Bei der Landesplanung verfolgt Brandenburg das Konzept der dezentralen Konzentration. Als Entwicklungskonzept für Brandenburg gedacht, soll es im Rahmen der gemeinsamen Landesplanung nun für einen Abbau der Disparitäten in der Region Berlin-Brandenburg sorgen. Kann dies funktionieren? Wie verhält sich dieses Konzept bei einer möglichen Länderfusion? Welche Vor- und Nachteile hat es? Könnte es sich als Königsweg bei der gemeinsamen Entwicklung des Raumes erweisen? Oder ist zu vermuten, dass es nicht auf die gesamte Region übertragbar ist und somit die Entwicklung in eine Sackgasse führt? Diese Fragen möchte ich in meiner Hausarbeit untersuchen und im Fazit einen Ausblick auf die zukünftige Entwicklung der Region wagen.
Gliederung
1 Einleitung
2 Die Entwicklung der Region bis 1989 - ein Überblick
3 Berlin und Brandenburg: Bundesländer mit unterschiedlichen Gegebenheiten
4 Exkurs in die Raum- und Landesplanung
5 Die Gemeinsame Landesplanung von Berlin und Brandenburg
6 Die Brandenburger Landesplanung: Das Leitbild der dezentralen Konzentration
7 Fazit
8 Abbildungen
9 Literatur
10 Internetquellen
1 Einleitung
Die Region Berlin-Brandenburg ist ein Raum mit großen räumlichen Unterschieden. Wie in kaum einer anderen Region Deutschlands prallen räumliche Disparitäten derart unvermittelt aufeinander, dass auch die Raum- und Landesplanung der beiden Bundesländer vor besondere Herausforderungen gestellt werden.
Nach der Wiedervereinigung Deutschlands stand die Region vor dem Problem, dass ein „hochentwickelter, marktwirtschaftlich funktionierender, durch bisherige Isolation strukturell jedoch deformierter Ballungskern (Berlin-West) mit einem ehemals zent- ralwirtschaftlich organisierten, durch Anpassungsdruck und -prozesse strukturell ex- trem geschwächten anderen Ballungskern (Berlin-Ost) raumorganisatorisch, poli- tisch, wirtschaftlich und sozial fusionieren musste. Dabei treffen beide gleichzeitig auf ein Umland, dass für marktwirtschaftlich entwickelte Ballungsräume unverhältnismä- ßig dünn besiedelt und für eine ausgewogene innerregionale Arbeitsteilung auch raumstrukturell zu schwach ist“1.
Ein weiteres Problem war die einsetzende Stadt-Umland-Entwicklung, welche, poli- tisch bedingt, zuvor so nicht möglich war. Gerade die voranschreitende Suburbani- sierung von Gewerbebetrieben und Wohnstandorten in den engeren Verflechtungs- raum Brandenburgs entwickelte sich zu einem Problem. Dieses tritt zwar in allen größeren Städten des Landes Brandenburg auf, doch besteht im Fall Berlin und Brandenburg eine besondere Schwierigkeit. Hier überschreitet die Suburbanisierung stets eine Landesgrenze. Probleme wie Zersiedelungserscheinungen im Umland, Verkehrsbelastungen und Bevölkerungsrückgänge in der Kernstadt müssen in enger Abstimmung der beiden Bundesländer gelöst werden. Vor allem auf administrativer und politischer Ebene ist dafür viel Kooperation und Kommunikation notwendig. Bei den unterschiedlichen Interessen und Zielen der Landesregierungen ist dies oft prob- lematisch. Länderübergreifende Raumordnungspolitik und Landesentwicklungspla- nung sind aber dennoch Voraussetzungen zur Lösung des Problems der Suburbani- sierung.
Bei der Landesplanung verfolgt Brandenburg das Konzept der dezentralen Konzent- ration. Als Entwicklungskonzept für Brandenburg gedacht, soll es im Rahmen der gemeinsamen Landesplanung nun für einen Abbau der Disparitäten in der Region Berlin-Brandenburg sorgen. Kann dies funktionieren? Wie verhält sich dieses Kon- zept bei einer möglichen Länderfusion? Welche Vor- und Nachteile hat es? Könnte es sich als Königsweg bei der gemeinsamen Entwicklung des Raumes erweisen? Oder ist zu vermuten, dass es nicht auf die gesamte Region übertragbar ist und so- mit die Entwicklung in eine Sackgasse führt? Diese Fragen möchte ich in meiner Hausarbeit untersuchen und im Fazit einen Ausblick auf die zukünftige Entwicklung der Region wagen.
