Seit dem 1. März 2000 gehören die Staffeln der Fernsehsendung Big Brother (zukünftig abgekürzt als BB) zum festen Bestandteil des Fernsehprogramms in Deutschland. Gerade hat die Ausstrahlung der siebten Staffel begonnen (Anfang Februar).
In Anlehnung an den Roman „1984“ von George Orwell, in dem die Bewohner Ozeaniens permanent durch „den großen Bruder“ überwacht werden, entstand Ende der 90er Jahre die Idee, eine Reihe gecasteter Kandidaten für einen bestimmten Zeitraum rund um die Uhr in einer von der Außenwelt abgeschlossenen Wohnumgebung zu beobachten. Der Zuschauer hat mit Hilfe der verwendeten Kameras und Mikrophone die Möglichkeit, die Kandidaten in ihrer Wohnwelt zu verfolgen. Der Kontakt zur Außenwelt wird streng reguliert. Ein redaktionell aufgestellter Regelkatalog für die Bewohner gibt Richtlinien für „korrektes und strafbares Verhalten“ vor. Durch die zusätzliche Reglementierung der Lebensumstände nach dem Grundsatz „back to the basics“ (Mikos et al. 2000) ist den Bewohnern die Mitnahme persönlicher Gegenstände nur bedingt erlaubt. Technische Geräte (z. B. Telefon, PC, TV) sowie sämtliche Printmedien sind aufgrund der gewünschten Interaktionen aus Sicht der Produzenten kontraproduktiv und daher untersagt.
Neben den Alltagshandlungen werden den Kandidaten Einzel- und Gruppenaufgaben gestellt, deren erfolgreiche Erfüllung Vergünstigungen in Aussicht stellt. Eine weitere Pflicht ist das tägliche „Staten“ im Sprechzimmer. Hier werden Erlebnisse des Tages oder Gedankengänge von den Bewohnern selbst vor einer Kamera geschildert. Der produzierende Sender überträgt allabendlich eine einstündige Tageszusammenfassung.
1. Einleitung
Seit dem 1. März 2000 gehören die Staffeln der Fernsehsendung Big Brother (zukünftig abgekürzt als BB) zum festen Bestandteil des Fernsehprogramms in Deutschland. Gerade hat die Ausstrahlung der siebten Staffel begonnen (Anfang Februar).
In Anlehnung an den Roman „1984“ von George Orwell, in dem die Bewohner Ozeaniens permanent durch „den großen Bruder“ überwacht werden, entstand Ende der 90er Jahre die Idee, eine Reihe gecasteter Kandidaten für einen bestimmten Zeitraum rund um die Uhr in einer von der Außenwelt abgeschlossenen Wohnumgebung zu beobachten. Der Zuschauer hat mit Hilfe der verwendeten Kameras und Mikrophone die Möglichkeit, die Kandidaten in ihrer Wohnwelt zu verfolgen. Der Kontakt zur Außenwelt wird streng reguliert. Ein redaktionell aufgestellter Regelkatalog für die Bewohner gibt Richtlinien für „korrektes und strafbares Verhalten“ vor. Durch die zusätzliche Reglementierung der Lebensumstände nach dem Grundsatz „back to the basics“ (Mikos et al. 2000) ist den Bewohnern die Mitnahme persönlicher Gegenstände nur bedingt erlaubt. Technische Geräte (z. B. Telefon, PC, TV) sowie sämtliche Printmedien sind aufgrund der gewünschten Interaktionen aus Sicht der Produzenten kontraproduktiv und daher untersagt.
Neben den Alltagshandlungen werden den Kandidaten Einzel- und Gruppenaufgaben gestellt, deren erfolgreiche Erfüllung Vergünstigungen in Aussicht stellt. Eine weitere Pflicht ist das tägliche „Staten“ im Sprechzimmer. Hier werden Erlebnisse des Tages oder Gedankengänge von den Bewohnern selbst vor einer Kamera geschildert. Der produzierende Sender überträgt allabendlich eine einstündige Tageszusammenfassung.
