Sprache ist nicht homogen, sondern tritt in spezifischen Ausformungen auf. Diese bezeichnet man als Varietäten. Mit Hilfe von sog. Varietätenmodellen versucht man die verschiedenen sprachlichen Sonderungen in systematischer Weise nach bestimmten Kriterien und Merkmalen einzuordnen und zu erfassen. Aber welche Kriterien gelten für Varietäten und was macht eine Varietät aus?
Um diese Frage soll es anhand des Beispiels der Sondersprache „Rotwelsch“, der alten Sprache der Gauner, Bettler und des fahrenden Volkes, in dieser Arbeit gehen. Zunächst wird dazu der Begriff „Varietät“ genau definiert werden, um für ein Grundverständnis zu sorgen. Daraufhin wird der Terminus „Sondersprache“ ebenfalls mittels seiner Merkmale charakterisiert.
Das Rotwelsch soll in seiner Entstehung, seinen strukturellen und sozialen Merkmalen beschrieben und erklärt werden. In dem folgenden Analyseteil wird das Gruppenspezifische Varietätenmodell nach Dieter Möhn herangezogen. Es soll geprüft werden, wie sich das Rotwelsch und seine charakteristischen Merkmale in das Modell einordnen lassen, d.h. es geht darum festzustellen, was das Modell leistet und worin seine Schwächen liegen.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Definition des Begriffes Varietät
2. Sondersprachen- eine Form der sprachlichen Variation
3. Rotwelsch – eine Sondersprache
4. Analyse
4.1 Das Varietätenmodell nach Dieter Möhn
4.2 Einordnung des Rotwelsch in das Varietätenmodell nach Möhn
Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Einleitung
Sprache ist nicht homogen, sondern tritt in spezifischen Ausformungen auf. Diese bezeichnet man als Varietäten. Mit Hilfe von sog. Varietätenmodellen versucht man die verschiedenen sprachlichen Sonderungen in systematischer Weise nach bestimmten Kriterien und Merkmalen einzuordnen und zu erfassen. Aber welche Kriterien gelten für Varietäten und was macht eine Varietät aus?
Um diese Frage soll es anhand des Beispiels der Sondersprache „Rotwelsch“, der alten Sprache der Gauner, Bettler und des fahrenden Volkes, in dieser Arbeit gehen. Zunächst wird dazu der Begriff „Varietät“ genau definiert werden, um für ein Grundverständnis zu sorgen. Daraufhin wird der Terminus „Sondersprache“ ebenfalls mittels seiner Merkmale charakterisiert. Das Rotwelsch soll in seiner Entstehung, seinen strukturellen und sozialen Merkmalen beschrieben und erklärt werden. In dem folgenden Analyseteil wird das Gruppenspezifische Varietätenmodell nach Dieter Möhn herangezogen. Es soll geprüft werden, wie sich das Rotwelsch und seine charakteristischen Merkmale in das Modell einordnen lassen, d.h. es geht darum festzustellen, was das Modell leistet und worin seine Schwächen liegen.
1. Definition des Begriffes Varietät
Der Begriff der Varietät entstammt der Soziolinguistik, die sich mit dem Wechselverhältnis von Sozialstruktur und Sprachstruktur beschäftigt. Es handelt sich um einen generellen Oberbegriff, der frei von jeder Wertung ist und zur Erfassung der sprachlichen Heterogenität einer Einzelsprache verwendet wird. Varietäten werden somit als Differenzierungen in der Gemein- oder Gesamtsprache betrachtet. Bei ihrer Definition[1]werden neben formalen sprachlichen Merkmalen auch Merkmale der sozialen Gruppen und die Gebrauchssituation in Betracht gezogen. Eine sprachliche Variation wird dadurch ausgezeichnet, „dass gewisse Realisierungsformen des Sprachsystems in vorhersehbarer Weise mit gewissen sozialen und funktionalen Merkmalen kookkurrieren“[2]. Sobald eine Anzahl von bestimmten sprachlichen Variablen, z.B. Realisierungen gewisser Formen, zusammen mit einer Menge von Merkmalen vorkommen, die die Sprecher und/oder die Gebrauchssituation kennzeichnen, kann man von einersprachlichen Varietätsprechen.
