„Aufbruch des einzelnen in die Menschheit – Irrtum als Einzelner menschlich zu sein - ein Nein – gegen Betonmauer geführte Straßenkurve: das ist Von morgens bis mitternachts.“
Das zweiteilige Stationendrama „Von morgens bis mitternachts“ entstand 1912, erschien 1916 und wurde 1917 in München uraufgeführt. Es gehört zu den über 70 Dramen Georg Kaisers, ist aber eines seiner bekanntesten und bühnenwirksamsten Stücke. Es wurde in sechs europäische Sprachen übersetzt, darunter auch ins Polnische und Tschechische. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es in Paris wieder auf den Bühnenspielplan gesetzt, noch bevor dies in Deutschland der Fall war.
Eine große internationale Resonanz also, doch wovon handelt das Werk? Welche Verknüpfungen lassen sich zwischen diesem Drama und Kaisers Vision vom „kommenden Menschen“ , welche er ja in einigen Dramen und Aufsätzen zur Sprache bringt, finden?
Die hier aufgeworfenen Fragen sollen die Orientierungshilfen dieser Arbeit sein. Das Ziel soll dabei sein, sie soweit wie möglich zu beantworten, um ihre Ergebnisse am Schluss einem interessanten Aspekt aus Kaisers Biografie gegenüber zu stellen.
Zuvor wird sich die Arbeit mit Kaisers Aufsatz „Der kommende Mensch“ auseinandersetzen, um - nach einer Darstellung des Drameninhalts - beides hinsichtlich des im Aufsatz aufgezeigten theoretischen Ansatzes und dessen praktische Realisierung im Drama zu untersuchen und mit Blick auf den „neuen Menschen“ zu vergleichen.
Die internationale Forschung hat sich ausgiebig mit dem schwer zu greifenden Phänomen Georg Kaiser auseinandergesetzt. Seine Biografie wird, bis auf die Einzelschwerpunkte, auf die noch vergleichend eingegangen wird, als in groben Zügen bekannt vorausgesetzt. Der Leser sollte zudem über Grundkenntnisse den literarischen Expressionismus betreffend verfügen sowie Kenntnisse über das Drama als Gattungsform besitzen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Kaisers Vision: „Der kommende Mensch“
3 „Von morgens bis mitternachts“
4 „Der kommende Mensch“ und „Von morgens bis mitternachts“
5 Der Kassierer und Georg Kaiser
6 Schlussbetrachtungen
7 Verwendete Literatur
1 Einleitung
„Aufbruch des einzelnen in die Menschheit – Irrtum als Einzelner menschlich zu sein - ein Nein – gegen Betonmauer geführte Straßenkurve: das ist Von morgens bis mitternachts. “[1]
Das zweiteilige Stationendrama „Von morgens bis mitternachts“ entstand 1912, erschien 1916 und wurde 1917 in München uraufgeführt. Es gehört zu den über 70 Dramen Georg Kaisers, ist aber eines seiner bekanntesten und bühnenwirksamsten Stücke. Es wurde in sechs europäische Sprachen übersetzt, darunter auch ins Polnische und Tschechische. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es in Paris wieder auf den Bühnenspielplan gesetzt, noch bevor dies in Deutschland der Fall war.
Eine große internationale Resonanz also, doch wovon handelt das Werk? Welche Verknüpfungen lassen sich zwischen diesem Drama und Kaisers Vision vom „kommenden Menschen“[2], welche er ja in einigen Dramen[3] und Aufsätzen[4] zur Sprache bringt, finden?
Die hier aufgeworfenen Fragen sollen die Orientierungshilfen dieser Arbeit sein. Das Ziel soll dabei sein, sie soweit wie möglich zu beantworten, um ihre Ergebnisse am Schluss einem interessanten Aspekt aus Kaisers Biografie gegenüber zu stellen.
Zuvor wird sich die Arbeit mit Kaisers Aufsatz „Der kommende Mensch“ auseinandersetzen, um - nach einer Darstellung des Drameninhalts - beides hinsichtlich des im Aufsatz aufgezeigten theoretischen Ansatzes und dessen praktische Realisierung im Drama zu untersuchen und mit Blick auf den „neuen Menschen“ zu vergleichen.
Die internationale Forschung hat sich ausgiebig mit dem schwer zu greifenden Phänomen Georg Kaiser auseinandergesetzt. Seine Biografie wird, bis auf die Einzelschwerpunkte, auf die noch vergleichend eingegangen wird, als in groben Zügen bekannt vorausgesetzt. Der Leser sollte zudem über Grundkenntnisse den literarischen Expressionismus betreffend verfügen sowie Kenntnisse über das Drama als Gattungsform besitzen.
2 Kaisers Vision: „Der kommende Mensch“
Die Idee einer Erneuerung des Menschen ist in der Geistesgeschichte schon lange anzutreffen und absolut nicht neu. Im Prinzip sind schon die Zehn Gebote eine Wegvorgabe, Regeln, wie sich der Mensch zu verhalten hat, um ein besserer Mensch zu werden. Eine Vision sozusagen, die, wenn sich alle in einer Gemeinschaft danach richten und den Sinn der Regeln erkennen, ein besseres Zusammenleben aller verspricht. Vor allem im 19. Jahrhundert wird diese Idee, die sich allmählich zu einem Ruf nach Erneuerung entwickelte, von Intellektuellen aufgegriffen und verarbeitet. Karl Marx und Friedrich Engels wollten soziale Erneuerungen durch einen Arbeiter, der erkennt, welche Macht er in der Masse innerhalb der Gesellschaft besitzt, um so seine Ansprüche geltend zu machen. Auch bei Friedrich Nietzsche ist die Vision vom erneuerten Menschen entwickelt worden.