Die am Wochenende ausgestrahlte BB Show beinhaltet Live- Aufzeichnungen des Geschehens in der Wohnwelt. Der wichtigste Bestandteil ist aber die Berichterstattung über die Nominierung (Auswahl eines/er Kandidaten/in zum Auszug). Die Zuschauer entscheiden per Telefonvoting zusammen mit den Bewohnern, die ihrerseits eine Nominierung vornehmen, über den Auszug. Am Ende jeder Staffel wird in Folge der Nominierungsprozesse ein Gewinner ermittelt, der eine beträchtliche Gewinnsumme erhält.
Der Erfolg des Formats kann vermutlich mit dem Authentizitätsversprechen gegenüber den Zuschauern begründet werden. Dem Fernsehpublikum „normale Menschen“ zu präsentieren, liegt dem Konzept als Grundgedanke in allen Staffeln zugrunde. Bei einer genaueren, kritischen Betrachtungsweise des Formates stellen sich jedoch einige Fragen: Wo liegen die fiktionalen und nichtfiktionalen Momente dieses Formates und ist das, was wir sehen, wirklich wahr? Es geht um die kritische Betrachtung des tatsächlichen Verhältnisses von Authentizität (Nichtfiktion) und Fiktion. Dieses soll im Rahmen dieser Arbeit untersucht werden.
Nichtfiktionale Elemente bzw. Authentizität
Ein ausschlaggebender Aspekt für den Eindruck von Authentizität bei BB sind die teilnehmenden Kandidaten. Sie werden mit Hilfe von Castings von der Produktion ausgewählt und können als „Menschen wie du und ich“ (Mikos et al 2000) beschrieben werden.
Des Weiteren ziehen die Kandidaten gemeinsam in eine Wohnumgebung, welche der einer WG gleicht. Die Wohnverhältnisse und möglicherweise auch das Zusammenleben in einer WG sind Motive, die die Zuschauer aus ihrem Alltagsleben kennen. Auch die alltägliche Interaktion der Kandidaten sowie die Verrichtung des Haushalts spiegeln die Alltagswirklichkeit wider (Mikos et al 2000). Die dem Format eigene Darstellungsweise animiert den Zuschauer, die Verhaltensweisen der Kandidaten zu beobachten und diese im Hinblick auf Annehmbarkeit und Anwendbarkeit für das eigene Leben zu beurteilen.
Im Gegensatz zu einer fiktionalen Serie gibt es bei BB kein Drehbuch, keine festgelegten Rollen. Die primäre Aufgabe der Kandidaten ist die Interaktion mit den anderen Bewohnern. Es geht darum, sich „miteinander zu verhalten“ (Mikos et al 2000). Es ist sehr wahrscheinlich, dass es aufgrund der Länge des Aufenthaltes zu „unwillkürlichen“ Darstellungen kommt. Besonders Kontrollverluste (Übergeben aufgrund erhöhten Alkoholkonsums) und Gefühlsausbrüche in Form von Lachen, Weinen oder Wutausbrüchen sind dazu prädestiniert, als authentisch wahrgenommen zu werden. Der Eindruck von "Echtheit" basiert hier auf der Tatsache, dass es sich bei den BB-Kandidaten nicht um professionelle Schauspieler, sondern um Laien handelt, die lediglich alltägliche Kompetenzen zur Darstellung ihrer selbst haben. Somit wird von Zuschauerseite her angenommen, dass es sich um ungestellte Situationen, Reaktionen usw. handelt. Gerade die unvorhersehbaren Gefühlsausbrüche der Teilnehmer unterstreichen die Authentizität des Formates und machen den besonderen Reiz für das Publikum aus.
