Der Name Michelangelo Buonarotti steht seit Jahrhunderten für künstlerische Genialität in Bildhauerei, Malerei und Architektur. Dass die Poesie ebenso ein künstlerisches Betätigungsfeld Michelangelos war, wird jedoch kaum beachtet. Zeit seines Lebens hat er Gedichte, Sonette und Madrigale geschrieben. Sie sind, wie auch seine Briefe an Familie, Bekannte und Auftraggeber, literarische Zeugnisse eines Genies über verschiedenste Themen. In seinen Sonetten für Vittoria Colonna und Tommaso Cavalieri schreibt Michelangelo über Liebe, Kunst und Gott. Dahin¬gegen sind seine Briefe an Vater und Brüder gekennzeichnet durch Beschreibungen seiner alltäglichen Probleme und seltenen Freuden. Wieder andere Gedichte an Bekannte oder Auftraggeber wie Papst Julius II. geben Aufschluss über Michelangelos leidensvolle Schaffensprozesse und seine Auffassung über Mäzene, Künstler und deren wechselhafte und wechselseitige Beziehung. In der vorliegenden Arbeit möchte ich mich auf die letzteren Themenfelder konzentrieren.
Diese wenig beachteten und doch aufschlussreichen literarischen Werke Michelangelos sollen in der vorliegenden Arbeit analysiert und zuvor in ihren historischen Kontext gestellt werden. Hierbei ist von Interesse, wie Michelangelo sich selbst sah. War er ein normaler Hofkünstler, oder eher deren Wegbereiter in eine souveränere Stellung des Künstlers in der Gesell¬schaft? Wie war Michelangelos Verhältnis zu seinen Förderern und wie drückt sich dies in seinen Gedichten bzw. auch in seinen Biographien aus? Der folgende Text versucht Antworten auf diese Fragen zu finden, um das allgemeine Bild, welches wir von Michelangelo besitzen um ein spezielleres zu erweitern.
Inhalt
I. 1. Einleitung
II. Michelangelos Vita
III. Michelangelo als Hofkünstler
A. Michelangelo und die Medici
B. Michelangelo und die Stadt Florenz
C. Michelangelo und die Päpste
D. Michelangelo und andere Künstler
E. Michelangelo und die Allgemeinheit
IV. Michelangelos Gedichte im Kontext seines Gesamtwerks
A. Michelangelos Leidensprozess
B. Michelangelo als Renaissancekünstler
C. Michelangelo und Papst Julius II.
V. Konklusion
VI. Bibliographie
I. 1. Einleitung
Der Name Michelangelo Buonarotti steht seit Jahrhunderten für künstlerische Genialität in Bildhauerei, Malerei und Architektur. Dass die Poesie ebenso ein künstlerisches Betätigungsfeld Michelangelos war, wird jedoch kaum beachtet. Zeit seines Lebens hat er Gedichte, Sonette und Madrigale geschrieben. Sie sind, wie auch seine Briefe an Familie, Bekannte und Auftraggeber, literarische Zeugnisse eines Genies über verschiedenste Themen. In seinen Sonetten für Vittoria Colonna und Tommaso Cavalieri schreibt Michelangelo über Liebe, Kunst und Gott. Dahingegen sind seine Briefe an Vater und Brüder gekennzeichnet durch Beschreibungen seiner alltäglichen Probleme und seltenen Freuden. Wieder andere Gedichte an Bekannte oder Auftraggeber wie Papst Julius II. geben Aufschluss über Michelangelos leidenvolle Schaffensprozesse und seine Auffassung über Mäzene, Künstler und deren wechselhafte und wechselseitige Beziehung. In der vorliegenden Arbeit möchte ich mich auf die letzteren Themenfelder konzentrieren. Diese wenig beachteten und doch aufschlussreichen literarischen Werke Michelangelos sollen in der vorliegenden Arbeit analysiert und zuvor in ihren historischen Kontext gestellt werden. Hierbei ist von Interesse, wie Michelangelo sich selbst sah. War er ein normaler Hofkünstler, oder eher deren Wegbereiter in eine souveränere Stellung des Künstlers in der Gesellschaft? Wie war Michelangelos Verhältnis zu seinen Förderern und wie drückt sich dies in seinen Gedichten bzw. auch in seinen Biographien aus? Der folgende Text versucht Antworten auf diese Fragen zu finden, um das allgemeine Bild, welches wir von Michelangelo besitzen um ein spezielleres zu erweitern.