2 Die Entwicklung der Region bis 1989 - ein Überblick
Über 700 Jahre war Berlin eine Stadt in der Mark bzw. Provinz Brandenburg, wo- durch klar wird, dass Berlin und die Region Brandenburg seit jeher historisch-kulturell miteinander verwoben sind. Erst mit dem Ausbau zur Residenz- und Hauptstadt be- gann die Stadt eine politische und wirtschaftliche Sonderstellung, nicht nur in der Region, einzunehmen. Die weitere Entwicklung beider Regionen blieb jedoch eng miteinander verbunden. Daher kann Berlin nicht auf eine Jahrhunderte lang gewach- sene Stadtstaat-Tradition wie beispielsweise die Hansestädte Bremen und Hamburg zurückblicken.
Für die Entwicklung der Region lässt sich eindeutig Berlin als deren Motor identifizie- ren. Die Stadt strahlt seither auf das Umland ab und führte dort zu positiven und ne- gativen Effekten. Dazu gehört die wirtschaftliche Entwicklung der Region, aber auch Stadterweiterungen auf Kosten Brandenburgs. So hatte zum Beispiel das Groß- Berlin-Gesetz von 1920 die Eingemeindung von acht Stadt- und 59 Landgemeinden, sowie 27 Gutsbezirken zur Folge. Für Berlin war damit nun eine übergeordnete städ- tische Planung möglich geworden, welche sich zunächst auf die innere Organisation des Stadtgebietes konzentrierte. Eine Zusammenarbeit über die Stadtgrenze hinweg fand nur punktuell statt.2
1929 kam es zur Gründung des Landesplanungsverbandes Brandenburg-Mitte. Dies war eine Reaktion auf Berlins Forderung nach weiteren Eingemeindungen. Ziel war es, die planmäßige wirtschaftliche Entwicklung des Landes (ohne Berlin) zu sichern.
In kurzer Zeit konnten wertvolle Landschaftsteile und landwirtschaftliche Böden der unkontrollierten Siedlungstätigkeit entzogen werden. Zu einer Zusammenarbeit mit Groß-Berlin kam es allerdings nicht, da der Verband ja eigens zu dem Zweck ge- gründet wurde, sich gegen die „Expansionsgelüste“ der Reichshauptstadt zu behaup- ten3.
Auch in der Zeit bis zum 2. Weltkrieg und in der Nachkriegszeit kam eine gemeinsame räumliche Planung über die ersten Anfänge kaum hinaus. Im geteilten Deutschland unterblieb sie gänzlich. Erst seit 1990 kann von einer intensiven Zusammenarbeit der beiden Regionen gesprochen werden.
Charakteristisch für die Entwicklung des Verdichtungsraums Berlin ist die sternförmi- ge Siedlungsstruktur der Stadt entlang der wichtigen Verkehrsachsen. Dies ist in Ab- bildung Abb.44 deutlich zu erkennen. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts hat sich der große Verdichtungsraum Berlin mit seiner Kernstadt und den radialen Siedlungsbän- dern stark ausgedehnt. Ein Beispiel dafür ist die Eisenbahnlinie von Berlin über Ber- nau, Eberswalde und Angermünde nach Stettin, welche 1843 in Betrieb genommen wurde. Der Ostseehafen hatte bis zum 2.Weltkrieg eine wichtige Versorgungsfunkti- on für die Stadt. Durch die Verkehrsachse war eine gute Verbindung nach Berlin ge- währleistet, so dass sich Bernau als Wohnort etablierte und sich in Eberswalde und Angermünde Industrie ansiedelte bzw. nach der Teilung Deutschlands aus politi- schen Gründen angesiedelt wurde.