Außerdem sind weitere, fest in das Regelwerk von BB integrierte Bestandteile Ausdruck (scheinbarer) Wirklichkeit. So übernimmt die Redaktion Darstellungsweisen aus dokumentarischen Formaten. Ein besonders markantes Beispiel hierfür ist das tägliche „Staten“ im Sprechzimmer. Dabei wird eine Face-to-face-Kommunikation simuliert (Mikos et al 2000), wie sie aus Interviewsequenzen in Nachrichten oder Dokumentationen bekannt ist. Der Zuschauer empfindet die Darstellung so, als ob er dem Kandidaten direkt gegenüber säße und eine Kommunikation stattfände. Das ist allerdings eine Illusion. Der Kandidat spricht scheinbar mit dem Zuschauer, aber der Zuschauer kann nicht mit dem Kandidaten sprechen. Es entsteht also eine „Als-ob-Beziehung“ (Mikos et al 2000), die Kommunikation ist einseitig. Aufgrund dieser vermeintlichen Relation zu den Kandidaten kann das Publikum vermehrt Sympathie, Antipathie und Empathie empfinden.
Darüber hinaus sind es die Wochenaufgaben, die in ihrer Thematik oftmals einen Bezug zur Alltagswelt herstellen. Es wird z.B. Allgemeinwissen abgefragt, etwas Neues gelernt oder eine sportliche Leistung gefordert. Derartige Tätigkeiten lassen sich auf den Alltag der Zuschauer übertragen und scheinen somit wie „direkt aus dem Leben“ gegriffen.
In der wöchentlich ausgestrahlten BB Show, kann das Publikum via Live-Schaltung das Geschehen im Haus zeitgleich mitverfolgen. Dieser Live-Charakter beinhaltet den Aspekt des spannungsreichen „Nicht-Vorhersehbaren“. Im Unterschied zu komplett inszenierten Serien, bei denen der Zuschauer ebenfalls nichts über den Fortgang der Ereignisse weiß, kommt hier hinzu, dass echte Konsequenzen für die Kandidaten herbeigeführt werden können. Diese Live-Schaltungen im Rahmen der Show sind einerseits als dokumentarisch einzustufen, denn der Zuschauer nimmt hier an einer weitgehend unaufbereiteten Situation teil, andererseits kommen auch diese Bilder nicht ganz ohne redaktionellen Eingriff aus. Alle Bewohner müssen sich während der gesamten Sendung an einem vorgegebenen Ort aufhalten. Ihre Ungewissheit über den weiteren Verlauf spiegelt sich im Verhalten der wartenden Gruppe wider. Die Zuschauer können durch ihre Stimmabgabe direkt in das Geschehen der Sendung eingreifen und erfahren ihren Einfluss als reell und ausschlaggebend.
Die Authentizität des Formats wird außerdem dadurch erreicht, dass die einzelnen Folgen durch das Strukturelement der Serialität an den Alltag der Zuschauer angepasst werden. Das Einschalten erfolgt als tägliches Ritual in der Alltagswirklichkeit. Serialität gekoppelt mit „Live-Charakter“ lässt einen Eindruck von Gleichzeitigkeit im Leben der Zuschauer und dem der Kandidaten entstehen. Unterstützt wird dieser Effekt bei BB in der allabendlichen Tageszusammenfassung, indem man die Bewohner morgens beim Aufstehen und abends beim Zubettgehen beobachten kann. Hickethier (1991) verweist in diesem Kontext auf die „Doppelstruktur“ der Serienform. Einerseits sei sie durch Endlosigkeit gekennzeichnet, andererseits seien die einzelnen Folgen in kleinere dramaturgische Einheiten (Anfang, Mitte, Ende) gebündelt.
Fiktionale Elemente des Formats
Wie im vorherigen Abschnitt erläutert, stellt der WG-Charakter einen Bezug zur reellen Lebenswelt dar. Bei genauerer Betrachtung wird jedoch deutlich, dass die Wohnsituation hoch artifiziell ist. Die Bewohner befinden sich schließlich in einer extra für die Sendung kreierten, künstlich entstandenen Wohnumgebung, fern ihres alltäglichen Lebens. Das Zusammenleben findet auf engstem Raum statt. Der Aufbau des Wohnraumes bestimmt und beschränkt das Leben der Bewohner erheblich. Hier beginnt die Inszenierung. Die Reglementierung von Gebrauchs- und Konsumgütern gemäß "back to the basics" wirkt sich auf den erzählerischen Rahmen aus. Häuslichkeit und die Verrichtung täglicher Arbeiten werden zum Hauptbestandteil des Lebens bei BB. Diese sind allerdings lediglich authentische Momente in einer inszenierten Welt.
