Die Alexander Mutter Olympias tritt in der einschlägigen Forschungsliteratur fast immer als Nebenfigur in Erscheinung. Die Definition eines Diadochen, wie sie z.B. Gehrke aufstellt, begründet diese Diskrepanz nicht hinreichend: „ Mindestens duldete man [als Diadoche, A.K.] nicht die Herrschaft eines anderen über sich (und mit diesem Grundsatz kann man geradezu definieren wer Diadoche war und wer nicht)“ .
Kann Olympias also auch als Diadochin bezeichnet werden? Diese Frage steht im Zentrum der vorliegenden Hausarbeit: Es wird analysiert, wie ihre Rolle im Kampf um die Nachfolge Alexanders bei Diodor beschrieben wird. Agierte sie aktiv, oder wurde über ihr Schicksal von anderen entschieden? Funktionierte sie als ‚Marionette’ oder verfolgte sie eigene machtpolitische Interessen? Wenn ja, welche waren das? Strebte sie nach einem Teil der Macht, oder wollte sie die Herrschaft über das ganze Reich? War Olympias eine Diadochin oder war sie keine?
Inhalt
I.1. Einleitung
I.2. Zur Problematik des Forschungsstandes und der Quellen
II. Hauptteil: Olympias Darstellung bei Diodor
II.1. Einfluß durch Briefe
II.2. Eroberung der Macht in Makedonien
II.3. ,Showdown’ in Pynada
III. Schluss und Ausblick
IV. Literaturverzeichnis
I.1. Einleitung
Es fiel Kasandros nicht leicht, Olympias zu beseitigen. Während er Aristonos, obwohl er „großes Ansehen genoß“[1], ohne (Gerichts-) Verhandlung ermorden ließ, fürchtete er den Einfluß der Alexander Mutter offenbar so sehr, dass er es nicht wagte, sie persönlich anzuklagen: „er veranlasste [...] die Angehörigen der durch Olympias Getöteten, in der allgemeinen makedonischen Versammlung Anklage gegen die vorgenannte Frau zu erheben“[2]. Während er also andere politische Gegner ohne Skrupel ermordete, scheute er davor zurück, offen als Henker der Alexander Mutter in Erscheinung zu treten. Und selbst als das Todesurteil gegen Olympias gefällt war, zögerte er, seine Vollstreckung anzuordnen. Olympias sollte auf einer fingierten Flucht sterben, „mahnten ihn doch zugleich Olympias´ hohes Ansehen wie auch der Wankelmut der Makedonen zur Vorsicht“[3]. Als sich Olympias weigerte, das Fluchtangebot anzunehmen, fürchtete Kasandros um den Erhalt seiner Macht: Das Volk könnte sich, wenn Olympias die Gelegenheit zur Verteidigung erhielte, „der Wohltaten Philipps und Alexanders gegenüber dem ganzen Volke“[4] erinnern und zu Alexanders Mutter als Personifizierung der alten Zeit überlaufen.
Kasandros entschloß sich, dass es das kleinere Übel sei, der Mörder einer toten Alexander Mutter zu sein als einer lebenden gegenüberzustehen, und sandte nicht einen, sondern 200 ‚Killer’, „ für ein solch Unternehmen besonders geeignete“[5] Männer, um die Frau zu ermorden. Wie gerechtfertigt Kasandros’ Furcht vor dem Einfluß Olympias war, beweist das Verhalten dieser Profi-Schlächter, die allesamt, als sie „Olympias sahen, … Scheu vor ihrem hohen Rang“ bekamen und „unverrichteter Dinge“[6] wieder abzogen. Olympias’ Stellung erwies sich als mächtiger als der Mordauftrag Kasandros’, der auf die ‚Gefälligkeit’ der Angehörigen von Olympias’ Opfern angewiesen war, um die Kontrahentin schließlich doch noch töten zu lassen.
Zugespitzter als in der Darstellung der Probleme eines Siegers, eine Frau töten zu lassen in einer Zeit, in der ein Menschenleben nicht viel galt, konnte Diodor den Einfluss und die Macht der Alexander Mutter zum Zeitpunkt ihres Todes nicht beschreiben. Sie wird im Stil eines Nachrufes beschrieben als eine Frau, „welche die höchste Würde unter den Frauen ihrer Zeit bekleidete“[7] und, nachdem sie den Kampf um die Macht verloren hatte, ohne eine „unwürdige, weibische Bitte“[8] wie ein Mann in den Tod ging, eine Frau, vor der die Nachfolger Alexanders Angst haben mussten. Olympias erscheint in dem Kapitel, in dem ihr Ende beschrieben wird, wie eine ebenbürtige Konkurrentin des Kasandros, eine Diadochin, die auf eigene Rechnung versucht, ihre Macht im zerfallenen Alexander Reich zu festigen und zu erweitern.