Ausgehend von der These, dass Michelangelo als Ausnahmekünstler der Renaissance über die ständischen Grenzen des Hofkünstlers hinausging, was sich in seinen literarischen Werken widerspiegelt, ist es nötig zu verstehen, wie Michelangelo sich selbst als Künstler verstand, aber auch wie seine Mäzene ihn sahen.
Dafür ist ein kurzer historischer Abriss von Michelangelos Vita unablässig. Anschließend soll das wechselseitige Verhältnis zwischen Künstler, Kunstwerk und Kunstförderer beleuchtet werden. Die Frage, welche Rolle die Höfe und Mäzene allgemein für Künstler, sowie die Medici und Päpste speziell für Michelangelo bedeuteten, soll zur Text- bzw. Gedichtanalyse hinleiten. Hermeneutisch soll Martin Warnkes Konzept des Hofkünstlers in diesem Teil der Arbeit auf Michelangelos Leben und Werk angewandt werden.[1] Die Analyse verschiedener Gedichte Michelangelos soll auf den zuvor erläuterten zeitgenössischen Kontext hin untersucht und abschließend in der Konklusion zusammengefasst werden.
II. Michelangelos Vita
Michelagniolo di Lodovico Buonarroti Simoni[2] wurde am 6. März 1475 als zweitältester von fünf Söhnen in Caprese, einem kleinen toskanischen Ort nahe Arezzo geboren. Sein Vater Lodovico di Lionardo di Buonarotti Simoni war bis kurz nach Michelangelos Geburt Bürgermeister von Caprese. Die Familie Buonarotti kehrte nach der beendeten Amtszeit in ihre Heimat Florenz zurück und Michelangelo wurde zu einer Amme auf ein familieneigenes Anwesen nach Settignano geschickt, wo er seine ersten Lebensjahre verbrachte. Schon hier beginnt die Mythenbildung und Selbststilisierung von Michelangelo, der, wie seine zeitgenössischen Biographen Asciano Condivi[3] und Giorgio Vasari[4] ihn zitieren, die Bildhauerei mit der Ammenmilch eingesogen haben soll, denn diese war selbst Tochter eines Steinmetz’ und mit einem solchen verheiratet.[5] Der Kunstwissenschaftler Daniel Kupper konstatiert, dass man Condivis Biographie de facto als eine Autobiographie von Michelangelo lesen kann, da dieser Condivi in seinem Schreiben so beeinflusste, dass die Biographie die Sicht des Künstlers auf sich selbst widerspiegelt.[6]
1482, ein Jahr nach dem frühen Tod der Mutter, schickte Lodovico seinen Sohn Michelangelo auf die Lateinschule von Francesco da Urbini, die ihn auf seine Beamtenlaufbahn vorbereiten sollte. Jedoch führte Michelangelos Interesse an Kunst und Bildhauerei ihn zur „bottega“, einem Handwerksbetrieb der Gebrüder Ghirlandaio, in den ihn sein Vater 1488 nur widerwillig in die Lehre schickte. Talent und Ehrgeiz des jungen Michelangelo sprengten die Grenzen des alltäglichen Werkstattbetriebs, denn er verließ diese vor Ablauf des Lehrvertrages und kam in Kontakt mit der florentinischen Kaufhandelsfamilie Medici, deren Mäzenatentum den Weg für die Renaissance bereitete.[7]
