Eine der bekanntesten Geschichten des Alten Testaments ist die Geschichte aus Gen 22, in der Gott seinen Diener Abraham dazu auffordert ihm seinen einzigen Sohn, Isaac, zu opfern. Anstandslos will Abraham Gottes Willen tun. Er nimmt seinen Sohn mit auf einen Berg, fesselt ihn dort und gerade als er ihn mit seinem Messer töten will, fällt ihm ein Engel Gottes in den Arm. Dieser will, dass Abraham das Leben seines Sohnes verschont und zeigt ihm einen Widder, den er an dessen Statt opfern soll. Diesen Moment des Eingreifens des Engels des Herrn hielt Rembrandt in seinem Gemälde von 1634 fest und zeigt in beeindruckender Weise das eigentlich doch so brutale Handeln Abrahams, das aus dem Text in seinem vollen Ausmaß so nicht unbedingt herauszuhören ist. Mehrere Punkte lassen den aufmerksamen Leser von Gen 22,1-19 stutzen: Sara, Abrahams Frau, gebar Isaac in sehr hohem Alter. Eigentlich wären Abraham und sie nicht mehr in der Lage gewesen Kinder zu bekommen. „Sara wurde schwanger und gebar dem Abraham noch in seinem Alter einen Sohn zu der Zeit, die Gott angegeben hatte.“1 Isaac war also ein Geschenk Gottes, und das fordert Gott von Abraham zurück? Und warum sollte ein allgütiger Gott seinen Diener dazu auffordern, zu töten was er so sehr liebt? Weiterhin fallen Lücken im Text und dem weiteren Verlauf der Geschichte auf: Wie reagiert Isaac auf das Handeln seines Vaters? Was ist die Rolle Saras? Erfährt sie davon? All diese Fragen, auch die nach Gottes Intention und Abrahams blinden Gehorsam inspirierten Theologen, Philosophen genauso wie Künstler aller Epochen. Ganze Bücher beschäftigen sich mit der Schuldfrage Abrahams (Carol Delaney: Abraham on Trial, Sören Kierkegaard: Furcht und Zittern). In dieser Seminararbeit wird versucht werden den Text von Gen 22 formkritisch zu untersuchen und abschließend mögliche Rückschlüsse auf den Inhalt der Geschichte darzustellen.
Inhaltsverzeichnis
I Einleitung
II Arbeitsübersetzung
III Kritische Analyse
1 Textkritik
2 Literarkritik
2.1 Textabgrenzung
2.2 Inkohärenzen und Synthese der kohärenten Textteile
3 Formkritik
3.1 Personen und Rollen
3.2 Handlung und Rede
3.3 Gliederung
3.4 Erzähltechnik
IV Aussage des Textes / Resümee
Bibliographie
I Einleitung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Eine der bekanntesten Geschichten des Alten Testaments ist die Geschichte aus Gen 22, in der Gott seinen Diener Abraham dazu auffordert ihm seinen einzigen Sohn, Isaac, zu opfern. Anstandslos will Abraham Gottes Willen tun. Er nimmt seinen Sohn mit auf einen Berg, fesselt ihn dort und gerade als er ihn mit seinem Messer töten will, fällt ihm ein Engel Gottes in den Arm. Dieser will, dass Abraham das Leben seines Sohnes verschont und zeigt ihm einen Widder, den er an dessen Statt opfern soll. Diesen Moment des Eingreifens des Engels des Herrn hielt Rembrandt in seinem Gemälde von 1634 fest und zeigt in beeindruckender Weise das eigentlich doch so brutale Handeln Abrahams, das aus dem Text in seinem vollen Ausmaß so nicht unbedingt herauszuhören ist. Mehrere Punkte lassen den aufmerksamen Leser von Gen 22,1-19 stutzen: Sara, Abrahams Frau, gebar Isaac in sehr hohem Alter. Eigentlich wären Abraham und sie nicht mehr in der Lage gewesen Kinder zu bekommen. „Sara wurde schwanger und gebar dem Abraham noch in seinem Alter einen Sohn zu der Zeit, die Gott angegeben hatte.“[1] Isaac war also ein Geschenk Gottes, und das fordert Gott von Abraham zurück? Und warum sollte ein allgütiger Gott seinen Diener dazu auffordern, zu töten was er so sehr liebt? Weiterhin fallen Lücken im Text und dem weiteren Verlauf der Geschichte auf: Wie reagiert Isaac auf das Handeln seines Vaters? Was ist die Rolle Saras? Erfährt sie davon? All diese Fragen, auch die nach Gottes Intention und Abrahams blinden Gehorsam inspirierten Theologen, Philosophen genauso wie Künstler aller Epochen. Ganze Bücher beschäftigen sich mit der Schuldfrage Abrahams (Carol Delaney: Abraham on Trial, Sören Kierkegaard: Furcht und Zittern). In dieser Seminararbeit wird versucht werden den Text von Gen 22 formkritisch zu untersuchen und abschließend mögliche Rückschlüsse auf den Inhalt der Geschichte darzustellen.