Bei Georg Kaiser ist die Erneuerung des Menschen der Grund und das Ziel des Dramas. Fast alle seine dramatischen Werke berühren dieses für ihn so immens wichtig Thema. Auch auf einer nicht-dramatischen, theoretischen Ebene beschäftigte er sich mit dieser Frage, z.B. in seinem Aufsatz „Der kommende Mensch“. Im Folgenden soll die Erneuerung, wie sie Kaiser sich vorstellte, kurz beschrieben werden.
Im Zentrum steht die Erneuerung des Einzelmenschen, der sich aus seiner „Verschüttung“[5], aus seiner Enge befreien muss, um somit die Wandlung der Gesellschaft anzustoßen.
„Fortschritte Einzelner werden von der Gesamtheit eingeholt. Der Berg wird zur Ebene, auf dem alle siedeln. Dann reguliert sich die Energie irdisch und erhaben. Der Mensch ist da!“[6]
Aus dem Wollen des Einzelnen kann und muss sich die Gesellschaft weiter entwickeln.
In dem Aufsatz „Der kommende Mensch“ beschreibt Kaiser den gegenwärtigen Zustand der Menschheit und bezieht sich damit auf den Beginn des 20. Jahrhunderts in Deutschland. Dieser gegenwärtige Zustand sei als Übergang oder Wegstufe gekennzeichnet. Die gesamte Entwicklung der Menschheit umfasse drei Stufen. Momentan befinde sich die Menschheit auf der zweiten Stufe. Die erste, die Primitivstufe sei schon überwunden und nun müsse, wie oben beschrieben, ein Einzelner aus der Gesellschaft den Anstoß zum idealen Fernziel geben. Das Drama soll dabei helfen, aus diesem Übergangsstadium, aus diesem Tunnel herauszutreten und das Gute im Menschen freizulegen – es aus der „Verschüttung“ (wie Anm. 5) hervorzuheben. „Das Drama ist ein Durchgang – aber das Sprungbrett direkt ins komplette.“[7]
Allerdings werde dieses Ideal erst in ferner Zukunft erreicht; die Menschen dieser Zeit[8], so glaubte Kaiser, werden an dem Idealzustand nicht teilhaben können. Am Ende dieser Entwicklung stehe der „gekonnte Mensch“[9], so bezeichnete ihn Kaiser. Die Geschichte sei demnach ein zielgerichteter Prozess, den sich der Mensch nur erst wieder ins Gedächtnis zurück rufen müsse, damit er diesen Weg auch beschreiten kann.
Es handelt sich folglich um kein zirkuläres, sondern um ein lineares Bild der menschlichen Entwicklung. Dies ist wichtig zu verstehen, da eine der Kernaussagen in „Von morgens bis mitternachts“ dem diametral gegenüber steht, worauf aber erst nach der Inhaltsanalyse des Dramas eingegangen werden kann.
Um die Notwendigkeit der Erneuerung des Menschen herauszustellen, zeigt Kaiser in seinen Dramen immer wieder auf, wie sehr sich der Mensch und die Gesellschaft in einem katastrophalen, ja pervertierten Zustand befänden. Manfred Kuxdorf hat für diese beklagenswerte Situation den Begriff der „Entmenschung“[10] verwendet, der die unterste der drei kaiserschen Stufen auf der Entwicklungsleiter benennen soll. In indirekter Art verdeutlicht Kaiser in der Form seiner dramatischen „Helden“, wie der neue Mensch aussieht oder auszusehen habe, um das Gute im Menschen aus seiner „Verschüttung“ (wie Anm. 5) hervorzuheben.
[...]
[1] Kaiser, Georg: Über mein Werk, in: Huder, Walther (Hg.): Georg Kaiser. Werke. Bd. IV, Frankfurt a.M./Berlin/Wien 1970-1972, S. 563.
[2] Kaiser, Georg: Der kommende Mensch, in: Huder, Walther (Hg.): Georg Kaiser. Stücke. Erzählungen. Aufsätze. Gedichte, Franfurt a.M./ Wien/Zürich 1966, S. 679-683.
[3] Vgl. z.B. Gas I und Gas II.
[4] Vgl. dazu die Aufsatzsammlung bei Huder (wie Anm. 2).
[5] Kaiser wählte diese Begrifflichkeit u.a. in seinem Drama Gas I. „So tief hat es euch verschüttet.“ Georg Kaiser: Gas I, hrsg. v. Ekkehart Mittelberg, Frankfurt a.M. 1991, S. 18.
[6] Kaiser: Der kommende Mensch (wie Anm. 2), S. 683.
[7] Kaiser, Georg: Der Mensch im Tunnel, in: Huder, Walther (Hg.): Georg Kaiser. Stücke. Erzählungen. Aufsätze. Gedichte, Franfurt a.M./ Wien/Zürich 1966, S. 692. Dieser Aufsatz erschien auch unter dem Namen: „Der Dichter und das Drama“.
[8] Gemeint ist wieder die Zeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
[9] Kaiser: Der kommende Mensch (wie Anm. 2), S. 683.
[10] Kuxdorf, Manfred: Die Suche nach dem Menschen im Drama Georg Kaisers, Bern/Frankfurt a.M. 1971, S. 19.
- Citation du texte
- Daniel Sosna (Auteur), 2006, Die Idee vom „neuen Menschen“ in Georg Kaisers „Von morgens bis mitternachts“ und im Aufsatz „Der kommende Mensch“ und deren antithetische Beziehung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78122
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