Michelangelos musische Fähigkeiten wurden zuerst von Lorenzo – il magnifico – de’ Medici entdeckt und gefördert. Mit Unterbrechungen lernte Michelangelo in den Jahren 1490 bis 1496 die Kunst der Bildhauerei im Skulpturengarten der Familie Medici. In dieser Zeit machte er sich mit seinem künstlerischen Schaffen einen Namen, was ihm unter anderem Aufträge in Rom einbrachte. Im Jahre 1501 kehrte Michelangelo nach Florenz zurück, um dortigen Aufträgen nachzukommen, darunter sein David. Wiederum fünf Jahre später rief Papst Julius II. Michelangelo nach Rom, denn der Ausnahmekünstler sollte für ihn das Julius-Grabmahl und andere Werke anfertigen. Immer wieder auftretende Differenzen zwischen dem Pontifex und dem Künstler belasteten deren Beziehung sehr. Trotz alledem begann Michelangelo 1508 die Fresken der Sixtinischen Kapelle, deren Fertigstellung bis kurz vor dem Tod Julius’ II. im Jahr 1512 andauerte.[8]
In den Folgejahren wurden weitere Verträge über das Julius-Grabmahl geschlossen, was Michelangelo in seiner Arbeit an den dafür vorgesehenen Skulpturen sehr belastete.[9] Parallel arbeitete er ebenfalls an Grabmälern für die Medici, wodurch er ein Florenz, durch politische Unruhen zerrüttet, direkt miterlebte. Nach Jahren der Flucht und Rückkehr verließ Michelangelo 1534 Florenz, ohne es je wiederzusehen. Inzwischen lernte er den römischen adligen Tommaso Cavalieri kennen und entwickelte ein inniges Verhältnis zu ihm, was sich in zahlreichen Briefen, Sonetten, sowie Skizzen, die Michelangelo ihm schickte, äußerte. 1534 beauftragte Papst Paul III. Michelangelo mit dem Jüngsten Gericht in der Sixtinischen Kapelle und gab ihm darin immer mehr künstlerische Freiheit sowie Verantwortung. Wenige Jahre später lernte Michelangelo Vittoria Colonna, die Markgräfin von Pescara, kennen und tauschte, wie auch mit Cavalieri, Gedanken Zeichnungen und Gedichte aus.
Nach Jahrzehnten voller Streitigkeiten und neuer Verträge vollendete Michelangelo das Julius-Grabmahl im Jahr 1545. Kurz darauf erkrankte er schwer, gesundete und wurde von Papst Paul III. zum obersten Baumeister des neu entstehenden Petersdoms ernannt. Obwohl Michelangelo die Architektur nicht als sein Fach bezeichnete, sollte er das Amt des obersten Architekten trotz andauernder Anfeindungen anderer Künstler lebenslang innehaben. Bis zu seinem Tode am 18. Februar 1564 arbeitete Michelangelo an diversen Skulpturen, von denen die meisten Werke jedoch unvollendet blieben. Gemäß Michelangelos letztem Wunsch auf dem Sterbebett wurde er in seiner Heimatstadt Florenz begraben. Die Beisetzung in der Kirche Santa Croce sowie die Abreise aus Rom mussten in aller Heimlichkeit geschehen, da Papst Pius IV. ihn lieber in St. Peter hätte begraben gesehen.
Michelangelos Leben mit seinem Genius, Geist und Gefühl findet sich in der Poesie seiner Schriften wieder. Seine Gedichte und Briefe behandelten neben Diskursen über Liebe, Kunst und Gott auch seine existenziellen Sorgen und Nöte als Künstler, sei es die den Körper schindende Arbeit oder die schwierige Beziehung zu seinen Auftraggebern. Es gilt die beiden letzteren in seinen Schriften im textanalytischen Teil wiederzufinden und zu kontrastieren. Zunächst jedoch soll Michelangelo methodisch auf Warnkes Konzept des Hofkünstlers – in Bezug auf Hof, Mäzenatentum und andere Künstler – hin untersucht werden, da dies ein hermeneutischer Schlüssel zu Michelangelos Poesie ist.