Seltsamerweise tritt Olympias in der einschlägigen Forschungsliteratur fast immer als Nebenfigur in Erscheinung. Die Definition eines Diadochen, wie sie z.B. Gehrke aufstellt, begründet diese Diskrepanz nicht hinreichend: „ Mindestens duldete man [als Diadoche, A.K.] nicht die Herrschaft eines anderen über sich (und mit diesem Grundsatz kann man geradezu definieren wer Diadoche war und wer nicht)“[9].
Kann Olympias also auch als Diadochin bezeichnet werden? Diese Frage will die Hausarbeit untersuchen: Es soll analysiert werden, wie ihre Rolle im Kampf um die Nachfolge Alexanders bei Diodor beschrieben wird. Agierte sie aktiv, oder wurde über ihr Schicksal von anderen entschieden? Funktionierte sie als ‚Marionette’ wie die beiden Könige zur Festigung der Macht der Diadochen, oder verfolgte sie eigene machtpolitische Interessen? Wenn ja, welche sind das, strebte sie nach einem Teil der Macht, oder wollte sie die Herrschaft über das ganze Reich? War Olympias eine Diadochin oder war sie keine?
Die Geschichte der Verheiratung ihrer Tochter Kleopatra werde ich dabei aus zwei Gründen vernachlässigen: Zum einen taucht der Name Olympias in diesem Zusammenhang kein einziges Mal in der Darstellung Diodors auf, wobei angenommen werden kann, dass Kleopatra nicht auf eigene Rechnung Heiratsanträge versandte. Wichtiger ist jedoch die totale Erfolglosigkeit dieser Heiratspläne, die sowohl im Falle Leonnatos als auch im Falle Perdikkas in keiner Weise zu einer Machtfestigung oder Erweiterung des Einflusses der Alexander Mutter führten[10].
Relevant für diese Untersuchung ist die Darstellung der Ereignisse durch Diodor vom Tod des Antipatros bis zu Ermordung Olympias’, eben jenem Zeitraum der Diadochenzeit, in dem die Alexander Mutter immer wieder aktiv in den Kampf um die Nachfolge eingriff.
I.2. Zur Problematik des Forschungsstandes und der Quellen
Einen der letzten Versuche, speziell die Geschichte Olympias zu erforschen, unternahm Ernst Kornemann 1942[11]. Seine Darstellung verdeutlicht sehr gut die Problematik der Forschungsliteratur im Umgang mit der Alexander Mutter. Kornemann tendiert dazu, Olympias primär als ‚handelnde Frau’ zu betrachten und scheut nicht davor zurück, jahrtausende alte Stereotypen auf seinen Forschungsgegenstand zu projizieren, die er unmöglich aus den überlieferten Quellen rekonstruiert haben kann: „Sie ist durch ungemessenen Ehrgeiz und im Alter zunehmendes Streben, eine politische Rolle zu spielen, in einer fraulichen Vielgeschäftigkeit und brutalen Kompromisslosigkeit sondergleichen zum Bösen Dämon geworden, der das schon früh und oft mit Blut befleckte makedonische Königshaus zum Schauplatz furchtbarer Gräueltaten machte“[12] [Hervorhebung von A.K.]. Weder die lustvolle Ausmahlung der dionysischen Feste, auf denen Olympias angeblich „große, gezähmte Schlangen mit sich führte, die häufig den heiligen Körben entschlüpften und sich um die Tyrosstäbe und Kränze der Frauen herumwanden“[13], fehlt dieser Darstellung, noch der Vorwurf der besonderen Grausamkeit zu einer Zeit, in der brutalste Methoden des Machterhalts gewiss keine Seltenheit waren. Hinzu kommt eine vorwissenschaftliche Spekulation über die ‚Reinheit’ von Olympias’ Blut, die sicherlich durch das zeitliche Umfeld bedingt ist, aus dem Kornemanns Darstellung entstammt: „Die Angehörigen dieses epirotischen Hauptstammes haben immer behauptet, reinblütig zu sein, ob mit Recht, ist zweifelhaft… Je weniger echtes Hellenenblut aber in den Menschen der Randländer floss, desto stärker wurden die hellenische Sage und der Mythos bemüht, um den griechischen Ursprung vorzutäuschen“[14] [Hervorhebung von A.K.]. Waren derartige ‚Blut und Boden Untersuchungen’ ein Jahr vor dem Beginn der ‚Endlösung’ keine Seltenheit im nationalsozialistischen Deutschland, überrascht es umso mehr, dass auch Seibert noch 1972 eine „Untersuchung durch einen Medizinhistoriker“ anmahnt, um zu erklären, „welche Anlagen Alexanders auf die Erbmasse seiner Mutter zurückzuführen seien“[15]. Die Historiker der Neuzeit bewegen sich mit derartigen Spekulationen in guter Gesellschaft. Auch die Darstellung Olympias‚ bei Diodor ist gespickt mit Betrachtungen der Olympias als herrschende Frau, die wohl mehr über die Fantasiewelt des Wissenschaftlers aussagen, als über belastbare Erkenntnisse aus historischen Quellen.