Nach dem 2.Weltkrieg fiel Berlin, durch eine Vereinbarung der Siegermächte, von 1945 bis 1990 eine politische Sonderstellung als Stadtstaat zu. Ein weiterer Sonder- fall ergab sich durch die Teilung der Stadt und die Isolierung West-Berlins vom Um- land, wodurch eine Suburbanisierung unmöglich wurde. Die Verflechtungen Ost- Berlins mit dem Umland wurden weiterentwickelt und Potsdam als Zentrum Bran- denburgs ausgebaut. Durch den politisch-administrativen Staatsumbau in der DDR wurde 1952 das Territorium der DDR neu gegliedert. Dabei erfuhren auch die Kreise und Kommunen auf Brandenburger Gebiet eine Neuordnung. Sie gingen in den Be- zirk Potsdam auf und das Land Brandenburg existierte nicht mehr. Eine überbezirkli- che Planung zwischen Ost-Berlin und den Nachbarbezirken Potsdam und Frankfurt wurde kaum entwickelt5.
Mit dem Fall der Berliner Mauer und dem damit verbundenen Wegfall des Besat- zungsstatus 1990 entfiel der historische Existenzgrund Berlins als Stadtstaat. Zu ei- ner gemeinsamen Planung der Region Berlin-Brandenburg kam es vorerst jedoch nicht. Das Bundesland Brandenburg in den heutigen Grenzen wurde am 01. August 1992 gegründet. Durch eine Volksabstimmung am 06. Mai 1996 verhinderten die Brandenburger eine Fusion mit Berlin. Die Gründe dafür sind sicherlich vielseitig; u. a. kann man aber den Wunsch der Brandenburger Bevölkerung nach dem Aufbau einer eigenen Lokalidentität nennen und die Skepsis, wieder in den „Machtbereich“ Berlins zu fallen. Die West-Berliner stimmten mehrheitlich für eine Fusion. Endlich aus ihrer Insellage befreit, wollten sie am liebsten sofort den Zustand vor der Teilung Berlins wieder herstellen. Doch die tief greifenden, strukturplanerischen Veränderungen ließen dies nicht ohne weiteres zu.
3 Berlin und Brandenburg: Bundesländer mit unterschiedlichen Gegebenheiten
Mit dem Stadtstaat Berlin und dem ländlich geprägten Flächenland Brandenburg ste- hen sich zwei sehr unterschiedliche Bundesländer gegenüber. Die Bundeshauptstadt Berlin hat eine Gesamtgröße von 891 km². Hier leben rund 3,4 Mio. Menschen6, was einer Einwohnerdichte von 3.804 Einwohner/ km²7 entspricht. Im Jahr 2003 wurde ein Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 77,3 Mrd. Euro8 von rund 1,5 Mio. Erwerbstäti- gen9 erwirtschaftet. Dem tertiären Sektor und besonders den hochwertigen Dienst- leistungen kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. 2002 erwirtschaftete der Bereich Fi- nanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleistungen mehr als ein Drittel der Berliner Wirtschaftsleistung10. Der Sitz zahlreicher nationaler und internationaler Ein- richtungen macht Berlin zu einer bedeutenden Stadt, weit über die Landesgrenzen hinaus.
Das Bundesland Brandenburg als unmittelbarer Nachbar Berlins stellt sich ganz anders dar. Auf einer Fläche von rund 29.500 km² leben hier nur rund 2,6 Mio. Menschen11. Im Jahr 2003 erwirtschaftete Brandenburg ein BIP von 41,9 Mrd. Euro12. 4,2 % der Arbeitnehmer arbeiteten 2003 im primären Sektor. Brandenburg, besonders der äußere Entwicklungsraum, ist in großen Teilen agrarisch geprägt. Die Unterschiede werden in Abb.2 dargestellt.
Durch Berlins, vor allem wirtschaftliche Dominanz gegenüber seinem Nachbarland, entstehen innerhalb Brandenburgs große regionale Disparitäten. Am Beispiel der Einwohnerzahl lässt sich dies gut erkennen. Die durchschnittliche Bevölkerungsdich- te Brandenburgs liegt bei 88 Einwohner/ km². Im engeren Verflechtungsraum zu Ber- lin liegt sie bei 217 Einwohner/ km²13. Die Disparitäten werden aber auch in anderen Bereichen deutlich, so z.B. in der Arbeitslosenquote und der Wertschöpfung.