Die Übergänge zwischen Varietäten sind meist schwer festzulegen. Das Problem liegt darin begründet, dass es unklar ist, wie viele und welche Typen von sprachlichen Merkmalen nötig sind, um von einer eigenständigen Varietät sprechen zu können. Reicht es z.B. aus, nur ein einziges Merkmal in Betracht zu ziehen? Weiterhin sind die sozialen und situationsspezifischen Merkmale äußerst breit gefächert, so dass es schwierig ist, die Unterschiede eindeutig abzugrenzen und zu benennen.
Sprachliche Variation kann auf phonetisch-phonologischer, lexikalisch-semantischer und auf grammatisch-syntaktischer Ebene beobachtet und beschrieben werden[3]. Auf der phonologischen Ebene sind die spezifischen Merkmale durch An- oder Abwesenheit von bestimmten Phonemen gekennzeichnet. Phonetisch können Allophone ein und desselben Phonems unterschiedlich realisiert werden. Das Lexikon, d.h. der verwendete Wortschatz, spielt eine entscheidende Rolle bei der Charakterisierung von Varietäten.
Sprachliche Variation äußert sich auf mehreren Ebenen und ist in eine mehrdimensionale personale, räumliche, historische, soziale und situative Matrix eingebunden.
Die Einflussgrößen der Variation sind Zeit, Raum, soziale Schicht und soziale Situation. Weitere, spezifischere Faktoren, wie z.B. Beruf und Einkommen, Geschlecht, Religion und Ausbildung können mit in Betracht gezogen werden, um eine genauere Klassifikation vornehmen zu können. Gemäß den oben genannten Haupteinflussgrößen (Zeit, Raum, soziale Schicht und soziale Situation) werden vier große Klassen von sprachlichen Varietäten anerkannt: diachronische (historische Betrachtungsweise), diatopische (räumliche Betrachtungsweise), diastratische (Betrachtung der soziokulturellen Schichten) und diaphasische (Betrachtung der situationell bedingten Typen von Ausdrucksmöglichkeiten). Allgemeiner ausgedrückt spricht man von geographischen, sozialen bzw. situationalen (oder funktional-kontextuellen) Varietäten[4].
Berruto beschreibt im HandbuchSoziolinguistik( 1987: 263) das ‚der vortheoretisch beobachtenden allgemeinen Erfahrung bekannt sei, dass eine und dieselbe Sprache verschieden gesprochen ( und z.T. geschrieben ) werde, in Abhängigkeit von Sprecher, Umstand, Zeit und Ort, oder allgemeiner, von den spezifischen sozialen Bedingungen, in denen sie verwendet werde. Jede dieser verschiedenen Spielarten, in denen eine historisch-natürliche Sprache in Erscheinung trete, könne man zweckmäßigerweise mit dem Namen Varietät bezeichnen’[5].
Varietäten werden als Systeme erworben und stehen ihren Sprechern als kognitive Wissensbestände zur Verfügung, müssen aber in Abhängigkeit von Situation und Interaktion nicht zwingender Maßen verwendet werden[6].
Im Folgenden soll es nun darum gehen, eine ausgewählte Varietät vorzustellen, und zwar die der „Sondersprache“. Ihre spezifische Merkmale sowie ihre Funktion sollen deutlich gemacht werden.