III. Michelangelo als Hofkünstler
Nach Martin Warnke konnte der Hofkünstler erst zu seiner besonderen gesellschaftlichen Stellung gelangen, weil sich das Klima für Künstler in den Hofstaaten Italiens änderte. Wurde Bildhauerei und Malerei im Mittelalter noch als Handwerk verstanden, setzte sich zu Beginn der Renaissance die Überzeugung zu Hofe durch, dass die Kunst eine Wissenschaft für sich war. Dies läge zum einen an dem konkurrierenden Repräsentationsstreben der Adelsfamilien und Städte, die durch die von ihnen geförderten Künstler und Kunstwerke sich selbst zu definieren suchten, zum anderen aber auch an dem immer stärker durch humanistische Werte geprägtem Selbstverständnis des Künstlers, dem, statt einer Zunft anzugehören, höchste Privilegien zugestanden wurden.[10] Nur dadurch, so Warnke, hätte sich das ständeüberwindende Bewusstsein für akademische Kunst als eine höhere Wissenschaft sowie die Idee vom Künstler als Genie entwickeln können, was schließlich den Hofkünstler zum Vorläufer des modernen Künstlers macht.[11]
Michelangelos Leben zu Hofe zeigt einerseits die Figur des Hofkünstlers, andererseits aber auch den ungewöhnlichen Ausnahmekünstler. Die Unabhängigkeit und Freiheit eines Renaissancekünstlers sowie das schwierige Verhältnis zu seinen Auftraggebern vereinen sich in der Person Michelangelo. In seinem Falle zählten zu seinen Bestellern [12] Mäzene, wie die Medici-Familie, Städte, wie Florenz, aber auch etliche Päpste. Michelangelos Verhältnis zu seinen Förderern ist höchst unterschiedlich, teilweise sogar widersprüchlich. In seinem Handeln und Schreiben manifestieren sich diese Künstler-Förderer-Beziehungen, jede auf ihre individuelle Art und Weise. Deshalb sollen im folgenden Abschnitt die drei Hauptauftraggeber Michelangelos historisch in Relation zu ihm aufgezeigt und erklärt werden.
[...]
[1] Warnke, M. (1985). Hofkünstler: Zur Vorgeschichte des modernen Künstlers. Köln, DuMont.
[2] Im Folgenden als Michelangelo bezeichnet.
[3] Condivi, A. (1970). Das Leben des Michelangelo Buonarotti. Osnabrück, Zeller.
[4] Vasari, G. (1996). Das Leben von Lionardo da Vinci, Raffael von Urbino und Michelagnolo Buonarotti. Stuttgart, Reclam.
[5] Condivi, A. (1970). Das Leben des Michelangelo Buonarotti, 9.
[6] Kupper, D. (2004) Michelangelo. Hamburg, Rohwolt, 18.
[7] In der bottega der Gebrüder Ghirlandaio erlernte Michelangelo die Grundtechniken der Fresco-Malerei.
[8] Vgl. Kupper, D. (2004) Michelangelo.
[9] Vgl. Verspohl F. (2004). Michelangelo Buonarroti und Papst Julius II. : Moses - Heerführer, Gesetzgeber, Musenlenker. Göttingen, Wallstein.
[10] Warnke, M. (1985). Hofkünstler: Zur Vorgeschichte des modernen Künstlers, 10, 11, 26.
[11] Nennstiel, A. (2003). War Leonardo da Vinci ein Hofkünstler?. Berlin, Humboldt Universität. Schmid-Isler, S. (2004). Kunst der Gegenwart – ein Leitfaden. St. Gallen, Universität St. Gallen, 13. Warnke, M. (1985). Hofkünstler: Zur Vorgeschichte des modernen Künstlers, 10.
[12] Zitiert in Ibid. 10.
- Citation du texte
- Paul Vierkant (Auteur), 2007, Michelangelo, ein bloßer Hofkünstler? Eine kritische Sicht auf Michelangelos Rime, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78766
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