Das Land Brandenburg ist im Vergleich zu den restlichen neuen Bundesländern das einzige mit leichtem Bevölkerungszuwachs14. Dies ist fast ausschließlich durch Wan- derungsgewinne im engeren Verflechtungsraum, zu Lasten Berlins, zu erklären. Die Brandenburger Bevölkerung konzentriert sich verstärkt in Städten. Die ländlichen Regionen sind in der Mehrzahl dünn besiedelt und die Gemeinden sind meist kleiner als im Bundesdurchschnitt. Unterschiede zwischen Stadt und Land sind in Branden- burg schärfer ausgeprägt als in anderen Bundesländern. Auf dem Land gibt es zum Teil nur wenig Einrichtungen, die kommunale Versorgungs- und Verwaltungsaufga- ben auch für das Umland wahrnehmen. Der wirtschaftlichen Stärkung ländlicher Ge- biete sind somit Schranken gesetzt.
Dieser kurze Einblick zeigt deutlich die Unterschiede der beiden Regionen auf. Mit diesen Disparitäten planerisch umzugehen und ein zukunftsfähiges Modell für deren Abbau zu entwickeln, ist u.a. Aufgabe der Landesplanung.
4 Exkurs in die Raum- und Landesplanung
„Die Raumordnungspolitik ist ein staatliches Instrument, um die Ausgestaltung von Lebens- und Wirtschaftsräumen zu lenken. Über Gesetze und Verordnungen wird dabei versucht, eine Landesentwicklung auszulösen, die das Leben und die Versorgung gegenwärtiger und kommender Generationen sichert“15. Raumordnungspolitik und -planung sind Aufgabe des Bundes. Das Raumplanungsgesetz der Bundesrepublik sieht vor, dass langfristig in allen Teilräumen annähernd gleiche Lebensbedingungen zu schaffen sind und Disparitäten abgebaut werden sollen. Bei den auffallenden Unterschieden zwischen Stadt und Land, gerade am Beispiel Berlin und Brandenburg deutlich erkennbar, ist dies keine leichte Aufgabe.
Auf Bundesländerebene greifen die Landesentwicklungspläne bzw. -programme, welche den Raumordnungsplänen untergeordnet sind. Dies ist in Abb.3 dargestellt. Ihre Ziele sind die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Teilräumen, Sicherung der natürlichen Arbeits- und Lebensbedingungen, Nutzung endogener Potentiale und Bündlung der knappen öffentlichen Ressourcen.
Als grundlegende Methode der Raumordnung, gilt das System der zentralörtlichen Gliederung. Es unterscheidet Siedlungen in so genannte Zentrale Orte. Als Zentrale Orte werden Siedlungen angesehen, welche Versorgungsfunktionen für ein größeres Gebiet übernehmen. Entsprechend ihrer Bedeutung werden sie verschiedenen Grup- pen zugeordnet. Eine grobe Unterteilung ist die in: Ober-, Mittel- und Unterzentren. Allgemein kann man sagen, dass Oberzentren über ein umfangreiches überregiona- les Angebot des Handels, der Verwaltung und Dienstleistungen sowie der Bildung und Kultur verfügen. Dies sind meist Städte von nationaler bzw. internationaler Be- deutung. Mittelzentren sind häufig Kreisstädte, welche über die Grenzen eines Land- kreises hinaus bedeutsam sind, nicht aber an das Niveau eines Oberzentrums heran- reichen. Im Land Brandenburg sind dies zum Beispiel Prenzlau und Rathenow.
[...]
1 SCHERF; VIEHRIG 2005: 373.
2 vgl. SCHERF; VIEHRIG 2005: 377.
3 vgl. RÄDER 2000: 3.
4 HOFFMANN 1993: 87.
5 vgl. SCHERF; VIEHRIG 2005: 375.
6 Stand 12/ 2003, Quelle: www.statistik-berlin.de/framesets/berl.htm.
7 Quelle: www.statistik-berlin-brandenburg.de.
8 www.blc.berlin.de/de/div/frame1.html.
9 Quelle: www.statistik-berlin.de/framesets/berl.htm.
10 36,2 % der Berliner Wirtschaftsleistung, Quelle: www.blc.berlin.de/de/A/i/2/seite2.jsp?calltype=showdirect#2.
11 Quelle: www.statistik-berlin-brandenburg.de/.
12 Quelle: www.statistik-berlin-brandenburg.de/.
13 217 Einwohner/ km² im engeren Verflechtungsraum Brandenburgs.
14 Quelle: www.statistik-berlin-brandenburg.de/.
15 HOFFMANN 1993: 79.
- Citar trabajo
- M.A. Geograph Felix Weickmann (Autor), 2004, Das Modell der „Dezentralen Konzentration“ im Bundesland Brandenburg, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78356