Durch die Begrenztheit der Schauplätze wird ein Erzählrahmen geschaffen, welcher Ausgeherlebnisse ausschließt. Bei der Staffel 6 finden sich hier allerdings einige Ausnahmen (Guiseppe wurde z.B. auf eine Reise geschickt). Diese „Ausflüge“ wurden als Belohnungen deklariert, durften aber jeweils nur von einem einzelnen Bewohner angetreten werden. Auch die persönlichen Challenges fanden meist außerhalb des BB Dorfes statt. Man könnte schlussfolgern, dass diese außergewöhnlichen Ereignisse von der Redaktion aufgenommen wurden, um interessantere, spannendere Elemente für die Zuschauer zu entwickeln.
Ein weiteres künstliches Element im Alltag der Bewohner sind die von der Regie gestellten „Wochenaufgaben“. Sie werden redaktionell in die „BB-Welt“ integriert. Es sind keine natürlich entstandenen, unwillkürlichen Handlungen sondern „quasi - Regieanweisungen“ (Mikos et al 2000), die wie ein Drehbuch eine wichtige Rolle bei der Steuerung der gruppendynamischen Prozesse übernehmen. Die Aufgaben erfordern Zusammen- und Einzelarbeit der Kandidaten. Durch die Vorgabe der Regie, wer mit wem spielen soll oder die Art der Aufgabe, kann Einfluss auf die Beziehungskonstellationen ausgeübt werden. Folglich lassen sich die Wochenaufgaben als Inszenierungsmittel zum Zweck der Spannungssteigerung einordnen. Sie sind Teil der Dramatisierung.
Obwohl es kein Drehbuch für die BB Staffeln und somit keine vorgegebenen Rollen für die Kandidaten gibt, werden die Kandidaten doch durch das vorangehende Casting in bestimmte Rollen eingeordnet und die Auswahl der Bewohner gewinnt an erzählerischer Bedeutung. Die Tatsache, dass sich die Kandidaten nicht kennen, lässt gewisse Erzählinhalte (Kennenlernen, Anbahnung zwischenmenschlicher Beziehungen) erwarten. Außerdem werden möglichst kontrastive Persönlichkeiten seitens der Produktion ausgewählt, z.B. traf der „Adelsvertreter“ Parsifal in Staffel 6 auf das „Nackt-Modell“ Danni. Solche Typisierungen werden besonders in den kurzen Videoclips zum Ausdruck gebracht, die den Zuschauern vor dem Einzug eine erste Vorstellung von den Kandidaten vermitteln sollen. In einem Clip stellen sich die Kandidaten selbst vor und kommunizieren mit der Kamera, scheinbar mit dem Zuschauer. Persönliche Eigenschaften, Vorlieben, Hobbys und Beruf werden thematisiert. Aus dem vorhandenen Videomaterial entwickelt die Redaktion einen Trailer, der individuell auf jeden Kandidaten zugeschnitten ist. Durch die dabei eingesetzten Effekte (Musik, Ellipsen usw.) werden bestimmte Merkmale besonders fokussiert. Es werden „Typen“ konstruiert, die in ihrer Gegensätzlichkeit zu den anderen Kandidaten ein besonderes Potenzial an Spannung beinhalten. So werden die Akteure nicht mehr als Individuen dargestellt, sondern als „Figuren“ mit bestimmten narrativen Funktionen inszeniert (Mikos et al 2000). Durch die Typisierung und die wenig komplexe Darstellung der Charaktere kann sich das Publikum mit den Bewohnern identifizieren oder sich von ihnen distanzieren. Die redaktionell intendierten Typisierungen wurden z.T. im Verlauf der Staffeln von den Bewohnern selbst gebrochen (Die Kandidatin Jana in der ersten Staffel, die als Telefonsexanbieterin vorgestellt wurde, fiel z.B. eher durch biedere Ansichten auf).
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- Citation du texte
- Lena Wandschneider (Auteur), 2007, Das Verhältnis von Fiktion und Nichtfiktion in der Serie Big Brother, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78924
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