2. Sondersprachen - eine Form der sprachlichen Variation
Der Begriff „Sondersprache“[7]bezeichnet im weitesten Sinne alle sprachlichen Sonderformen, die gruppenspezifischen, berufs- und fachspezifischen sowie altersspezifischen Sprachvarianten. Im engeren Sinne versteht man unter Sondersprachen die rein gruppenspezifischen bzw. sozial bedingten Sonderformen, z.B. die Sprache des Sports, die verschiedenen Arten des Jargons (Studenten, Schauspieler, Journalisten, Ärzte u.a.), die verhüllenden Sondersprachen (Rotwelsch bzw. Gauner- und Dirnensprache). Die sprachliche Sonderung lässt sich v.a. auf dem Gebiet des Wortschatzes feststellen (Sonderwortschatz). Sondersprachen weisen außerdem bestimmte Merkmale auf, wie z.B. eine überschaubare Mitgliederanzahl, einen besonderen Wortschatz, einen gemeinsamen Normenvorrat der Sprecher, sowie ein besonderes Ausdrucksbedürfnis.
Eine Interaktionsgemeinschaft bildet die Basis für die Entstehung von Sondersprachen Die Kenntnis der Sprache ist später Voraussetzung für die Zugehörigkeit zu dieser. Die gruppeneigene Sprachentfaltung und die soziale Verfestigung stehen in einem Wechselverhältnis. Die spezifische Sprache ermöglicht die Identifikation mit der Gruppe und die Bindung an diese. Durch die Stärkung des Gruppengefühls entwickelt sich eine größere Distanz zu weiteren Gruppen und der Gesamtgesellschaft.
Ein charakteristisches Merkmal für die Sprecher einer Sondersprache ist der seltene gesellschaftliche Kontakt und die gruppeninterne Sicht der Umwelt. Ähnliche Lebensbedingungen, z.B. das Leben als gesellschaftlicher Außenseiter, können je nach Gruppenaktivität und gesellschaftlicher Integration dazu führen, dass die Sprecher Informationen gezielt vor Außenstehenden verhüllen wollen. Eine Sondersprache kann somit z.B. die Funktion der Geheimhaltung erfüllen, aber auch andere Motivationen wie Abschirmung, Sachorientierung, Gruppenorientierung oder Integration können zur Entstehung und zum Gebrauch einer Sondersprache führen. Die sprachliche Solidarität wird durch den Grad der Absonderung bestimmt: je mehr es um Außenseitertum und Abgrenzung geht, desto höher der Anteil an sprachlichen Sonderungen. Ein Sprachteilhaber kann Ausdrucksmöglichkeiten nur einer Gruppe benutzen, oder aber auch an verschiedenen Gruppen und deren Ausdrucksmöglichkeiten teilhaben.
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[1]Ammon, Ulrich; Dittmar, Norbert; Mattheier, Klaus J. (Hrsg.): Sociolinguistics/Soziolinguistik.AnInternational Handbook of the Science of Language and Society/ Ein internationales Handbuch zur Wissenschaftvon Sprache und Gesellschaft. (Berlin, New York 1987/88), S. 263-267
[2]ebd. S.264
[3]Lewandowski, Theodor:Linguistisches Wörterbuch3(Heidelberg; Wiesbaden 1994)
[4]Ammon, Ulrich; Dittmar, Norbert; Mattheier, Klaus J. (Hrsg.): Sociolinguistics/Soziolinguistik.AnInternational Handbook of the Science of Language and Society/ Ein internationales Handbuch zur Wissenschaftvon Sprache und Gesellschaft. S 266
[5]Dittmar, Norbert:Grundlagen der Soziolinguistik- Ein Arbeitsbuch mit Aufgaben, (Tübingen, 1997), S. 173
[6]Dittmar, Norbert:Grundlagen der Soziolinguistik- Ein Arbeitsbuch mit Aufgaben, (Tübingen, 1997), S. 173-180
[7]Lewandowski, Theodor:Linguistisches Wörterbuch3(Heidelberg; Wiesbaden 1994)
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- Lena Wandschneider (Author), 2003, Rotwelsch, eine sprachliche Varietät?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78919
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