II Arbeitsübersetzung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
III Kritische Analyse
1 Textkritik
Eine erste Auffäligkeit findet man in Vers 11: Er fällt aus der Reihe, da hier nicht die vorher durchgehend von Vers 1 bis 14 verwendete elohistische Gottesbezeichnung benutzt wird; es ist stattdessen vom „Jahweboten“ die Rede. Hierbei scheint es sich um eine nachträgliche Anpassung an Vers 15 zu Handeln.[2] Auch die jahwistischen Namensätiologien in Vers 14, sind vermutlich das Ergebnis nachträglicher Überarbeitung.[3] Als Grund gibt Walther Zimmerli die Verbindung mit der Ortsangabe Moria in Vers 2 an. Demnach heben sich dann die Verse 15 bis 18 als ein Nachtrag ab.[4] Die als Botenwort gebrauchte Gottesspruchformel und das Einbringen der Segnungsterminologie des Jahwisten legen es nahe, dass auch hier eine Nachinterpretation stattfand.[5]
Im zweiten Vers sind für das Land Moria mehrere Lesarten möglich, von „Land der Erscheinung“ bis „Land der Amoriter“ benennen. „Land der Erscheinung“ bezieht sich auf 2 Chr 3,1, die einzige weitere Stelle des AT wo das Land bzw. der Ort Moria Erwähnung findet. „Salomo, begann das Haus des Herrn in Jerusalem auf dem Berg Morija zu bauen, wo der Herr seinem Vater David erschienen war, an der Stätte, die David bestimmt hatte, auf der Tenne des Jebusiters Arauna.“[6] Diese Ortsbenennung ist ein Rückverweis auf 1 Chr 21, wo Gott David den Auftrag gibt auf jener Tenne den Tempel zu errichten. Bei Josephus wird diese Ortsbezeichnung in Gen 22 sogar zu „Berg, wo später der König David einen Tempel baute.“[7] Die Übersetzung von Moria als Erscheinung steht in klarem Zusammenhang mit Gen 22, 14, wo der Jahwename aber, wie bereits weiter oben in diesem Kapitel erwähnt, den Verdacht einer nachträglichen Änderung erweckt. Ebenso steht auch in Vers 2 das Wort Moria unter Verdacht einen früheren Namen verdrängt zu haben. Es bleibt zu vermuten, dass durch diese Änderung beabsichtigt wurde, das Geschehen von Gen 22 nachträglich auf den späteren Tempelberg zu verlegen.[8]
Erkenntnisse einer weiterführenden textkritischen Untersuchung von Gen 22 bleiben dem Kenner der hebräischen Sprache vorbehalten, sind doch die übrigen Abweichungen in den Verschiedenen Textausgaben und Übersetzungen vor allem auf Abschreibe- und Vokalisationsfehler zurückzuführen, die inhaltlich wie bedeutungsmäßig eine nur unwesentliche Relevanz für diese Erzählung haben.
2 Literarkritik
2.1 Textabgrenzung
In dem der Erzählung von Gen 22 vorausgehenden Kapitel wird zunächst von Isaaks Geburt berichtet.[9] Gott nimmt sich Saras an, woraufhin diese, laut eines Versprechens Gottes, schwanger wird und später den Sohn gebiert, den Abraham Isaak nennt. In den darauf folgenden Versen tritt Sara an Abraham heran und bittet ihn, seine Magd Hagar und deren Sohn Ismael, welcher auch ein Sohn Abrahams ist, zu verstoßen, damit Isaak alleiniger Erbe seines Vaters wird.[10] Gott befiehlt Abraham auf seine Frau Sara zu hören und kündigt an, dass alle Nachkommen Abrahams nach Isaak benannt werden sollen. Nachdem Hagar wegzieht und in der Wüste mit ihrem Kind zu verdursten droht, erbarmt sich Gott dem Kind und gibt ihm zu trinken. Danach wird ein Gespräch zwischen Abraham, Abimelech und dessen Feldherr Pichol überliefert, in dem Abraham das Versprechen abgenommen wird, weder Abimelech noch seine Thronfolger jemals zu hintergehen.[11] Abraham leistet den Eid und berichtet, dass Knechte Abimelches ihm einen Brunnen weggenommen hätten. Als Beweis, dass Abraham selbst den Brunnen gegraben habe, gibt er Abimelech sieben Lämmer und nennt das Land Beerscheba (Siebenbrunn). Die Erzählung endet mit dem Satz: „Darauf hielt sich Abraham längere Zeit als Fremder im Philisterland auf.“ Somit ist die Erzähleinheit von Gen 21 abgeschlossen. Dieser Eindruck wird auch von der Einleitungsformel in Gen 22,1a bekräftigt: „Es geschah nach diesen Ereignissen“.
Auf ähnliche Art lässt sich das Ende der Texteinheit von Gen 22 feststellen. Im letzten Vers heißt es: „Da kehrte Abraham zu seinen Dienern zurück. Da machten sie sich auf und gingen gemeinsam nach Beerscheba. Da blieb Abraham in Beerscheba.“[12] Der darauf folgende Vers Gen 22, 20 enthält eine ähnlichen Einleitungsformel wie der Beginn des Kapitels: „Nach diesen Ereignissen meldete man Abraham: […]“ Gen 22,1-19 ist – zumindest von der Textabgrenzung her – eine Texteinheit.
[...]
[1] Gen 21,2
[2] vgl. Zimmerli, S. 109
[3] ebd.
[4] ebd.
[5] ebd.
[6] 2 Chr 3,1
[7] vgl. Zimmerli, S. 110
[8] ebd.
[9] Gen 21, 1-8
[10] Gen 21, 9-21
[11] Gen 21, 22-34
[12] Gen 22,19
- Quote paper
- Christian Schlegel (Author), 2004, Abrahams Opfer - Gen 22, 1 - 19, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78188
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