Diese Hausarbeit folgt der Annahme Gehrkes, dass Olympias zwar „immer wieder Gegenstand von negativen Psychologisierungen, als ein bis zur Raserei leidenschaftliches, ja dämonisches Weib“ geworden ist, die Quellen aber in diesem Bereich „sehr anekdotenreich“ sind: „wie eng Alexanders Bindung an sie war, ist heute nicht mehr zu eruieren“[16] und ebenso wenig wohl, wie sehr sie von ‚spezifisch weiblichen’ Charaktereigenschaften getrieben war. Diese Hausarbeit will Olympias’ Handeln wertfrei nach seiner Wirksamkeit rekonstruieren und in Bezug setzen zu den Zielen und Erfolgen der (anderen) Diadochen.
Außerdem folgt diese Arbeit der Grundannahme, dass die Quellen des Diodors zum einen direkt auf Hieronymos zurückgehen und zum anderen dieser vertrauenswürdig ist, in Kenntnis der jahrzehntelangen quellenkritischen Debatte um den Wert des Diodor. Diese Hausarbeit kann diese Debatte nicht noch einmal ausführlich nachzeichnen[17] und vertraut der Darstellung Gehrkes, dass „insbesondere Diodors Bücher 18-20 direkt und vor allem auf ihm [Hieronymos] fußen“ sei eine „wohlbegründete Annahme der traditionellen Quellenforschung“. Und „jüngere Versuche, den Quellenwert des Hieronymus zu relativieren… sind nicht hinreichend begründet“[18] worden.
[...]
[1] Peter Wirth (Hrsg.), Diodoros. Griechische Weltgeschichte. Buch XVIII-XX. Übersetzung von Otto Veh, Stuttgart 2005, hier: 19.51.1. Im Folgenden werden für die Diodor - Zitate die Ordnungsnummern genannt.
[2] Ebd.
[3] 19.51.3.
[4] 19.51.4.
[5] Ebd.
[6] 19.51.5.
[7] 19.51.6.
[8] 19.51.4.
[9] Hans-Joachim Gehrke, Geschichte des Hellenismus, München 2003, S.32.
[10] Kleopatra wurde erst Leonnatos zur Heirat angeboten, der bevor er über das Angebot entscheiden konnte auf dem Schlachtfeld fiel. Perdikkas nahm zwar das Heiratsangebot schließlich an, wurde dann aber von Offizieren in seiner engsten Umgebung ermordet (vgl. Gehrke, Hellenismus, S. 34-35).
[11] Zum Forschungsstand: Jakob Seibert, Das Zeitalter der Diadochen, Darmstadt 1983, S.71.
[12] Ernst Kornemann, Große Frauen des Altertums: im Rahmen zweitausendjährigen Weltgeschehens, Leipzig 1942, S.85.
[13] Ebd., S.90.
[14] Ebd., S.79.
[15] Jakob Seibert, Alexander der Grosse, Darmstadt 1972, S.70-71.
[16] Gehrke, Hellenismus, S. 143.
[17] Zur Kritik an Diodor: z.B. Seibert, Diadochen, S.27-36.
[18] Gehrke, Hellenismus, S. 159.
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