wo aus ich euch lachend ansehe.“[3]
Das genannte Labyrinth archiviert Spuren, die das als Autor zeichnende Subjekt aus sich entlassen. Es ist der diskursive Rand der Ordnung der Dinge als je topologische Dopplung, an dem sich das Innen des philosophischen Diskurses durch das Falten des interdiskursiven, fiktionalen und des nicht philosophischen Außen bildet. Foucaults Aufmerksamkeit richtet sich weder auf die Suche nach der Realität des Wortes oder der Dinge, die immer schon der symbolischen Ordnung des Signifikanten unterworfen ist, noch auf die logische und semantische Analyse von Sätzen und Propositionen. Auf dem Höhepunkt seiner hermetischen Abstraktheit erschafft Foucault mit dem Begriff der diskursiven Formation ein topologisch anschauliches Epistem für die unter jeder symbolischen Ordnung liegenden Wissensfelder und Denkmuster assoziativer Aussagen im unübersichtlichen Spiel der Diskurse.[4] Wenn ein Diskurs ein Teil einer geregelten Wissensproduktion, d. h. eine bestimmbare Menge von Aussagen ist, dann bedeutet diskursive Formation eine topologische Relation von Aussagen oder Aussagenfamilie, die zwar interdiskursiv sein kann, aber dennoch historisch determiniert bleibt. Eine solche Vorstellung ersetzt dann gewissermaßen die Begriffe Ideologie oder Wissenschaft und wird von Foucault als Regelmäßigkeit in der Streuung von Aussagen beschrieben.[5] Innerhalb des Diskurses muß dann das syntaktisch Ausdrückbare und das tatsächlich auch Gesagte nicht das gleiche sein. Jede Aussage für sich ist verschwommen und undeutlich. Erst das mit symbolischen Mitteln mögliche Ziehen einer Linie durch das interdiskursive Feld ordnet eine Anzahl von assoziativen Aussagen in Aussagenfamilien, d. h. diskursiven Formationen.
Deleuze’ Exegese beschreibt Foucault als neuen Archivar von jenen Aussagenfamilien oder Feldern, bestehend aus der vertikalen Hierarchie von allgemein formierten Propositionen und dem horizontalen Nebeneinander von historisch etablierten Sätzen. Scheinbare Widersprüche von Sätzen entstehen in diesen Feldern nur durch ihre positive Distanz zueinander. Eine Aussage selbst ist somit ihrer Natur nach epistemologisch kürzer als ihre je diskursiv nötige Anzahl von Sätzen und Propositionen. Topologisch beschreibt eine Aussage eine Diagonale, in der Sätze erst beweglich und neu lesbar werden, was durch die Sätze allein nicht möglich sein kann. Im Raum dieser Verknappung spricht die Aussage zusätzlich ein anderes Selbes mit aus. Dieses Andere, und das ist das Entscheidende, obliegt den gleichen Regeln, wie die zu seiner Formation gehörenden Diskurse, d. h. es trägt ähnliche Differenzen in sich:
[...]
[1] Foucault 1981, 33 bis 45 und 48 bis 58.
[2] Foucault 1987, 45.
[3] Foucault 1981, 31. Foucault meint keinen geringen als Zarathustra: „Eins aber weiß ich, ― von dir selber lernte ich’s einst, o Zarathustra: Wer am gründlichsten töten will, der lacht.“ (Nietzsche 1954, 550).
[4] Vgl. Deleuze 1987, 24.
[5] Vgl. Foucault 1981, 58.
- Arbeit zitieren
- Dr. des. Robert Dennhardt (Autor:in), 2003, Foucaults ordentliche Unterwerfung des Diskurses, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/79016
-
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen.